SG Bayreuth, Beschluss vom 30.04.2012 - S 16 R 6010/12 ER
Fundstelle
openJur 2012, 122272
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag vom 10. April 2012 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 2. April 2012 gegen den Bescheid vom 6. März 2012 wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.856,92 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin führte im Oktober 2010 für den Prüfzeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch, welche mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.11.2010 abgeschlossen wurde.

In der Zeit vom 20.10.2011 bis 23.02.2012 führte die Antragsgegnerin erneut eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV für den Prüfzeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 durch und forderte mit Bescheid vom 06.03.2012 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 5.713,83 Euro nach.

Diese Nachforderung beruht auf der Tatsache, dass die Antragstellerin im Prüfzeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben hat und daher nach § 10 Abs. 4 AÜG den Grundsatz "equal pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) und das Gebot " equal treatment" (gleiche Arbeitsbedingungen) zu beachten hatte, aufgrund der Tatsache, dass das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14.12.2010 die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt hat, im Prüfzeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 einen unwirksamen Tarifvertrag angewandt hat und dass Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem von der Antragstellerin gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben ist.

Gegen den Bescheid vom 06.03.2012 erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 02.04.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.12.2010 keine Rückwirkung entfalte, dass aufgrund der Tatsache, dass der Bescheid vom 29.11.2010 bestandskräftig geworden sei und dieser nicht mit einem Vorbehalt versehen gewesen sei, dessen Abänderung nicht möglich sei, dass ihr Vertrauensschutz bezüglich der Rechtmäßigkeit der angewandten Tarifverträge zuzubilligen sei und dass die Beitragsansprüche für 2005 und 2006bereits verjährt seien.

Mit Schreiben vom 04.04.2012 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Dieser Antrag wurde von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10.04.2012 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 10.04.2012 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Bayreuth den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 02.04.2012. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihr Vorbringen im Schreiben vom 02.04.2012.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 02.04.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.03.2012 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass durch die vorangegangene Betriebsprüfung nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung die Geltendmachung von Beitragsansprüchen für bereits geprüfte Zeiträume nicht ausgeschlossen sei, dass der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.12.2010 sehr wohl Rückwirkung entfalte, da die vom Bundesarbeitsgericht benannten Aspekte von Beginn der Tätigkeit der CGZP an vorgelegen hätten und dass sich die Antragstellerin nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, da das Bundesarbeitsgericht die Tarifunfähigkeit der CGZP deklaratorisch festgestellt habe, da der gute Glaube an die Tariffähigkeit nicht geschützt sei und sich bereits aufgrund einer Vielzahl von Klagen vor den Arbeitsgerichten seit dem Jahre 2003 Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP aufgedrängt hätten. Auch seien die Beitragsansprüche noch nicht verjährt. Die Beitragsansprüche, die am 14.12.2010 (= Entscheidung des BAG) noch nicht nach § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV verjährt gewesen seien, würden in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, verjähren, wenn der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Ab 14.12.2010 habe aufgrund der Öffentlichwirksamkeit der Entscheidungen des BAG sowie der Vorinstanzen Kenntnis von diesen Entscheidungen, vom Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf vergleichbares Entgelt nach dem "equal pay"-Prinzip und auch Kenntnis von aus diesen höheren Entgeltansprüchen resultierenden höheren Beitragsansprüchen bestanden, sodass zumindest bedingter Vorsatz vorliege. Des Weiteren führte die Antragsgegnerin aus, dass bisher noch keine Nachweise für das Vorliegen einer unbilligen Härte eingegangen seien.

II.

Der Antrag ist zulässig.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage, wie hier nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Der Antrag ist aber nicht begründet, da nach Auffassung der Kammer weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06.03.2012 bestehen noch eine unbillige, nicht durch öffentliches Interesse gedeckte Härte vorliegt.

Vom Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes wäre nur dann auszugehen, wenn der Erfolg einer Klage wahrscheinlicher wäre als der Misserfolg. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 06.03.2012 jedoch nicht erkennbar.

Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Pflegeversicherung bzw. Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung besteht für gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 25 Abs. 3 Satz 1 SGB III), wobei die Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung der Beiträge aus § 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 346 Abs. 1Satz 1 SGB III folgt. Der Arbeitgeber muss gemäß § 28d SGB IV die Beiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach § 10 Abs. 4 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Soweit ein solcher Tarifvertrag festgesetzte Mindeststundenentgelte unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren. Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 AÜG hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 06.03.2012.

Dem Beitragsbescheid vom 06.03.2012 steht zum einen nicht entgegen, dass die Tariffähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit noch nicht abschließend rechtskräftig positiv oder negativ feststeht, da die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung die Unwirksamkeit des Tarifvertrages mit der Rechtsfolge der Verpflichtung der Antragstellerin als Verleiher nach § 10 Abs. 4 AÜG unterstellen durfte. Schließt nämlich eine Vereinigung ohne Tariffähigkeit einen Tarifvertrag ab, ist dieser Tarifvertrag von Anfang an unwirksam und damit nichtig. Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder -unfähigkeit nur fest. Das wird auch aus der Regelung in § 97 Abs. 5 ArbGG deutlich, wonach das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen hat, wenn die Entscheidung des Rechtsstreites davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig ist. Diese Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens wäre weitgehend sinnlos und überflüssig, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder -unfähigkeit einer Vereinigung nur für die Zeit nach Verkündigung der Entscheidung von Bedeutung wäre. Damit wirkt die Feststellung der Tariffähigkeit bzw. -unfähigkeit nicht konstitutiv, sondern lediglich deklaratorisch, was bedeutet, dass es der Antragstellerin nicht möglich gewesen war, vom equal-pay-Grundsatz abzuweisen. Die Frage, ob eine Vereinigung tariffähig ist, ist abschließend von den Arbeitsgerichten nach § 97 Abs. 5 ArbGG zu prüfen mit der Folge, dass das Gericht, ohne Rücksicht auf Verfahrensart und Gegenstand jedes Verfahren auszusetzen hat, in welchem sich die Frage der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung als Vorfrage stellt. Vorliegend hängt die von der Antragsgegnerin verfügte Nacherhebung der Beiträge davon ab, ob der zur Rechtfertigung der Abweichung vom equal-pay-Grundsatz von der Antragstellerin herangezogene Tarifvertrag tatsächlich unwirksam ist, weil die CGZP tatsächlich tarifunfähig war. Da die Antragsgegnerin die Tarifunfähigkeit der CGZP mangels Antragsberechtigung nicht unmittelbar feststellen lassen kann, bleibt ihr nur die Möglichkeit, dies, wie hier geschehen, zu unterstellen.

Der Beitragserhebung durch Bescheid vom 06.03.2012 steht auch nicht der bestandskräftige Bescheid vom 29.11.2010 entgegen. Bescheide über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen, die nach durchgeführter Betriebsprüfung gestützt auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen werden, erschöpfen sich in ihrem Regelungsgehalt in der Nachforderung der Beiträge und Umlagen, die der Arbeitgeber nach den Feststellungen der Betriebsprüfung schuldet, aber noch nicht gezahlt hat. Eine den Arbeitgeber begünstigende Regelung des Inhalts, weitere Beiträge und Umlagen würden für den geprüften Zeitraum nicht (nach-)erhoben, enthalten die genannten Bescheide, auch im Wege der Auslegung, nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben Betriebsprüfungen gemäß § 28p SGB IV unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinaus gehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung zu erteilen". Die Betriebsprüfung ist in ihrer tatsächlichen Durchführung auf eine Entlastungsfunktion des Arbeitgebers auch nicht eingerichtet. Die Prüfbehörden sind selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet und dürfen sich demzufolge auf Stichprobenprüfungen beschränken. Diese Zielsetzung der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV legt auch den Regelungsgehalt des nach durchgeführter Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV ergehenden Nachforderungsbescheides fest. Dieser soll allein die Ergebnisse der Betriebsprüfung verwirklichen. Ebensowenig wie die Betriebsprüfung selbst die Entlastung des Arbeitgebers bezweckt, bezweckt der Nachforderungsbescheid dessen Schutz vor etwaigen Nachforderungen für den geprüften Zeitraum. Der Arbeitgeber als Adressat des Nachforderungsbescheids kann ihn vorbehaltlich besonderer Umstände anders auch nicht verstehen. Solche besonderen Umstände könnten etwa darin bestehen, dass die Prüfbehörde im Nachforderungsbescheid ausdrücklich eine Einzelfallregelung bezüglich der Nachforderung trifft, bzw. wenn Versicherungspflicht und Beitragshöhe personenbezogen und für einen bestimmten Zeitraum durch einen gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden sind.

Aus dem aufgrund der Betriebsprüfung vom Oktober 2010 ergangenen Nachforderungsbescheid vom 29.11.2010 kann die Antragstellerin nach vorgenannten Ausführungen daher keinen Vertrauensschutz herleiten, da dieser Nachforderungsbescheid allein die Festsetzung bzw. Anforderung des durch die Betriebsprüfung ermittelten Nachforderungsbetrages regelt.

Die mit Beitragsbescheid vom 06.03.2012 festgestellte Beitragsforderung ist auch nicht verjährt.

In der Frage der Verjährung von Beitragsforderungen unterscheidet § 25 Abs. 1 SGB IV zwischen einer kurzen vierjährigen Verjährungsfrist und einer langen 30jährigen Verjährungsfrist. Nach Satz 1 des § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorliegend begründet die anfänglich ggf. vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutritt (BSG, Urteil vom 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R = juris). Insoweit reicht es aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Das ist vorliegend der Fall. Mit Beschluss vom 1. April 2009 - 35 BV 17008/08 - hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen nicht tariffähig ist. Mit Beschluss vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 - hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Entscheidung im Wesentlichen bestätigt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 ABR 19/10 - die Rechtsbeschwerden der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, des Arbeitgeberverbands Mittelständischer Personaldienstleister e. V. sowie der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Dezember 2009 - 23 TaBV 1016/09 - zurückgewiesen. Im Hinblick darauf, dass die Gültigkeit des Tarifvertrages zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister (AMP) wesentliche Geschäftsgrundlage der Antragstellerin war, weil in Hinblick auf die Einbeziehung nur dessen Gültigkeit die Abweichung vom equal-pay-Grundsatz rechtfertigen konnte, kann nicht ansatzweise davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin von dem Inhalt der Gerichtsentscheidungen erst nach dem 31. Dezember 2010 "überrascht" wurde. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Antragstellerin die dadurch bedingte höhere Beitragspflicht auch für die Vergangenheit für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Damit ist die geltend gemachte Forderung noch nicht verjährt.

Die Antragstellerin kann sich gegen die angefochtenen Nachforderungen auch nicht auf Verwirkung berufen. Nach diesem Rechtsinstitut entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechtes während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.

Vorliegend fehlt es an einem solchen Verwirkungsverhalten der Antragsgegnerin, zumal die Antragstellerin schon auf aufgrund der stichprobenweise durchgeführten Prüfung nicht darauf vertrauen durfte, dass die für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 durchgeführte Prüfung und dort nicht festgestellte Umstände der Schlusspunkt der Feststellungen für den Zeitraum sind und auch keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit bisher nicht nur die Einzugsstellen der Beiträge, sondern auch die Beitragspflichtigen ausgegangen waren, und die sie deshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hatten, vorliegt.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt aber auch deshalb nicht in Betracht, weil keine Interessen der Antragstellerin erkennbar, geschweige denn nachgewiesen sind, die gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Zahlung vorrangig wären. Zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit einer Umlageversicherung ist es dringend geboten, die Beiträge zunächst auf jeden Fall einzuziehen. Sollte die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen, sind ihr diese Beiträge gemäß §§ 26 Abs. 2, 27 SGB IV zu erstatten und auch zu verzinsen. Ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht ihr also nicht.

Nach alledem war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 02.04.2012 gegen den Bescheid vom 06.03.2012 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG, § 52 As. 3 GKG. Danach setzt das Prozessgericht in den Fällen des § 197a SGG den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Der Streitwert richtet sich, da der Antrag der Antragstellerin einen auf eine Geldleistung in Höhe von 5.713,83 Euro gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nach der Höhe der Geldleistung.

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die nach § 53 Abs. 3 Nr. GKG kostenrechtlich besondere Angelegenheiten sind, wird in der Regel ein Abschlag vorgenommen. Angemessen ist hier die Hälfte des Wertes der Hauptsache.

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