Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.12.2011 - 12 ZB 11.1386
Fundstelle
openJur 2012, 119532
  • Rkr:
Tenor

I. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung werden abgelehnt.

II. Der Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

III. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Die Anträge der Kläger, ihnen zur Anfechtung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Mai 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Anwalt beizuordnen, sind abzulehnen, weil die Anträge auf Zulassung der Berufung auch bei Außerachtlassung des Darlegungsgebotes nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu keiner Zeit hinreichend Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) hatten, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.

Die begehrte Beiordnung eines Bevollmächtigten (§ 121 Abs. 1 ZPO) kommt deshalb ebenfalls nicht Betracht.

2. Die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das angegriffene Urteil sind abgesehen vom dem Vertretungserfordernis nach § 67 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO, auf das es hier wegen des rechtzeitig gestellten Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe allerdings nicht ankommt, zulässig, in der Sache aber nicht begründet, weil keiner der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe auch nur ansatzweise greift. Der Senat hat die Kläger hierauf hingewiesen. Sie haben sich zum Verfahren und in der Sache nicht mehr geäußert, weshalb der Senat zugleich über die Zulassungsanträge mitentschieden hat.

2.1 Es bestehen insbesondere keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Solche ernstlichen Zweifel bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 26.3.2007 BayVBl 2007, 624 und vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG vom 10.3.2004 DVBl 2004, 838).

Die Ausführungen der Kläger dazu im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und zur Begründung des Zulassungs- und ihres Prozesskostenhilfeantrages sind aber schon ansatzweise nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernstlich im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Frage zu stellen. Auch im Übrigen sind solche Zweifel nicht erkennbar.

Die Kläger übergehen bereits die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Akteneinsicht nicht gegenüber dem Beklagten zu 1 geltend gemacht werden kann, der die Akten, in die Einsicht genommen werden soll, derzeit gar nicht führt und deshalb nicht passivlegitimiert sein kann. Das bedarf keiner weiteren Vertiefung.

Insoweit fehlt es an der Zulässigkeit der Klage auch deshalb, weil die Kläger den Beklagten zu 1 nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Anspruch – hier zudem auf eine Ermessensentscheidung – im Klagewege überziehen können, ohne den Anspruch vorab gegenüber diesem auch nur ansatzweise geltend gemacht zu haben. Auch zum Fehlen dieser Zulässigkeitsvoraussetzung, auf die das Verwaltungsgericht ausdrücklich hingewiesen hat und das für sich genommen bereits die Klageabweisung trägt, verhalten sich die Kläger nicht.

Aber auch hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil, denen er folgt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), und stellt hinsichtlich der Ausführungen der Kläger dazu im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und zur Begründung des Zulassungs- und ihres Prozesskostenhilfeantrages noch ergänzend das Folgende fest.

Ob und inwieweit in einem anhängigen familiengerichtlichen Verfahren ein Akteneinsichtsrecht gewährt werden kann, obliegt der Entscheidung der zuständigen Familiengerichte. Die Mitwirkung der Jugendämter in familiengerichtlichen Verfahren ist in den § 50 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) geregelt (siehe dazu Kunkel, Jugendhilferecht, 6. Aufl. 2010 RdNr. 190 ff.). Die dort genannten Verpflichtungen obliegen den Jugendämtern gegenüber den Familiengerichten, nicht aber gegenüber den am Streit beteiligten Personen, die aus diesen Regelungen folgerichtig auch keine eigenen subjektiv-öffentlichen Ansprüche gegenüber dem Jugendamt herleiten können. Unabhängig hiervon hat das Jugendamt auch in diesem Verfahren die sozialdatenschutzrechtlichen Regelungen zu beachten (dazu etwa Happe/Saurbier in Jens/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Juli 2011, Band III, Vorbem zu § 50 RdNrn. 8 f.).

Soweit die Kläger ihre Ansprüche auf eine Beteiligung in einem künftigen Hilfeplanverfahren stützen, ist das zuständige Jugendamt (§ 69 SGB VIII) Herrin des Verfahrens und trägt die sog. Steuerungsverantwortung im Sinne des § 36a SGB VIII (ausführlich auch zum Rechtscharakter des Hilfeplanverfahrens siehe auch Kinkel, a.a.O., RdNrn. 171 ff.; ebenso Werner in Jens/ Happe/Saurbier, a.a.O., § 36 RdNrn. 44 ff.). Es bestimmt, wie diese Verfahren betrieben und welche Grundlagen zu einem etwaigen Hilfeplangespräch herangezogen werden, denn im Hilfeplanverfahren dürfen nur Daten erhoben werden, die zur Leistungserfüllung tatsächlich notwendig sind (zum Datenschutz im Hilfeplanverfahren siehe vor allem Kunkel in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 36 RdNr. 40). Die verfahrensrechtliche Steuerung des Hilfeplanverfahrens obliegt mithin nicht den einzelnen Verfahrensbeteiligten (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Einzelne das Hilfeplanverfahren vorbereitende Sachentscheidungen des Leistungsträgers können folgerichtig gemäß § 44a Satz 1 VwGO nicht getrennt von der Hauptsache angegriffen werden (dazu Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 44a RdNr. 4). Auch vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden sind.

Letztlich zutreffend sind auch die Feststellungen des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall zu den schützenswerten öffentlichen Interessen und den schutzwürdigen Belangen Dritter sowie zur Ermessensentscheidung des Beklagten zu 2. Die Kläger verweisen hierzu zwar auf irgendwelche Schwärzungen, halten aber letztlich auch im Zulassungsverfahren am Anspruch auf Einsicht in sämtliche Akten, die beim jeweiligen Jugendamt über die Kläger zu 2 und 3 geführt werden, fest.

Zur Einsichtnahme im Wege der Übersendung an eine bislang noch nicht bevollmächtigten Kanzlei, bedarf es deshalb keiner weiteren Ausführungen mehr.

Die übrigen Hinweise der Bevollmächtigten im Zulassungsantrag vom 8. Juni 2011 auf ein „allgemeines Recht auf Datenkenntnis“ und auf das Volkszählungsurteil sind ebenso unbehelflich, wie die angegebenen Fundstellen im Kommentar von Wieser zum Achten Buch Sozialgesetzbuch. So schreibt Wieser, liest man die zitierte Fundstelle – hier „SGB VIII, Anhang § 61; …, § 83 SGB X RdNr. 1“ weiter und damit vollständig, dass der Anspruch nach § 83 SGB X eben gerade keinen Anspruch auf Akteneinsicht begründet. Jeder Bürger habe nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, der hier – wie sich aus den oben stehenden Ausführungen ergibt – ersichtlich vollumfänglich erfüllt ist. Von einer Ermessensreduzierung auf Null kann schon wegen der schützenswerten belange Dritter, auf die auch das Verwaltungsgericht abgestellt hat, keine Rede sein.

2.2 Die Rechtssache der Kläger weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift entstehen durch einen besonders unübersichtlichen oder unter den Beteiligten besonders kontroversen Sachverhalt (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 RdNr. 25). Das ist hier nicht der Fall. Die Rechtssache entspricht in tatsächlicher Hinsicht eher dem Durchschnittsfall aus dem Bereich des Jugendhilferechts nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch. Weder den Gerichtsakten beider Instanzen noch den Behördenakten sind darüber hinaus Anhaltspunkte für besondere tatsächliche Schwierigkeiten im o. g. Sinne zu entnehmen.

Die Rechtssache weist aber auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, weil sich die hier aufgeworfenen Fragen ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder aber in der Rechtsprechung bereits geklärt sind. Entscheidungserhebliche Divergenzen in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte oder wissenschaftliche Kontroversen sind nicht zu ersehen (vgl. dazu Happ, a. a. O., § 124 RdNr. 24).

2.3 Die Berufung der Kläger ist auch nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dient in erster Linie der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Rechts. Er erfordert deshalb, dass Rechts- oder Tatsachenfragen inmitten stehen, die für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung waren, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich werden, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichtes nicht geklärt sind und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung aufweisen (vgl. dazu Happ, a. a. O., § 124 RdNrn. 35 f.).

Auch insoweit finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es geht hier vielmehr um eine Einzellfallentscheidung.

2.4 Wegen Divergenz kann die Berufung schon deshalb nicht zugelassen werden, weil auch eine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vorliegt.

Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Zulassungsbegründung muss darlegen, dass und inwiefern das der Fall ist (BVerwG vom 10.11.2008 Az. 5 B 79.08).

Es ist kein tragender Rechtssatz des Verwaltungsgerichts zu ersehen, auf den sich das angefochtene Urteil stützt und der einem vom Bundesverwaltungsgericht oder einem anderen Divergenzgericht aufgestellten Rechtssatz widerspräche.

2.5 Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts weist letztlich keinen der Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auf.

Vielmehr hat das Verwaltungsgericht vor Erlass seiner Entscheidung ebenso ausführlich wie erfolglos versucht, den Klägern seine Rechtsauffassung nahe zu bringen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.

4. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

5. Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Mai 2011 rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).