VG München, Urteil vom 11.01.2012 - M 5 K 10.2856
Fundstelle
openJur 2012, 120516
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger absolvierte von Juli 2007 bis August 2009 den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Realschulen und befand sich während dieser Zeit im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Diensten des Freistaates Bayern.

Nach erfolgreichem Abschluss des Vorbereitungsdienstes bewarb sich der Kläger mit Schreiben vom ... April 2009 um Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe bei der Beklagten.

Mit Schreiben vom ... Juni 2009 wurde ihm vom Schul- und Kultusreferat der Beklagten mitgeteilt, dass vorbehaltlich der Erfüllung der beamtenrechtlichen Voraussetzungen seine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe bei der Beklagten zum ... September 2009 beabsichtigt sei.

Im Rahmen des Einstellungsverfahrens wurde von Seiten des Schul- und Kultusreferates mit Schreiben vom ... August 2009 der staatliche Personalakt zur Einsichtnahme angefordert. Dieser enthielt einen Bericht des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom ... Juli 2007 (Behördenakte/BA Bl. 2).

Nach Zustimmung des Klägers zur Einholung der erforderlichen Auskünfte beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, legte der Verfassungsschutz einen Bericht vom ... November 2009 mit 20 Anlagen vor (Verfassungsschutzbericht vom 10. November 2009,BA Ordner 2 unnummeriert). In diesem Bericht werden die Bezüge des Klägers zur Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD), zum Islamischen Zentrum M... (IZM) und zur Muslimischen Jugend Deutschlands (MJD) dargestellt sowie die im Rahmen eines Strafverfahrens sichergestellten Dokumente auf dem Laptop des Klägers erörtert. In den Anlagen finden sich u.a. folgende auf dem Laptop des Klägers sichergestellte Dokumente: Nachricht an Angehörige der Jugendgruppe (Anlage S); Übersetzung des ISB-Programms „Training for Action“ (Anlage Sch), ein Powerpointvortrag, der das Logo der IGD trägt (Anlage St) und ein Vortrag von Kamal Helbawi (Anlage X-Z).

Nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom ... Dezember 2009 nahm der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom ... Januar 2010 zu den Erkenntnissen aus dem Verfassungsschutzbericht Stellung (BA Bl. 75 ff). Der Kläger sei nie Mitglied der IGD, sondern nur einige Monate - entweder im Jahr 2003 oder im Jahr 2004 - Mitglied im IZM gewesen, habe diese Mitgliedschaft allerdings nach einiger Zeit wieder aufgekündigt. Auf dem Laptop habe der Kläger alles Deutschsprachige (manchmal auch Englischsprachige) über den Islam gesammelt, da es in Deutschland einen großen Mangel an deutschsprachiger islamischer Literatur gebe. Dabei sei keine einzige konkrete Äußerung des Mandanten selbst feststellbar.

Mit Schreiben vom ... März 2010 teilte die Kriminalpolizei der Beklagten im Rahmen eines Auskunftsersuchen ihre über den Kläger gewonnenen Erkenntnisse mit (Schreiben des Kriminalfachdezernats 4 mit 14 Anlagen, BA Bl. 198). Dort kommt das Kriminalfachdezernat zu dem Fazit, dass der Kläger aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse die Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) vertrete und muslimische Jugendliche in deren Sinn schule. In der Anlage 12 zu diesem Schreiben befindet sich ein Gutachten von Frau Dr. S., der Islamwissenschaftlerin des Polizeipräsidiums M.(Gutachten vom ... März 2009), in dem die auf dem Laptop gefundenen Dokumente bewertet werden. In der Anlage 14 ist ein Schriftstück mit dem Titel „SWOT Analyse für Muwahidun“ enthalten.

Mit Schreiben vom ... Februar 2010, vom ... Januar 2010 und vom ... April 2010 gaben jeweils Herr Schm., Herr Schr., und Frau Sche. zu ihrer Zusammenarbeit und dem vom Kläger dabei gewonnenen Eindruck eine Stellungnahme ab.

Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2010, bei Gericht eingegangen am 15. Juni 2010, hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, da die Beklagte seit mehr als einem Jahr nicht über den Antrag des Klägers entschieden habe. Nachdem das gegen den Kläger geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei, stehe einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nichts mehr entgegen. Eine weitere Verzögerung der Entscheidung sei dem Kläger nicht zumutbar.

Mit Schriftsatz vom ... Juli 2010 teilte die Beklagte mit, dass aufgrund der Schwierigkeit der Sachverhaltsermittlung und Sachverhaltsaufklärung zureichende Gründe vorhanden seien, die eine abschließende Sachentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt ausschließen würden. Die von Gesetzes wegen veranlassten Ermittlungen der Beklagten seien zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Die Beklagte wolle erst nach Eingang der von ihr bei dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz angeforderten Übermittlung der wesentlichen Inhalte der den Kläger betreffenden Teile der Telekommunikationsüberwachungsprotokolle (TKÜ-Protokolle) über die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe entscheiden. Das Verfahren sei deshalb bis zum Abschluss der Ermittlungen auszusetzen.

Mit Schreiben vom ... Juni 2010 legte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen zweiten Bericht über den Kläger mit 11 Anlagen vor (Verfassungsschutzbericht vom ... Juni 2010, BA Ordner 2 unnummeriert).

Mit Beschlüssen vom 17. Juli 2010, 20. August 2010 und 30. September 2010 setzte das Gericht das Verfahren letztlich bis 20. Oktober 2010 aus.

Nach Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe mit Bescheid vom ... Oktober 2010 ab. Es bestünden begründete Zweifel an der zwingenden Einstellungsvoraussetzung der Verfassungstreue des Klägers. Die Gesamtheit der gewonnenen Erkenntnisse rechtfertige die Annahme, dass sich der Kläger die Ideologie der Muslimbruderschaft zu Eigen mache, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren sei. Der Kläger sei seit mehreren Jahren für eine muslimische Jugendorganisation (MJD) tätig, die der IGD zuzuordnen sei und dieser zur Nachwuchsgewinnung diene. Außerdem nehme er innerhalb des IZM, das der IGD nachgeordnet sei, eine besondere Vertrauensposition ein. Dies zeige sich daran, dass er unter anderem im Auftrag des IZM Halal-Zertifizierungen vornehme und im IZM bei Ausfall eines Übersetzers die Freitagspredigten übersetze. Im Übrigen sei der Kläger Gründungsmitglied und bis zu dessen Auflösung aktives Mitglied im Vorstand des DIBW (Deutsch-Islamischen Bildungswerk e.V.) gewesen, das das Landesamt für Verfassungsschutz als eine Tarnvereinigung der IGD eingeschätzt habe.

Die IGD sei eine extremistische Organisation aus dem Bereich des politischen Islamismus, die eine Doppelstrategie verfolge. Während sie sich nach außen offen, tolerant und dialogbereit gebe, verfolge sie das Ziel einer islamischen Parallelgesellschaft in Deutschland mit eigener Rechtskompetenz und unter allumfassendem Geltungsvorrang der Scharia. Dabei sei es für die Islamisten kein Widerspruch, sich vordergründig zum Grundgesetz zu bekennen, da sie über das Grundrecht auf Religionsfreiheit den Einstieg zur Umsetzung ihrer Pläne sähen. Ideologischer Hintergrund für die Tätigkeiten der IGD, des IZM und der MJD sei das Gedankengut der Muslimbruderschaft. Die sunnitische Muslimbruderschaft sei 1928 aus einer Gruppe von Männern um den Grundschullehrer Hassan al-Banna hervor gegangen. Für den Gründer al-Banna habe die Bruderschaft deutlich politische Züge getragen. Der Islam sei eine untrennbare Einheit zwischen Politik und Religion. Er repräsentiere ein umfassendes System, das sich auf jeden Lebensbereich beziehe und Lösungswege für alle politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Probleme anbiete. Grundlage einer solchen politischen und gesellschaftlichen Ordnung sei alleine die Scharia. Die Grenzen der Meinungsfreiheit setze in diesem System das islamische Recht. Das Prinzip der Volkssouveränität habe in diesem Statusmodell keinen Platz. Pauschal werde der westliche Lebensstil und die zugrunde liegende politische Ordnung als Ursprung allen Übels und als verabscheuenswert verurteilt. Der Großteil des dort vertretenen Gedankenguts sei mit den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden Rechtsordnung nicht vereinbar. Die von der Muslimbruderschaft angestrebte Ordnung weise deutliche Züge eines diktatorischen bzw. totalitären Herrschaftssystems auf, das die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit der Menschen in Frage stelle und auch die Trennung von Staat und Kirche ablehne. Die IGD sei die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland und habe einen ihrer Hauptsitze im IZM. Die ideologische Nähe der IGD zu den Ansichten der Muslimbruderschaft werde in ihren Veröffentlichungen offensichtlich.

Auch die im Rahmen eines Strafverfahrens sichergestellten Dateien auf dem Laptop des Klägers spiegelten seine Nähe zu einem extremistischen Islamismus wider, insbesondere zur Ideologie der Muslimbruderschaft. Die Ideologie der Muslimbruderschaft werde in allen Dokumenten überdeutlich. Unter den gefundenen 12 Dokumenten seien u.a. ein Powerpoint-Vortrag mit dem Titel „Das ABC der Islamischen Bewegung“, der das Logo der IGD trage und ein Powerpoint-Vortrag mit dem Schulungsthema „das Töten auf dem Weg Gottes“, die Übersetzung eines Vortrags von Kamal Helbawi, der nach Auskunft der Islamexpertin ein „Ex-Sprecher der Muslimbruderschaft im Westen“ sei, sowie ein radikales Trainingsprogramm der ISB, in das statt des ursprünglichen englischen Organisationsnamens der Name MJD eingefügt worden sei. Die eindeutige Ausrichtung (ideologische Homogenität) dieser Dokumente lasse auf ein gezieltes Suchen, Speichern und Verwenden schließen. Dass sich der Kläger Inhalte der Muslimbruderschaft zu Eigen mache, zeige sich auch anhand zweier Texte, die der Kläger selbst verfasst habe. Die in der „SWOT Analyse für Muwahidun“ verwendeten Stichworte „Rekrutierung“, „effektive Ausbildung“, „Stärken“: „viel Potential bei kleinen Kindern durch DIS“, „Möglichkeiten“: „Rekrutierung und effektive Ausbildung und Bindung der DIS Kinder“. „Gefahren: Diskreditierung bei Aufdeckung von HABibi Gedankengut.“ verdeutlichten die Stoßrichtung der Aktivitäten des Klägers, die mit den militärischen Begriffen umschriebene Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen mit dem Gedankengut der Muslimbruderschaft. Die explizite Großschreibung der ersten drei Buchstaben HAB nehme dabei eindeutig auf den Gründer der Muslimbruderschaft Bezug. Dadurch zeige sich, dass der Kläger Gedankengut der Muslimbruderschaft propagiere und in den MJD-Kursen verbreite. Darüber hinaus werde deutlich, dass sich der Kläger der Unvereinbarkeit der von ihm verbreiteten islamistischen Ideologie und der verfassungsmäßigen Ordnung bewusst sei. In der vom Kläger verfassten Nachricht an die Mitglieder der MJD-Gruppe in M. heiße es u.a.: „zur Zeit gäbe es in Deutschland keinen Kampf mit Waffen“, es gäbe aber „das Prinzip der vollständigen Aufopferung“. In der Diktion der Nachricht komme die extremistische Sichtweise zum Ausdruck, die in den Dokumenten auf dem Laptop angelegt sei. Das Prinzip der „Aufopferung“ meine in diesem Zusammenhang gerade den Kampf auch mit Waffengewalt zur Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Die Formulierung „zur Zeit“ werde der Kampf ohne Waffen geführt, lasse darauf schließen, dass eine Verwendung von Waffen nicht ausgeschlossen, sondern sogar künftig zu erwarten sei. Der daraus gewonnene Gesamteindruck werde bestätigt durch die Organisation von Veranstaltungen im Jahr 2010 unter Einladung von der IGD und der MB nahestehenden Personen, Herrn E. und Herrn I., als Referenten. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger bereits in einem Beamtenverhältnis gestanden und bis in das Jahr 2010 Vorträge und Kurse auf der Grundlage des Gedankenguts der Muslimbruderschaft erteilt und sich auch während des laufenden Prüfungsverfahrens nicht deutlich von der Ideologie der Muslimbruderschaft entfernt habe. Der sich aus dieser Gesamtschau ergebende Eindruck wiege so schwer, dass er erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers begründe und auch nicht durch die positiven Begegnungen mit Vertretern anderer Religionen ausgeräumt werden könne. Es bestünden erhebliche Bedenken, dass er seine Vertrauensstellung als Lehrer ausnützen werde, um Jugendliche mit muslimischem Hintergrund anzusprechen und mit dem Gedankengut der Muslimbruderschaft bekannt zu machen.

Darüber hinaus bestünden auch Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers, da er bei Ausfüllen des Personalfragebogens gegen die Wahrheitspflicht verstoßen habe, indem er die ehemalige Mitgliedschaft im IZM nicht angegeben habe. In dem nicht abschließenden Verzeichnis extremistisch und extremistisch beeinflusster Organisationen, das dem Fragebogen angehängt ist, seien sowohl die IGD und die IZM genannt.

Daraufhin stellte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2010 klar, dass sich die am 15. Juni 2010 erhobene Klage nunmehr gegen den Bescheid vom ... Oktober 2010 richte.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2010 erklärte die Beklagte, dass sie die im Bescheid vom 18. Oktober 2010 getroffenen Aussagen und Wertungen über Herrn I. nicht aufrechterhalte und der Bescheid nicht mehr darauf gestützt werde, dass der Kläger Herrn I. als Referent zum „Wintermeeting“ seiner Jugendgruppe eingeladen habe. Gleichzeitig teilte sie mit, dass dies die Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers unberührt lasse.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2011, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erklärte die Regierung von ..., sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren zu beteiligen.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben zuletzt beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom ... Oktober 2010, zu verpflichten, den Kläger in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen,

2. sowie hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom ... Oktober 2010 zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Kläger habe weder gegen die Wahrheitspflicht verstoßen, noch lägen begründete Zweifel an seiner Verfassungstreue vor. Zum einen werde die Mitgliedschaft und Mitarbeit des Klägers in der MJD vollkommen falsch bewertet. Zum anderen verliere die Indizienkette vollständig an Wert, weil mit Ausklammerung der Einladung von Herrn I. als Referent ein maßgebliches Glied entfallen sei. Was die auf dem Laptop des Klägers gefundenen Dateien angehe, müsse darauf hingewiesen werden, dass dort insgesamt 3.031 Textdokumente gefunden worden seien, wovon ca. 248 von dem Kläger übersetzt, bearbeitet, mitgeschrieben oder verfasst worden und nur ca. 35 von dem Kläger eigenhändig verfasst worden seien. Die „SWOT Analyse“ und die „Nachricht an Angehörige“ seien private Texte des Klägers. Der Verfassungsschutz habe davon einseitig einzelne anstößige Stellen oder Worte herausgesucht und aus dem Gesamtzusammenhang gerissen. Dies gelte für einzelne Formulierungen wie „Rekrutierung“, „effektive Ausbildung“, „Kampf“ und „vollständige Aufopferung“. Diese könne man auch in einem anderen Sinne verstehen. Die Einschätzungen des Verfassungsschutzes hielten einer kritischen Überprüfung daher insgesamt nicht stand. Die Beklagte habe die Informationen des Verfassungsschutzes unkritisch und ungeprüft übernommen und weder die positiven Stellungnahmen über den Kläger eingehend berücksichtigt, noch die Tätigkeit des Klägers als Referendar in irgendeiner Weise gewürdigt. Soweit die Beklagte zudem auf den Kontakt des Klägers zu Dr. E. abstelle, sei anzumerken, dass dieser auch Ansprechpartner für Projekte des städtischen Jugendamtes gewesen sei.

Die Vertreter der Beklagten haben zuletzt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger sei auch weiterhin - trotz des laufenden Gerichtsverfahrens - in einer herausgehobenen und vertrauensvollen Leitungsposition in der Jugendarbeit für das IZM tätig. Diesem Umstand komme besondere Relevanz bei der rechtlichen Bewertung des klägerischen Anliegens zu, da der Kläger gerade eine Einstellung als Realschullehrer mit zahlreichen Kontakten zu minderjährigen Jugendlichen begehre. Außerdem belege seine Position als Ansprechpartner und Leiter der Jugend- und Nachwuchsarbeit des IZM die besondere Vertrauensstellung, die der Kläger innerhalb des IZM genieße. Hinsichtlich der Bewertung einer Tätigkeit für das IZM werde auf ein Urteil des VG München vom 15. September 2008 (M 25 K 06.4713) und hinsichtlich der Thematik IGD und Muslimbruderschaft auf das Urteil des VG Ansbach vom 17.1.2007 (AN 15 K 06.02023) verwiesen.

Die Vertreterin des öffentlichen Interesses hat zuletzt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Einschätzung der Beklagten basiere auf einer Vielzahl von Einzelerkenntnissen des Verfassungsschutzes und der Polizei, die bei einer wertenden Gesamtschau ein schlüssiges Bild ergäben. Der Kläger sei viele Jahre in herausgehobenen Funktionen für die islamisch-extremistische Organisationen IGD und MJD tätig gewesen, die beide in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder als extremistisch aufgeführt seien. Diese Organisationen seien von den ideologischen Grundsätzen der Muslimbruderschaft geprägt und würden ein Verständnis des Islam verfolgen, das über die Religion hinaus ein politisches und gesellschaftliches Ordnungsprinzip darstelle. Als Endziel werde die Errichtung eines islamischen Staates und die Wiedererlangung des Kalifats formuliert. Damit widersprächen die Ziele dieser Organisationen der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Bereits die Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation rechtfertige Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers. Diese Zweifel würden vorliegend noch dadurch verstärkt, dass der Kläger verantwortliche und koordinierende Positionen in diesen Organisationen wahrgenommen habe und sie aktiv unterstütze. Diese Einschätzung werde durch die auf dem Laptop des Klägers gefundenen Dokumente belegt. Inhalt, Bearbeitung und Speicherung der Dokumente lasse den Rückschluss zu, dass der Kläger sich diese Ideologie zu Eigen und auch zur Grundlage seiner Schulungstätigkeit in der Jugendbildung mache. Die Zweifel würden auch weder durch die Einlassungen des Klägers noch durch die positiven Stellungnahmen Dritter, die lediglich subjektive Bewertungen über deren äußere Wahrnehmungen darstellten, zerstreut. Was die Erkenntnisse mit Bezug zu Herrn I. angehe, seien diese in der Bewertung nur nachrangig. Insgesamt komme man aufgrund der zum Kläger vorliegenden Erkenntnisse zu dem Schluss, dass er islamisch-extremistisches Gedankengut vertrete und die Jugendarbeit hierfür als Plattform zur Verbreitung nutze.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2012 zu den Umständen der Verfassungstreue des Klägers Beweis erhoben durch Vernehmung von Herrn Schr., Herrn Schm. und Frau Sche. als Zeugen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten, sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 11. Januar 2012 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch, die Beklagte zu verpflichten, ihn in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen bzw. hilfsweise über den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, nicht zu. Der Bescheid der Beklagten vom ... Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).

Der Kläger hat grundsätzlich keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe (vgl. VG Berlin vom 30.11.2004, 26 A 265.03).

Die Entscheidung über die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe steht vielmehr im Ermessen der Beklagten. Vorliegend ist jedoch selbst für eine solche Ermessensentscheidung kein Raum. Denn ein Einstellungsermessen, dessen fehlerhafte Ausübung (§ 114 VwGO) die Neubescheidungspflicht allein auslösen könnte, ist nicht eröffnet, weil der Kläger bereits eine der zwingend erforderlichen Voraussetzungen für die von ihm erstrebte Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Probe nicht erfüllt.

Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

1. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG). Nach dieser Vorschrift darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.

a) Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG). Sie ist Ausfluss der umfassenden Treuepflicht des Beamten und fordert von dem Beamten, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung des Staates zu identifizieren, dem er als Beamter dienen soll. Dazu gehört, dass sich der Beamtenbewerber - trotz einer durchaus erwünschten kritischen Einstellung - zu der geltenden Verfassungsordnung bekennt und dass er sich durch Wort und sonstiges Verhalten in äußerlich erkennbarer Weise - aktiv - für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber dem Staat und der Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (VG Berlin vom 30.11.2004, a.a.O., m.w.N.). Ein Beamtenbewerber, der diesen Erfordernissen nicht Rechnung trägt, erfüllt unabhängig von seinen Motiven seine Treuepflicht nicht.

b) „Gewähr bieten“ im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG bedeutet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Ernennungsbehörde die künftige Erfüllung dieser Pflicht zur Verfassungstreue mit dem aufgezeigten Inhalt durch den Beamtenbewerber zweifelhaft erscheinen lassen.

Zweifel an der Verfassungstreue in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn der für die Einstellung Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht überzeugt ist, dass der Bewerber seiner Persönlichkeit nach die Gewähr bietet, nach Begründung eines Beamtenverhältnisses jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Die Feststellung, dass der Beamtenbewerber „Verfassungsfeind“ ist, und dass er darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, ist zur Verneinung der Gewähr der Verfassungstreue nicht erforderlich. Da bereits berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue die Ablehnung eines Beamtenbewerbers rechtfertigen, reicht es in der Regel aus, dass der Dienstherr sie auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen stützt und wertend auf eine möglicherweise darin zum Ausdruck kommende innere Einstellung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung schließt. Ausdrückliche Feststellungen über die tatsächliche innere Einstellung des Bewerbers sind in der Regel nicht erforderlich (grundlegend: BVerwG vom 27.11.1980, BVerwGE 61,176).

Die Prüfung der Gewähr erfordert ein Urteil der Einstellungsbehörde über die Persönlichkeit des Beamtenbewerbers, das zugleich eine Prognose enthält. Gegenstand dieses Urteils sind nicht ein oder mehrere bestimmte Vorgänge, sondern die in einer zusammenfassenden Bewertung dieser Vorgänge offenbar werdende Persönlichkeit des Beamtenbewerbers im Bezug auf die Gewähr der Verfassungstreue. Dieser auf die Persönlichkeit des Bewerbers bezogenen Eignungsprognose ist eine Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn immanent. Sie unterliegt ähnlich wie andere persönlichkeitsbedingte Werturteile des Dienstherrn nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, zu kontrollieren, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.; VGH BW vom 13.3.2007, ZBR 2008, 260 ff.). Dem Gericht ist es damit versagt, die Eignung des Bewerbers aufgrund eines eigenen prognostischen Werturteils über die Persönlichkeit des Bewerbers abweichend vom Dienstherrn selbst festzustellen.

Grundlage für die Beurteilung der Gewähr der Verfassungstreue müssen tatsächliche Umstände sein, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit (sog. „Summeneffekt“) von hinreichendem Gewicht und bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, ernste Besorgnisse an der künftigen Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen, wobei der Dienstherr die materielle Beweislast trägt. Ein fehlender Nachweis bisherigen aktiven Eintretens für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, etwa das Lesen extremistischer (rechtsextremistischer oder kommunistischer) Literatur oder die Anwesenheit bei einer Demonstration für mit der Verfassung nicht ohne Weiteres vereinbare Zielsetzungen gehören für sich allein nicht zu derartigen Umständen. Auch die Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation mit Zielen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind, schließt nicht zwingend ein verfassungstreues Verhalten aus. Sie kann aber bei der gebotenen Berücksichtigung der Einzelumstände gleichwohl Schlüsse auf eine fehlende Verfassungstreue rechtfertigen (vgl. BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.).

c) Hat der Dienstherr im Einzelfall Umstände dargelegt, die berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue des Beamtenbewerbers begründen, so obliegt es diesem, Umstände darzulegen und zu beweisen, die die festgestellten Beurteilungselemente und die darauf gestützte Eignungsprognose in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dabei bedürfen die eigenen Erklärungen des Beamtenbewerbers einer abgewogenen Bewertung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Außerdem müssen vor allem bei jungen Menschen Unerfahrenheit, Solidarisierungsbedürfnisse etc. angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.). Gelingt es ihm nicht, die begründeten Zweifel des Dienstherrn zu zerstreuen, muss der Bewerber, der insoweit die materielle Beweislast trägt, im Rechtsstreit unterliegen (VG Berlin vom 30.11.2004, a.a.O.).

d) Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt ist - abweichend von dem sonst für Verpflichtungsklagen maßgeblichen Zeitpunkt - der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn wie den vorangehenden Erörterungen zu entnehmen ist, ist das Gericht auf die Überprüfung der zu jenem Zeitpunkt vom Dienstherrn getroffenen Beurteilung beschränkt. Ob sie sich zu einem späteren Zeitpunkt als unzutreffend erweist, kann allenfalls in einem neuen, weiteren Einstellungsverfahren von Bedeutung sein (BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.)

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung der Beklagten, den Kläger wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat ihrer Beurteilung einen zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt und ist ohne Rechtsfehler im Rahmen einer Eignungsprognose zu der Einschätzung gelangt, dass die Verhaltensweisen des Klägers Rückschluss auf eine innere Einstellung zulassen, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren ist.

Ihre Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers hat die Beklagte im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Ideologie der Muslimbruderschaft nahe stehe. Diese Einschätzung beruht auf einem zutreffenden Sachverhalt. Der Kläger hat bestätigt, dass er im Jahr 2003 oder 2004 für einige Monate Mitglied im IZM gewesen sei, dieses nach wie vor regelmäßig besuche und dort seit 2006 bis zum jetzigen Zeitpunkt bei Abwesenheit von Herrn E. die Freitagspredigt vom Arabischen ins Deutsche übersetze. Auch der Inhalt der auf dem Laptop gefundenen extremistischen Texte wurde vom Kläger nicht bestritten, genauso wenig wie die Urheberschaft der „SWOT Analyse“ und der „Nachricht an Angehörige“. Außerdem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung klar gestellt, dass er hinter den Gedanken von Hasan al-Banna, dem Gründer der Muslimbruderschaft stehe, soweit dieser religiöse Grundsätze für das Verständnis des Islam aufgestellt habe. Insoweit bestätigt dies die damalige Einschätzung der Beklagten, dass sich der Kläger das Gedankengut der Muslimbruderschaft zu Eigen mache.

Ohne Rechtsfehler ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Gesamtheit der bei Bescheidserlass vorliegenden Hinweistatsachen die Annahme rechtfertigt, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

Schon die damalige Mitgliedschaft und das bis heute andauernde Engagement des Klägers für das IZM sowie die auf dem Laptop gefundenen, teils selbst verfassten Texte mit eindeutig radikaler Diktion, sind in ihrer Gesamtheit („Summeneffekt“) mit Blick auf die erforderliche Evidenz und Dichte geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue aufzuwerfen.

Die Einschätzung der Beklagten, dass das in der MB, in der IGD und dem ihr nachgeordneten IZM vertretene Gedankengut mit den im Grundgesetz verankerten Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden Rechtsordnung unvereinbar ist, ist nicht zu beanstanden. Sie stützt sich auf die Informationen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport (Internet-Quelle: http://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de /live/live.php?navigation_id=12328&article_id=54221&_psmand=30, abgerufen am 26.8.2010 um 9.09 Uhr), die Informationen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (Internet-Quelle: http://www.verfassungsschutz-bw.de/index.php? option=com_content&view=article&id=310&Itemid=214, abgerufen am 30.8.2010 um 15.26 Uhr), die Informationen des Verfassungsschutzes des Landes Nordrhein-Westfalen (Internet-Quelle: http://www.im.nrw.de/sch/688. htm##19, download am 30.8.2010 um 15.30 Uhr) sowie auf den Verfassungsschutzbericht Bayern 2009. Hinsichtlich dieser Bewertung schließt sich das Gericht aus den in den Verfassungsschutzberichten im Einzelnen dargelegten Gründen den Verfassungsschutzbehörden und der Rechtsprechung an (vgl. VG München vom 15.9.2008, M 25 K 06.4713 - zum IZM; BayVGH vom 25.7.2007, 5 C 07.637 zu IZN, IGD und MB; VG Ansbach vom 17.1.2007, AN 15 K 06.02023).

Vor diesem Hintergrund ist die ehemalige Mitgliedschaft und das bis heute andauernde Engagement im IZM ein Umstand, der bei der Beurteilung der Verfassungstreue berücksichtigt werden kann. Der Kläger kann sich im vorliegenden Fall auch nicht darauf berufen, lediglich seine Grundrechte, insbesondere sein Recht auf Religionsausübung, wahrgenommen zu haben. Denn zumindest mit der wiederholt wahrgenommenen Tätigkeit als Übersetzer der Freitagspredigt im IZM bei Abwesenheit von Herrn E. hat sich der Kläger mit einer über das aktive und öffentliche Bekenntnis zum muslimischen Glauben hinausgehenden Zielstrebigkeit aktiv und zweckgerichtet in den Dienst des IZM und damit letztlich von IGD und MB gestellt (vgl. VG München vom 15.9.2008, a.a.O.). Diese besondere Stellung als Übersetzer der Freitagspredigt bei Abwesenheit des Funktionärs der IGD, Herrn E., lässt auf eine gewisse Gleichrichtung mit dem im IZM vertretenen Gedankengut schließen. In dieses Bild fügt sich auch die Einladung von Herrn E. als Referent zu einer Veranstaltung seiner Jugendgruppe.

Auch die auf dem Laptop des Klägers gefundenen radikal formulierten Texte hat die Beklagte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise für die Prognose des zukünftigen Verhaltens des Klägers herangezogen.

Zwar ist das bloße Haben einer Überzeugung, die bloße Mitteilung, dass man diese habe, das kritische Informieren, das Lesen und Speichern extremistischer Literatur noch von der Meinungs- und Informationsfreiheit gedeckt und rechtfertigt für sich allein nicht derartige Zweifel (vgl. BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.). Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass im Stil radikal - im Sinne einer Unvereinbarkeit mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung - gehaltene Texte vom Kläger formuliert wurden. Auch der Name der Jugendorganisation, für die er tätig ist, ist in einem auf seinem Laptop gespeicherten Trainingsprogramm zu finden.

Die vom Kläger selbst verfassten Texte haben aus Sicht eines neutralen Betrachters eine radikale Diktion. In der „Nachricht an Angehörige“, die der Kläger nach seinen Angaben an 2 bis 3 Jugendliche seiner Jugendgruppe adressiert hatte, heißt es u.a.: „Zur Zeit gibt es in Deutschland keinen Kampf mit der Waffe, deshalb haben wir unsere gesamten Anstrengungen auf einen anderen Bereich zu lenken:“ Diese Formulierung lässt darauf schließen, dass das Postulat der Gewaltfreiheit nicht unter allen Umständen geachtet wird.

In der „SWOT Analyse“ für seine Jugendgruppe, die der Kläger nach eigenen Angaben für sich selbst erstellt hat, schreibt er unter dem Stichpunkt Gefahren „Diskreditierung bei Aufdeckung von HABibi Gedankengut“. Dies rechtfertigt den Schluss, dass der Kläger nicht nur selbst dem Gedankengut der MB nahe steht, sondern dieses im Rahmen seiner Jugendgruppe lehrt und weitergibt. Diese Annahme hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt, indem er angegeben hat, dass er hinter den Gedanken von Hasan al-Banna von der MB stehe, soweit dieser religiöse Grundsätze für das Verständnis des Islam aufgestellt habe. Auch wenn er vorträgt, dass er die Texte heute so nicht mehr formulieren würde, fehlt im Zeitpunkt der Beurteilung durch die Beklagte eine eindeutige Distanzierung von der radikal aufzufassenden Formulierung.

Zum anderen ist auch der Kontext des „ISB-Programms Training for Action“ eindeutig extremistischen Inhalts. In diesem nur teilweise ins Deutsche übersetzten Trainingsprogramm, dessen Urheberschaft vom Kläger bestritten wird, wird auf Seite 6 auf die Jugendorganisation Bezug genommen, deren Jugendgruppe der Kläger in M. leitet und für die er Intensivkurse anbietet. Dort heißt es: „Es wird erwartet, dass das Programm in seinen beiden Teilen, wissensvermittelnder und praktischer Teil, umgesetzt wird. Ein Kreis wird nicht als MJD-Intensivkreis betrachtet, wenn nicht beide Teile entsprechend den hier aufgestellten Regeln und Vorgaben umgesetzt werden“. In dem sich hieran anschließenden Trainingsprogramm finden sich Aussagen wie: „Die Teilnehmer sollen am Ende dieses Kurses erkennen, dass Allah die beste Anleitung zu den Prinzipien, eine Regierung zu führen, zur Verfügung gestellt hat, dass Säkularismus im Islam keinen Platz hat und die Muslime sich daher bemühen müssen, Allahs Anleitungen in allen Belangen umzusetzen“; „Die Teilnehmer sollen am Ende dieses Kurses die Weisheit der Scharia schätzen (...). Diese Umstände geben vorliegend Anlass zu der ernsten Besorgnis, dass der Kläger nicht nur eine mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbare innere Einstellung vertritt, sondern auch bereit ist, diese im Rahmen seiner Tätigkeit als Leiter einer Jugendgruppe bzw. ggf. nach seiner Berufung in das Beamtenverhältnis als Lehrer an seine Schüler weiterzugeben. Denn der Kläger veranstaltet als Leiter der Jugendgruppe der MJD in M. Intensivkurse hinsichtlich einer am Islam ausgerichteten Lebensgestaltung. Da sich auf dem Laptop des Klägers das mit der verfassungsmäßigen Ordnung nicht in Einklang zu bringende ISB-Programm befindet, in das bereits der Name MJD eingefügt ist, für die der Kläger tätig ist, ist zu besorgen, dass der Kläger diesen Text in seinen Intensivkursen einsetzt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Text nicht vom Kläger verfasst worden sei. Denn der Text befand sich jedenfalls einsatzbereit auf dem Laptop. Auch der Umstand, dass die dargestellten Texte gegenüber der Gesamtzahl der auf dem PC gespeicherten Dateien von über 3.000 nicht ins Gewicht fallen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn für die ernste Besorgnis, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, kommt es nicht darauf an, dass die Dokumente, aus denen sich eine solche Besorgnis ergibt, von einer Vielzahl von neutral zu beurteilenden Dokumenten umrahmt werden.

In das insoweit vom Kläger gewonnene Gesamtbild fügen sich auch die anderen radikal formulierten Texte, die nach dem Gutachten der Islamexpertin einen eindeutigen Rückschluss auf die Ideologie der MB zulassen. Da diese Texte vom Kläger nicht verfasst sind bzw. er dessen Urheberschaft bestreitet, kann ihnen unmittelbar wenig Aussagekraft über seine innere Einstellung beigemessen werden. Im Zusammenhang bestätigen sie jedoch den Eindruck im Sinne einer „Summenwirkung“, dass der Kläger die Ideologie der MB vertritt und weitergeben will.

Für die von der Beklagten getroffene Bewertung, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, sind daher das Tätigwerden des Klägers für die MJD, die Durchführung von Halal-Zertifizierungen im Zusammenhang mit dem IZM und sein damaliges Engagement für das DIBW nicht mehr von Belang.

c) Im Rahmen ihrer Eignungsprognose hat die Beklagte die einzelnen Beurteilungselemente ohne Verstoß gegen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gewichtet und gegeneinander abgewogen.

Insbesondere hat sie in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die weiter in der Vergangenheit liegenden Tatumstände - die bis ins Jahr 2003/2004 zurückliegende Mitgliedschaft im IZM und die teils 2003/2004 verfassten oder gespeicherten Texte auf dem Laptop des Klägers - für die Prognose des künftigen Verhaltens herangezogen.

Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher Tatumstände ist, dass sie für die Prognose künftigen Verhaltens noch von Bedeutung sein können und mithin nicht überholt sind, beispielsweise weil der Bewerber sich zuverlässig erkennbar von den früher verfolgten Zielen abgewandt hat (vgl. BVerwG vom 26.3.1975, BVerwGE 47,365). Dies ist vorliegend der Fall, denn angesichts der bis heute andauernden aktiven Tätigkeit des Klägers für das IZM, dessen Gedankengut der MB zuzuordnen und mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist (siehe oben), war zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung keine zuverlässige Abkehr des Klägers von seiner damaligen Einstellung erkennbar. Diese Einschätzung wird letztlich auch durch die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dort hat er angegeben, dass er aus dem IZM nur ausgetreten sei, weil er gehört habe, dass jeder, der dort Mitglied sei, als Verfassungsfeind gelte und er später einmal Lehrer werden wollte. Von den dort vertretenen Grundideen habe er sich allerdings nicht distanziert.

Dieser schon während des Vorbereitungsdienstes vorhandenen und bis zum Entscheidungszeitpunkt andauernden Nähe des Klägers zu extremistischen Organisationen hat die Beklagte erkennbar das entscheidende Gewicht beigemessen. Dies wird daraus ersichtlich, dass die Beklagte das andauernde Engagement des Klägers als besonders gewichtigen Umstand berücksichtigt hat.

Aus diesem Grund ist es auch nicht fehlerhaft, dass die Beklagte im Bescheid nicht näher auf die Bewährung des Klägers während des Vorbereitungsdienstes eingegangen ist. Die Nichtberücksichtigung bzw. nicht ausreichende Berücksichtigung des abgeleisteten Vorbereitungsdienstes kann nur dann einen Verstoß gegen allgemein gültige Wertmaßstäbe darstellen, wenn der Dienstherr die jüngere mehrjährige tadelsfreie Führung gegenüber den zurückliegenden, bereits abgeschlossenen Verhaltensweisen hintenansetzen will (vgl. BVerwG vom 9.6.1983, ZBR 1984, 40; VG Darmstadt vom 2.8.2007, 1 E 1247/06). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor, da sich im vorliegenden Fall das problematische Verhalten durchgängig bis heute fortsetzt.

Schließlich ist die Beklagte beurteilungsfehlerfrei davon ausgegangen, dass den Aussagen der Zeugen zur Verfassungstreue des Klägers kein besonderes Gewicht zukommt. Bei den Einschätzungen der Zeugen handelt es sich um subjektive Eindrücke über den Kläger, die grundsätzlich hinter objektiven, nach außen sichtbaren Verhaltensweisen zurücktreten müssen. Unterstrichen wird dies im vorliegenden Fall noch dadurch, dass die Zeugen keine konkreten Situationen benennen konnten, die Aufschluss über die Haltung des Klägers gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geben könnten. Die Zeugen - an deren Glaubhaftigkeit kein Anlass zu zweifeln besteht - haben übereinstimmend angegeben, dass sie sich mit dem Kläger über Gesichtspunkte, die einen Anhalt zur Beurteilung der Verfassungstreue liefern könnten - insbesondere Trennung von Staat und Kirche, Grundrechte, Demokratie, Rechtssystem - nicht auseinander gesetzt haben.

d) Die Beklagte ist ferner zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, seine Zweifel an der Verfassungstreue zu zerstreuen. Die von ihm insgesamt vorgebrachten Einwände lassen die vorstehend erörterten äußeren Geschehnisse nicht zwingend in einem anderen Licht erscheinen.

Wie oben dargestellt, gehört zum Inhalt der beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht nur, sich aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzusetzen, sondern auch, sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. In diesem Zusammenhang trifft den Beamtenbewerber eine besondere Mitwirkungslast. Ihm obliegt es, Motive für das bisherige Verhalten darzutun, die für die Beurteilung seiner Verfassungstreue von Bedeutung sein können. So kann das Vorbringen des Beamtenbewerbers entscheidend sein, dass in einer Vereinigung mit überwiegend der Verfassungsordnung widerstreitenden Zielsetzungen gerade er für eine verfassungskonforme Zielsetzung eintritt oder dass er aus einer solchen Organisation ausgetreten ist und sich nunmehr in anderen Organisationen für verfassungskonforme Zielsetzungen einsetzt (vgl. BVerwG vom 27.11.1980, a.a.O.)

Solche Umstände hat der Kläger nicht in überzeugender Weise vorgebracht. Er hat sich darauf beschränkt, die Vorwürfe pauschal zu bestreiten, ohne sich im Rahmen des Prüfungs- und Anhörungsverfahrens eindeutig von der Ideologie der Muslimbruderschaft zu distanzieren.

Der alleinige Verweis darauf, dass er aus dem IZM nach relativ kurzer Mitgliedschaft wieder ausgetreten sei, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass der Kläger sich von den dort vertretenen Ansichten distanziert habe. Angesichts der ideologischen Nähe von IGD und IZM zur MB hätte es hierfür zusätzlich der Benennung von Gründen und einer nach außen erkennbaren Distanzierung bedurft. Im Widerspruch dazu steht jedoch das weitere Engagement des Klägers für das IZM, auch wenn es - wie der Kläger einwendet - nicht regelmäßig erfolgt sei. Auch der Einwand des Klägers, er habe nicht erkennen können, dass diese Organisation extremistisch-fundamentalistische Bestrebungen verfolge, führt zu keiner anderen Beurteilung. Da dem Kläger jedenfalls mit Beginn des Einstellungsverfahrens bekannt war, dass das IZM kritisch gesehen werde, hätte er gerade mit Blick auf die spätere Einstellung als Lehrer auch bei dem bloßen Verdacht hiervon erkennbar in irgendeiner Weise Abstand nehmen oder für die demokratische Grundordnung eintreten müssen. Dazu hat der Kläger nichts Stichhaltiges vorgetragen. Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe einen Vortrag zum Thema „Demokratie und Islam“ im IZM angedacht, genügt hierfür nicht, da er diese Idee jedenfalls nicht umgesetzt hat.

Auch für die selbst verfassten Texte mit radikaler Diktion konnte der Kläger keine plausiblen Gründe und Motive benennen. Der Vortrag des Klägers erschöpft sich darin, einzuwenden, dass die Texte lediglich für den privaten Gebrauch beabsichtigt und der dort gewählte Wortlaut nicht kriegerisch gemeint gewesen sei. Eine Erklärung, wie insbesondere der Wortlaut der „SWOT Analyse“ „Gefahren: Diskreditierung bei Aufdeckung von HABibi Gedankengut“ zu verstehen sei und aus welchen Gründen er diese Formulierung gewählt habe, ist er bis zum Bescheidserlass schuldig geblieben. Angesichts des eindeutigen Wortlauts hätte es jedoch auch diesbezüglich einer ausdrücklichen Abstandnahme von den der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehenden ideologischen Elementen der Muslimbruderschaft bedurft.

Eine solche Distanzierung hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung nicht erkennen lassen. Vielmehr hat er angegeben, dass er hinter den Gedanken von Hasan al-Banna stehe, soweit dieser religiöse Grundsätze für das Verständnis des Islam aufgestellt habe. In diesem Sinne sei auch die damalige Formulierung „Diskreditierung bei Aufdeckung von HABibi-Gedankengut“ gemeint gewesen. Diese Aussage bestätigt, dass dieser Text auch heute noch Aktualität besitzt und dass gerade keine Abkehr von der damaligen Einstellung vorliegt. Da Hasan al-Banna auch politische Ziele verfolgte (s.o.) und insbesondere nach dessen Ideologie der Islam eine untrennbare Einheit zwischen Politik und Religion darstellt und sich auf alle Lebensbereiche bezieht, erscheint es problematisch, strikt zwischen den religiösen und politischen Ansätzen der MB trennen zu können. Jedenfalls müsste eine solche Trennung und Ablehnung der mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht in Einklang stehenden Elemente der Ideologie nach außen ersichtlich geworden sein. Eine solche nach außen erkennbare ausdrückliche Distanzierung hat der Kläger - wie dargelegt - nicht gezeigt. Sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist daher nicht geeignet, die seinerzeit von der Beklagten getroffene Einschätzung in Frage zu stellen, dass der Kläger nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

3. Auf die Frage, ob die charakterliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe beim Kläger gegeben ist, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.

4. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).