BVerfG, Beschluss vom 15.07.2010 - 2 BvR 1023/08
Fundstelle
openJur 2010, 706
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ws 170/08
Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 20. Februar 2008 - 23 StVK 72/08 - verletzt, soweit er den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 22. April 2008 - 1 Ws 170/08 (StrVollz), 1 Ws 171/08 (StrVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Die Sache wird an das Landgericht Hildesheim zurückverwiesen.

5. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu drei Vierteln zu erstatten.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die kurzzeitige Unterbringung eines Strafgefangenen in einem mit gewaltverherrlichenden rassistischen Schmierereien versehenen Haftraum des Transporthauses einer niedersächsischen Strafvollzugsanstalt.

1. Der Beschwerdeführer war im Zuge seiner Verlegung von der Justizvollzugsanstalt S. in die Justizvollzugsanstalt R. für drei Tage im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. untergebracht. Nach Beendigung dieser Unterbringung beantragte er gemäß §§ 109 ff. StVollzG,

„1. festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin veranlasste Verlegung des Antragstellers in die JVA R., die mit einer Unterbringung des Antragstellers im Transporthaus IV der JVA H. verbunden war, gegen Artikel 1 GG verstoßen hat.
2. die Antragsgegnerin für Fälle der Besuchsverlegung bzw. des Aufenthaltes des Antragstellers aus anderen Gründen in der Anstalt der Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zukünftig nur dann über ein Transporthaus einer anderen Anstalt zu transportieren, wenn die Antragsgegnerin zuvor sichergestellt hat, dass
a) sich keine Hakenkreuze und/oder antisemitische und/oder andere menschenverachtende Texte an den Wänden der Hafträume befinden.
b) Urin nicht in den Wänden der Hafträume hochzieht.
c) die Wände nicht mit Kot beschmiert sind.“

Zur Begründung trug er vor, Ende 2006 habe er sich anlässlich einer Zeugenaussage im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. befunden. Der Transport sei von der Antragsgegnerin - der Justizvollzugsanstalt S. - organisiert gewesen. In dem Transporthaus hätten sich an den Wänden Hakenkreuze und rassistische Texte befunden, von denen er einige wiedergebe:

„Hackt den Juden die Schwänze ab, damit sie keine weiteren Juden machen können.“
„Hitler hat nur einen Fehler gemacht: Er hat nicht alle Juden vergast.“
„Nur ein toter Jude ist ein guter Jude.“
„Deutsche, reisst den Judenvotzen die Eierstöcke raus.“

Als er im Mai 2007 zu einer weiteren Zeugenaussage geladen worden sei, habe er beantragt, nicht wieder über das fragliche Haus der Justizvollzugsanstalt H. transportiert zu werden, da die dortige Unterbringung gegen die Menschenwürde verstoße. Die Strafvollstreckungskammer habe den entsprechenden Antrag unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass Hakenkreuze an den Wänden keine menschenunwürdige Unterbringung ausmachten; auf die Texte an den Wänden sei sie nicht eingegangen. Der Transport sei dann wegen Terminabsetzung nicht zustandegekommen.

Vom 9. bis zum 11. Januar 2008 sei er im Zuge seiner Verlegung gegen seinen erklärten Willen aufgrund Transportanweisung der Antragsgegnerin erneut im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. untergebracht gewesen. Dort hätten sich an den Wänden der Zelle 4205 Hakenkreuze und menschenverachtende Texte befunden. Nur beispielhaft gebe er Nachstehendes wieder:

„Dreckiges Ausländerschwein. Deutsche Stiefel werden Dich töten. Die animalische Grotte Deiner Mutter muss mit einem Lötkolben Bekanntschaft machen. Du abartiges Stück Dreck. Man muss Euch auf bestialische Art und Weise zeigen, dass man Euch in Deutschland nicht will. Raus mit Euch und Eurer Sippenhaft. Sonst werden einige von Euch die Nachricht als lebende Fackel zu verkünden haben. Gleiches gilt für Sinti und Romaabfall. Ihr dreckiges Volk von Bettlern und Hausierern. Eure dreckige Brut muss ausgerottet werden. Ihr habt kein Land. Ihr gehört nicht auf diese Welt. Ihr Tiere. Tod den Sintis.“

Darüber hinaus habe sich Kot an den Wänden befunden.

Die Justizvollzugsanstalt habe unter anderem durch einen Antrag, den der Beschwerdeführer im Mai 2007 gestellt habe, um eine damals wegen erneuter Ladung als Zeuge anstehende erneute Verbringung über das fragliche Transporthaus abzuwenden, seit langem Kenntnis von den menschenwürdewidrigen dortigen Zuständen. Trotzdem ordne sie weitere derartige Unterbringungen an. Nach § 12 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) seien die Vollzugsbediensteten verpflichtet, für Ordnung und Sauberkeit in allen Räumen zu sorgen. Der rechtswidrige Sachverhalt sei nicht beendet, da neue Verlegungen möglich seien.

2. Das Landgericht wies mit angegriffenem Beschluss den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurück. Die in der vorübergehenden Unterbringung im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. liegende Beschwer sei durch Verlegung in die Justizvollzugsanstalt R. weggefallen. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG setze ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit voraus, das zu bejahen sei, wenn sich die angefochtene Maßnahme bei späteren Entscheidungen für den Antragsteller nachteilig auswirken könne oder eine Wiederholungsgefahr nicht auszuschließen sei. Eine solche Gefahr müsse sich konkret abzeichnen. Daran fehle es hier. Für eine Rückverlegung des Beschwerdeführers in absehbarer Zeit fehlten konkrete Anhaltspunkte. Der gestellte Verpflichtungsantrag sei aus demselben Grund unzulässig und darüber hinaus unbegründet, da es an der Passivlegitimation der Antragsgegnerin fehle. Eine etwaige Rückverlegung falle in die Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalt R.; diese und nicht die Antragsgegnerin habe daher auch über den Transportweg zu entscheiden.

3. Mit seiner am 18. März 2008 protokollierten Rechtsbeschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, er habe aus Art. 1 GG und nach dem Strafvollzugsgesetz Anspruch darauf, nicht in der beschriebenen Weise mit antisemitischen Texten und Hakenkreuzen konfrontiert zu werden. Nach der Argumentation des Landgerichts könne er auf dem Transport auch im Schweinestall untergebracht werden, vorausgesetzt er werde danach in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt. Dieser Gedanke sei aberwitzig. Ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, sei zunächst nicht von Bedeutung. Denn wenn eine Rechtswidrigkeit nur für den Fall einer Wiederholung festgestellt werden könnte, seien gerichtliche Entscheidungen gegen einmalige Rechtswidrigkeiten nicht möglich. Der Beschwerdeführer sei dann der Antragsgegnerin schutzlos ausgeliefert. Nachdem er schon einige Male im Transporthaus untergebracht war, könne zudem eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere strebe er eine Zurückverlegung in die heimatnahe Justizvollzugsanstalt S. an, da sich ihm dort bessere Wiedereingliederungschancen böten. Somit bestehe die konkrete Gefahr, dass er auch in Zukunft mit den menschenunwürdigen Haftbedingungen im Transporthaus der Justizvollzugsanstalt H. konfrontiert werde.

4. Das Oberlandesgericht verwarf durch Beschluss vom 22. April 2008 die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

II.

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und seines Rechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Gerichte hätten die Unverletzlichkeit der Menschenwürde nicht berücksichtigt. Mit seiner Verlegung in die Justizvollzuganstalt R. habe sich das Problem nicht erledigt.

2. Das Niedersächsische Justizministerium hat wie folgt Stellung genommen: Nach Mitteilung des zuständigen Vollzugsabteilungsassistenten sei der betreffende Haftraum in der Justizvollzugsanstalt H. im Januar 2008, als der Beschwerdeführer dort untergebracht gewesen sei, tatsächlich erheblich mit Schmierereien, unter anderem auch mit Hakenkreuzen, verunstaltet gewesen. Ob eine Verschmutzung bereits im Jahr 2006 existiert habe, könne nicht mehr nachvollzogen werden, ebensowenig eine Verschmutzung der Zellwände mit Exkrementen. Grundsätzlich werde nach Auflösung eines Haftraums dieser gründlich gereinigt. Wenn dabei Schmierereien auffielen, würden diese in der Regel umgehend beseitigt. Im vorliegenden Fall seien sie am 30. Januar 2008 überstrichen worden. Aufgrund der hohen Fluktuation in der Transportabteilung und des fehlenden Verantwortungsbewusstseins der dort kurzzeitig untergebrachten Gefangenen sei eine vollständige Vermeidung zukünftiger Verunstaltungen jedoch nicht zu realisieren. Soweit der Beschwerdeführer ausführe, dass mit seiner Verlegung zu rechnen sei, weil in der Justizvollzugsanstalt R. keine Langzeitbesuche zugelassen seien, sei anzumerken, dass seit September 2008 in R. Langzeitbesuche grundsätzlich möglich seien.

3. Der Beschwerdeführer hat hierauf erwidert, die Angaben zur gründlichen Reinigung der Hafträume seien unzutreffend; die Zustände hätten sich bis heute nicht geändert. Er legt eidesstattliche Versicherungen von zwei Mitgefangenen vor, wonach die eigenen und zahlreiche andere Hafträume zum Zeitpunkt ihrer mehrtägigen Transportaufenthalte auf der betreffenden Station im April beziehungsweise Mai 2009 in völlig verdrecktem Zustand waren und sich an den Wänden Hakenkreuze und fremdenfeindliche Hetzparolen befanden. Der Beschwerdeführer trägt außerdem vor, Angehörige seiner Familie hätten in Deutschland im Konzentrationslager gesessen. Die Tolerierung der Schmierereien durch die Bediensteten belaste ihn daher sehr.

4. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, sofern sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts auch insoweit richtet, als damit der Verpflichtungsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.

2. Im Übrigen nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substanziellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 104, 220 <231 ff.>; stRspr). Der Zugang zu den staatlichen Gerichten darf nicht in einer Weise erschwert werden, die sich aus Sachgründen nicht rechtfertigen lässt. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet daher den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>).

Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es prinzipiell vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Daher ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>). Ausnahmsweise kann aber das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage auch noch nach Erledigung in besonderer Weise schutzwürdig sein (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 232 ff.).

Dies betrifft nicht nur die vom Landgericht angesprochenen Fälle der drohenden Wiederholungsgefahr (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 117, 71 <122>; stRspr) und der fortbestehenden Beeinträchtigung (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 110, 77 <85 f.>; stRspr). Unter anderem ist bei gewichtigen Eingriffen ein Feststellungsinteresse trotz zwischenzeitlicher Erledigung jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>; stRspr). Gewichtig im hier maßgeblichen Sinne sind insbesondere (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>; 117, 244 <269>), aber keineswegs ausschließlich Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. nur BVerfGE 110, 77 <86>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. März 2006 - 2 BvR 1419/05 -, juris, vom 28. September 1999 - 2 BvR 1897/95 u.a. -, NJW 2000, S. 273, und vom 14. Februar 1994 - 2 BvR 2091/93 -, juris).

Das Gewicht des geltend gemachten Grundrechtseingriffs kann auch unabhängig von der besonderen Konstellation der typischerweise vor Erreichbarkeit gerichtlichen Rechtsschutzes eintretenden Erledigung ein für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses zu berücksichtigender Gesichtspunkt sein (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <232>; 116, 69 <79>). In Verfahren, die die Haftraumunterbringung eines Gefangenen betreffen, entfällt, sofern eine Verletzung der Menschenwürde durch die Art und Weise der Unterbringung in Frage steht, das Rechtsschutzinteresse nicht mit der Beendigung der beanstandeten Unterbringung (vgl. BVerfGK 6, 344 <347 f.> m.w.N.). Eine Verletzung der Menschenwürde steht in Rede, wenn ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG substantiiert geltend gemacht wird, nach dem Sachvortrag des Rechtsschutzsuchenden also nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ein Verstoß gegen die staatliche Pflicht zur Gewährleistung der materiellen Mindestvoraussetzungen menschenwürdiger Existenz (vgl. BVerfGE 40, 121 <133>; 82, 60 <80>; 91, 93 <111>; 110, 412 <445 f.>; 113, 88 <108 f.>) vorliegt, die dem Gefangenen auch in der Haft erhalten bleiben müssen (vgl. BVerfGE 45, 187 <228>; BVerfGK 12, 410 <414 f.>).

Was den Zugang des Rechtsschutzsuchenden zu einer höheren Instanz angeht, gewährleisten weder Art. 19 Abs. 4 GG noch andere Verfassungsbestimmungen einen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; stRspr). Sehen aber prozessrechtliche Vorschriften ein Rechtsmittel vor, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 54, 94 <96 f.>; 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 112, 185 <208>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 96, 27 <39>; BVerfGK 11, 262 <266>; 12, 402 <406>).

b) Diesen Maßstäben haben die Gerichte nicht Rechnung getragen.

aa) Das Landgericht hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe verkannt, die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses nach Erledigung ergeben. Dabei kann offen bleiben, ob es eine Wiederholungsgefahr in vertretbarer Weise verneint hat. Denn jedenfalls hat es den Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es nicht berücksichtigte, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann zu bejahen ist, wenn die Feststellung eines gewichtigen Grundrechtseingriffs begehrt wird, gegen den nach dem typischen Ablauf wirksamer Rechtsschutz nicht vor Erledigung zu erlangen ist (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>), oder wenn eine gegen die Menschenwürde verstoßende Haftraumunterbringung in Rede steht (vgl. BVerfGK 6, 344 <347 f.> m.w.N.).

Der Beschwerdeführer hatte einen Sachverhalt vorgetragen, nach dem weder eine gravierende Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 sowie - unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes - Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG noch die Möglichkeit einer Verletzung seiner Menschenwürde durch die Bedingungen der Haftraumunterbringung von der Hand zu weisen waren. Die von Art. 1 Abs. 1 GG geforderte Achtung der Würde, die jedem Menschen unabhängig von seiner gesellschaftlichen Stellung, seinen Verdiensten oder der Schuld, die er auf sich geladen hat, allein aufgrund seines Personseins zukommt (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 87, 209 <228>; 107, 275 <284>; 109, 279 <313>), verbietet es grundsätzlich, Gefangene grob unhygienischen und widerlichen Haftraumbedingungen auszusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 1993 - 2 BvR 202/93 -, NJW 1993, S. 3190 f.). Dies gilt auch insoweit, als die Unerträglichkeit der Verhältnisse im Haftraum durch Verhaltensweisen anderer Gefangener bedingt ist, und betrifft auch mit physischem oder verbalem Kot beschmierte Haftraumwände. Schutz vor solchen Widerwärtigkeiten, selbst strafbarer Art, mag, wie das Niedersächsische Justizministerium geltend macht, im Haftvollzug nicht ausnahmslos und unter allen Umständen erreichbar sein. Die Frage, wann in der Beschaffenheit von Hafträumen eine Missachtung des von Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Achtungsanspruchs liegt, lässt sich nicht ohne Rücksicht auf die Umstände und auf Fragen der praktischen Realisierbarkeit beantworten (vgl. BVerfGK 12, 422 <424> m.w.N.; zur Bedeutung der Vermeidbarkeit von mit der Haft verbundenen Leiden im Hinblick auf Art. 3 EMRK s. auch EGMR, Urteil vom 15. Juli 2002 - Rs. 47095/99 -, Kalashnikov/Russland, NVwZ 2005, S. 303 <304>). Was daraus für die Bestimmung der sachlichen und zeitlichen Grenzen des unter Umständen Hinzunehmenden folgt, bedarf hier keiner näheren Klärung. Denn die Strafvollstreckungskammer hatte jedenfalls im vorliegenden Fall nicht den geringsten Anlass zu der Annahme, dass staatlicherseits alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden waren, um den vom Beschwerdeführer dargestellten Verhältnissen entgegenzuwirken oder zu vermeiden, dass er ihnen ausgesetzt wurde. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Zustände deuteten vielmehr auf das Gegenteil hin.

bb) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil sie das durch § 116 Abs. 1 StVollzG eröffnete Rechtsmittel ineffektiv macht und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lässt (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 96, 27 <39>). Die nicht weiter begründete Annahme des Oberlandesgerichts, die Überprüfung des landgerichtlichen Beschlusses sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 116 Abs. 1 StVollzG), ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hatte fristgemäß eine entsprechend der Formvorschrift des § 118 Abs. 3 StVollzG von der Rechtspflegerin protokollierte Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er unter anderem die Verfahrensrüge erhob und sich gegen die landgerichtliche Verneinung seines Fortsetzungsfeststellungsinteresses wandte. Zur Begründung hatte er geltend gemacht, es könne nicht sein, dass eine Rechtswidrigkeit nur bei Wiederholungsgefahr gerichtlich festgestellt werden könne, da anderenfalls die gerichtliche Überprüfung von (in der jeweiligen Art) einmaligen Rechtsverletzungen unmöglich sei und er daher solchen Rechtsverletzungen schutzlos ausgeliefert wäre. Genauer hätte er den Grund dafür, dass bei typischerweise vor Erreichbarkeit gerichtlichen Rechtsschutzes erledigten gewichtigen Grundrechtseingriffen Art. 19 Abs. 4 GG die Anerkennung eines Rechtsschutzinteresses auch noch nach Erledigung gebietet (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>), nicht benennen können. Bereits damit war deutlicher, als vom Beschwerdeführer erwartet werden konnte, aufgezeigt, dass die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des Verfahrensrechts nicht gerecht wurde.

Weshalb bei dieser Sachlage eine Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 116 Abs. 1, 2. Alt. StVollzG) entbehrlich gewesen sein sollte, erschließt sich nicht. Das Landgericht war von mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s.o. unter a) nicht vereinbaren Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses ausgegangen. Zwar ist anerkannt, dass es auch in Fällen, in denen die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung ausdrücklich oder implizit auf eine von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweichende fehlerhafte Rechtsauffassung gestützt hat, an der Erforderlichkeit der Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung fehlen kann, weil nicht zu erwarten ist, dass der Rechtsfehler in weiteren Fällen Bedeutung erlangen wird (vgl. OLG Schleswig, Beschlüsse vom 8. Mai 2007 - 2 Vollz Ws 78/07 -, NStZ-RR 2007, S. 326, und vom 10. Januar 2006 - 2 Vollz Ws 453/05 -, ZfStrVO 2006, S. 242; OLG Celle, Beschlüsse vom 30. Mai 1990 - 1 Ws 117/90 -, BlStVKunde 1992, Nr. 2, S. 5, und vom 14. Januar 1999 - 1 Ws 296/98 -, StV 1999, S. 554 f.). Die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde kann danach insbesondere dann verneint werden, wenn die Strafvollstreckungskammer ihren Rechtsfehler nachträglich erkannt und dies aktenkundig gemacht oder wenn das Oberlandesgericht in anderer Sache zu der Rechtsfrage Stellung genommen und sie anders beantwortet hat als die Strafvollstreckungskammer, diese das aber bei der Entscheidung noch nicht wissen konnte (vgl. Kamann/Volckart, in: Feest, StVollzG-Kommentar, 5. Aufl. 2006, § 116 Rn. 7; s. außerdem für die Möglichkeit, dass der Rechtsfehler einer Wiederholung deshalb nicht zugänglich ist, weil er eine singuläre Fallgestaltung betrifft, Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. 2008, § 116 Rn. 2). Im vorliegenden Fall bestanden aber für die Annahme, dass das Landgericht seine mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbare Rechtsauffassung nicht auch künftigen Entscheidungen zugrundelegen werde, keinerlei Anhaltspunkte. Wenn unter solchen Umständen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde verneint wird, ist das Grundrecht des Rechtsschutzsuchenden aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. April 2008 - 2 BvR 866/06 -, juris).

3. Die Entscheidung des Landgerichts, soweit sie den Fortsetzungsfeststellungsantrag des Beschwerdeführers betrifft, und die Entscheidung des Oberlandesgerichts beruhen auf den festgestellten Grundrechtsverstößen. Sie sind daher - der landgerichtliche Beschluss: insoweit - aufzuheben (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG an das Landgericht zurückverwiesen.

4. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.