Bayerischer VGH, Beschluss vom 12.10.2011 - 12 ZB 11.854
Fundstelle
openJur 2012, 118331
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. März 2011 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 124 a Abs. 4 VwGO).

Er ist aber unbegründet, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht greifen. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 26.3.2007 BayVBl 2007, 624 und vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG vom 10.3.2004 DVBl 2004, 838). Das ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag dargelegt hat (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Klägerin meint, solche ernstlichen Zweifel lägen vor, weil das Verwaltungsgericht das Rückforderungsrecht der Eltern gegen sie wegen Zweckverfehlung einer Schenkung aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) übergangen habe.

Aus diesen Einlassungen und den näheren Ausführungen dazu in der Antragsbegründung vom 6. Mai 2011 und in der Ergänzung vom 6. Oktober 2011 lassen sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht herleiten.

Das Verwaltungsgericht hat dazu, ohne dass das rechtlich angreifbar wäre, in richterlicher Überzeugung und unter Berücksichtigung der Angaben der Eltern der Klägerin in der Erklärung vom 25. April 2009 dahin entschieden, dass das Depot der Klägerin im Sinne einer Aussteuer aus Anlass der Volljährigkeit übertragen worden sei. Die Behauptung, das fragliche Vermögen sei seinerzeit nicht lediglich im Sinne einer Aussteuer auf die Klägerin übertragen worden, sondern es handele sich vielmehr um eine sogenannte Zweckschenkung, deren Zweck verfehlt worden sei, kann zwar grundsätzlich als neuer Sachvortrag Zweifel an der Richtigkeit eines Urteiles im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO begründen, auch wenn das Verwaltungsgericht hiervon mangels Sachvortrages keine nähere Kenntnis haben konnte.

Es führt aber gleichwohl nicht zur Zulassung der Berufung, weil auch nach dem im Zulassungsverfahren erforderlichen Umfange der Tatsachenermittlung keine ernstlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das neue Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Entscheidung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. zu alledem Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 RdNr. 20 und § 124a RdNr. 77 und RdNr. 17 vor § 124).

Die Behauptung, das fragliche Vermögen sei seinerzeit nicht lediglich im Sinne einer Aussteuer auf die Klägerin übertragen worden, sondern es handele sich vielmehr um eine sogenannte Zweckschenkung, deren Zweck verfehlt worden sei, steht bereits im Widerspruch zu den eigenen Einlassungen der Klägerin in der Klageschrift vom 24. Mai 2010, wonach zu keiner Zeit eine Schenkung erfolgt sei. Ebenso steht es im Widerspruch zu der ausführlichen Klagebegründung der Klägerin vom 15. Juni 2010, wonach eine Schenkung an sie bzw. eine vorgezogene Erbregelung nie stattgefunden habe. Ergänzt wurden diese Einlassung der Klägerin mit dem Zusatz, die Eltern hätten deren Vermögen „zur Klarstellung der rechtlichen Situation vor der BAföG-Antragstellung an sich genommen“. Und auch in der „Ergänzung zur Erklärung zum Vermögen meiner Eltern vom 25. April 2009“, die die Eltern der Klägerin am 15. Juni 2010 unterzeichnet haben, findet sich schon kein näherer Hinweis auf eine Zweckschenkung, insbesondere auch nicht auf einen vertraglich näher konkretisierten Schenkungszweck. Vielmehr geben die Klägerin und deren Eltern mit Überzeugung und Nachdruck an, dass es überhaupt keine Vermögensverschiebung oder -übertragung an die Klägerin gegeben habe, so dass bei objektiver Betrachtung letztlich seinerzeit in der Sache kein Anlass und kein Raum für eine Schenkungsabrede zwischen der Klägerin und deren Eltern bestand. Letztlich findet sich auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, das persönliche Erscheinen der Klägerin war hier angeordnet, kein entsprechender Hinweis, der das Verwaltungsgericht veranlasst hätte, über die Entscheidungsgründe auf Seiten 9 und 10 des Urteils hinaus näher auf eine solche Sachverhaltsgestaltung einzugehen. Das lässt sich auch nicht mit der Überlegung erklären, die Klägerin, die im Übrigen wiederholt und rechtsfehlerfrei Gesetz und Rechtsprechung zitiert, sei als Studentin der Betriebswirtschaft rechtlich zu unbedarft, denn sie hätte in der Laiensphäre die Tatsache und den Willen einer schenkungsweisen Vermögensübertragung, eines etwaigen Rückforderungsvorbehaltes und der inhaltlichen Schenkungsabrede durchaus darstellen können. Sie hat die Dinge auch nicht rechtlich lediglich falsch bezeichnet, sondern ursprünglich eben einen völlig anderen Sachverhalt gegenüber dem Ausbildungsförderungsamt dargelegt. Der Einwand des Prozessbevollmächtigten in der weiteren Antragsbegründung vom 5. August 2011, die Klägerin habe „in ihrem Schreiben vom 25.4.2009 vorgetragen, dass das in Rede stehende Vermögen ihr zwar nicht geschenkt worden sei, gleichzeitig aber ausgeführt, dass die fraglichen Gelder ihr lediglich für den Start in eine eigenständige Lebensgestaltung nach Aufnahme einer Berufstätigkeit in der Folge der ersten berufsqualifizierenden Ausbildung zugewendet sein sollten“, findet sich so in dem zitierten Schreiben nicht. Vielmehr heißt es in der „Erklärung zum Vermögen der Eltern“, die unter dem angegebenen Datum allein von den Eltern unterschrieben ist und allein zum Wertpapierdepot Nr. 7845142 abgegeben wurde, sie – die Eltern – hätten einen Teil ihrer Spareinlagen in diesem Depot angelegt. Sie – die Spareinlagen – sollten dazu dienen, einen Erbanteil bei vorzeitiger Erbfolge zu bedienen oder der Tochter bei Verlassen des elterliche Hausstandes, d. h. bei Ende des elterlichen Unterhalts, z. B. aufgrund Ausübung eines erlernten Berufs oder Ehe eine Starthilfe geben zu können. Weiter heißt es, eine Schenkung der Vermögenswerte im Depot/Sparbuch bzw. die Übergabe des Sparbuches (Eigentumsübertragung) an die Tochter sei zu keiner Zeit erfolgt. In Übereinstimmung mit den sonstigen Erklärungen zu ihrer Vermögenssituation im streitgegenständlichen Zeitraum haben die Eltern der Klägerin damit die Motive für ihr Verhalten im Nachhinein erläutert. Für eine darüber hinaus gehende konkrete Zweckschenkung mit der Maßgabe, wie sie nunmehr in der Antragsbegründung dargestellt wird, ist hieraus aber schon nichts Näheres herzuleiten. Sie stünde auch im Widerspruch zur Gesamtschau der sonstigen bisherigen Angaben der Klägerin.

Vor diesem Hintergrund hat es die Klägerin im Zulassungsverfahren versäumt, Indizien (vgl. dazu BVerwG vom 4.9.2008 BVerwGE 132, 10 = BayVBl 2009, 409 in Verbindung mit BGH vom 18.1.2005 NJW 2005, 980) für das Vorliegen von Tatsachen, die allein in ihrer Sphäre liegen, im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend darzulegen. Die nunmehr unter Heranziehung eines Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch behauptete Zweckschenkung wird zwar inhaltlich dergestalt beschrieben, dass das Geld mit der Maßgabe zugewendet worden sein soll, dass die Klägerin „nach Abschluss ihrer ersten berufsqualifizierenden Ausbildung eine eigenständige wirtschaftliche Stellung“ einnehme, „keine Unterstützungsleistungen der Eltern fortan“ nötig seien und „diese Gelder dann bereits in Ansehung der Erbfolge als zugewendet gelten“. Es finden sich aber keine näheren Hinweistatsachen im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung, die dieses im Zulassungsverfahren gesteigerte Vorbringen zur Zweckschenkung, das zudem im Widerspruch zu einzelnen früheren Einlassungen steht, als plausibel erscheinen ließen. Es finden sich keine hinreichenden substantiierten Angaben zu den sonstigen Umständen der (nunmehr) angeblichen Schenkungsvereinbarung mit Zweckbestimmung, die über die oben beschriebene Absichtserklärung der Eltern vom 25. April 2009 wesentlich hinausgehen. Auch der Umstand, dass die „Offenlegung“ der Absprache und der näheren Umstände dazu erst nach Datenabgleich gemäß § 45d Abs. 3 Einkommenssteuergesetz und Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 6. April 2009 erfolgt ist, lassen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Hintergrund der bislang bestrittenen Vermögensübertragung als allein zutreffend erscheinen.

Die weiteren Einlassungen in der Antragsbegründung vom 6. Mai 2011 zur „eingetretenen Zweckverfehlung“ und in der Ergänzung vom 6. Oktober 2011 können vor diesem Hintergrund die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht mehr begründen.

Aber auch die Einlassungen in der Antragsbegründung zum Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit begründen keine ernstlichen Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (siehe etwa BVerwG vom 30.6.2010 FamRZ 2010, 1728) und auch des Senats (vgl. etwa BayVGH vom 18.5.2011 Az.: 12 ZB 11.942), dass der oder die Auszubildende grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X handelt, wenn er oder sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt hat, weil schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Nach dem Sachverhalt, wie er sich hier ergibt, hätte es sich der Klägerin in diesem Sinne aufdrängen müssen, dass sie die streitgegenständlichen Vermögensgegenstände, insbesondere aber auch die behauptete Vermögensverfügung in Form einer Schenkung und die zugehörige Zweckvereinbarung dem Ausbildungsförderungsamt gegenüber hätte offen legen müssen. Selbst wenn die Klägerin davon ausgegangen sein sollte, dass das Vermögen ihr nicht zuzurechnen und von ihr zur Bedarfsdeckung während des Studiums nicht einzusetzen sei, musste sie hier diese Vorgänge zumindest deshalb offenlegen, um dem Beklagten eine eigenständige Prüfung und Bewertung des Sachverhaltes zu ermöglichen (so ausdrücklich BVerwG, a.a.O.).

1.2 Der Rechtssache der Klägerin kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dient in erster Linie der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Rechts. Er erfordert deshalb, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich werde, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt ist und eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung aufweist (vgl. dazu Happ in Eyermann, a.a.O., § 124 RdNrn. 35 f.).

Eine solche über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache der Klägerin aus dem im Zulassungsantrag benannten Grund nicht zu, denn die Anforderungen an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen über Vermögen im Sinne des § 28 Abs. 3 BAföG sind auch über die Formen von Treuhandverhältnissen und Darlehensverträgen hinaus in der Rechtsprechung hinreichend geklärt (ebenso BayVGH vom 16.9.2011 Az. 12 ZB 11.715). Jedenfalls bietet aber der hier zu entscheidende Fall aus den oben angegebenen Gründen keinen Anlass zu einer weiteren rechtlichen Vertiefung, denn der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch aus Zweckschenkung schon mangels Vorliegens einer solchen Zweckschenkung förderungsrechtlich nicht zu berücksichtigen ist.

1.3 Da andere Zulassungsgründe schon nicht geltend gemacht worden sind, hat der Zulassungsantrag der Klägerin mithin insgesamt keinen Erfolg.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.

3. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

4. Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. März 2011 gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.