Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.07.2011 - 4 ZB 11.832
Fundstelle
openJur 2012, 116594
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 13.810,40 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Juni 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. August 2010, mit dem der Beklagte die Kreisumlage für das Jahr 2010 festgesetzt hat. Das diesem Bescheid zugrunde liegende Kreisumlagesoll beträgt 33.912.668 Euro, der Umlagesatz wurde auf 44,8 v.H. festgelegt.

Die auf Reduzierung der von der Klägerin geforderten Kreisumlage um 13.810,40 Euro gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung ab, die Einbeziehung des beim Betrieb des Hallenbades Dettelbach durch den Beklagten entstandenen Kostendefizits in den Kreishaushalt und damit in das Umlagesoll sei zwar insoweit fehlerhaft, als darin auch Kosten aufgrund der Nutzung des Hallenbades durch die Öffentlichkeit, Vereine und andere Schulen als die kreiseigene Realschule enthalten seien. Allerdings wirke sich diese fehlerhafte Einbeziehung der Ausgaben für landkreisfremde Aufgaben vorliegend nicht aus, weil sich bei entsprechender Minderung des Kreisumlagesolls lediglich eine Ermäßigung des Umlagesatzes um 0,2 v.H. der Bemessungsgrundlage ergebe. Damit sei die Abweichung nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unbeachtlich.

Darüber hinaus könne die Klage auch aus dem Grund keinen Erfolg haben, weil die vom Beklagten vorgelegte Vergleichsberechnung ergebe, dass die Klägerin auch dann nicht mit einer geringeren Kreisumlage belastet worden wäre, wenn die durch die Nutzung des Hallenbades außerhalb des Sportunterrichts in der kreiseigenen Realschule entstandenen Kosten nicht in das Umlagesoll im Haushaltsplan eingestellt worden wären. Denn in diesem Fall könnten sich auf der anderen Seite auch die Einnahmen aus den außerschulischen Nutzungen nicht mehr mindernd auf das Defizit auswirken.

Die Klägerin macht in ihrem Zulassungsantrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere rechtliche Schwierigkeiten und grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend.

Der Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Es bestehen im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Um den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel darzutun, muss ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit einer schlüssigen Gegenargumentation in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164). Ist - wie hier - die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig (kumulativ) tragenden Gründe gestützt, so sind – ergebnisbezogene - Zweifel wegen jedes einzelnen tragenden Grundes darzulegen.

1.1 Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH vom 25.7.1996, BayVBl 96, 691/692; vom 2.8.1996 Az. 4 B 94.1200 <juris> RdNrn. 38-407; vom 27.7.2005 Az. 4 BV 02.1964 <juris> RdNr. 27) im Einzelnen dargelegt, dass sich die - von ihm angenommene - teilweise fehlerhafte Einbeziehung des Kostendefizits des vom Beklagten betriebenen Hallenbades Dettelbach in das Umlagesoll selbst dann nicht auf die Rechtmäßigkeit der Haushaltsatzung und damit auf den streitgegenständlichen Kreisumlagebescheid auswirke, wenn man das Umlagesoll um das gesamte für den Betrieb und die Unterhaltung des Hallenbades Dettelbach veranschlagte Kostendefizit vermindern würde, da sich der Fehler jedenfalls im Rahmen der dem Landkreis zuzubilligenden Fehlergrenze halte und damit unbeachtlich sei.

Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Zulassungsantrag sind nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Entscheidungsgründe in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin bestreitet nicht, dass die finanziellen Auswirkungen des von ihr behaupteten Kompetenzverstosses weit unterhalb der Bagatellgrenze von einem Prozentpunkt liegen. Sie macht vielmehr geltend, das Abstellen auf die Fehlergrenze von einem Prozent verbiete sich im vorliegenden Fall, da es sich hier nicht um einen unbewussten Fehler des Beklagten handele. Nur unbewusste Fehler habe der Senat aber bei seiner Rechtsprechung im Blick haben können; andernfalls sei sie quasi als „Einladung“ der Landkreise zu verstehen, wider besseren Wissens landkreisfremde Aufgaben in den Landkreishaushalt einzustellen. Damit kann die Klägerin aber nicht durchdringen.

Es ist der Klägerin bereits nicht gelungen, darzulegen, weshalb dem Beklagten positives Wissen um die Rechtswidrigkeit der Einstellung des streitgegenständlichen Defizits in seinen Haushalt unterstellt werden sollte. In der Begründung des Zulassungsantrages wird ausgeführt, dass der Beklagte seine Unzuständigkeit „hätte erkennen können und insbesondere auch erkennen müssen“, nicht aber, dass er sie tatsächlich auch erkannt und dieser Erkenntnis bewusst zuwider gehandelt hat. Nach Akteninhalt ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beklagte aufgrund sachlich vertretbarer Erwägungen von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt war und immer noch ist. Zwar unterscheidet sich das Hallenbad Dettelbach vom Zuschnitt her nicht wesentlich von den im Landkreis vorhandenen gemeindlichen Hallenbädern; nach Auffassung des Beklagten geht es nach seinen Auswirkungen jedoch über den örtlichen Bereich der Gemeinde Dettelbach hinaus, wobei zu berücksichtigen ist, dass nicht in allen Verbandsgemeinden des Kreises ein Hallenbad vorgehalten wird, so dass das Hallenbad in nicht unerheblichem Maß auch Einwohner aus den Nachbargemeinden anzieht. Selbst wenn man hierin keinen objektiv ausreichenden überörtlichen Bezug im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 LKrO sehen wollte, ist die Annahme des Beklagten, die Öffnung des Hallenbades für Vereine, andere Schulen sowie die Öffentlichkeit in der Zeit, in der es für den Sportunterricht der kreiseigenen Realschule nicht genutzt wird, halte sich noch im Rahmen seiner Aufgabenkompetenz, zumindest nachvollziehbar.

Es entspricht im Übrigen dem in Art. 55 Abs. 2 Satz 1 LKrO für die Landkreisverwaltung normierten Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie dem in Art. 68 Abs. 2 Satz 1 LKrO niedergelegten Grundsatz der wirtschaftlichen Verwaltung von Vermögensgegenständen, dass die Landkreise die Kapazität ihrer vorhandenen Anlagen und Einrichtungen in möglichst vollem Umfang nutzen bzw. für ihre Bürger öffnen. Vorliegend ist auch zu berücksichtigen, dass das streitgegenständliche Hallenbad im Zeitpunkt seiner Errichtung neben der schulischen auch der Nutzung durch die Öffentlichkeit dienen sollte, da damals kein weiteres Hallenbad im Landkreis existierte. Damit dürfte zumindest zum damaligen Zeitpunkt auch insoweit von einer landkreiseigenen Aufgabe auszugehen gewesen sein. Zwar kann eine Aufgabe, die ursprünglich überörtliche Bedeutung hatte, diese im Laufe der Zeit einbüßen, so dass sich die Zuständigkeit vom Landkreis im Einzelfall auf die Gemeinden verlagern kann (vgl. BayVGH vom 2.8.1996 Az. 4 B 94.1200 <juris> RdNr. 34). Dennoch kann es auch in solchen Fällen im Hinblick auf die erheblichen Kosten für die Errichtung einer Anlage und die dabei erfolgte finanzielle staatliche Förderung zulässig sein, den Betrieb einstweilen fortzuführen.

Da im vorliegenden Fall jedenfalls nicht von einem bewussten Kompetenzverstoß des Beklagten ausgegangen werden kann, kann offen bleiben, ob in einem solchen Fall die Bagatellgrenze von einem Prozentpunkt Umlagesatzerhöhung unanwendbar wäre. Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher zu Recht an dieser Hürde scheitern lassen.

Grundsätzlich ziehen nur bedeutsame, spürbar in die Finanzhoheit eingreifende Fehler die Nichtigkeit der Haushaltsatzung und die Rechtswidrigkeit des Umlagebescheides nach sich. Als bedeutsam wurden vor diesem Hintergrund Fehler gewertet, die sich - gegebenenfalls in der Summe mit anderen Fehlern - auf den Umlagesatz um mindestens einen Prozentpunkt auswirken. Dass sich den Landkreisen hierbei möglicherweise auch Missbrauchsmöglichkeiten bieten, zwingt zu keinem anderen Verständnis. Wird eine kompetenzrechtlich unzulässige Ausgabe, die keine spürbaren Auswirkungen hat, in den Haushalt eingestellt, wird sie zwar für die kreisangehörigen Gemeinden im Umlagerechtsstreit unangreifbar. Andererseits verringert sich aber für die betreffenden Haushaltsjahre der Spielraum des Landkreises für weiteres haushaltswirksames Tätigwerden außerhalb seiner gesetzlichen Zuständigkeiten. Im Übrigen wird in solchen Fällen möglicherweise eine intensivere rechtsaufsichtliche Überprüfung des jeweiligen Kreishaushalts stattzufinden haben (vgl. BayVGH vom 21.3.2011 Az. 4 BV 10.108 RdNr. 79).

Die Rechtsprechung zur Unbeachtlichkeit geringfügiger Fehler im Umlagesoll trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass die Grenzziehung zwischen den Aufgaben des Landkreises und den Aufgaben der kreisangehörigen Gemeinden in der Praxis - wie oben dargestellt auch im vorliegenden Fall - durchaus schwierig sein kann, so dass sich Zuordnungsfehler bei einem so umfangreichen Werk wie dem Haushaltsplan eines Landkreises nicht immer vermeiden lassen. Es wäre in jedem Fall unangemessen, wenn bereits geringfügige Fehler bei der Festsetzung des Umlagesolls zur Unwirksamkeit der gesamten Haushaltsatzung führen würden (so zuletzt erneut: BayVGH vom 21.3.2011 a.a.O. RdNr. 76; so ebenfalls: ThürOVG vom 18.12.2008 Az. 2 KO 994/06 <juris> RdNr. 147).

Dem weiteren Einwand der Klägerin, der Beklagte habe bereits in der Vergangenheit über Jahre hinweg landkreisfremde Ausgaben in den Kreishaushalt eingestellt und im Wege der Kreisumlage an die Kommunen im Landkreis weiter gereicht, ist entgegenzuhalten, dass allein das jeweilige Haushaltsjahr den Bezugspunkt bei der Prüfung bildet, ob die Bagatellgrenze überschritten ist. Wirkt sich eine kompetenzwidrige Ausgabe im jeweiligen Haushaltsjahr nur marginal aus, handelt es sich daher um einen unbeachtlichen „geringfügigen“ Fehler, der auch dann nicht zu einem beachtlichen Fehler wird, wenn er sich jeweils wiederholen sollte (vgl. BayVGH vom 21.3.2011 a.a.O. RdNr. 78).

1.2 Eines Eingehens auf die von der Klägerin vorgebrachten ernstlichen Zweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts, auch bei ausschließlicher Nutzung des Hallenbades Dettelbach durch die Staatliche Realschule Dettelbach hätte sich keine Minderung der von der Klägerin zu zahlenden Kreisumlage ergeben, bedarf es vorliegend nicht.

Zwar sind entgegen der Auffassung des Beklagten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, bei der Prüfung, ob der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt, auch solche nach materiellem Recht entscheidungserheblichen und erstmals vom Antragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragenen Tatsachen zu berücksichtigen, die vom Verwaltungsgericht außer acht gelassen wurden, weil sie von den Beteiligten nicht vorgetragen und mangels entsprechender Anhaltspunkte auch nicht von Amts wegen zu ermitteln waren (vgl. BVerwG vom 14.6.2002 Az. 1/02 in <juris> RdNr. 6).

Allerdings bestehen hier - wie oben dargelegt - schon wegen der zur Klageabweisung führenden Nichterreichung der Bagatellgrenze keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung, so dass die von der Klägerin aufgeworfenen Bedenken hinsichtlich der Berechnung des durch die angeblich teilweise kompetenzwidrige Nutzung des Hallenbades entstandenen Kostendefizits das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht in Frage stellen können.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Besondere rechtliche Schwierigkeiten hat eine Rechtssache nur dann, wenn bei der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten einer möglichen Berufung der Ausgang des Rechtsstreits offen ist (vgl. BayVGH vom 8.5.2007 Az. 14 ZB 07.269 <juris> RdNr. 11 m.w.N.). Das ist hier - wie dargelegt – unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Kompetenzverstoß vorliegt und, sollte dies zu bejahen sein, wie hoch das dann fälschlicherweise in den Haushalt eingestellte Defizit war, jedoch nicht der Fall, da es sich jedenfalls um einen nur geringfügigen Fehler handelte, der nicht zur Rechtswidrigkeit der dem angefochtenen Umlagebescheid zugrunde liegenden Haushaltssatzung führen würde. Die vorgetragenen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Defizitberechnung sind nicht mehr entscheidungserheblich (vgl. oben 1.2).

3. Schließlich hat die Klägerin auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht hinreichend dargetan. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass die Klägerin neben der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage sowie Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit und ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus auch ihre Klärungsbedürftigkeit darlegt. Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen; sie hat insbesondere nicht dargelegt, welche neuen sachlichen Gesichtspunkte für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Bagatellgrenze führen könnten.

Die von ihr als grundsätzlich bedeutsam formulierte Frage, wie effektiv verhindert und gegebenenfalls sanktioniert werden kann, dass in den Kreishaushalt bewusst landkreisfremde Aufgaben eingestellt werden, solange die Grenze der Bedeutsamkeit (1%-Regelung) nicht erreicht wird, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungs- und klärungsbedürftig. Im Übrigen lässt sie sich ohne Weiteres aus den Vorschriften zur staatlichen Aufsicht über die Landkreise im Rahmen ihrer Haushaltsaufstellung beantworten (Art. 59 Abs. 2, Art. 98 Satz 1 LKrO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).