Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.08.2011 - 13a ZB 10.30447
Fundstelle
openJur 2012, 117506
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Ge-richtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 1. Oktober 2010 ist unbegründet.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargestellte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 36 zu § 124). Für die vom Kläger aufgeworfene Frage, wann und inwieweit Mitarbeiter des früheren Geheimdienstes im Irak verfolgt werden, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.

Die Grundsatzzulassung wegen Tatsachenfragen dient nicht der umfassenden Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Ermittlung und Bewertung des individuellen Sachverhalts und der Verfolgungslage im Herkunftsstaat (Berlit in GK-AsylVfG, RdNr. 136 zu § 78 m.w.N.). Zur Begründung berufungsgerichtlicher Klärungsbedürftigkeit müssen zusätzliche Umstände bestehen und bezeichnet werden, die eine weitergehende, vereinheitlichende Klärung als zumindest möglich erscheinen lassen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum einen stellt der Kläger allein auf seine individuelle Situation ab, indem er sich auf eine von ihm vorgelegte Uhr bezieht, die im Zusammenhang mit einem Dienstausweis die Einnahme einer höheren Position im früheren Geheimdienst belegen soll. Im Übrigen bezieht sich der Kläger nur auf sein bisheriges Vorbringen. Konkrete Angaben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, fehlen. Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG setzt dies aber voraus (BVerwG vom 24.10.2006 NVwZ 2007, 104 zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Zum anderen lässt sich die aufgeworfene Frage eindeutig aus dem vorliegenden Erkenntnismaterial beantworten. Aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010 (S. 23) ergibt sich, dass zu den besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppen nur Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes gehören, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten. Eine solche Zusammenarbeit hat der Kläger weder vorgetragen noch sind hierfür Anhaltspunkte ersichtlich. Darüber hinaus waren selbst unmittelbar nach Beendigung der Militäraktion im Jahre 2003 nur hochrangige ehemalige Repräsentanten des früheren Regimes gefährdet (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.5.2004, S. 8). Seiner eigenen Aussage bei der Anhörung am 29. März 2006 zufolge war der Kläger lediglich als Schreibkraft bei Verhören eingesetzt; die eigentlichen Vernehmungen haben Offiziere durchgeführt. Aus der dem Kläger verliehenen Uhr lässt sich ebenso wenig ein höherer Dienstgrad entnehmen wie aus den mit Schriftsatz vom 24. Mai 2009 vorgelegten Ausweisen, die die Mitgliedschaft beim Geheimdienst beweisen sollen. Es handelt sich hierbei nur um eine Bescheinigung des Innenministeriums für eine Tätigkeit als Sicherheitsangestellter und einen Dienstausweis des Präsidialamts, Direktion des Sicherheitsamts, in dem als Rang „Angestellter“ und „Sicherheitsbeamter“ vermerkt ist. Einer weitergehenden, vereinheitlichenden Klärung bedarf es damit nicht. Eine verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher Natur wäre nur dann als grundsätzlich bedeutsam anzusehen, wenn sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel noch klärungsbedürftige Gesichtspunkte ergäben (Hailbronner, AuslR, RdNr. 20 zu § 78 AsylVfG; Berlit in GK-AsylVfG, RdNr. 137 zu § 78 jeweils m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Zudem war die aufgeworfene Frage für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es stellt darauf ab, dass die Tätigkeit des Klägers bei den Sicherheitsbehörden Saddam Husseins bereits im Erstverfahren betreffend den Asylantrag vom 20. März 2006 berücksichtigt und gewürdigt worden sei. Es bezieht sich auf das hierzu ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20. Juli 2007, in dem die Tätigkeit wegen ihrer untergeordneten Bedeutung im Rahmen des begehrten Flüchtlingsschutzes als nicht relevant angesehen worden ist bzw. jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative festgestellt wurde. Mangels Änderung der Sachlage seien die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt. Die Frage, ob durch eine Tätigkeit beim Geheimdienst eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgelöst werden kann, war deshalb nicht entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.