Bayerischer VGH, Urteil vom 28.06.2012 - 2 B 10.788
Fundstelle
openJur 2012, 123260
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Beigeladene zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Errichtung einer Freischankfläche mit 48 Sitzplätzen auf dem Grundstück Fl.Nr. 984 der Gemarkung T… im Eigentum des Beigeladenen zu 1.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 984/1, das mit einem im Jahr 1999 errichteten Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück befindet sich in einem durch den Bebauungsplan Nr. 26 „W…“ festgesetzten reinen Wohngebiet. Es grenzt im Westen an den Fußweg mit der Fl.Nr. 984/3 an, der es vom Grundstück des Beigeladenen zu 1 trennt. Die Zufahrt zum Grundstück des Beigeladenen zu 1 befindet sich nordwestlich vom Grundstück der Klägerin.

Das Grundstück des Beigeladenen zu 1 liegt ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 26 „W…“, der dort ein Sondergebiet „Fremdenverkehr“ festsetzt. Mit Bescheid vom 27. April 2005 genehmigte der Beklagte eine Nutzungsänderung für die dort bisher bestehende Klinik zu einem Hotel Garni. Nach den Lärmschutzauflagen sind Lärmgrenzwerte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts gegenüber dem Grundstück der Klägerin einzuhalten.

Mit Bauantrag vom 13. Juni 2008 beantragte der Beigeladene zu 1 den „Einbau eines Biergartens in das bestehende Gebäude“. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 wurde klargestellt, dass die Errichtung einer Freischankfläche zum bestehenden Hotelbetrieb mit Servicebereich und Toilettenanlage geplant ist. Der im Westen des Baugrundstücks bereits bestehende Anbau mit einer Grundfläche von ca. 100 m² sollte für Bewirtungs- und Servicezwecke umgebaut werden. Nördlich davon sollte eine Toilettenanlage mit ca. 25 m² Grundfläche errichtet werden.

Mit Bescheid vom 19. März 2009 genehmigte das Landratsamt M… die Errichtung einer Freischankfläche zum bestehenden Hotelbetrieb mit Servicebereich und Toilettenanlage. Von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 26 „W…“ wurde eine Befreiung für die Überschreitung der Baugrenzen durch das Vordach auf der Westseite erteilt. Für die Auflagen zum Lärmschutz wurde ein Schreiben des Fachbereichs Technischer Umweltschutz vom 17. März 2009 in Bezug genommen, wonach der Beurteilungspegel aller von der Gaststätte und dem Wirtsgarten ausgehenden Geräusche, einschließlich dem betriebszugehörigen Fahrverkehr und Besucherlärm, die Immissionswerte von 50 dB(A) am Tag und 35 dB(A) nachts (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) unter anderem am Grundstück der Klägerin nicht überschritten werden darf. Ferner ist der Wirtsgarten-/Terrassenbetrieb auf den Zeitraum von 7.00 Uhr bis 21.30 Uhr zu beschränken. Im Freien sind Musikdarbietungen und die Aufstellung von Lautsprechern generell unzulässig.

1. Mit ihrer Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 19. März 2009 machte die Klägerin geltend, das Hotel besitze bereits eine Terrasse mit einer Grundfläche von 75 m² für die Bewirtung von 80 bis 100 Personen. Dazu kämen Speiseräume sowie ein Küchen- und Servicebereich. Eine weitere Freischankfläche könne nicht Bestandteil eines Hotel Garni sein. Es handle sich deshalb um einen selbständigen Restaurationsbetrieb und damit eine Nutzungsänderung, die dem Bebauungsplan widerspreche und auch nicht beantragt sei. Die im Bebauungsplan festgesetzte Nutzungsart sei nachbarschützend. Zwischen dem Sondergebiet und dem reinen Wohngebiet bestehe ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis mit der Folge, dass Nachbarrechte begründet würden. Die Festsetzungen im Bebauungsplan schützten gebietsübergreifend, weil mit der Festsetzung des reinen Wohngebiets das Sondergebiet geschützt werden sollte.

Der Beigeladene zu 1 führte aus, die Freischankfläche diene dem Hotel, ein selbständiger Restaurationsbetrieb sei nicht beabsichtigt. Die Freischankfläche sei nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässig, da jede Art von Hotel einen Fremdenverkehrsbetrieb darstelle. Nachbarschützende Vorschriften würden nicht verletzt.

Das Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 14. Oktober 2009 die Klage ab. Die Errichtung der Freischankfläche mit zugehörigem Servicebereich und Toilettenanlage entspreche dem Bebauungsplan, der ein Sondergebiet für die Fremdenbeherbergung festsetze. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch bestehe nicht. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt, weil ausreichende Auflagen zum Lärmschutz bestünden. Durch die Befreiung für die Überschreitung der Baugrenzen durch das Vordach auf der Westseite würden subjektive Rechte der Klägerin nicht verletzt.

2. Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung führt die Klägerin aus, das Bauvorhaben widerspreche den Festsetzungen des gültigen Bebauungsplans, weil die Ergänzungen des Bebauungsplans aus dem Jahr 2005 nichtig seien. Ferner wären auf einer maximal zulässigen Grundfläche von 2.500 m² sowohl der Betrieb einer Klinik bzw. eines Sanatoriums als auch der Betrieb eines Hotels gleichzeitig zulässig. Damit stünden sich im Sondergebiet zwei Nutzungsarten gegenüber, die aufgrund ihrer Störanfälligkeit bzw. ihres Störungsgrads im Baugebiet miteinander unvereinbar seien.

Der Klägerin stehe auch ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch zu. Dies ergebe sich aus Ziffer 5.1 der Begründung zum Bebauungsplan „W…“. Darin werde festgelegt, dass im reinen Wohngebiet östlich des Sondergebiets die Nutzungen nach § 3 Abs. 3 BauNVO und andere ausgeschlossen würden, um Störungen für den Klinik- bzw. Sanatoriumsbetrieb zu vermeiden. Daraus sei ersichtlich, dass die beiden Baugebiete in einen wechselbezüglichen Zusammenhang gesetzt worden seien, wodurch in besonderer Weise wechselseitige Beziehungen im nachbarlichen Austauschverhältnis begründet worden seien. Die so geknüpfte Schicksalsgemeinschaft wäre einseitig, würde sie nur das Sondergebiet und nicht umgekehrt auch das reine Wohngebiet begünstigen. Unabhängig davon bestehe das Recht auf Bewahrung der Gebietsart auch deshalb, weil beide Gebiete im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans „W…“ lägen.

Ferner handle es sich bei der Freischankfläche um einen separaten Restaurationsbetrieb. Für ein Hotel Garni sei eine Freischankfläche mit 66 m² und einem völlig überdimensionierten Servicebereich von rund 100 m² nicht erforderlich. Auch das Anbieten von Grillfleisch und Bier kennzeichne einen Biergarten oder Gaststättenbetrieb, aber nicht ein Hotel Garni. Zudem werde die Freischankfläche von einem eigenen Pächter betrieben. Weiter werde auf der Freischankfläche ein überregionales und regelmäßig abzuhaltendes „Klosterhoffest“ betrieben. Deshalb wäre die Baugenehmigung auch im Fall der Gültigkeit der Ergänzungen des Bebauungsplans aus dem Jahr 2005 aufgrund eines „Etikettenschwindels“ rechtswidrig und aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. Oktober 2009 und den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts M… vom 19. März 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften sei nicht zu erkennen.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein separater Restaurationsbetrieb sei nicht beantragt worden. Auch ein gebietsüberschreitender Nachbarschutz komme nicht in Betracht. Das Hotel werde auch weiterhin ohne vollen Restaurationsbetrieb geführt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sei mit niemandem ein Pachtvertrag über die Freischankfläche abgeschlossen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 4. April 2012 einen Augenschein eingenommen. Auf die diesbezügliche Niederschrift vom 26. Juni 2012 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2012 sowie den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) ist nicht begründet. Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid vom 19. März 2009 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Ein etwaiger Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin wird durch die angefochtene Baugenehmigung nicht verletzt. Einen solchen vermittelt der Bebauungsplan Nr. 26 „W…“ weder in seiner Fassung vom 7. April 2005 noch in seiner Fassung vom 5. Februar 1998.

Die Baugebietsfestsetzung in einem Bebauungsplan ist nachbarschützend (vgl. BVerwG vom 16.9.1993 BVerwGE 94, 151/155), jedoch nur innerhalb des jeweiligen Plangebiets mit denselben Festsetzungen (vgl. BVerwG vom 24.2.2000 NVwZ 2000, 1054; vom 18.12.2007 BayVBl 2008, 765). Sind nämlich die Eigentümer der betroffenen Grundstücke nicht denselben rechtlichen Bindungen unterworfen, können sie auch nicht von dem jeweils anderen Eigentümer deren Einhaltung verlangen (vgl. BVerwG vom 22.12.2011 ZfBR 2012, 378). Ein Gebietserhaltungsanspruch besteht daher nicht, wenn sich die betreffenden Grundstücke nicht im selben Baugebiet befinden (vgl. BayVGH vom 14.7.2006 BayVBl 2007, 334).

1.1. Sollte es auf den Bebauungsplan Nr. 26 in der Fassung vom 5. Februar 1998 ankommen, so ist ein Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin deshalb zu verneinen, weil ihr Wohngrundstück und das Hotelgrundstück des Beigeladenen zu 1 in verschiedenen Baugebieten liegen. Das Grundstück der Klägerin liegt in einem als reines Wohngebiet (WR) nach § 3 Abs. 1 BauNVO festgesetzten Gebiet, während sich das Grundstück des Beigeladenen zu 1 in einem als Sondergebiet Klinik/Sanatorium (SO) nach § 11 Abs. 1 BauNVO festgesetzten Gebiet befindet.

Zudem grenzen beide Baugebiete nicht einmal aneinander an, sondern werden durch den tatsächlich öffentlichen Weg auf der FlNr. 984/3 (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.6.2012 S. 2) und die breite private Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 988 voneinander getrennt. Ein wechselseitiges Austauschverhältnis zwischen den Baugebieten und den betroffenen Grundstücken ist auch von daher nicht zu erkennen. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 werden durch die Baugebietsfestsetzungen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke nicht zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden (vgl. BVerwG vom 16.9.1993 a.a.O.).

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr daher kein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch zu. Vorliegend kann dahinstehen, ob ein solcher bei aneinander angrenzenden festgesetzten Baugebieten existieren kann. Denn hier stoßen die festgesetzten Baugebiete nicht einmal aneinander an. Zudem sind unterschiedliche Baugebiete nach § 3 Abs. 1 BauNVO bzw. § 11 Abs. 1 BauNVO festgesetzt, so dass von denselben rechtlichen Bindungen (vgl. BVerwG vom 22.12.2011 a.a.O.) nicht die Rede sein kann.

Auch der Begründung zum Bebauungsplan lassen sich keine eindeutigen Anhaltspunkte für einen gewollten Nachbarschutz zugunsten der Klägerin entnehmen. Soweit in Ziffer 5.1. der Begründung ausgeführt ist, die Nutzungen nach § 3 Abs. 3 BauNVO würden im Plangebiet WR ausgeschlossen, um den Charakter des bestehenden Wohngebiets zu wahren und Störungen für den Klinik- bzw. Sanatoriumsbetrieb zu vermeiden, ist damit der Nachbarschutz im reinen Wohngebiet sowie gegenüber dem Sondergebiet angesprochen. Von einer Schutzfunktion der Festsetzungen des Sondergebiets zugunsten des reinen Wohngebiets ist dagegen nicht die Rede. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte vorhanden. Selbst die Lage des Baugrundstücks der Klägerin am Rand des Wohngebiets spricht dagegen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für das Grundstück der Klägerin Baurecht geschaffen werden sollte, das zuvor wohl nicht eindeutig bestand (vgl. Ziffer 3. der Begründung). In diesem Zusammenhang sollte ein einseitiger Schutz der Klinik vor dem heranrückenden Wohngebiet geschaffen werden. Den Beratungen zum Aufstellungsbeschluss vom 6. Mai 1997 lässt sich insoweit entnehmen, dass der Stadtrat mehrheitlich die Auffassung vertreten hat, zur Sicherung des W… sollte auch der Umgriff mit in den Bebauungsplan einbezogen werden. Hierfür käme insbesondere die südlich angrenzende FlNr. 988 in Betracht, die als private Grünfläche für den W… ausgewiesen werden könnte (vgl. Beratungsbuch-Auszug vom 6.5.1997 Ziffer 4.). Von einer Schutzfunktion für die festzusetzende Wohnbebauung ist hierbei nicht die Rede. Vielmehr wird später wieder davon gesprochen, dass mit dem Bebauungsplan lediglich die künftige Bebauung und die Nutzung des W… geregelt werden solle. Ein Präzedenzfall würde damit nicht geschaffen (vgl. Beratungsbuch-Auszug vom 6.5.1997 Ziffer 4.). Auch in diesem Zusammenhang ist von einem Schutz für die geplante Wohnbebauung nicht die Rede. In den Beratungen des Stadtrats vom 15. Juli 1997 wurden schließlich auch die Baufenster für die geplanten Wohnhäuser diskutiert. Es sei Absicht des Stadtrats, dass die Bebauung unter Berücksichtigung der Abstandsflächen soweit als möglich Richtung Osten gerückt wird, zumal der vorhandene Weg auf die Westseite der geplanten Bebauung verlegt werden soll. Nach weiterer Beratung über die Festsetzung der Baufenster für die W…klinik beschloss der Stadtrat dann, die Baufenster für die Wohnbebauung in Ost-West-Ausrichtung soweit zu reduzieren, dass die Bebauung soweit als möglich unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Abstandsflächen nach Osten gerückt wird (vgl. Beratungsbuch-Auszug vom 15.7.1997 Ziffer 3.). Aus alldem ist zu ersehen, dass bei den Beratungen über die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 26 „W…“ immer nur die Sicherung des Bestands der Klinik im Vordergrund stand, während irgendwelcher Nachbarschutz zugunsten der geplanten Wohnbebauung nie geplant wurde. Allein in der begründeten Bevorzugung eines Belangs kann kein Verbot gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB gesehen werden. Im Übrigen würde bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans erst recht kein Gebietserhaltungsanspruch bestehen. Ein Gebietserhaltungsanspruch zugunsten der Klägerin kann damit aus den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Sondergebiet nicht herausgelesen werden.

1.2. Sollte der Bebauungsplan Nr. 26 in der Fassung vom 7. April 2005 rechtswirksam sein, so wäre ein Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin ebenfalls bereits aus den oben unter Ziffer 1.1. genannten Gründen zu verneinen. Denn die Grundstücke der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 befinden sich in unterschiedlichen Baugebieten mit völlig verschiedenen Festsetzungen. Zudem ist das Sondergebiet (SO) nach § 11 Abs. 1 BauNVO nunmehr mit Klinik/Sanatorium/Fremdenverkehr bezeichnet und erlaubt ausdrücklich eine Hotelnutzung. Irgendwelche nachbarschützenden Vorstellungen sind diesen neuen Festsetzungen nicht zu entnehmen.

Soweit die Klägerin vorträgt, es würden im Sondergebiet nunmehr zwei miteinander unvereinbare Nutzungen (Klinik bzw. Sanatorium und Hotel) zugelassen, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn mit den zeichnerischen Festsetzungen wird das Sondergebiet zur Nutzung als Klinik-/Sanatoriums- oder Hotelgebiet zugelassen. Soweit mit den textlichen Festsetzungen eine Nutzung als Klinik-, Sanatoriums- und Hotelgebiet zugelassen wird, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Denn in der Begründung zur Bebauungsplanänderung vom 7. April 2005 wird ausgeführt, dass die alternative Nutzung als Hotel auch im Interesse der Stadt sei, da sie fremdenverkehrlichen Zwecken diene. Diese Sichtweise wurde seitens der Beigeladenen zu 2 auch in der mündlichen Verhandlung des Senats bestätigt (vgl. Niederschrift vom 28.6.2012 S. 2).

Selbst wenn der Bebauungsplan in der Fassung vom 7. April 2005 im Rahmen der Sondergebietsfestsetzung nachbarschützende Festsetzungen enthalten würde, wären diese nicht verletzt. Denn die Baugenehmigung vom 19. März 2009 für eine Freischankfläche zum bestehenden Hotelbetrieb mit Servicebereich und Toilettenanlagen hält sich im Rahmen des geänderten Bebauungsplans. Der selbständige Betrieb einer Gastwirtschaft wird nicht genehmigt. Weder aus dem Baugenehmigungsbescheid nebst Auflagen noch aus den genehmigten Plänen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Freischankfläche separat betrieben werden sollte. Vielmehr ist den Auflagen zum Lärmschutz im Schreiben des Fachbereichs Technischer Umweltschutz vom 17. März 2009 zu entnehmen, dass die bestehenden Gasträume für die Hotelgäste und die neue Freischankfläche als eine Einheit betrachtet werden (Gaststätte und Wirtsgarten) und für diese einheitliche Immissionsrichtwerte zu beachten sind.

2. Die angegriffene Baugenehmigung vom 19. März 2009 verletzt ebenso wenig das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot. Die Klägerin befürchtet insofern vor allem Lärmbelästigungen (§ 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG), insbesondere durch den Anfahrts- und Abfahrtsverkehr. Die Baugenehmigung legt insoweit jedoch Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet von 50 dB(A) am Tag und 35 dB(A) in der Nacht (22 Uhr bis 6 Uhr) fest (vgl. Ziffer 6.1 lit. e) TA-Lärm 1998). Die Befürchtungen der Klägerin, insbesondere die Nachtlärmwerte könnten nicht eingehalten werden, sind demgegenüber unbegründet. Denn während der Nachtzeit ist ein Wirtsgarten-/Terrassenbetrieb überhaupt nicht zulässig. Nach den Auflagen zum Immissionsschutz ist der Wirtsgarten-/Terrassenbetrieb auf den Zeitraum von 7 Uhr bis 21.30 Uhr zu beschränken. Ferner sind im Freien Musikdarbietungen und die Aufstellung von Lautsprechern generell unzulässig. Hinzu kommt, dass die Freischankfläche vom Grundstück der Klägerin aus überhaupt nicht einsehbar und mehr als 100 m entfernt ist.

Soweit die Klägerin behauptet, die TA-Lärm 1998 finde vorliegend keine Anwendung, weil es sich um eine Freiluftgaststätte im Sinn von Ziffer 1 Satz 2 lit. b) TA-Lärm 1998 handle, trifft dies nicht zu. Die geplante Freischankfläche des Beigeladenen zu 1 stellt in der genehmigten Größenordnung mit 48 Sitzplätzen einen untergeordneten Teil des Hotelbetriebs dar. Der hier gegenständliche Freiluftbereich des Hotelbetriebs ist auch nicht einer Freiluftgaststätte gleichzustellen, weil er etwa bis auf wenige Meter an einen Ruhebereich eines Wohngrundstück heranreichen würde (vgl. BVerwG vom 3.8.2010 BauR 2010, 2070). Denn die hier strittige Freischankfläche ist vom Grundstück der Klägerin mehr als 100 m und auch von anderen Wohngrundstücken weit entfernt. Selbst die Terrassen im Süden und Osten des Hotels rücken nicht bis auf wenige Meter an den Ruhebereich des Wohngrundstücks der Klägerin heran. Zudem scheint die Genehmigungssituation hinsichtlich der hier nicht gegenständlichen Terrassennutzung im Osten des Hotels nicht endgültig geklärt zu sein.

Im Übrigen kann für die Beurteilung der von einer Freischankfläche ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen jedenfalls als Richtmaß auf die Werte der TA-Lärm 1998 als für den Schallschutz einschlägiges technisches Regelwerk zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG vom 27.8.1998 UPR 1999, 68 – zur früheren TA-Lärm 1968; BayVGH vom 31.7.2003 Az. 2 B 00.3282 – juris).

Dass sich die Klägerin für ihre Behauptungen auf das Gutachten der Fa. Müller-BBM vom 24. April 2008 stützt, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Denn dieses Gutachten ging noch von einem wesentlich größeren „Biergarten“ aus. Dieser sollte bis zu 100 Sitzplätze besitzen und räumlich wesentlich weiter nach Süden ausgreifen. Dementsprechend wurde der Beurteilung eine wesentlich größere Anzahl von Stellplätzen und Fahrzeugbewegungen zugrunde gelegt. Wohl infolge dieser Untersuchung wurde die beantragte Freischankfläche auf nur 48 Sitzplätze verkleinert und die räumliche Ausdehnung der Freischankfläche hinter die Baugrenze zurückgenommen. Zudem wurde ein Betrieb der Freischankfläche während der Nachtzeit ausgeschlossen, so dass die laut dem Gutachten kritischen Nachtwerte keine Rolle mehr spielen. Der Senat geht aufgrund des reduzierten Betriebsumfangs davon aus, dass sich der festgesetzte Tageslärmwert von 50 dB(A) am Anwesen der Klägerin einhalten lässt, wobei auch das Spitzenpegelkriterium nach Ziffer 6.1 Satz 2 TA-Lärm 1998 zu beachten ist. Der Vollzug der Genehmigung ist dagegen Sache der zuständigen Behörden und Aufsichtsbehörden.

Soweit die Klägerin geltend macht, der angefochtene Bescheid vom 19. März 2009 müsste auch eine Regelung für seltene Ereignisse im Sinn von Ziffer 7.2 TA-Lärm 1998 enthalten, verhilft dies ihrer Klage ebenso wenig zum Erfolg. Denn nach den Auflagen zum Immissionsschutz (Ziffer 5) ist der Wirtsgarten-/Terrassenbetrieb auf den Zeitraum von 7 Uhr bis 21.30 Uhr zu beschränken. Ausnahmen sind im Bescheid nicht vorgesehen. Damit sind sogenannte seltene Ereignisse in der kritischen Nachtzeit nicht zu erwarten. Im Übrigen sind die Größe der Freischankfläche und die Sitzplatzzahl durch die Baugenehmigung beschränkt. Sie befinden sich ferner in einer Entfernung von über 100 m zum Wohngrundstück der Klägerin und sind durch das Hauptgebäude abgeschirmt. Damit ist der vorliegende Fall nicht mit dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2010 (Az. 14 B 08.1267 – juris) zugrundeliegenden Sachverhalt zu vergleichen. Sofern sich die Klägerin auf Veranstaltungen des Beigeladenen zu 1 auf der sogenannten Ostterrasse sowie andere Aktivitäten bezieht, sind diese nicht Gegenstand der hier angefochtenen Baugenehmigung vom 19. März 2009.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 waren der Klägerin aufzuerlegen, weil dieser selbst einen Antrag gestellt hat. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).