VG München, Urteil vom 13.12.2011 - M 2 K 10.4146
Fundstelle
openJur 2012, 119934
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klage ist gegen die der beigeladenen Stadt … mit Bescheid vom … Juli 2010 erteilte Genehmigung zur Errichtung eines Fußgängersteges im … gerichtet. Die Stadt strebt seit Jahren die Errichtung eines durchgängigen Seeuferwegs abseits der viel befahrenen Bundesstraße … an, der an drei Stellen parallel zum Ostufer des … als Steg im Wasser geführt werden soll. Nördlich des Rathauses und südlich vom Strandbad wurden bereits Stege errichtet und in Betrieb genommen. Mit der streitgegenständlichen Genehmigung wird die Errichtung des dritten, 197 m langen, Fußgängersteges zugelassen, der die Lücke zwischen …-Anlage und … schließen soll (vgl. Luftbild, Bl. 126 der Verwaltungsakte). Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen an den … angrenzenden Areals, das aus den Grundstücken Fl.Nrn. …, …, …, …, …, …, … und …, Gemarkung …, besteht und auf dem sich das bis Oktober 2008 betriebene Hotel "…" befindet.

Mit Bescheid vom … Juli 2010 erteilte das Landratsamt … unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Stadt … die Genehmigung nach Art. 20 BayWG zur Errichtung eines Seeuferstegs zwischen der sog. …-Anlage und der sog. …, eines Fußwegs auf Fl.Nr. … zwischen Anschlusspunkt des Seeufersteges und …brücke, für die Erneuerung eines Bootshafens und für die Errichtung einer Brücke über den …. Nach den mit Prüfvermerk des Wasserwirtschaftsamts … und Genehmigungsvermerk des Landratsamts versehenen Antragsunterlagen soll der Abstand des Fußgängersteges zu den Ufergrundstücken der Klägerin ca. zwischen 3 m und 12 m betragen.

Mit Schriftsatz vom 24. August 2010, eingegangen am folgenden Tag, erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag,

den Bescheid des Landratsamts … vom … Juli 2010 aufzuheben.

hilfsweise: den wasserrechtlichen Bescheid unter Ziff. 1.1.1 und 1.1.2 aufzuheben und

weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag [der Beigeladenen] vom 23. Februar 2010 neu zu entscheiden, dies insbesondere unter Berücksichtigung des Anliegerinteresses der Klägerin und unter Sicherstellung, dass ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Hotel "…" (Grundstücke Fl.Nrn. … bis …, …, …, …, …, …) nicht zu befürchten ist.

Ein gleichzeitig gestellter Antrag, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen, hat sich erledigt, nachdem die Beigeladene den Antrag auf Sofortvollzug zurückgenommen, der Beklagte die Vollzugsanordnung mit Bescheid vom … Oktober 2010 aufgehoben und Klägerin und Beklagter das Verfahren übereinstimmend für erklärt hatten. Dieses Verfahren wurde mit Beschluss vom 19. November 2010, Az. M 2 S 10.4148, eingestellt.

Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 7. April 2011 auf einen im Eilverfahren Az. M 2 S 10.4148 eingereichten Schriftsatz vom 10. September 2010 Bezug genommen, in dem sinngemäß ausgeführt worden war: Es sei beabsichtigt, die Hotelnutzung (gegebenenfalls auch nach Abriss und Neubau des Hotelgebäudes) fortzusetzen. Die …beratungsgesellschaft mbH (…) sei beauftragt worden, eine Objektbetrachtung durchzuführen und dabei auch die Auswirkungen der Steganlage zu berücksichtigen. Sie habe festgestellt, dass die Qualität des Hotels, direkt angrenzend an das Seegrundstück, wesentlich von der freien, ungestörten und direkten Zugänglichkeit zum See angewiesen sei, somit unter Einschluss der vorgesehenen Steganlage davon auszugehen sei, dass ein entsprechendes Hotelbauvorhaben - im renditefähigen und überlebensfähigen Zustand - nicht geführt werden könne. Auch die Industrie- und Handelskammer für … und … habe in einer Stellungnahme vom … Juli 2009 die negativen Auswirkungen auf ein Hotelbauvorhaben beschrieben, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Angewiesenseins des Hotels auf das Seegrundstück mit Sichtbeziehung zum See und Nutzung des direkt zugeordneten privaten Badeplatzes, der durch die Steganlage nicht mehr als Badeplatz genutzt werden könne. Es werde in die schon vorhandene Eigentumsposition der Klägerin sowie in die Substanz des vorhandenen eingerichteten und vorgesehenen künftigen Hotelbetriebes eingegriffen. Durch die Errichtung der Steganlage ergäben sich gravierende Verkehrswerteinbußen, die Auswirkungen des Vorhabens auf den vorhandenen privaten, dem Hotel zugeordneten Badeplatz seien nicht berücksichtigt worden. Der Gutachterausschuss beim Landratsamt … habe mit Gutachten vom 28. Mai 2010 diesen Verlust mit 20 % bewertet. Zu Unrecht gehe der angefochtene Bescheid davon aus, dass die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwände nur unter dem Blickwinkel des Gebots der Rücksichtnahme zu prüfen seien, weil nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG (2010) Eigentum nicht mehr als Allgemeinwohlbelang zu berücksichtigen sei und die Grundstückseigentümerin keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung der situationsbedingten Lagevorteile habe. Aus der Übergangsbestimmung des Art. 81 BayWG (2010) ergebe sich, dass Genehmigungsverfahren nach den bisher geltenden Verfahrensvorschriften zu Ende zu führen seien, nach Auffassung der Klägerin hätte deshalb das mit Antrag der Beigeladenen vom 23. Februar 2010 eingeleitete Genehmigungsverfahren unter Anwendung von Art. 59 Abs. 2 und 4 BayWG (1962) durchgeführt werden müssen. Aber auch wenn man mit dem Landratsamt … Art. 20 BayWG (2010) i.V.m. § 36 WHG (2009) anwende, sei für die Auslegung des Begriffs "Wohl der Allgemeinheit" die zu Art. 59 BayWG (1962) ergangene Rechtsprechung heranzuziehen und mithin bei der Entscheidung auch das Eigentum zu berücksichtigen.

Allein der Umstand, dass das Landratsamt bei seiner Entscheidung nicht geprüft habe, ob die Errichtung der Steganlage einen Eingriff in das Eigentum bzw. in den Gewerbebetrieb der Klägerin zur Folge habe, weil erstmals der unmittelbare Seezugang mit Badeplatz unmöglich gemacht werde, führe zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Der Beklagte habe die Anliegerinteressen der Klägerin nicht einmal bei der Prüfung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme in die Abwägung eingestellt. Es sei auch nicht erkennbar, dass das Ruhebedürfnis der Gäste einer Hotelanlage an diesem Standort berücksichtigt worden sei. Die Ansicht, dass Fußgängerlärm nicht lärmtechnisch zu bewerten sei, treffe nicht zu. Ergänzend wurde auf den klägerischen Schriftsatz vom 8. September 2010 im Parallelverfahren M 2 K 10.4218 verwiesen, in dem u.a. unzumutbare Lärmeinwirkungen, Einblickmöglichkeiten, Nutzungseinschränkungen und entgegenstehende öffentliche Belange (Denkmal- und Landschaftsschutz) und Verstöße gegen das Abstandsflächenrecht gerügt worden waren.

Mit weiterem Schriftsatz vom 7. April 2011 wurde zur Klagebegründung noch ausgeführt, die Beigeladene habe einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan (mit Veränderungssperre) zur Umsetzung der Darstellung "Flächennutzungsplan Sondergebiet Fremdenverkehr" gefasst. Danach sei künftig als Art der baulichen Nutzung ausschließlich die Nutzung der Fremdenbeherbergung und Bewirtung zulässig. Auch wenn die Klägerin mehrere Vorbescheidsanträge gestellt und nicht nur die Nutzung als Hotel, sondern auch eine mögliche Nutzung in Form von Wohnen und Gewerbe abgefragt habe, stehe die Absicht der Weiterführung des Hotels auf Basis des Bestandes nicht in Zweifel. Wenn der Steg errichtet werde, sei jedoch unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der … das Hotelbauvorhaben, welches insbesondere von dem ungestörten Blick und der Ruhelage in Richtung See profitiere, nicht rentabel und ein Betrieb nicht dauerhaft wirtschaftlich möglich. Diese Auswirkung des Vorhabens hätte im Genehmigungsverfahren geprüft werden müssen.

Die mit Beschluss vom 25. August 2010 beigeladene Stadt … beantragte mit Schriftsatz vom 31. August 2010,

Klageabweisung

und führte zur Begründung mit Schriftsatz vom 3. März 2011 aus: Die Klage sei unzulässig, da Art. 20 Abs. 2 und 4 BayWG i.V.m. § 36 WHG (jeweils in der seit 1.3.2010 geltenden Fassung) im Gegensatz zu Art. 59 Abs. 4 BayWG 1962 für die Genehmigungsfähigkeit von Anlagen in oder an Gewässern nicht mehr den Belang "Eigentum" nenne und damit keine drittschützende Wirkung mehr habe. Die Klägerin könne sich nicht auf den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs berufen, da sie als Grundstückseigentümerin das Hotel nicht betrieben und der Pächter den Hotelbetrieb seit drei Jahren eingestellt habe. Das Klägerinteresse, zukünftige Nutzungsmöglichkeiten uneingeschränkt aufrecht zu erhalten, könne eine Klagebefugnis auf eigentumsrechtlicher Position nicht stützen. Auch habe die Klägerin bereits geäußert, dass die bestehenden baulichen Anlagen abgerissen werden und ein Neubau vorgesehen sei. Unabhängig von der Frage, inwieweit Eigentum bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen ist, könne sich die Klägerin nicht auf eine eigentumsrechtlich verfestigte Anspruchsposition eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs berufen. Für den Fall der Neugründung eines Hotelbetriebs wären allenfalls künftige, nicht unter den Eigentumsschutz des Art. 14 GG fallende Verdienstmöglichkeiten und Chancen betroffen. Die Werthaltigkeit eines Grundstücks werde ebenfalls nicht von Art. 14 GG erfasst. An dem möglichen Seezugang ändere sich für die Klägerin nichts, auf die Aufrechterhaltung des Seezugangs in der bisherigen Form bestehe kein Anspruch. Eine zu berücksichtigende Lärmbelastung werde nach dem von der Beigeladenen eingereichten Lärmgutachten durch den Steg nicht hervorgerufen.

Eine im Parallelverfahren M 2 K 10.4146 von der Beigeladenen mit dem Schriftsatz vom 3. März 2011 vorgelegte schalltechnische Untersuchung der C. … vom Dezember 2010 kommt (auf Seite 8) zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass bei 2.500 in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr auf dem Steg spazierenden Personen unter der Annahme, dass jede zweite Person gehoben spricht, 75 % auf Gummisohlen gehen, 20 % mit Stöckelschuhen gehen, 1 % einen Trolly mitführt, 3 % hopsen und 1 % rennt, die Immissionsbelastung bei maximal 50 dB(A) liege; der Grenzwert der 16. BImSchV von 64 dB(A) tagsüber werde auch im ungünstigsten Fall noch um 14 dB(A) unterschritten, auch der für den Nachtzeitraum zulässige Immissionsgrenzwert von 54 dB(A) werde noch unterschritten. Für zwei Immissionsorte an dem ehemaligen Hotel "…" werden 43 und 44 dB(A) errechnet (Seite 7 der Untersuchung vom Dezember 2010).

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 16. März 2011

Klageabweisung.

Die Anlagengenehmigung verletze die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie könnten sich nur dann mit Erfolg gegen die Genehmigung wehren, wenn sie rechtswidrig sei und die Rechtswidrigkeit (zumindest auch) auf der Verletzung von Normen beruhe, die gerade dem Schutz der betreffenden Dritten oder Nachbarn bezwecke. Drittschutz werde im Wasserrecht, auch im Zusammenhang mit Anlagengenehmigungen, nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots gewährt. Die Genehmigungsfähigkeit richte sich nicht nach Art. 59 BayWG (1962), sondern nach Art. 20 BayWG (2010), § 36 WHG (2009) als Normen des materiellen Rechts. Art. 20 BayWG stelle auf das Wohl der Allgemeinheit ab und verweise auf § 36 WHG, der seinerseits § 3 Abs. 1 Nr. 10 WHG in Bezug nehme; deshalb sei das Wohl der Allgemeinheit in einem wasserwirtschaftlichen und wasserhygienischen Sinn zu verstehen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor. Unabhängig davon, ob das Außenbereichsvorhaben planungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB oder nach Abs. 2 dieser Vorschrift zu beurteilen sei, werde Drittschutz im Zusammenhang mit Immissionskonflikten nur über das in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme gewährt. Der Fußgängerverkehr führe aber zu keiner unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung. Auch soweit optische Beeinträchtigungen, ein Wertverlust und Nutzungsbeschränkungen eingewendet würden, sei das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt. Es gehe um die Änderung von Lagevorteilen, wobei zu berücksichtigen sei, dass es keine anerkannte Rechtsstellung als Seeanlieger gebe. Der streitgegenständlichen Anlagengenehmigung liege keine planerische Abwägung zu Grunde, bei der der Behörde Gestaltungsfreiheit eingeräumt sei. Vielmehr enthalte Art. 20 BayWG ein Konditionalprogramm mit der Folge, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale eine bestimmte Rechtsfolge eintrete. Ähnlich wie die Baugenehmigung stelle die Anlagengenehmigung eine Unbedenklichkeitsbescheinigung dar, die nicht zu Eingriffen in Rechte Dritter im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG berechtige.

Die Klägerin trat diesen Ausführungen mit dem bereits erwähnten Schriftsatz vom 7. April 2011 entgegen.

In einer im Parallelverfahren M 2 K 10.4218 von den dortigen Klägern vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen für Schallimmissionsschutz Hunecke vom 1. April 2011 wird im Wesentlichen ausgeführt: Die in der Untersuchung vom Dezember 2010 angewandte Beurteilungsgrundlage der 16. BImSchV sei ungeeignet. Bei einer Beurteilung der Geräuschimmissionen nach TA Lärm würden sich deutliche Abweichungen zur vorgenommenen Berechnung hinsichtlich der Beurteilungszeiten, der Immissionsricht- bzw. -grenzwerte, der zu verwendenden Zuschläge sowie hinsichtlich des Spitzenpegelkriteriums ergeben. Die Anzahl der zu erwartenden Stegbenutzer sei unzureichend erhoben worden, auch die Annahme zur Verweildauer sowie zu Art und Verteilung der Geräuschereignisse erscheine willkürlich. Zusammenfassend heißt es (auf Seite 24): "Da speziell während der Nachtzeit mit Überschreitungen des Immissionsrichtwertes und des Spitzenpegelkriteriums zu rechnen ist, jedoch auch für die Tageszeit eine Einhaltung des Immissionsrichtwertes nicht vorausgesetzt und Überschreitungen des Spitzenpegelkriteriums nicht ausgeschlossen werden können, ist aus unserer Sicht davon auszugehen, dass die Errichtung des Seesteges an der geplanten Stelle zumindest aus schalltechnischer Sicht den Anforderungen des Rücksichtnahmegebotes nicht genügt."

In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 erklärte der Beklagte, dass die Anlagengenehmigung nachträglich mit der Maßgabe erteilt wird, dass der streitgegenständliche Steg an beiden Enden mit einem Tor zu versehen ist, das in der Zeit von 22 Uhr bis 8 Uhr geschlossen zu halten ist, wobei es geeignet sein muss, den Fußgängerverkehr effektiv auszuschließen. Die Beigeladene erklärte, dass sie gegen diese nachträgliche Maßgabe keine Rechtsmittel einlege. Zu Ziff. 3.6 des angefochtenen Bescheids erklärte der Beklagte, dass mit den dort genannten "gesamten Bauteilen" nur die Bauteile gemeint seien, die aus Holz sind und nicht nach den genannten Planunterlagen aus Metall bestehen.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 beschloss das Gericht an diesem Tag, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, ob durch die beabsichtigte Nutzung des Fußgängersteges bei sinngemäßer Anwendung der TA Lärm auf den klägerischen Grundstücken der Immissionsrichtwert von tags 60 dB(A) eingehalten wird.

Nachdem den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, beauftragte das Gericht Herrn … vom Büro … GmbH mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens. Dabei wurde im Hinblick auf das anhaltend schlechte Wetter dem Gutachter vorgegeben, dass anstelle der Zählung der Fußgänger an einem bereits bestehenden Steg an warmen Sommertagen unterstellt werden kann, dass an einem warmen Feier- oder Wochenendtag im Sommer in der Zeit von 8 Uhr - 22 Uhr 3.000 Personen auf dem Steg unterwegs sind.

Herr … legte seine schalltechnische Untersuchung unter dem 20. September 2011 vor. Dabei berechnete er die Beurteilungspegel unter Berücksichtigung getrennter Ansätze für die schalltechnischen Einzelereignisse und der Annahme einer Intensivierung der Kommunikations- und Gehgeräusche gegenüber dem Bestand. Danach errechnete er die höchsten Beurteilungspegel mit 61 dB(A) in Höhe des Erdgeschosses an den am Seeufer stehenden Westfassaden bzw. Nordwestfassaden der Gebäude auf dem (nicht der Klägerin gehörenden) Grundstück Fl.Nr. …. An den vom geplanten Steg viel weiter entfernten Immissionsorten vor dem ehemaligen Hotel "…" betragen die Beurteilungspegel nur 50 dB(A) im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss und 51 dB(A) im zweiten Obergeschoss. Kurzzeitige Geräuschspitzen können nach Angaben des Gutachters insbesondere durch Kommunikationsgeräusche der Fußgänger entstehen. An dem der Steganlage nächstgelegenen Immissionsort auf dem Grundstück Fl.Nr. … (Abstand des Stegs vom Immissionsort: 3,5 m) errechne sich bei lautem Schreien ein maximaler Schalldruckpegel von 89 dB(A), bei sehr lautem Schreien von 96 dB(A). Für die vom Steg über 35 m entfernten Immissionsorte beim ehemaligen Hotel "…" enthält das Gutachten insoweit keine Angaben.

Am 13. Dezember 2011 fand eine weitere mündliche Verhandlung statt. In dieser wies das Gericht darauf hin, dass in der unmittelbar zuvor durchgeführten mündlichen Verhandlung im Verfahren M 2 K 10.3769 der streitgegenständliche Bescheid dahingehend geändert worden sei, dass vor dem Bootshaus auf Grundstück Fl.Nr. … anstelle der genehmigten handbetriebenen Stegklappe eine solche mit Hydraulikantrieb errichtet werden soll. In der weiteren mündlichen Verhandlung erklärte auch der Sachverständige …, dass gegen das Gutachten vom 20. September 2011 methodisch nichts einzuwenden sei, wobei er hinsichtlich der angesetzten Zahl von Personen auf dem Steg, einer möglichen Auswirkung der Benutzung der Stegklappe sowie der aus seiner Sicht nicht auszuschließenden Überschreitung des Spitzenpegelkriteriums an den Ausführungen seiner im Parallelverfahren vorgelegten Stellungnahme vom 7. Dezember 2011 festhielt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die von dem Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

1. Gegenstand der Entscheidung ist der Genehmigungsbescheid des Landratsamts … vom … Juli 2010 in der Fassung, die er durch die Protokollerklärungen erhalten hat, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2011 (Beschränkung der Betriebszeit auf 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr) und im Parallelverfahren M 2 K 10.3769 in der dortigen mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2011 (Einbau einer elektrohydraulisch betriebenen Stegklappe vor dem Grundstück Fl.Nr. …) abgegeben hat.

2. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Sie macht geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und als Grundstückseigentümerin verletzt zu werden. Derartige Rechtsverletzungen sind nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

3. Die Klägerin kann jedoch nicht die Aufhebung des am 12. April 2011 und am 13. Dezember 2011 geänderten Genehmigungsbescheids vom … Juli 2010 verlangen, da sie durch diesen Bescheid jedenfalls nicht in eigenen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Der Fußgängersteg im …, einem Gewässer I. Ordnung (Anlage 1, lfd. Nr. 80 zu Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayWG), ist eine Anlage im Sinne von § 36 WHG i.V.m. Art. 20 BayWG und bedarf der wasserrechtlichen Anlagengenehmigung. Zugleich ist er ein Vorhaben im Sinne von §§ 29 ff. BauGB.

b) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihre Belange im Rahmen der im Vollzug von Art. 20 BayWG zu treffenden Abwägungsentscheidung (dazu Drost, Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2010, RdNr. 43 zu Art. 20) nicht richtig gewichtet worden seien. Art. 20 BayWG ist keine Vorschrift, die auch dem Schutz Dritter dient. Die Anlagengenehmigung darf nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG nur versagt, an Bedingungen und Auflagen geknüpft oder widerrufen werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in Abs. 2 der Vorschrift aufgezählten Gründe es erfordern. In Art. 20 Abs. 2 BayWG werden die Gründe des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere die in § 36 WHG genannten Gründe genannt. Nach § 36 Satz 1 WHG sind derartige Anlagen so zu errichten, zu betreiben, zu unterhalten und stillzulegen, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen (also die in § 3 Nr. 10 WHG genannten Veränderungen der Gewässereigenschaften) zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist. Nach dieser neuen Gesetzesfassung hat die untere Wasserrechtsbehörde bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Anlagengenehmigung insbesondere auch nicht zu prüfen, ob Privateigentum beeinträchtigt wird. Für Art. 59 BayWG 1962 wurde die Berücksichtigung des Privateigentums von der Rechtsprechung bejaht, weil in Art. 59 Abs. 2 BayWG 1962 neben der auch das Eigentum umfassenden "öffentlichen Sicherheit" auch der "Schutz von Eigentum" ausdrücklich genannt wurde und ein doppelter Schutz ein und desselben Eigentums durch den Gesetzgeber nicht gewollt sein könne; vielmehr müsse eine sinnvolle Auslegung des Gesetzes dazu führen, dass in dem in Art. 59 Abs. 2 gesondert aufgeführten Eigentum die volle Eigentumsposition eines Privaten zu erblicken sei (BayVGH vom 14.1.1986, Az. 8 B 80 A.1734, BayVBl 1986, 524/525). Dagegen gibt Art. 20 BayWG i.V.m. § 36 WHG weder die öffentliche Sicherheit noch den Schutz des Eigentums als Prüfkriterium vor, weshalb die zur Auslegung von Art. 59 BayWG 1962 ergangene Rechtsprechung insoweit nicht mehr herangezogen werden kann. Indem die ausdrückliche Erwähnung des Eigentums in Art. 20 BayWG entfallen ist, wurde die Rechtsnatur der Anlagengenehmigung als öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung klargestellt (Drost, Wasserrecht in Bayern, RdNr. 42 zu Art. 20). Art. 20 BayWG hat keine nachbarschützende Funktion, die Anlagengenehmigung wird unbeschadet der Rechte Dritter erteilt, denen alle zivilrechtlichen Abwehransprüche zu Gebote stehen (Drost a.a.O. RdNr. 41). Soweit in der amtlichen Begründung zur Neufassung von Art. 20 BayWG u.a. ausgeführt wird: "Art. 20 übernimmt inhaltlich die Regelungen nach dem Art. 59 BayWG alt mit folgenden [hier nicht interessierenden] Änderungen" (Landtags-Drs. 16/2868, S. 42), ergibt sich daraus nichts anderes. Dieser Satz bezieht sich lediglich auf den vorhergehenden Satz, wonach die durch Art. 20 Abs. 1 BayWG statuierte Genehmigungspflicht auch schon in Art. 59 BayWG 1962 vorgeschrieben war, und besagt nicht, dass abgesehen von den nachfolgend aufgeführten Änderungen alles beim Alten bleibe.

c) Im Übrigen verletzt das mit Bescheid vom … Juli 2010 genehmigte Vorhaben die Klägerin auch nicht in ihren Rechten als Eigentümerin ihrer Ufergrundstücke.

aa) Die Anlage soll auf dem im Eigentum des Beklagten stehenden Seegrundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … errichtet werden, die Grundstücke der Klägerin werden von dem Vorhaben nicht in Anspruch genommen. Durch den in mindestens 3 m Entfernung vom Ufer verlaufenden Fußgängersteg und dessen bestimmungsgemäße Nutzung wird zwar die jeweilige situation der klägerischen Grundstücke verändert, da sich westlich dieser Ufergrundstücke nicht mehr wie bisher lediglich einige Wassersportler in mehr oder weniger großer Entfernung aufhalten, sondern künftig tagsüber ganzjährig einige hundert, an warmen Sommertagen eventuell sogar zwei- bis dreitausend Fußgänger vorüberziehen dürften. Die beabsichtigte Nutzung der klägerischen Grundstücke für einen Hotel- und Gaststättenbetrieb oder zum Wohnen wird dadurch jedoch nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt oder gar verhindert, dass von einer unerträglichen, einer Eigentumsverletzung gleichzusetzenden Veränderung der Grundstückssituation auszugehen wäre.

bb) Auch hinsichtlich des Grundstücksteils, der früher als Liegewiese und Privatstrand genutzt wurde, liegt keine Eigentumsverletzung vor. Diese Bucht wird von dem genehmigten Vorhaben weder in ihrer Substanz noch in ihrer Funktionalität erheblich beeinträchtigt. Der betreffende Grundstücksteil kann nach wie vor als bequemer Zugang zum See und auch zum Verweilen am See genutzt werden. Den Fortbestand einer bisher weitgehend ungestörten Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem fremden, dem Beklagten gehörenden Seegrundstück können die Kläger nicht beanspruchen (s.a. nachfolgend unter e) bb)).

d) Selbst wenn bei einer Entscheidung nach Art. 20 BayWG Rechte Dritter zu berücksichtigen wären, würde die Genehmigung vom … Juli 2010 die Klägerin auch nicht in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzen. Dieses Recht ist auf die ungestörte Betätigung und Entfaltung des funktionierenden Betriebs im Wirtschaftsleben auf Grundlage der schon getroffenen Betriebsveranstaltungen gerichtet (BAG vom 20.1.2009, Az. 1 AZR 515/08 NJW 2009, 1990/1992, Tz. 24 m.w.N.). Vorliegend ist die Klägerin nicht als Inhaberin eines derartigen Rechts betroffen, da das Hotel "…" nicht von ihr, sondern von einer Pächterin betrieben wurde, derzeit überhaupt kein Hotelbetrieb stattfindet und noch nicht einmal konkrete und zeitnah umzusetzende Pläne für eine Wiederaufnahme des Hotelbetriebs mit Entschiedenheit verfolgt werden. Aber selbst unterstellt, es läge eine eingerichtete und derzeit lediglich vorübergehend unterbrochene Betriebsausübung vor, wäre die Klägerin nicht in diesem Recht verletzt. Denn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann nur gegenüber Eingriffen in Anspruch genommen werden, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also "betriebsbezogen" sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Als "betriebsbezogen" in diesem Sinne kommen dabei nur solche Beeinträchtigungen in Betracht, die die Grundlagen des Betriebes bedrohen oder gerade den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel auf längere Zeit aufheben oder seine Tätigkeit als solche infrage stellen (BGH vom 18.1.1983 Az. 4 ZR 270/80 NJW 1983, 812/813). Dies ist nicht der Fall, wenn nur ein einzelnes zum Betrieb gehörendes Rechtsgut betroffen ist, das für den Betrieb zwar wichtig ist, aber keinesfalls, wenn es ausfällt, den Betrieb zum Erliegen bringt oder in seiner Substanz ernstlich beeinträchtigt, denn die Berücksichtigung einer solchen Schädigung würde das Gewerbevermögen ohne Sachgrund privilegieren (BGH a.a.O.). Die von der Klägerseite unter Berufung auf die Stellungnahmen von … und IHK angeführten Argumente überzeugen nicht. Das genehmigte Vorhaben nimmt dem Areal weder die Nähe zum … noch verhindert es den Blick auf diesen See. Auch ein Badebetrieb wird noch möglich sein, auch wenn der Badeplatz etwas von seiner Attraktivität verlieren mag. Insbesondere ist wegen der Beschränkung der Badesaison auf wenige Monate im Jahr und unter Berücksichtigung des wechselhaften Wetters schwer nachvollziehbar, dass die Rentabilität eines künftigen Hotelbetriebs im Luftkurort … ausgerechnet von der Unterlassung des genehmigten Stegbauvorhabens abhängen soll. Selbst bei einem derzeit betriebenen Hotel mit Gaststätte würde die Errichtung des Steges nicht unmittelbar den Betrieb als solchen betreffen, sondern lediglich Betriebsgrundstücke, also vom Betrieb ablösbare Rechte.

e) Dem mit Bescheid vom … Juli 2010 genehmigten Vorhaben, das im … und damit im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB verwirklicht werden soll, steht auch nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme entgegen. Das in § 35 Abs. 3 BauGB zwar nicht ausdrücklich erwähnte, aber in der Rechtsprechung als öffentlicher Belang seit langem anerkannte (grundlegend BVerwG vom 25.2.1977, Az. 4 C 22.75, BayVBl 1977, 639) Gebot, auf schutzwürdige Individualinteressen Rücksicht zu nehmen, gilt nicht nur für Außenbereichsvorhaben untereinander, sondern wirkt auch über die Gebietsgrenzen hinweg (BVerwG vom 28.10.1993, Az. 4 C 5.93, NVwZ 1994, 686/687). Es wirkt hier also auch gegenüber dem Baugebiet, in dem die Anwesen der Kläger liegen. Dabei handelt es sich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 BauGB, der seiner Eigenart nach einem Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO entspricht. Das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme hat nur dann drittschützende Wirkung, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG vom 25.2.1977 a.a.O. LS 4; BayVGH vom 31.3.2001, Az. 15 B 96.1537, BayVBl 2002, 698/699). Unerheblich ist deshalb, ob es sich bei der genehmigten Errichtung des Fußgängerstegs um ein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes oder um ein sonstiges Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB handelt und ob es den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 oder 2 BauGB entspricht, da § 35 BauGB keine allgemein nachbarschützende Norm ist (BayVGH vom 15.11.2011, Az. 14 AS 11.2305 RdNr. 30). Deswegen kann auch dahingestellt bleiben, ob das Vorhaben, wie in dem Genehmigungsbescheid ausgeführt wird, bereits deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert ist, weil ein Steg sinnvoll nur im … errichtet werden kann (dagegen BVerwG vom 13.9.1989, Az. 4 B 93.89, UPR 1990, 63). Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob der Steg die in § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB genannten Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet.

Soweit dem Rücksichtnahmegebot drittschützende Wirkung zukommt, wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Der angefochtene Bescheid verstößt weder gegen das als besondere gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB ausdrücklich normierte Gebot, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden (aa) noch gegen das nicht ausdrücklich genannte Gebot, sonstige nachteilige Wirkungen zu vermeiden (bb).

aa) Eine Beeinträchtigung des in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB genannten Belangs kann die Klägerin nicht geltend machen. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Vorschrift sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Dabei sind vorliegend die von den Stegbenutzern verursachten Geh- und Kommunikationsgeräusche in den Blick zu nehmen. Nach der vom Gericht eingeholten schalltechnischen Untersuchung vom 20. September 2011 sind die zu erwartenden Geräusche der Klägerin zumutbar und von dieser hinzunehmen.

Für die Beurteilung der von Fußgängern verursachten Geh- und Kommunikationsgeräusche gibt es kein unmittelbar anwendbares normkonkretisierendes Regelwerk. Auch die 6. allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl 1998, 503) ist nicht einschlägig, da es sich bei dem Fußgängersteg nicht um eine technische Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 5 BImSchG (auch nicht um eine einer Betriebsstätte vergleichbare sonstige ortsfeste Einrichtung) handelt. Auch die TA Lärm stellt unter 7.4 "Berücksichtigung von Verkehrsgeräuschen" nur auf Fahrzeuggeräusche und nicht auch auf von Spaziergängern verursachte Geräusche ab. Soweit die TA Lärm von der Rechtsprechung zur Beurteilung der von Fußgängern erzeugten Geräusche herangezogen wurde, wurde dies mit der Zurechenbarkeit des Fußgängerverkehrs zu der eigentlich zu beurteilenden Anlage begründet und ausdrücklich ein Vorbehalt zu Gunsten der tatrichterlichen Bewertung und Beurteilung menschlicher Lebensäußerungen gemacht (BVerwG vom 27.8.1998, Az. 4 C 5.98, NVwZ 1999, 523/527 und juris RdNr. 37 - Kurhaus; vom 9.4.2003, Az. 6 B 12.03, juris RdNrn. 10 und 14 - Gaststätte).

Auch wenn die TA Lärm für die Beurteilung des Fußgängerstegs nicht unmittelbar anwendbar ist, kann sie eher als die 16. BImSchV, die 18. BImSchV oder die in Bayern nicht geltende und durch die Neufassung der TA Lärm überholte Feizeitlärm-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz vom März 1995 Anhaltspunkte für den von der Klägerin hinzunehmenden Lärm liefern. In diesem Sinn kann der in Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm für Mischgebiete vorgesehene Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tags als Orientierungswert herangezogen werden.

Zur Frage, ob durch die beabsichtigte Nutzung des Fußgängerstegs durch 3.000 in der Zeit von 8 Uhr bis 22 Uhr vorbeigehende Personen bei sinngemäßer Anwendung der TA Lärm auf den klägerischen Grundstücken der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) eingehalten werden kann, führt der vom Gericht beauftragte Gutachter zusammenfassend aus,

"- Überträgt man die Art und den Umfang der am 13. September 2011 bei heute üblicher Nutzung der bestehenden Steganlage Rathaus - … vorgefundenen Kommunikations- und Gehgeräusche auf den geplanten Stegabschnitt BA III und rechnet diese auf 3.000 Personen hoch, ist an den bestehenden Gebäuden aller klägerischen Grundstücke tags mit einer sicheren Einhaltung des Immissionsrichtwerts der TA Lärm in Höhe von 60 dB(A) durch die Beurteilungspegel zu rechnen. Geräuschintensive Einzelgeräusche sind außerdem nicht dazu geeignet, das Maximalpegelkriterium in Höhe von 90 dB(A) zu überschreiten.

- Unterstellt man dem gegenüber für die Art der Geh- und Kommunikationsgeräusche der 3.000 Personen eine, nach Auffassung des Unterzeichnenden, realistische Intensivierung gegenüber der bestehenden Steganlage, errechnet sich an den Gebäuden auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … (Familie …) sowie Fl.Nr. … (…) immer noch eine deutliche Unterschreitung der oben genannten Anforderungen der TA Lärm. [...]

(Untersuchung vom 20.9.2011, S. 24 f.)."

Bei einer Gegenüberstellung der von Herrn … errechneten Beurteilungswerte mit dem Richtwert von 60 dB(A) gemäß Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm ist weiter zu berücksichtigen, dass dieser Richtwert nur zur Orientierung dient und selbst bei einer verbindlichen Anwendung des Richtwerts an der Grenze zum Außenbereich, also in einer Gemengelage im Sinne von Nr. 6.7 der TA Lärm, eine höhere Lärmbelastung hinzunehmen wäre (vgl. Nr. 6.7 der TA Lärm). Die der Untersuchung vom 20. September 2011 zu Grunde liegende Unterstellung, dass an einem warmen Feiertag oder Wochenendtag im Sommer in der Zeit von 8 Uhr bis 22 Uhr 3.000 Personen unterwegs sind, ist nicht zu beanstanden. Die von C. … vorgenommene Untersuchung vom 17. Dezember 2010 basiert auf der von der Beigeladenen am Samstag, dem 30. Oktober 2010, durchgeführten Zählung auf den bereits errichteten Stegen, wobei insgesamt 2.374 Fußgänger gezählt wurden. Es mag sein, dass an einem sonnigen Tag im August und auf dem dann durchgehenden Seeuferweg mehr Fußgänger unterwegs sind (vgl. Stellungnahme … vom 1.4.2011, Seiten 14 - 16). Es mag aber auch sein, dass ein Teil des im heilklimatischen Kurort … anzutreffenden Publikums, das sich zum erheblichen Teil schon im gesetzteren Alter befindet, der Steg an einem heißen Sommertag weniger attraktiv erscheint. Eine ganztägige Zählung an einem heißen Wochenendtag im Juli oder August wäre jedenfalls insofern nicht aufschlussreich gewesen, weil der Steg im Bereich der hier maßgeblichen Immissionsorte noch nicht vorhanden ist und auch dann nur eine mit Unsicherheiten behaftete Prognose anzustellen wäre. Diesen Unwägbarkeiten wurde in der Untersuchung vom 20. September 2011 dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die am 30. Oktober 2010 ermittelte Zahl um mehr als 25 % auf 3.000 Personen erhöht wurde.

bb) Auch sonstige nachteilige Wirkungen des mit Bescheid vom … Juli 2010 genehmigten Vorhabens führen nicht zu einem von den Klägern rügbaren Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Unter Berücksichtigung des mit dem Vorhaben verfolgten Zwecks, Einheimischen und Gästen einen Fußweg abseits der vielbefahrenen Ortsdurchfahrt der Bundesstraße … zur Verfügung zu stellen, und im Hinblick auf die Verpflichtungen der Beigeladenen aus Art. 141 Abs. 3 Satz 3 der Verfassung und Art. 33 BayNatSchG 2005 (jetzt: Art. 37 BayNatSchG 2011) halten sich die Beeinträchtigungen der Klägerin im Rahmen dessen, was ihr nach Lage der Dinge zuzumuten ist (zur Abwägung beim Rücksichtnahmegebot vgl. BVerwG vom 28.10.1993 a.a.O. S. 687). Dabei ist davon auszugehen, dass Grundstückseigentümer grundsätzlich keinen Anspruch darauf haben, dass der auf dem Nachbargrundstück bestehende (Nutzungs-)Zustand aufrecht erhalten und nicht geändert wird. In der Regel wird nicht einmal durch die Entziehung der Anliegerstellung zum See durch eine Uferaufschüttung in die Rechte des Eigentümers des Ufergrundstücks eingegriffen (BVerwG vom 16.3.1976, Az. 4 B 186.75, DÖV 1976, 389 = juris RdNrn. 3 ff.; BayVGH vom 5.12.1978, Az. 1 VIII 74, BayVBl. 1979, 178 = juris RdNr. 59). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die klägerischen Grundstücke nicht vom See getrennt werden, sondern bei fortbestehendem unmittelbarem Zugang zum See in 3 - 7 m Abstand ein Fußgängersteg errichtet wird. Ein schwerer und unerträglicher und damit enteignend wirkender Eingriff in die Eigentümerstellung ist mit der Errichtung und Benutzung dieses Stegs nicht verbunden. Auch wenn dadurch der Lagevorteil der klägerischen Grundstücke geschmälert, Erschwernisse beim Schwimmen oder Bootsfahren vom jeweiligen Grundstück aus verursacht, der freie Blick auf den … etwas beeinträchtigt, Einblickmöglichkeiten in Erdgeschossräume eröffnet und der Wert der Ufergrundstücke um 20 % gemindert wird, hält sich das Vorhaben im Rahmen dessen, was die Klägerin im Rahmen des Rücksichtnahmegebots hinnehmen muss (vgl. auch BayVGH vom 5.12.1989, Az. 22 CS 88.2471, S. 7 UA und vom 6.6.1994, Az. 22 CS 93.1385, S. 3 f. UA - jeweils zum bereits errichteten Fußgängersteg zwischen dem Rathaus … und der sog. …). Der Beklagte hat sich mit diesen Belangen auch hinreichend auseinandergesetzt (S. 22 - 24 des Bescheids).

f) Auch im Übrigen wird die Klägerin durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid nicht in eigenen Rechten verletzt.

Die Genehmigung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO, wonach auch Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen Abstandsflächen freihalten müssen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf die von der Beigeladenen beabsichtigte Widmung der Steganlage als beschränkt-öffentlicher Weg im Sinne von Art. 53 Nr. 2 BayStrWG (vgl. die Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 12.4.2011 und im Schriftsatz vom 19.7.2011) materielles Bauordnungsrecht wegen Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBO nicht anwendbar ist oder Anwendung findet, weil bei Bescheidserlass noch offen war, ob der Weg gewidmet werden soll (vgl. Gründe des Bescheids vom ….7. 2010, Seite 12). Denn jedenfalls geht von dem Steg keine gebäudegleiche Wirkung aus. Über dem mittleren Wasserstand von 725,38 m üNN erreicht der Steg mit Geländer eine Gesamthöhe von ca. 2 m (vgl. die Querschnitte 1-1 und 2-2 in dem genehmigten "Lageplan und Schnitte/Strom- und Beleuchtungsplan"), wobei die Gehfläche des Stegs in etwa auf dem Niveau der Geländeoberkante der Ufergrundstücke bleibt, wie der genehmigte Plan "Steglängsschnitt M 1 : 500" zeigt. Das Geländer hat für sich genommen wegen seiner mit einer geschlossenen Wand nicht vergleichbaren Struktur und der Höhe von nur ca. 1 m keine gebäudegleiche Wirkung. Dies gilt umso mehr, als nach der am 20. April 2010 eingereichten Tekturplanung (Bl. 335 der Verwaltungsakte) die ursprünglich vorgesehene Holzkonstruktion durch wesentlich dünnere Metallstäbe ersetzt wurde. Aufgrund der relativ geringen Höhe und der Licht- und Luftdurchlässigkeit der gesamten Konstruktion hat die Steganlage keine gebäudegleiche, bedrängende Wirkung auf die klägerischen Grundstücke.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).