AG Deggendorf, Beschluss vom 03.08.2011 - IN 102/11
Fundstelle
openJur 2012, 117697
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Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Das Verfahren wird gem. Art. 100 Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe

1. Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 06.04.2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin mit der Begründung, diese sei ihrer Verpflichtung zur fristgerechten und vollständigen Beitragszahlung als Arbeitgeberin nicht nachgekommen.

Weitere Ausführungen der Antragstellerin zum Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit unterblieben.

Die Schuldnerin wurde zu dem Antrag gehört und hat in der Folgezeit die dem Antrag zugrundeliegende Forderung beglichen.

Mit Schreiben vom 18.05.2011 hat die Antragstellerin ihren Antrag aufrecht erhalten unter Hinweis auf das vorangegangene Insolvenzverfahren (AZ: IN 373/10) und die Regelung des § 14 InsO.

Das damalige Verfahren hatte sich ebenfalls durch Zahlung der Schuldnerin erledigt.

In dem eingeholten Gutachten gelangte die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht gegeben sei.

Die Antragstellerin hat dennoch ihren Insolvenzantrag aufrecht erhalten.

Das Amtsgericht Deggendorf hat daraufhin mit Beschluss vom 13.07.2011 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Hiergegen wurde seitens der Antragstellerin Beschwerde eingelegt unter Hinweis auf die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO.

2. § 14 Abs. 3 InsO ist nach Ansicht des entscheidenden Gerichtes verfassungswidrig.

Dies ist für das vorliegende Verfahren auch entscheidungserheblich, denn von der Entscheidung dieser Frage hängt es ab, ob der Beschwerde stattzugeben ist oder nicht.

12Die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung stellt nach Ansicht des entscheidenden Gerichts einen krassen Verstoß u.a. gegen das aus Art. 3 Grundgesetz resultierende Willkürverbot dar.

Während bei einer in vergleichbaren Sachverhalten abgegebenen Erledigungserklärung dem entscheidenden Gericht ein Ermessensspielraum zugebilligt wurde bzgl. der zu treffenden Kostenentscheidung, beinhaltet die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO in der derzeitigen Form eine völlige Ausschaltung des gerichtlichen Ermessens, wofür es aus Sicht des unterzeichnenden Richters keinerlei sachlich und rechtlich tragfähige Begründung gibt.

Es entspricht vielmehr - nicht nur der Gesetzeslage in der sonstigen Gesetzgebung - sondern auch dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass bei Einreichung eines unbegründeten Antrages, einer unbegründeten Klage, eines unbegründeten Rechtsmittels und ähnlicher Sachverhalte immer die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens trägt. Warum dies im vorliegenden Fall anders sein soll ist in keiner Weise ersichtlich.

Auch wenn man bei Zugrundelegung der Gesetzesbegründung davon ausgehen muss, dass mit der gegebenen Regelung u.a. die Sozialkassen von Kosten entlastet werden sollten, so ist dieses Motiv im Gesetzeswortlaut in keiner Weise erkennbar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt die Kostenregelung des § 14 Abs. 3 InsO vielmehr jedem Antragsteller zugute.

Insofern handelt es sich aber beim derzeit geltenden Gesetzestext um eine vollkommen willkürliche kostenmäßige Besserstellung eines Gläubigers, der letztlich - obwohl sein Antrag unbegründet war - ohne jegliches Kostenrisiko das Insolvenzverfahren betreiben kann.

Eine Kostenregelung, in der der "Gewinner" eines gerichtlichen Verfahrens dennoch die angefallenen Verfahrenskosten tragen soll ist jedoch nicht nur willkürlich sondern widerspricht auch dem Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden.

Die Regelung des § 14 Abs. 3 InsO ist daher in der derzeitigen Fassung nach Ansicht des unterzeichnenden Richters verfassungswidrig (vgl. auch Frind "Zwischenruf: Änderung des § 14 InsO - Freibrief für den verschleppten und unbegründeten Gläubigerantrag?" in ZInsO 2010 Seite 2183 ff und Marotzke "Kostenfreie Weiterverfolgung eines von Gläubigerseite gestellten Insolvenzantrags trotz Wegfalls der zugrundeliegenden Forderung?" in ZInsO 2011 Seite 841 ff).

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