LG Ansbach, Urteil vom 01.03.2012 - 1 S 962/11
Fundstelle
openJur 2012, 121290
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 08.07.2011, Az. 4 C 101/11, dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 131,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem  Basiszinssatz seit 1.9.2010 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 68 %, die Klägerin 32 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 12 %, die Klägerin 88 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.106,29 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.

Die Kammer nimmt zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen  Urteil Bezug (§ 540 Abs.1 Nr.1 ZPO).

In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren bisherigen Vortrag.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, bei der Ermittlung der erstattungsfähigen  Mietwagenkosten sei hinsichtlich der Eingruppierung auf das beschädigte, nicht auf das Ersatzfahrzeug abzustellen. Das beschädigte Fahrzeug, ein Transporter, sei von der Fraunhofer-Liste nicht erfasst. Das Erstgericht habe daher entweder, wie beantragt, ein Sachverständigengutachten erholen oder eine Schätzung auf Basis der Schwacke-Liste (ggf. mit Abschlag) vornehmen müssen.  

Im Übrigen seien fehlerhaft die Zustell-und Abholkosten nicht zugesprochen worden; auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei noch ein Teilbetrag zuzusprechen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des am 11.07.2011 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Ansbach, Az.: 4 C 101/11 die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Bezahlung weiterer 1.106,29 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit  01.09.2010 nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 150,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit  Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie halten hinsichtlich der Mietwagenkosten die auch vom Amtsgericht angesetzte  Mietwagengruppe 6 (entsprechend dem angemieteten Ersatzfahrzeug) für zutreffend. Bezüglich der Zustell- und Abholkosten fehle ein Vortrag zu deren Erforderlichkeit.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird Bezug genommen auf die gewechselten  Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.2.2012 (Bl. 84 f. d.A.).

II.  

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

1. Mietwagenkosten

a) Die Kammer schätzt die erforderlichen Mietwagenkosten seit  längerer Zeit aus bereits vielfach dargestellten Gründen auf der Grundlage der sog. Fraunhofer-Liste.

aa) Soweit die Berufungsklägerin der Auffassung ist, vor der Anwendung des § 287 ZPO seien stets die angebotenen Beweismittel zu erschöpfen (vorliegend somit das beantragte Sachverständigengutachten zur Höhe der erforderlichen  Mietwagenkosten einzuholen), schließt die Kammer sich dem nicht an. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 287 ZPO auch dann eröffnet, wenn die Beweiserhebung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, was eben z.B. hinsichtlich der Mietwagenkosten der Fall ist (Zöller, ZPO, 27. Aufl., Rn. 1f. zu § 287).

bb) Soweit die Berufungsklägerin die Fraunhofer-Liste wegen ihrer  Internetlastigkeit für das westliche Mittelfranken als nicht geeignet erachtet, sieht die Kammer sich hierdurch nicht zu einer Änderung ihrer Rechtsprechung  veranlasst. Zum Einen ist bereits nicht dargetan, worin gerade für die Region Westmittelfranken ein besonderer, auf andere Regionen nicht zutreffender  Nachteil der Datenerhebung im Internet liegen soll. Zum Anderen nimmt die Kammer auf die Tarife der Fraunhofer-Liste einen Aufschlag von 20 % vor, um die mit der statistischen Erhebung einhergehenden Unwägbarkeiten  auszugleichen. Hiermit sind mögliche Ungenauigkeiten ausreichend  berücksichtigt.

b) Die Berufungsklägerin bringt weiter vor, im Verfahren 1 C 292/09 des Amtsgerichts  Ansbach habe der dort beauftragte Sachverständige sich nicht in der Lage gesehen, ein Gutachten zu den Mietwagenkosten u.a. für Transporter zu erstellen; solches habe daher auch von ihr als Unfallgeschädigter nicht verlangt werden können. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass vom Unfallgeschädigten auch nicht die Erstellung eines Gutachtens mit Angaben von statistischer Relevanz gefordert wird. Vielmehr ist er im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht lediglich gehalten, Vergleichsangebote einzuholen. Dass die Klägerin, die das Ersatzfahrzeug erst mehrere Wochen nach dem Unfall anmietete, hierzu nicht in der Lage gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

c) Zutreffend geht die Berufungsführerin allerdings davon aus, dass bei der Festlegung  der erstattungsfähigen Mietwagenkosten von der Eingruppierung des beschädigten  Fahrzeugs, nicht des Ersatzfahrzeugs, auszugehen ist. Dies liegt darin begründet, dass der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des gerade ihm entstandenen Schadens hat, welcher eben in der fehlenden Verfügbarkeit eines entsprechenden Fahrzeugs liegt. Mietet der Geschädigte - aus welchem Grund auch immer - ein gruppenniedrigeres Fahrzeug an, so ändert dies nichts daran, dass er Anspruch auf  Erstattung der Kosten für ein Fahrzeug der entsprechenden höheren Gruppe in angemessener Höhe hat.

Vorliegend ergibt sich allerdings das Problem, dass das beschädigte Fahrzeug von  den in der Fraunhofer-Liste dargestellten Fahrzeuggruppen nicht erfasst wird. Die Klägerseite verweist darauf, dass in derartigen Fällen auch von Gerichten, die Mietwagenkosten grundsätzlich nach der Fraunhofer-Liste schätzen, auf die  Schwacke-Liste (ggf. mit Abschlag) zurückgegriffen wurde. Dieser Ansatz überzeugt die Kammer wegen ihrer grundsätzlichen Bedenken gegen die Schwacke-Liste jedoch  nicht. Es erschiene inkonsequent und wenig plausibel, eine grundsätzlich nicht als taugliche Schätzgrundlage angesehene Tabelle dann doch heranzuziehen, wenn die für vorzugswürdig erachtete Tabelle im konkreten Fall keine passenden Daten enthält.

Die Kammer hat die Schwacke-Liste jedoch insoweit herangezogen, als sie  festgestellt hat, dass dort im hier maßgeblichen Postleitzahlenbereich die Preise der Gruppe 7 Tr. (beschädigtes Fahrzeug) ca. 25 % über denjenigen der Gruppe 6 (Ersatzfahrzeug) liegen. Wenn die Kammer die konkreten Preisangaben der Schwacke-Liste auch grundsätzlich für überhöht hält, so wirkt sich dies auf einen  prozentualen Preisvergleich der Fahrzeuggruppen untereinander jedoch nicht aus. Nach Auffassung der Kammer ist daher in Fällen wie dem vorliegenden, in dem das  beschädigte Fahrzeug von der Fraunhofer-Liste nicht erfasst wird, zunächst aus der Schwacke-Liste der prozentuale Preisunterschied zwischen der Fahrzeuggruppe des beschädigten Fahrzeugs und derjenigen des Ersatzfahrzeugs zu ermitteln und diese prozentuale Abweichung dann auf die Preisangaben der Fraunhofer-Liste zu übertragen.

Dies führt im vorliegenden Fall zu einem (zusätzlichen) 25%igen Aufschlag auf die Preise der Fahrzeuggruppe 6 in der Fraunhofer-Liste.

Konkret ergibt sich folgende Berechnung:

Mietwagenkosten Fraunhofer Gruppe 6brutto 535,93 € (zur Berechnung vergleiche die Gründe des Ersturteils)          Aufschlag 25 %+ 133,98 €        = 669,91 €  Anzusetzender Nettobetrag (wegen Vorsteuerabzugsberechtigung)562,95 €  Aufschlag 20 %, s.o. a) bb)+ 112,59 €        = 675,54 €  Abzug 3 % (Eigenersparnis)-20,27 €        = 655,27 €Ein weiterer Aufschlag von 10 % für unfallspezifische Besonderheiten bei der Autovermietung (Vorhaltekosten, Forderungsausfallrisiko etc.) ist vorliegend nicht zu gewähren, da der Unfall sich am 9.6.2010 ereignete, die Anmietung des Ersatzfahrzeugs aber erst am 26.7.2010 erfolgte. Von daher erübrigt sich ein Eingehen auf das vom Amtsgericht Freising zur Höhe eines solchen Aufschlags  eingeholte Gutachten.

Der Gesamtschaden der Klägerin beläuft sich daher insgesamt auf 8.346,04 €, worauf die Beklagten bereits Zahlungen von 6250,70 € erbracht haben. Zur Zahlung weiterer 1.964,29 €  hat das Amtsgericht die Beklagten verurteilt, so dass noch ein Restbetrag von 131,05 €  offen  steht, welcher der Klägerin in der Berufungsinstanz zuzusprechen war.

2. Zustell-und Abholkosten  

Insoweit hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass diese angefallen sind. Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit wäre jedoch die Erforderlichkeit dieser Kosten, wozu jeglicher Vortrag fehlt. Insoweit hat das Amtsgericht die Klage daher zu Recht abgewiesen.

3. Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren  

Die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hat das Amtsgericht richtig berechnet. Durch den nunmehr in der Hauptsache zusätzlich zugesprochenen Betrag ergibt sich kein  Gebührensprung, weshalb die Berufung auch insoweit keinen Erfolg hat.

III.  

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

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