Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.10.2011 - 4 CS 11.1116
Fundstelle
openJur 2012, 118397
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 57.804,88 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Gewerbesteuerschulden der Firma M. GmbH, deren Geschäftsführer er in der Zeit vom 30. Dezember 1993 bis 11. Mai 2009 war.

Mit Bescheid vom 7. Juli 2008 setzte die Antragsgegnerin gegen die M. GmbH mit Fälligkeit zum 11. August 2008 Gewerbesteuer sowie Nachzahlungszinsen für die Jahre 2002 bis 2005 fest. Nachdem das Finanzamt die zugrunde liegenden Gewerbesteuermessbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 15. April 2009 korrigiert hatte, reduzierte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. April 2009 die Gewerbesteuerbeträge auf 23.740,50 Euro (2002), 124.190,50 Euro (2003), 16.660 Euro (2004) und 21.045,50 Euro (2005) sowie die jeweiligen Nachzahlungszinsen auf 6.056 Euro, 24.218 Euro, 2.247 Euro und 1.578 Euro.

Einen vom Zentralfinanzamt am 23. Januar 2009 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M. GmbH lehnte das zuständige Amtsgericht am 9. Juni 2009 ab. Die Gesellschaft wurde am 14. Januar 2010 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Nach vorheriger Anhörung nahm die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 18. Mai 2010 in Höhe von insgesamt 231.219,50 Euro als Haftungsschuldner für die Gewerbesteuer der M. GmbH in Anspruch (Nr. 1 des Bescheids). Der genannte Betrag umfasst neben den Gewerbesteuerforderungen und den Nachzahlungszinsen auch Säumniszuschläge von insgesamt 11.484 Euro. In den Bescheidsgründen wurde u. a. ausgeführt, der Antragsteller hafte als Geschäftsführer der M. GmbH nach § 69 AO, da er die am 11. August 2008 fälligen Gewerbesteuern für die Jahre 2002 bis 2005 nicht rechtzeitig entrichtet habe, worin eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung liege. Es sei davon auszugehen, dass bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechende Mittel vorhanden gewesen seien; Unterlagen dazu seien im Rahmen der Anhörung nicht vorgelegt worden. Darüber hinaus habe der Antragsteller seine Pflicht zur Abgabe von korrekten Steuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2005 nicht zu den jeweiligen Terminen erfüllt (8.12.2003, 18.4.2005, 28.2.2006 und 2.3.2007), so dass die Gewerbesteuer erst verspätet und auf der Grundlage von Schätzungen habe festgesetzt werden können. Zwar habe die M. GmbH mit der R. AG am 21. November 2001 einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Dieser sei aber nach Ermittlungen des Finanzamts nicht vollzogen worden, so dass die M. GmbH nach den allgemeinen Vorschriften zu besteuern gewesen sei. Der Antragsteller sei zur Abgabe von Steuererklärungen für die M. GmbH verpflichtet gewesen; seine Pflichtverletzung habe den bei der Antragsgegnerin eingetretenen Steuerausfall verursacht. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass zum Zeitpunkt der fiktiven Fälligkeit der Gewerbesteuern keine Mittel vorhanden gewesen seien; entsprechende Unterlagen seien nicht vorgelegt worden.

Zur Begründung seines Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid trug der Antragsteller vor, er sei sowohl bei der M. GmbH als auch bei der Muttergesellschaft R. AG Geschäftsführer gewesen. Während letztere seit ihrer Gründung praktisch nur Verluste erwirtschaftet habe, seien von der M. GmbH in den Jahren 2002 bis 2005 entsprechend dem Gewinnabführungsvertrag laufend Jahresüberschüsse zu 100 % an die Muttergesellschaft abgeführt worden. 2006 habe für die Muttergesellschaft Insolvenz angemeldet werden müssen, was auch die Insolvenz der M. GmbH zur Folge gehabt habe. Der Antragsteller habe wegen der desolaten finanziellen Lage für die Jahre ab 2002 keine ordnungsgemäßen Jahresabschlüsse mehr erstellen können. Er sei der Auffassung gewesen, dass nach Abführung aller Überschüsse an die Muttergesellschaft wegen deren Verlusten keine Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer entstehe; deshalb habe er keinerlei Reserven für die Zahlung evtl. Gewerbesteuern bereitgehalten. Die M. GmbH habe keine Überschüsse erwirtschaftet, die nicht an die Muttergesellschaft hätten abgeführt werden müssen. Dass der Gewinnabführungsvertrag steuerlich nicht anerkannt worden sei, ändere nichts daran, dass jeder Gewinn nicht bei der M. GmbH, sondern bei der R. AG entstanden sei.

Am 28. Dezember 2010 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 18. Mai 2010. Ergänzend zur Widerspruchsbegründung trug er vor, schon aus der Stellung des Insolvenzantrags im Januar 2009 sei ersichtlich, dass die M. GmbH beim Erlass der Gewerbesteuerbescheide im Jahr 2008 nicht mehr über ausreichende Mittel verfügt habe. Die M. GmbH sei nicht direkt für die von ihr erbrachten Leistungen bezahlt worden; hierfür habe vielmehr die R. AG Rechnungen gestellt, so dass die Kunden an diese geleistet hätten. Der M. GmbH seien nur die Kosten erstattet worden; einer Gewinnabführung an die R. AG habe es nicht mehr bedurft. Die Antragsgegnerin nehme mittlerweile das ihm gehörende Wohnungseigentum in Anspruch und habe im Grundbuch eine Zwangssicherungshypothek eintragen lassen. Insoweit werde die Aufhebung der Vollziehung beantragt.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller habe die Pflicht zur Entrichtung der Steuerforderung zum Fälligkeitstermin verletzt. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass im Jahr 2008, also zwei Jahre nach Insolvenzanmeldung der Muttergesellschaft, keine Mittel mehr vorhanden gewesen seien. Bei dem Vorbringen, durch die Insolvenz der Muttergesellschaft sei automatisch auch die Tochtergesellschaft insolvent geworden, handle es sich um eine Schutzbehauptung. Der Antragsteller habe bezüglich der behaupteten Gewinnabführung keine Beweismittel vorgelegt. Auch die behauptete Betriebseinstellung der M. GmbH im Jahre 2005 sei nicht nachgewiesen. Mangels Vorlage aussagekräftiger Unterlagen könne vom Vorhandensein ausreichender Mittel ausgegangen werden. Der Antragsteller habe auch die Pflichten zur rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen und zur Buchführung und Aufzeichnung grob fahrlässig verletzt. Das Organschaftsverhältnis sei offensichtlich nur geschaffen worden, um die M. GmbH steuerfrei zu stellen. In der Folge sei keine Buchführung erstellt worden, um die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern zu können. Eine Gewinnabführung habe nicht stattgefunden.

Mit Beschluss vom 2. Mai 2011 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag ab. Hinsichtlich der Säumniszuschläge sei der Antrag bereits unzulässig, da dem Widerspruch insoweit bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukomme. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids bestünden (§ 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Der Antragsteller habe als Geschäftsführer der M. GmbH die zum 11. August 2008 fällige Gewerbesteuer und die Nachzahlungszinsen nicht entrichtet und damit als gesetzlicher Vertreter gegen die in § 34 Abs. 1 Satz 2 AO genannte Pflicht verstoßen. Er habe dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt. Er könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der M. GmbH zum Fälligkeitszeitpunkt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Lege ein Betroffener nicht im Einzelnen schlüssig dar, dass er die Gewerbesteuerschuld im maßgeblichen Zeitraum nicht aus Mitteln der GmbH habe bezahlen können, so dürfe die Kommune grundsätzlich davon ausgehen, dass Mittel zur Verfügung gestanden hätten, solange kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden sei. Angesichts der strafrechtlich bewehrten Verpflichtung, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO), könne regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer einer GmbH trotz deren Zahlungsunfähigkeit keinen Insolvenzantrag stelle. Soweit sich das Vorhandensein ausreichender Mittel nicht näher aufklären lasse, gehe dies zu Lasten des Antragstellers. Grundsätzlich sei zwar die Antragsgegnerin verpflichtet, das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen und den Umfang der im maßgeblichen Zeitraum verfügbaren Mittel festzustellen. Vorliegend treffe aber ausnahmsweise den Antragsteller als Haftungsschuldner die Beweislast für das Fehlen ausreichender Mittel. Für die M. GmbH seien nach den Erkenntnissen des Finanzamts in den Jahren 2003, 2004 und 2005 weder Handels- noch Steuerbilanzen erstellt worden. Es seien auch keinerlei Unterlagen vorgelegt worden, die Auskunft über die Vermögensverhältnisse der M. GmbH geben könnten. Der Antragsteller habe aber darzulegen und zu belegen, dass entgegen der sich aus der fehlenden Insolvenzantragstellung ergebenden Vermutung der Zahlungsfähigkeit keine ausreichenden Mittel vorhanden gewesen seien. Wegen der fehlenden Aufzeichnungen liege es in der Verantwortungssphäre der GmbH und des Antragstellers als Geschäftsführer, diesen Sachverhalt zu belegen. Mit dem Abführungsvertrag vom 21. November 2001 könne nicht glaubhaft gemacht werden, dass die M. GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit nicht mehr über ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerschulden verfügt habe. Selbst wenn man von der Wirksamkeit dieser vertraglichen Verpflichtung ausgehe, ergebe sich daraus kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass am 11. August 2008 keine ausreichenden Mittel vorhanden gewesen seien. Die tatsächliche Vollziehung des Vertrags habe der Antragsteller weder im vorliegenden Verfahren noch im Verfahren vor dem Finanzamt nachgewiesen. Zudem sei die M. GmbH nach § 2 des Vertrags lediglich verpflichtet gewesen, den Bilanzgewinn an die R. AG abzuführen, wobei sich die Steuerforderungen der Antragsgegnerin gewinnmindernd ausgewirkt hätten.

Gegen den am 9. Mai 2011 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller am 12. Mai 2011 Beschwerde eingelegt, die mit einem am 7. Juni 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 2. Mai 2011 hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich auf die bereits im Haftungsbescheid vom 18. Mai 2010 enthaltenen Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 11.484 Euro bezieht.

Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, wendet sich der Antragsteller insoweit nicht gegen die – auf eine frühere Entscheidung des Senats gestützte (BayVGH vom 21.12.1998 Az. 4 ZS 98.2811) – Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach Säumniszuschläge keine Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind, so dass dem Widerspruch dagegen bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt und kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO besteht. Er trägt vielmehr (erstmals) vor, die Antragsgegnerin habe, indem sie in das der beantragten Zwangssicherungshypothek zugrunde liegende Ausstandsverzeichnis auch die angefallenen Säumniszuschläge aufgenommen habe, den Suspensiveffekt des Widerspruchs missachtet. Damit beruft sich der Antragsteller insoweit auf einen Fall der sog. faktischen Vollziehung, bei dem das Gericht analog § 80 Abs. 5 VwGO den Eintritt der aufschiebenden Wirkung feststellen und die Aufhebung der Vollziehung anordnen kann (vgl. Kopp, VwGO, 17. Aufl. 2011, RdNr. 181 zu § 80 m.w.N.).

Für eine solche gerichtliche Entscheidung besteht indes aus heutiger Sicht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Der Antragsgegner hat in der Beschwerdeerwiderung vom 12. Juli 2011 den vom Antragsteller gerügten Fehler im Vollstreckungsverfahren hinsichtlich der von dem Widerspruch erfassten Säumniszuschläge in Höhe von 11.484 Euro eingeräumt und erklärt, diesbezüglich eine Berichtigung beim Grundbuchamt veranlasst zu haben. Nachdem der Antragsteller eingewandt hatte, dass in der Löschungsbewilligung vom 4. August 2011 die Kosten der Löschung für den Teilbetrag in Höhe von 11.484 Euro nicht von der Antragsgegnerin übernommen worden seien, hat diese mit weiterem Schreiben vom 24. August 2011 an das Grundbuchamt klargestellt, dass sie die Kosten für diese Löschung übernehme. Damit ist die in der Missachtung des Suspensiveffekts liegende Beschwer für den Antragsteller vollständig entfallen, so dass insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren mehr besteht.

2. Im Übrigen ist die Beschwerde, die der Senat nur anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Sätze 6 und 1 VwGO), unbegründet.

Mit seinem Vorbringen wendet sich der Antragsteller ausschließlich gegen die in der angegriffenen Entscheidung getroffene Feststellung, zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Gewerbesteuer- und Zinsforderungen (11.08.2008) hätten der M. GmbH noch ausreichende Mittel zur Begleichung dieser Steuerschulden zur Verfügung gestanden, so dass zwischen der pflichtwidrigen Nichtentrichtung und dem eingetretenen Schaden die nach § 69 AO erforderliche Kausalität bestehe. Die Erwägungen, mit denen der Antragsteller diese vom Verwaltungsgericht ausführlich begründete Annahme in Frage stellt, können aber weder einzeln noch in der Zusammenschau ernsthafte Zweifel an deren Richtigkeit begründen.

a) Der Umstand, dass nur wenige Tage nach dem genannten Fälligkeitszeitpunkt aufgrund rückständiger Steuern in Höhe von über 272.000 Euro eine fruchtlose Pfändung in das bewegliche Vermögen der M. GmbH stattgefunden hat (Niederschrift des Vollziehungsbeamten vom 25.08.2008), kann die allgemeine Mittellosigkeit der Gesellschaft für die damalige Zeit nicht belegen. Das pfändbare Mobiliarvermögen bildet bei einer Kapitalgesellschaft, deren Unternehmenszweck in der Erbringung von Dienstleistungen besteht (hier: Betrieb eines Design-Studios), regelmäßig nur einen ganz untergeordneten Teil des Gesamtvermögens. Gesicherte Erkenntnisse über das Bestehen oder Nichtbestehen von dinglichen Rechten oder von Forderungen der M. GmbH gegenüber Dritten konnten im Verfahren der Mobiliarzwangsvollstreckung nicht gewonnen werden. Auch wurde für den damaligen Vollstreckungsschuldner anlässlich der fehlgeschlagenen Vollstreckung weder eine eidesstattliche Versicherung abgegeben noch sah sich dieser veranlasst, die Insolvenz zu beantragen. Aus der Vollstreckungsmaßnahme vom 25. August 2008 lassen sich daher keine Rückschlüsse auf das Fehlen hinreichender Finanzmittel ziehen.

b) Ebenfalls ohne Aussagekraft ist der im Beschwerdeverfahren vorgelegte Auszug aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München I vom 8. Oktober 2010. Darin wird dem Antragsteller vorgeworfen, als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der R. AG, die laut gutachterlicher Stellungnahme spätestens zum 31. Dezember 2002 bilanziell überschuldet gewesen sei, ab dem 1. Januar 2003 in 594 Fällen zum Nachteil der AG an unterschiedliche von ihm beherrschte Drittgesellschaften, an Dritte sowie an ihn persönlich Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.116.517 Euro geleistet zu haben, für die ein Rechtsgrund – zumindest aus der rudimentären Buchhaltung der AG – nicht ersichtlich gewesen sei. Selbst wenn man von diesem die R. AG betreffenden Ermittlungsergebnis ausgeht (dessen Richtigkeit der Antragsteller im vorliegenden Verfahren in keiner Weise bestätigt hat), erlaubt dies nicht den Schluss, dass zur gleichen Zeit auch die M. GmbH in Zahlungsschwierigkeiten geraten sein müsste, die auch noch nach Auflösung der R. AG (27.10.2006) bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt im August 2008 angehalten hätten. Die dem anhängigen Strafverfahren zugrunde liegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen werfen im Gegenteil die Frage auf, ob etwa auch die M. GmbH zu den vom Antragsteller beherrschten (in der Anklageschrift offenbar einzeln aufgezählten) Drittgesellschaften gehört, an die aus der überschuldeten R. AG ab dem Jahr 2003 größere Beträge geflossen sind. Diese Möglichkeit kann jedenfalls deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil der Antragsteller gerade diejenige Passage der Anklageschrift, in der die Zahlungsempfänger aufgelistet sind, im Beschwerdeverfahren nicht mit vorgelegt hat.

Dass der wirtschaftliche Niedergang der R. AG notwendigerweise zu einem finanziellen Engpass auch der M. GmbH geführt hat, lässt sich auch nicht mit der vom Antragsteller geltend gemachten Abführungspflicht der Tochtergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft begründen. Für einen tatsächlichen Vollzug dieser vertraglich übernommenen Verpflichtung fehlt, wie schon das zuständige Finanzamt in der bestandskräftigen Einspruchsentscheidung vom 15. April 2009 festgestellt hat, jeglicher Nachweis. Im Übrigen hätte die M. GmbH entsprechend dem klaren Wortlaut des Organschaftsvertrags vom 21. November 2001 (§ 2 Abs. 1 und 3) nur den „nach den maßgeblichen handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Bilanzgewinn“ jeweils nach Feststellung des Jahresabschlusses an die R. AG abführen müssen, so dass die zur Begleichung der jährlich anfallenden Gewerbesteuern notwendigen Finanzmittel in jedem Falle bei der M. GmbH hätten verbleiben müssen.

c) Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass zwischen dem maßgeblichen Fälligkeitstermin (11.08.2008) und dem Insolvenzantrag des Finanzamts (14.01.2009) nur etwas mehr als fünf Monate vergangen seien, so dass – gleichsam nach allgemeiner Lebenserfahrung – schon für den früheren der beiden Zeitpunkte von einer Vermögenslosigkeit der M. GmbH ausgegangen werden müsse. Es trifft zwar zu, dass Insolvenzanträge des Finanzamts regelmäßig einen gewissen zeitlichen „Vorlauf“ haben und ihnen zumeist – wenn auch nicht zwingend – eine ergebnislose Einzelvollstreckung vorangeht (vgl. BGH vom 5.2.2004 MDR 2004, 1261). Daraus folgt aber nicht, dass sich aus der im Insolvenzverfahren getroffenen Feststellung der Vermögenslosigkeit ein verlässlicher Rückschluss auf die mehrere Monate zuvor bestehende wirtschaftliche Situation der Kapitalgesellschaft ziehen ließe. Der längere Zeitraum zwischen dem erfolglosen Pfändungsversuch und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnte vielmehr auch dazu genutzt worden sein, aus der zunächst noch zahlungsfähigen Gesellschaft alle Vermögensgegenstände abzuziehen. Angesichts der eklatanten Missachtung der Gläubigerinteressen, deren sich der Antragsteller nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft in seiner Funktion als Geschäftsführer der R. AG schuldig gemacht hat, muss ein vergleichbares Verhalten bei der finanziellen „Abwicklung“ der M. GmbH als reale Möglichkeit in Betracht gezogen werden.

d) Objektiv nachprüfbare Anhaltspunkte dafür, dass die M. GmbH zum maßgeblichen Zeitpunkt am 11. August 2008 über keine ausreichenden Mittel zur Begleichung der Gewerbesteuerforderungen mehr verfügt hätte, sind vom Antragsteller nicht vorgelegt worden. Er verweist stattdessen auf den – auch der Antragsgegnerin bekannten – Aktenvermerk des Finanzamts über die Auflösung der Bankverbindung der M. GmbH im Jahr 2005 sowie auf das im Insolvenzverfahren eingeholte Gutachten vom 30. April 2009, in dem unter anderem von einem Auftragsrückgang im Jahr 2004 mit anschließender Betriebseinstellung und Kontoauflösung die Rede ist. Die bloße Tatsache der Auflösung einer (inländischen) Bankverbindung sagt aber noch nichts darüber aus, dass der bisherige Kontoinhaber (hier: die M. GmbH) nicht an anderer Stelle noch über beträchtliches Geld- oder sonstiges Vermögen verfügt. Auch den Aussagen des vom Insolvenzgericht bestellten Gutachters über die Geschäfts- und Vermögensentwicklung der M. GmbH in den letzten Jahren kommt nur ein sehr begrenzter Erkenntniswert zu, da für die Gesellschaft laut Gutachten letztmalig im Jahr 2004 eine Bilanz erstellt wurde. Zum weiteren Geschäftsverlauf liegen ersichtlich keinerlei Unterlagen vor, so dass sich alle diesbezüglichen Aussagen des Gutachters allenfalls auf (nicht schriftlich festgehaltene) frühere Äußerungen des Antragstellers stützen können.

Das völlige Fehlen schriftlicher Aufzeichnungen über die Geschäftstätigkeit und den Vermögensstand der Gesellschaft muss, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, unter den gegebenen Umständen zu einer erhöhten Darlegungslast des Haftenden führen, wenn es um die Frage der Kausalität seines Pflichtverstoßes für den eingetretenen Schaden geht (vgl. BFH vom 23.8.1994 Az. VII R 134/92 <juris> RdNr. 15; BayVGH vom 6.6.2007 Az. 4 CS 07.929 <juris >RdNr. 21; HessVGH vom 28.7.2010 KStZ 2010, 173). Der Antragsteller kann sich demgemäß nicht darauf beschränken, lediglich auf allgemeine Äußerungen von Dritten zu verweisen, die nicht aus unmittelbarer eigener Anschauung berichten, sondern nur das wiedergeben können, was er ihnen aus anderem Anlass formlos mitgeteilt hat. Als ehemaliger Geschäftsführer der M. GmbH hätte er vielmehr selbst eine detaillierte Auskunft über die damaligen Vermögensverhältnisse der Gesellschaft geben und für deren Richtigkeit in geeigneter Form, etwa durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 294 ZPO), persönlich einstehen müssen. Nachdem er dies auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren erkennbar vermieden hat, besteht kein Anlass, die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Annahmen in Zweifel zu ziehen.

Ist somit mangels gegenteiliger Indizien für den Fälligkeitszeitpunkt 11. August 2008 von der Zahlungsfähigkeit der M. GmbH auszugehen, so bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Prüfung der Frage, ob der Antragsteller den Gewerbesteuerausfall nicht (stattdessen) bereits zuvor dadurch schuldhaft verursacht hat, dass er als Geschäftsführer der „in den Jahren 2002 bis 2005 laufend Jahresüberschüsse“ erzielenden GmbH (so die Widerspruchsbegründung vom 17.06.2010) für diesen Zeitraum weder korrekte Steuererklärungen abgegeben noch für die damals bereits absehbaren Steuerforderungen zumindest einen Teil der erwirtschafteten Finanzmittel zurückbehalten bzw. von der R. AG zurückgefordert hat. Letzteres wäre von ihm selbst dann zu verlangen gewesen, wenn der Gewinnabführungsvertrag von beiden Vertragsparteien tatsächlich vollzogen worden wäre, wofür aber bisher jeder Nachweis fehlt.

e) Nachdem der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg haben kann, besteht auch kein Grund dafür, die von der Antragsgegnerin bereits vorgenommenen Vollziehungsmaßnahmen in Gestalt der Zwangshypothek gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ganz oder teilweise rückgängig zu machen. Soweit der Antragsteller sich insoweit darauf beruft, dass das der Vollstreckung zugrunde liegende Ausstandsverzeichnis neben den im Haftungsbescheid aufgelisteten (von der M. GmbH bis zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags verwirkten) Säumniszuschläge von insgesamt 11.484 Euro noch weitere (vom Antragsteller als Haftungsschuldner verwirkte) Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 5.565 Euro enthält, ist darauf zu verweisen, dass Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 AO nicht förmlich festgesetzt zu werden brauchen, sondern unmittelbar kraft Gesetzes entstehen, und es für ihre Vollstreckung, sofern sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden, auch keines Leistungsgebots bedarf (§ 254 Abs. 2 Satz 1 AO). Dass im Ausstandsverzeichnis vom 25. August 2010 dem ursprünglich geschuldeten Betrag weitere Säumniszuschläge für die drei Monate ab Fälligkeit des Haftungsbescheids (21.06.2010) hinzugerechnet wurden, ist demnach nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).