OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 - Verg 26/10
Fundstelle
openJur 2012, 115927
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30.11.2010, Az. Z3-3-3194-1-40-06/10, wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 65.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Antragsgegnerin, die 1950 aufgrund eines Staatsvertrages zwischen dem Freistaat Bayern und der Republik Österreich gegründet worden ist, ist eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in Bayern. Das Unternehmen betreibt den Ausbau und die Nutzung von Wasserkraft österreichisch-bayerischer Grenzflüsse zur Erzeugung und Abgabe von elektrischer Energie. Ihre technischen Anlagen stehen teils auf bayerischem, teils auf österreichischem Gebiet. Die erzeugte Energie wird sowohl nach Bayern als auch nach Österreich geliefert. Ursprünglich wurden je 50 % des Grundkapitals der Antragsgegnerin vom Freistaat Bayern und der Republik Österreich gehalten. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung des streitgegenständlichen Auftrags war an der Antragsgegnerin je hälftig ein österreichischer Verbundkonzern und ein deutscher Energiekonzern beteiligt. Die Anteile am Verbundkonzern sind zu 76 % im Besitz der Republik Österreich und anderer österreichischer Körperschaften, zu 24 % befinden sich die Anteile in Streubesitz. 76,85 % der Anteile an dem deutschen Energiekonzern sind ebenfalls in Streubesitz, der Freistaat Bayern ist mit 1,9 % beteiligt.

Die Antragsgegnerin hat am 22.05.2009 die Absicht der Vergabe eines Lieferauftrags zur Erneuerung der übergeordneten Leittechnik in der Zentralwarte und den vier Kraftwerkswarten der Kraftwerke O-E, B-S, S-N, P-I und J. zur Fernsteuerung von fünf Wasserkraftwerken europaweit bekanntgemacht (Anlage ASt. 2). Das Beschaffungsvorhaben umfasst die Prozessanbindung, das Hardware- und Softwareengineering (Datenpunkte, Bilder und Prognose), Fremdankoppelungen, Errichtung Rechner- und Prozess-LAN, Prognosemodell mit Informationsportal, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme und Dokumentation. Die Auftragsvergabe sollte im Verhandlungsverfahren erfolgen. Als Kontaktstelle wurde eine GmbH mit Sitz in Österreich benannt. Die Hauptlieferung sollte ausweislich der Bekanntmachung an einen österreichischen Ort erfolgen.

Zur Technischen Leistungsfähigkeit wurde in Abschnitt III.2.3) der Bekanntmachung u.a. festgelegt:

„Direkte Ankopplung des SCADA-Systems an den Tokenring der prozessnahen Leittechnik. Beibehaltung sämtlicher Redundanzen sowie Parallelbetrieb des alten Systems und der neuen Leittechnik.“

Mit Bekanntmachung vom 04.06.2009 wurde Abschnitt III Ziffer 2.3) wie folgt ergänzt bzw. korrigiert.

„.. Auf Anforderung des Auftraggebers sind die genannten Referenzanlagen vorzuführen. ...“

Zuschlagskriterium war das wirtschaftlichste Angebot entsprechend der Kriterien in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung. Angaben über die zuständigen Stellen für ein Nachprüfungsverfahren oder die zur Einlegung von Rechtsbehelfen einzuhaltenden Fristen enthält die europaweite Ausschreibung nicht.

Das SCADA -System ist ein Leitsystem zur Überwachung, Visualisierung, Steuerung und Regelung der Kraftwerke der Antragsgegnerin an die prozessnahe Leittechnik. Tokenring ist eine mittlerweile nicht mehr gebräuchliche Vernetzungstechnik für Computernetzwerke. Als SAT-NET bezeichnete die Antragsgegnerin die systemfamilieninterne Kommunikation von Automatisierungskomponenten über den Tokenring.

In Abschnitt 4.3.4 (Prozess- und Rechner-LAN) der Bestellspezifikation heißt es (S. 26):

„ ... Bis zur Vergabe ist seitens des Auftragnehmers ein Nachweis über die Funktionalität der Ankoppelung an das SAT-NET im Produktivsystem des Auftraggebers zu erbringen. Hierzu sind - sofern erforderlich - in Zusammenarbeit mit der Firma A. (der Beigeladenen) entsprechende Vorbereitungen zu treffen und nach Terminvereinbarung die Tests durchzuführen und zu protokollieren...

Das derzeit verwendete SSI-Telegramm ist ein proprietäres Übertragungsprotokoll der Fa S. (der Beigeladenen). Eine Protokollbeschreibung muss ggf. vom AN bei der Fa S. angefordert werden. ..“

Im Abschnitt 9.2 der Bestellspezifikation hat die Antragsgegnerin unter der Überschrift „Vergabe“ auf Seite 101/102 folgende Regelungen getroffen:

„.. Grundsätzlich erfolgt eine Vergabe nur an eine Firma, welche alle technischen Kriterien nachgewiesen hat bzw. dadurch die Umsetzung vollinhaltlich erfüllen kann. Die Vergabe erfolgt im Weiteren nach dem Verhandlungsverfahren des Bundesvergabegesetzes, wobei als maßgebliches Kriterium das Billigstbieterprinzip zur Anwendung kommt. Es obliegt jedoch dem AG, bei wesentlichen technischen Vorteilen den Auftrag an den Bestbieter zu vergeben...

Ein wesentliches Vergabekriterium ist der erfolgreiche Nachweis der Gesamtfunktion mit Anbindung an das SAT-NET der PLT.“

Die Antragstellerin und die Beigeladene bewarben sich um den Auftrag und wurden nach erfolgreich absolviertem Teilnahmewettbewerb zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Beigeladene ist die Herstellerin des bisher in den Kraftwerken der Antragsgegnerin verwendeten technischen Leitsystems. Beide gaben fristgerecht zum 28.09.2009 ein Angebot ab.

Mit Schreiben vom 03.12.2009 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin über den Fortgang des Vergabeverfahrens. Demnach beabsichtigte die Antragstellerin, anhand der Richtwertmethode des deutschen Beschaffungsamtes die Bestbieter zu ermitteln und diese zu dem Funktionsnachweis der Anbindung des SCADA-Systems an die prozessnahe Leittechnik aufzufordern. Weiter heißt es in dem Schreiben (Ast 7):

„Als Teil der Eignungsprüfung im Hinblick auf die technische Leistungsfähigkeit werden wir - nach vorheriger Absprache - die Referenzanlagen besichtigen, sowie uns das angebotene SCADA-System vorführen lassen. Anschließend wird, soweit Bieter nicht mangels Eignung ausscheiden, mit den (verbleibenden) Bestbietern ein Vergabegespräch gemäß Bestellqualifikation abgehalten. Für die Vergabe wird sowohl die o.g. Kennzahl als auch der unter Punkt 9.2 der Bestellspezifikation angeführte „Nachweis der Gesamtfunktion mit Anbindung an das SATNET der PLT“ zugrundegelegt. Den Zuschlag erhält die Firma, die die ausgeschriebene Gesamtfunktion inklusive der Anbindung an das SATNET der PLT vollständig nachweist und im Ergebnis des Vergabegesprächs das beste Preis-Leistungs-Verhältnis (maximale Kennzahl) erreicht.“

Die Antragsgegnerin führte mit drei Bietern (der Antragstellerin, der Beigeladenen und einem weiteren Bieter) einen Funktionsnachweis (erfolgreiche Anbindung des angebotenen Systems an den Tokenring der Bestandsanlage) in ihrem Betrieb durch.

Mit e-mail vom 18.01.2010 (Anlage ASt 10) lud die Antragsgegnerin die Antragstellerin zum Funktionsnachweis ein. Im Schreiben erläuterte sie die Details des erwarteten Funktionsnachweises, den die Antragstellerin im Zeitraum 9.2. - 11.2.2010 im Kraftwert B.S. absolvieren sollte. Demnach erwartete die Antragsgegnerin eine Vorabbeschreibung des Tests und der geplanten Maßnahmen sowie den Nachweis zahlreicher Einzelpunkte (von der Einbindung der redundanten Gateways bis zum Systemverhalten bei Ausfall einer unterlagerten Station am Tokenring). Sämtliche Vorbereitungen und Umparametrierungen an den bestehenden Komponenten waren vom Bieter oder durch eine bekanntgegebene Partnerfirma zu erledigen. Mit e-mails vom 22.01.2010 und 05.02.2010 übermittelte die Antragstellerin Details zu den von ihr beabsichtigten Tests (Anlagen zu ASt 13).

Mit e-mail vom 20.01.2010 teilte die Antragstellerin der Beigeladenen mit, dass sie am 9./10.02.2010 einen Ankoppelungstest bei der Antragsgegnerin durchführen werde und die Anwesenheit und Teilnahme eines Spezialisten der Beigeladenen während des zweitägigen Tests wünsche. Die Aufforderung, für diese Leistung ein Angebot zu erstellen, lehnte die Beigeladene unter Hinweis auf ihr eigenes Interesse am Auftrag ab (Anlage ASt 14).

Im Rahmen des Tests „Funktionsnachweis Tokenringanbindung“, der am 09.02.2010 begann, kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin beendete den Testlauf am 11.02.2010 um 10 Uhr. Sie stellte in einem Protokoll, das die Antragstellerin unter Protest unterzeichnete, fest, dass es der Antragstellerin nicht gelungen sei, in der vorgegebenen Zeit den geforderten Nachweis zu erbringen (Anlage A 13). Weitere Vergabeverhandlungen mit der Antragstellerin führte die Antragsgegnerin nicht durch.

Gegen diese Entscheidung stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24.02.2010 Nachprüfungsantrag beim österreichischen Bundesvergabeamt. Mit Beschluss vom 06.04.2010 wies das Bundesvergabeamt den Nachprüfungsantrag zurück, da die Sektorentätigkeit der Antragsgegnerin aufgrund eines Freistellungsbeschlusses der EU-Kommission vom 07.07.2008 nicht unter das Bundesvergabegesetz 2006 falle und damit das Bundesvergabeamt für den gestellten Nachprüfungsantrag nicht zuständig sei.

Mit Schreiben vom 10.05.2010 (zugegangen am 14.05.2010) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie das Vergabeverfahren als Sektorenauftragsvergabe im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesvergabeamtes eingestellt habe. Sie habe eine Beschaffungsentscheidung getroffen und den Auftrag zwischenzeitlich an einen anderen Bieter vergeben, da die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Die Einstellungsentscheidung wurde am 22.05.2010 EU-weit bekannt gemacht. Mit der Durchführung des Auftrags hat die Antragsgegnerin die Beigeladene beauftragt.

Nach erfolgloser Rüge des Vorgehens der Antragsgegnerin reichte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.06.2010 Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Südbayern ein.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Vergabekammer Südbayern sei zur Entscheidung örtlich und sachlich zuständig. Die Freistellungsentscheidung der Kommission betreffe nur Österreich und nicht Deutschland. Die Entscheidung des Bundesvergabeamtes Wien stehe dem Nachprüfungsantrag weder formal noch inhaltlich entgegen. Die Antragsgegnerin sei öffentlicher Auftraggeber, da sie auf der Grundlage besonderer bzw. ausschließlicher Rechte tätig werde. Sie habe eine monopolartige Stellung zur Nutzung der Wasserkraft, womit sie Energie erzeuge. Andere Unternehmen hätten keine Chance auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung. Da die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern habe, unterliege ihre Entscheidung der Kontrolle der hiesigen Vergabekammer. Betrachte man die Produktionskapazitäten und die Erlöse, läge sogar der Schwerpunkt des streitgegenständlichen Auftrags in Deutschland und nicht in Österreich. Auch die Anwendung der kollisionsrechtlichen Regeln des internationalen Privat- und Prozessrechts würden zur Anwendung des deutschen Vergaberechts und zur Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern führen, sei es durch ausdrückliche oder durch konkludente Rechtswahl der Antragsgegnerin oder anhand der objektiven Anhaltspunkte.

Die Antragstellerin habe die Vergaberechtsverstöße unverzüglich gerügt. Die Antragsfrist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB müsse nicht eingehalten werden, da auf diese Frist nicht in der Bekanntmachung hingewiesen worden sei. Die Antragsgegnerin habe die Rechte der Antragstellerin verletzt, indem sie ihrer Pflicht zur Vorabinformation nicht nachgekommen sei und das Vergabeverfahren ohne hinreichende Rechtsgrundlage eingestellt habe. Die Einstellung sei nur zum Schein erfolgt, um der Beigeladenen als der favorisierten Bieterin den Auftrag erteilen zu können. Der Vertragsschluss mit der Beigeladenen sei nichtig.

Zu Unrecht habe die Antragsgegnerin im Übrigen die Eignung der Antragstellerin verneint. Sehr wohl habe die Antragstellerin im Rahmen des Möglichen gezeigt, dass sie eine erfolgreiche Systemkommunikation bewerkstelligen könne. Die Antragsgegnerin habe jedoch willkürlich die Testzeit für die Antragstellerin verkürzt und den Test vorzeitig und unberechtigt abgebrochen. Damit sei der Antragstellerin der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit unmöglich gemacht worden. Die Antragsgegnerin habe zudem pflichtwidrig den Wettbewerbsvorteil der Beigeladenen, von der das bisherige Leitsystem stamme, nicht ausgeglichen. Die Beigeladene habe die gebotenen Unterstützungsleistungen gegenüber der Antragstellerin verweigert. Abgesehen davon hätte die Antragsgegnerin selbst dafür sorgen müssen, dass sich die von der Beigeladenen stammende (veraltete) Technik nicht nachteilig für die anderen Bieter auswirke und für entsprechende Informationen und Hilfestellungen sorgen müssen. Damit sei gegen § 4 Abs. 5 VgV und den Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz verstoßen worden. Vergaberechtswidrig seien in den Ausschreibungsunterlagen zudem keine hinreichenden Vorgaben zum Funktionsnachweis, insbesondere zu dessen Dauer, enthalten gewesen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass der von der Antragsgegnerin geschlossene Vertrag zur Erneuerung der übergeordneten Leittechnik in der Zentralwarte und den vier Kraftwerkswarten der Kraftwerke O-E, B-S, S-N, P-I und J. unwirksam ist.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet die Vergabemaßnahme bei fortbestehender Vergabeabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen.

hilfsweise,

die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren einzustellen wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, dass die europaweite Ausschreibung des Vertrages rechtsirrig vor dem Hintergrund der Beteiligung des österreichischen Verbundkonzerns erfolgt sei. Die Antragsgegnerin sei - da der Auftrag ganz überwiegend in Österreich auszuführen sei - ursprünglich von der Anwendbarkeit des österreichischen Bundesvergabegesetzes ausgegangen und habe in zulässiger Weise das österreichische Bundesvergabeamt als Nachprüfungsinstanz gewählt. Aufgrund der Entscheidung des Bundesvergabeamtes stehe bindend fest, dass der Beschaffungsvorgang nicht dem Vergaberecht unterfalle, weswegen die Antragsgegnerin das förmliche Verfahren ohne weiteres habe beenden können. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei damit unzulässig, der streitgegenständliche Auftrag werde nicht von § 99 GWB erfasst. Die Freistellungserklärung der EU-Kommission, die der Antragsgegnerin erst im Laufe der Auseinandersetzungen mit der Antragstellerin bekannt geworden sei, führe zu einer vollständigen Befreiung vom Kartellvergaberecht auch in Deutschland. Die Stromlieferung nach Deutschland habe zudem nur eine untergeordnete Bedeutung. Allenfalls 20 % des Auftragwertes betreffe Komponenten, die auf deutschem Hoheitsgebiet verbaut würden. Rechnerisch läge der Wert dieser Leistungen sogar unter dem Schwellenwert. Auch bildeten österreichische Bescheide den öffentlich-rechtlichen Rahmen für die fragliche Leittechnik und Steuerung der Kraftwerke. Es sei dem Vergaberecht fremd, einen einheitlichen Beschaffungsvorgang mehreren Vergabeverfahrensordnungen zu unterstellen. Die Leittechnik diene der Stromerzeugung insgesamt und könne nicht in einen „deutschen“ und einen „österreichischen“ Teil aufgeteilt werden. Bei gemischten Verträgen komme es auf das Schwergewicht an, das vorliegend in Österreich läge, zumal sich die zentrale Warte in Österreich befinde. Die Antragsgegnerin nutze keine ausschließlichen Rechte. Vielmehr könnten jederzeit andere Interessenten eine wasserrechtliche Genehmigung zur Stromerzeugung beantragen und erhalten.

Abgesehen davon habe sich die Antragsgegnerin auch zu Recht gegen die Antragstellerin als Vertragspartnerin entschieden. Diese sei nicht in der Lage gewesen, eine funktionsfähige Leistung anzubieten und habe deshalb mehrfach ihre Vorschläge modifiziert. Die Antragstellerin habe alle erforderlichen technischen Informationen erhalten und dennoch den Funktionstest nicht bestanden. Einen Anspruch auf Unterstützung durch Personal der Beigeladenen bei Durchführung des Tests, wie sie die Antragstellerin gewünscht habe, habe sie nicht.

Die Beigeladene hat geltend gemacht, dass das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei. Die Antragsgegnerin sei keine öffentliche Auftraggeberin, da sie ihre Tätigkeit weder auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausübe, noch unter dem beherrschenden Einfluss eines öffentlichen Auftraggebers gemäß § 98 Nr. 1 bis 3 GWB stehe. Zudem diene die ausgeschriebene Leistung in weit überwiegendem Umfang der Stromerzeugung in Österreich und sei deshalb durch die Kommission von der Vergaberichtlinie befreit worden. Die Mitteilung der Antragsgegnerin betreffend die Einstellung des Verfahrens sei lediglich deklaratorischer Natur. Auch materiell-rechtlich seien die Vorwürfe der Antragstellerin unbegründet. Auf das Bestehen des Funktionsnachweises sei es der Antragsgegnerin ausweislich der Vergabeunterlagen entscheidend angekommen. Sie habe damit eine Mindestanforderung festgelegt. Die Antragstellerin sei bei der Durchführung des Funktionsnachweises auch weder unangemessen benachteiligt worden, noch habe man ihr vergaberechtswidrig Informationen vorenthalten. Im Gegenteil habe man ihr mehr Zeit gegeben, als den anderen Bietern. Die Antragstellerin habe alle erforderlichen technischen Informationen erhalten, die übrigen Aufgaben habe sie selbst in der fraglichen Zeit lösen müssen, was ihr ersichtlich nicht gelungen sei. Ein Angebot der Beigeladenen auf Erstellung eines Gateways habe die Antragstellerin nicht wahrgenommen. Die Antragstellerin sei zu einer technisch einwandfreien Leistungserbringung mangels hinreichender eigener Erfahrung und Fachkunde nicht imstande. Beim Funktionsnachweis habe sich gezeigt, dass die Antragstellerin mit der von ihr entwickelten Lösung Redundanzen, auf die die Antragsgegnerin entscheidenden Wert gelegt habe, nicht gewährleisten könne.

Mit Beschluss vom 30.11.2010 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Inhaltlich ist sie der Argumentation der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gefolgt und hat eine öffentliche Auftraggebereigenschaft der Antragsgegnerin verneint. Damit sei der streitgegenständliche Auftrag auch kein öffentlicher Auftrag gemäß § 99 GWB, zumal der Beschaffungsvorgang den vom EU-Vergaberecht freigestellten Bereich der Stromerzeugung in Österreich betreffe.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 16.12.2010, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer begehrt und ihre bisherigen Anträge weiterverfolgt. Hilfsweise beantragt die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, festzustellen, dass die Antragstellerin durch das Vorgehen der Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt worden sei.

Inhaltlich wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihre bereits vor der Vergabekammer vorgetragenen Argumente. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragsgegnerin sei Sektorenauftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB und damit öffentliche Auftraggeberin. Der streitgegenständliche Auftrag sei ein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 99 GWB, der unabhängig von dem Freistellungsbeschluss der Kommission und der Entscheidung des österreichischen Bundesvergabeamtes dem deutschen Vergaberecht und der Überprüfung durch die Vergabekammer bzw. den Senat unterliege. Der Beschluss des Bundesvergabeamtes habe die Antragsgegnerin nicht berechtigt, das Vergabeverfahren zu beenden und die Beigeladene mit dem Auftrag zu betrauen. Die Verfahrenseinstellung sei schon formal fehlerhaft und nur zum Schein erfolgt. Ein wirksamer Zuschlag sei bislang nicht erteilt worden, denn die Antragsgegnerin habe gegen ihre Informations- und Wartepflichten verstoßen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren einzustellen und den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben, die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Die Antragsgegnerin habe sich nicht an die Vorschriften des Vergaberechts gehalten. Die Antragstellerin sei bei der Auftragsvergabe willkürlich und unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz benachteiligt und daran gehindert worden, einen erfolgreichen Funktionsnachweis zu führen. Die Antragstellerin habe am ersten Tag während der Testzeit Aufgaben der Beigeladenen erledigen und Fragen der Antragsgegnerin beantworten müssen, weswegen ihr nur effektiv 2 Stunden zur Funktionsüberprüfung zur Verfügung gestanden seien. Am zweiten Tag habe sie nicht vorhersehbare Probleme bei der Datenübertragung beheben müssen. Am dritten Tag habe sie bereits morgens um 8.30 h die erfolgreiche Einbindung eines Gateways nachgewiesen. Obwohl der Antragsgegnerin um 10.15 h mitgeteilt worden sei, dass auch die zweite Gateway- Einheit funktionsfähig sei und man die geplanten Test durchführen könne, sei der Funktionsnachweis von der Antragsgegnerin abgebrochen worden. Bis zum Nachmittag des 11.02.2010 hätte die Antragstellerin alle noch ausstehenden Demonstrationen erfolgreich durchführen können.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie argumentieren, die Entscheidung der Vergabekammer sei inhaltlich zutreffend. Zu Recht habe die Vergabekammer im Hinblick auf die Freistellungsentscheidung der Kommission und den Bescheid des Bundesvergabeamtes den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Der fragliche Beschaffungsvorgang unterliege wegen der Freistellungsentscheidung nicht dem Kartellvergaberecht. Abgesehen davon werde die Antragsgegnerin weder von der öffentlichen Hand beherrscht noch auf der Grundlage besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig. Die Antragstellerin verkenne die rechtlichen Vorgaben des Wasserrechts. Jeder interessierte Unternehmer könne mittlerweile im Rahmen des behördlichen Bewirtschaftungsermessens eine Genehmigung zum Betrieb eines Kraftwerks an den Flüssen erhalten, an denen die Anlagen der Antragsgegnerin stünden. Im weiteren Umfeld gäbe es andere Betreiber von Wasserkraftwerken, so dass von einer Monopolstellung der Antragsgegnerin nicht die Rede sein könne. Die Antragsgegnerin sei damit ein privates Unternehmen, das nicht an das Vergaberecht gebunden sei. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, da die Vorwürfe der Antragstellerin hinsichtlich des durchgeführten Funktionsnachweises der Grundlage entbehren würden. Die Antragstellerin sei in ihren Rechten nicht verletzt. Sie sei am geforderten Funktionsnachweis gescheitert, weswegen sie den Zuschlag nicht habe erhalten können. Dies hätten weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene zu verantworten. Bei dem Funktionsnachweis habe sich vielmehr gezeigt, dass die Antragstellerin über kein taugliches System für die komplexe Anlage der Antragsgegnerin verfüge. Bis zum Abbruch des Funktionsnachweises sei der Antragstellerin eine fehlerfreie Gatewayanbindung nicht gelungen. Ein erfolgreicher Abschluss aller geforderten Tests sei in der verbleibenden Zeit ausgeschlossen gewesen. Die Antragstellerin habe damit die vorgegebenen Mindestanforderungen nicht erfüllt.

Über den Ablauf des durchgeführten Funktionsnachweises hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z., P. und A .. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011 (Bl 141/149 d.A.).

Ergänzend wird im Übrigen auf die Einzelheiten des Vorbringens auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten - auch soweit diese nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen sind - Bezug genommen.

B.

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet, da ihr Nachprüfungsantrag zwar zulässig, jedoch nicht begründet ist. Das Vorgehen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Zu Recht ist die Antragsgegnerin aufgrund des Verlaufs des Funktionsnachweises zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin die Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung nicht erfüllt. Der erfolgreiche Funktionsnachweis war eine zwingende Voraussetzung für die Beteiligung an weiteren Vergabegesprächen und eine Auftragsvergabe. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen, ist damit im Ergebnis nicht zu beanstanden.

I. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

1. Kein Ausschluss des deutschen Kartellvergaberechts durch die EU-Freistellungsentscheidung vom 07.07.2008

49Ausgehend von Art. 1 der Freistellungsentscheidung vom 07.07.2008 hat die Kommission festgestellt, dass die Richtlinie 2004/17/EG nicht für Aufträge gilt, die die Auftraggeber in die Lage versetzen sollen, in Österreich Strom zu erzeugen. Der Grund für diese Entscheidung ist die Feststellung der Kommission, dass die Bedingungen des freien Zugangs zum Markt in Österreich erfüllt sind, die Stromerzeugung in Österreich also einem unmittelbaren Wettbewerb ausgesetzt ist. Der streitgegenständliche Auftrag ermöglicht jedoch sowohl die Erzeugung von Strom in Österreich, als auch in Deutschland. Die Leistung kann nicht in selbständige Komponenten für die Stromerzeugung in Deutschland und diejenige in Österreich getrennt werden. Vielmehr dient der Auftrag in seiner Gesamtheit der Stromerzeugung in beiden Ländern. Die Abnahme des produzierten Stroms findet ebenfalls in beiden Ländern statt, wobei eine etwas größere Menge dem österreichischen Markt zugute kommt, dies jedoch zwischen den paritätisch beteiligten deutsch/österreichischen Anteilseignern ausgeglichen wird. Zutreffend argumentieren alle Verfahrensbeteiligten, dass die Freistellungsentscheidung tätigkeitsbezogen ist. Soweit die Antragsgegnerin und die Beigeladene meinen, es sei unschädlich, dass der streitgegenständliche Auftrag neben der österreichischen auch der deutschen Stromerzeugung diene, kann dem nicht gefolgt werden. Weder vom Wortlaut noch von Sinn und Zweck der Freistellungsentscheidung her kann festgestellt werden, dass sich die Befreiung von der Richtlinie 2004/17/EG auch auf das deutsche Vergaberecht bzw. auf Stromerzeugung in/für Deutschland erstreckt, mag der Beschaffungsvorgang auch zugleich die Stromerzeugung in/für Österreich ermöglichen. In Bezug auf Deutschland wurde von der EU-Kommission bislang ein freier Wettbewerb im Stromerzeugungsbereich nicht festgestellt. Es sind auch keine überzeugenden Gründe dafür ersichtlich, weshalb für einen Beschaffungsvorgang in einem Markt ohne freien Wettbewerb die Anforderungen der Richtlinie 2004/17/EG entfallen sollen, bloß weil die ausgeschriebene Leistung zugleich eine Sektorentätigkeit in einem Markt mit freiem Wettbewerb ermöglicht.

Auch der Einwand der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, es sei dem Vergaberecht fremd, einen Beschaffungsvorgang unterschiedlichen nationalen Regelungen zu unterwerfen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass die Problematik echter grenzüberschreitender Aufträge in Literatur und Rechtsprechung kaum diskutiert ist, würde sich damit nicht die Frage beantworten, welche länderrechtliche Betrachtung vorliegend den Vorrang hätte. Eine Anknüpfung an den Schwerpunkt der Leistung oder der Tätigkeit führt im streitgegenständlichen Fall ebenfalls nicht weiter, da der Auftrag in keinem der beiden Länder einen klaren Schwerpunkt hat. Dies belegen sowohl die Ausschreibungsunterlagen, die Anknüpfungspunkte für beide Länder enthalten, als auch die wechselnden Standpunkte der Verfahrensbeteiligten in dieser Frage. Der Strom wird mit Hilfe von Grenzflüssen beider Länder gewonnen. Die zur Stromerzeugung erforderlichen technischen Anlagen befinden sich sowohl auf bayerischem als auch auf österreichischem Staatsgebiet. Die in Bayern gelegenen Teile der Gesamtanlage sind weder unbedeutend noch unwesentlich. Gleiches gilt für die Produktionskapazitäten der auf bayerischer Seite gelegenen Kraftwerkswarten. Die Auftraggeberin ist eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht. Ihr Sitz befindet sich ebenfalls in Deutschland, mag sie auch Niederlassungen in Österreich haben. Selbst nach dem Vortrag der Antragsgegnerin werden zwischen 31 % und 37 % des erzeugten Stroms nach Deutschland geliefert, abgesehen davon ist ein interner Ausgleich vorgesehen.

51Jedenfalls aber stellt die Freistellung von der Richtlinie die Ausnahme dar, die nur für einen Markt mit freiem Wettbewerb gerechtfertigt ist und Gültigkeit haben kann. Jedenfalls bei einem Auftrag, bei dem - wie vorliegend - die Leistung bzw. die Tätigkeit zu einem nicht unerheblichen Teil auch einen Markt ohne freien Wettbewerb (hier: Deutschland) betrifft, gibt es keine überzeugenden Gründe, eine Befreiung von der Richtlinie 2004/17/EG auch für dieses Land betreffende Beschaffungsaufträge anzunehmen.

2. Reichweite der Entscheidung des Bundesvergabeamtes Wien vom 06.04.2010

Die Entscheidung des Bundesvergabeamtes Wien vom 06.04.2010 steht einer eigenen Sachentscheidung des Senats weder formal noch materiell-rechtlich entgegen. Das Bundesvergabeamt hat in seinem Beschluss lediglich festgestellt, dass die Tätigkeit der Antragsgegnerin aufgrund der Freistellungsentscheidung vom 07.07.2008 nicht unter das österreichische BVergG 2006 fällt und folglich keine Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes für den gestellten Nachprüfungsantrag besteht. Das Bundesvergabeamt hat sich mit der Frage, ob die Freistellungsentscheidung der EU-Kommission den Beschaffungsvorgang auch von den Vorgaben des deutschen Vergaberechts befreit, nicht befasst und hierzu auch keine Aussagen getroffen. Es bestand aus Sicht des Bundesvergabeamtes auch keine Veranlassung, inhaltlich zu der länderübergreifenden Komponente des Auftrags Stellung zu nehmen, da aufgrund der Freistellungsentscheidung die Tätigkeit der Antragsgegnerin aus österreichischer Sicht von vorneherein nicht der Überprüfung durch das Bundesvergabeamt unterliegt.

3. Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern

55a) Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, wonach diese durch Rechtswahl eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des österreichischen Bundesvergabeamtes begründen konnte und begründet hat. Fraglich erscheint bereits, nach welcher Vorschrift eine solche, die Zuständigkeit anderer nationaler Nachprüfungsinstanzen ausschließende Rechtswahl möglich sein sollte. § 106 a Abs. 3 S. 2 GWB, auf den sich die Antragsgegnerin bezieht, regelt die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes in Abgrenzung zu der Zuständigkeit der Vergabekammern der Länder. Vorliegend geht es jedoch um die internationale Zuständigkeit. Desweiteren hat die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung keine Nachprüfungsinstanz genannt. Der Hinweis auf das österreichische Bundesvergabeamt findet sich nur in den Vergabeunterlagen. An anderer Stelle hat die Antragsgegnerin erkennen lassen, dass sie deutsches Vergaberecht anwendet (Bewertung der Angebote nach der Richtwertmethode des deutschen Beschaffungsamtes). Als Gerichtsstand bei Streitigkeiten im Zuge der Durchführung des Auftrags wurde sowohl ein Ort in Bayern als auch in Österreich genannt. Eine dem § 106a Abs. 3 S.2 GWB entsprechende Rechtswahl hat die Antragsgegnerin damit nicht getroffen. Sie hat sich vielmehr weder in der EU-weiten Ausschreibung noch in den weiteren Vergabeunterlagen festgelegt, welches Recht auf den streitgegenständlichen Auftrag anwendbar sein soll und welche Instanz hierüber zu entscheiden hat. Noch im Verfahren vor dem österreichischen Bundesvergabeamtes hat sie dessen Zuständigkeit in Abrede gestellt und geltend gemacht, die Überprüfung des Vergabeverfahrens obliege den deutschen Nachprüfungsbehörden.

Selbst wenn man den öffentlichen Auftraggeber im Übrigen für berechtigt halten würde, bei einem mehrere EU-Länder betreffenden Beschaffungsvorgang einseitig verbindlich eine nationale Nachprüfungsinstanz festzulegen, könnte er nur eine solche Instanz wählen, zu der der Vergaberechtsweg auch eröffnet ist, ein effektiver Rechtschutz also stattfindet. Unterfällt der Beschaffungsvorgang in einem EU-Staat von vorneherein nicht der Kontrolle der benannten Nachprüfungsinstanz, etwa weil - wie vorliegend - für dieses Land eine Freistellungsentscheidung der Kommission besteht, steht eine wählbare Nachprüfungsbehörde gar nicht zur Verfügung. Auf die Frage, ob dem Auftraggeber dies von Anfang an bekannt war oder ob dies erst im Laufe des Verfahrens bekannt geworden ist, kommt es dabei nicht an.

57b) Die Zuständigkeit der deutschen Nachprüfungsinstanzen bestimmt sich demnach nach den allgemeinen Prozessgrundsätzen. Das Vergabeverfahren ist dem Zivilrecht zugeordnet. Auch wenn das Ausschreibungsverfahren streng formalisiert ist und daher an das Verwaltungsverfahren erinnert, handelt es sich um ein vorvertragliches Auswahlverfahren eigener Art, dessen Rechtmäßigkeit sich nach dem Vergaberecht richtet (vgl. Zeiss in Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß, Vergaberecht, 2. Aufl., Einleitung VergR, Rn. 96). Als Rechtsgrundlage für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit kann damit auf die Regelungen des EuGVVO zurückgegriffen werden, wonach der Sitz der Antragsgegnerin in Bayern sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern begründet. Zugleich folgt daraus auch, dass der Nachprüfungsantrag den Zulässigkeitsanforderungen des deutschen GWB entsprechen muss.

4. Sektorenauftraggebereigenschaft der Antragsgegnerin (§ 98 Nr. 4 Alt. 2 GWB) - öffentliche Auftragsvergabe (§ 99 GWB)

Die Antragsgegnerin übt eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB aus (Stromerzeugung mittels Wasserkraft und Einspeisung der Energie in feste Netze). Da die Antragsgegnerin nach den festgestellten Beteiligungs- und Organisationsverhältnissen zweifelsfrei nicht unter dem beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand steht, unterliegt der streitgegenständliche Beschaffungsvorgang nur dann dem Vergaberecht, wenn die Antragsgegnerin ihre Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausübt. Die durch das Vergabemodernisierungsgesetz 2009 in § 98 Nr. 4 GWB aufgenommene Definition des Begriffs „besonderen und ausschließlichen Rechte“ ist dem früheren Art. 86 I EG (jetzt Art. 106 Abs. 1 AEUV) entnommen und auch in diesem Sinne auszulegen. Ergänzend ist auf Art. 2 Abs. 3 der Sektorenrichtlinie zu verweisen (vgl. auch Eschenbruch in Kulartz/Kus/Portz, GWB, Rn. 308 ff zu § 98 GWB). Entscheidend ist demnach, ob ein (oder einzelne) Unternehmen in einem bestimmten geografischen Gebiet eine Vorzugsstellung auf dem Markt hat, ein freier Wettbewerb insoweit also nicht stattfindet oder erheblich eingeschränkt ist. Aus dem 25. Erwägungsgrund der Sektorenrichtlinie wird teilweise der Schluss gezogen, dass im Sektorenbereich nur noch von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen dem Vergaberecht unterliegen, während die Einräumung von Rechten auf der Grundlage objektiver, verhältnismäßiger und nicht diskriminierender Kriterien, wie sie private Unternehmen üblicherweise nutzen, keine besonderen oder ausschließlichen Rechte im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB begründen würden (so etwa Weyand, VergabeR, 3. Aufl., Rn. 1534, 1535 zu § 98 GWB; für den Bereich der privaten Energieerzeuger auch Nicola Ohrtmann, VergabeR 2007, 565 ff). Andere Autoren stellten demgegenüber darauf ab, inwieweit im Einzelfall ein Unternehmen eine rechtliche oder faktische Ausschließlichkeitsstellung auf dem Markt genießt, beispielsweise durch die Möglichkeit, exklusiv in einer bestimmten Region eine Leistung anbieten zu können oder durch eine singuläre Rechtsstellung infolge einer Konzession (vgl. Eschenbruch a.a.O. Rn 315 ff zu § 98 GWB; Wieddekind in Willenbruch Wieddekind VergabeR, 2. Aufl., Rn. 92 ff zu § 98 GWB). Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend. Es muss stets anhand der Umstände des Einzelfalles geprüft werden, welche Rechte das Unternehmen in Anspruch nimmt, inwieweit andere Unternehmen gleichermaßen tätig werden (können), ob somit die eingeräumten Rechte dazu führen, dass ein Unternehmen auf dem Markt eine den freien Wettbewerb ausschließende oder wesentlich beeinträchtigende Stellung innehat.

60Ausgehend von diesem Diskussionsstand vermögen den Senat die Argumente der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Anwendbarkeit des § 98 Nr. 4 GWB nicht zu überzeugen. Ursprünglich war der Antragsgegnerin kraft Staatsvertrages eine (andere Interessenten ausdrücklich ausschließende) Monopolstellung für die Nutzung der Wasserkraft bestimmter Flüsse in der Grenzregion eingeräumt worden. Das von der Antragsgegnerin vorgelegte Kartenmaterial belegt zwar, dass es bayernweit eine Reihe von Wasserkraftwerken gibt, maßgeblich ist jedoch die Region bzw. die weitere Umgebung der Flüsse, an denen sich die Anlagen der Antragsgegnerin befinden. Soweit die Antragsgegnerin andere Betreiber von Wasserkraftwerken an den fraglichen Grenzflüssen nennt, handelt es sich ganz überwiegend um Unternehmen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Antragsgegnerin verflochten sind (Verbundkonzerne bzw. zur EON-Gruppe gehörende Unternehmen). Ein freier Wettbewerb kann hieraus nicht abgeleitet werden. Abgesehen davon bleibt unklar, wie weit entfernt diese Kraftwerke von den Anlagen der Antragsgegnerin liegen. Dass sich die Antragsgegnerin mittlerweile die Wasserkraft der Grenzflüsse mit anderen Konkurrenzunternehmen teilen müsste, also keine herausgehobene und privilegierte Marktstellung infolge des Staatsvertrages aus dem Jahr 1950 mehr hat, kann danach nicht festgestellt werden.

Auch der Hinweis der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, jeder interessierte Unternehmer könne einen Antrag auf Nutzung der Wasserkraft der Grenzflüsse zur Energieerzeugung stellen, den die Behörde nicht unter Hinweis auf den Staatsvertrag aus dem Jahr 1950 ablehnen dürfe, vermag die rechtliche Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Maßgeblich dürfte zum einen die tatsächliche Situation sein, die für eine herausgehobene, privilegierte Monopolstellung der Antragsgegnerin spricht. Zum anderen sind die rechtlichen und tatsächlichen Hürden für die Errichtung eines neuen Wasserkraftwerkes sehr hoch. Ein subjektiver Rechtsanspruch auf kommerzielle Nutzung der Energie von Flüssen sieht das Gesetz nicht vor, vielmehr besteht nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Vorrang hat der Schutz der im Allgemeininteresse liegenden wasserrechtlichen Belange. Bei konkurrierenden Anlagen bzw. Vorhaben hat die Behörde eine Interessenabwägung vorzunehmen und eine Auswahlentscheidung zu treffen, wobei ihr die Rechtsprechung dabei einen weiten, nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum zubilligt (vgl. hierzu auch BayVGH vom 02.02.2010, Az. 8 BV 08.1113). Die Behörde kann und würde deshalb prüfen, ob bei Genehmigung eines weiteren Kraftwerks wasserrechtliche Belange gewahrt bleiben, was nicht der Fall ist, wenn das bereits bestehende Kraftwerk das schadlos nutzbare Potential des Gewässers bereits ausschöpft. Anders als bei einem Wegerecht oder der Nutzung einer natürlichen Ressource, deren Kapazität sich nicht verbraucht (z.B. Wind), kann deshalb die Tatsache, dass ein Unternehmen - wie die Antragsgegnerin - bereits befugtermaßen mehrere große Wasserkraftwerke betreibt, dazu führen, dass im regionalen Umfeld andere Konkurrenten keine realistische Chance auf Bewilligung eines weiteren Kraftwerks haben.

Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Antragsgegnerin durch das im Staatsvertrag von 1950 festgelegte ausschließliche Recht zur Nutzung der Wasserkraft bestimmter Grenzflüsse in einer Region eine Monopolstellung im Sinne von § 98 Nr. 4 GWB erhalten hat. Die privilegierte Stellung wirkt sich bis heute faktisch zugunsten der Antragsgegnerin aus. Sie hat in einer geographischen Region eine Vorzugsposition gegenüber anderen Unternehmen, deren Möglichkeiten, in dieser Region in gleicher Weise tätig zu werden und mit der Antragsgegnerin zu konkurrieren, erheblich eingeschränkt sind.

Die Antragsgegnerin ist damit Sektorenauftraggeberin; der fragliche Beschaffungsvorgang ist eine öffentliche Auftragsvergabe im Sinne von § 99 GWB.

5. Schwellenwert

Das Gesamtvolumen des Auftrags beträgt ca. 1,3 Mio €. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein unter dem Schwellenwert liegender Anteil der Leistung der Stromerzeugung in/für Deutschland dient. Der Auftrag lässt sich unstreitig nicht in der Weise teilen, dass einzelne Leistungen ausschließlich die Stromerzeugung und -lieferung eines Landes (Österreich oder Deutschland) betreffen. Die Vertragsleistungen dienen vielmehr gleichermaßen und untrennbar dem Betrieb aller Anlagen (Zentralwarte und Kraftwerkswarten) so dass für die Schwellenwertberechnung der Wert des gesamten Auftrags maßgeblich ist.

6. Antragsbefugnis der Antragstellerin

Die Antragstellerin hat ihr Interesse an dem Auftrag dokumentiert, indem sie ein Angebot abgegeben hat. Sie hat schlüssig dargetan, dass das Vorgehen der Antragsgegnerin eine Rechtsverletzung ihr gegenüber darstellen kann. Ob die Vorwürfe begründet sind, insbesondere ob die Antragsgegnerin die Antragsgegnerin benachteiligt hat und/oder ob sie den Auftrag an die Beigeladene vergeben durfte, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, sondern im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.

7. Fristgerechte Rügen und Anträge

Der strittige Ablauf des Funktionsnachweises wurde unstreitig unverzüglich gerügt. Die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB musste mangels entsprechender Belehrung nicht eingehalten werden, zudem fehlte der Hinweis auf die zuständige Stelle für einen Nachprüfungsantrag. Die Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe eine Scheinaufhebung durchgeführt und den Auftrag im Wege einer unzulässige de-facto Vergabe an die Beigeladene erteilt, ist ebenfalls fristgerecht geltend gemacht worden (§ 101 b Abs. 2 GWB, § 107 Abs. 3 S. 2 GWB).

II. Begründetheit des Nachprüfungsantrags

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, da die Antragstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Vorgehen der Antragsgegnerin nicht in ihren Bieterrechten verletzt worden ist. Zwar hat die Antragsgegnerin aus der Entscheidung des Bundesvergabeamtes falsche rechtliche Schlüsse gezogen. Die Entscheidung bot keine Rechtsgrundlage dafür, das förmliche Vergabeverfahren einzustellen, ebenso wenig durfte sie den Zuschlag ohne Einhaltung der Wartefrist an die Beigeladene erteilen.

Dennoch ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Denn die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Beigeladenen erweist sich im Ergebnis als die materiell-rechtlich zutreffende Vergabeentscheidung, mag auch das Vorgehen der Antragsgegnerin die aufgezeigten formellen Mängel gehabt haben. Korrekterweise hätte die Antragsgegnerin in einem Schreiben gemäß § 101 a GWB mitteilen müssen, dass ein Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin wegen des nicht bestandenen Funktionsnachweises nicht in Betracht kommt und dass beabsichtigt ist, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung an die Beigeladene als der wirtschaftlichsten Bieterin abzuschließen. Vor Zuschlagserteilung hätte die Frist des § 101 a GWB abgewartet werden müssen.

73Allein diese Fehler führen jedoch nicht zum Erfolg des Nachprüfungsantrags. Die Informations- und Wartepflicht gewährleistet den effektiven Rechtschutz. Der Bieter soll die Möglichkeit haben, seine Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit der Zuschlagsentscheidung bei einer unabhängigen Instanz geltend machen zu können. Seine Chancen auf den Zuschlag dürfen nicht vorzeitig durch einseitige Schaffung vollendeter Tatsachen seitens des Auftraggebers zunichte gemacht werden. Daraus folgt aber auch, dass die Missachtung von Informations- und Wartepflichten für sich genommen noch kein berechtigtes Interesse eines Bieters an der Feststellung der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages zu begründen vermag. Das Nachprüfungsverfahren dient der Verwirklichung subjektiver Bieterrechte, nämlich der Wahrung der Zuschlagschancen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens, und nicht einer hiervon losgelösten abstrakten Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens. Nur derjenige, dessen Chancen auf Erlangung des Auftrags durch die Zuschlagsentscheidung beeinträchtigt worden sein können, wird durch ein fehlerhaftes Vergabeverfahren in seinen Bieterrechten beeinträchtigt (vgl. auch König in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., S. 535, 537 f). Es entspricht deshalb der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Erfolg des Nachprüfungsantrags voraussetzt, dass der Antragsteller bei ordnungsgemäßem Vergabeverfahren eine Zuschlagschance hat oder gehabt hätte. Scheidet ein Zuschlag zugunsten eines Bieters von vorneherein aus (etwa weil sein Angebot zwingend auszuschließen ist oder er in der Wertung zweifelsfrei weit abgeschlagen ist) und steht darüber hinaus fest, dass der Bieter selbst bei ordnungsgemäßer Korrektur des Vergabeverfahrens den Zuschlag nicht erhalten kann, ist sein Nachprüfungsantrag mangels Eingriffs in seine geschützten Bieterrechte unbegründet (vgl. Senatsbeschluss vom 21.05.2010, Verg 2/10 m.w.N.).

Vorliegend hat die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass sämtliche Einwände der Antragstellerin gegen den Ablauf des Funktionsnachweises unbegründet sind. Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass der Nachweis von der Antragstellerin nicht erbracht wurde, ist korrekt. Ein gelungener Funktionsnachweis war nach den vergaberechtlich nicht zu beanstandenden Vorgaben der Antragsgegnerin eine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Bieter den Zuschlag erhalten kann. Die Antragstellerin hatte damit keine Chance mehr auf den Zuschlag. Hieran ändern auch die nachfolgenden verfahrensrechtlichen Fehler der Antragsgegnerin nichts. Selbst bei Fortsetzung des förmlichen Vergabeverfahrens - tatsächlich hat die Antragsgegnerin die Vergabe, wie sie mitgeteilt hat, nach den festgelegten Auswahl-, Wertungs- und Zuschlagskriterien zu Ende geführt - war ein Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin irrig die Einstellung des förmlichen Verfahrens erklärt hat, führt nicht dazu, dass nunmehr (bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht) ein gänzlich neues Vergabeverfahren zu beginnen bzw. der Antragstellerin eine weitere Chance auf Präsentation ihres Systems zu gewähren wäre.

Im Einzelnen:

1. Forderung nach Erbringung eines Funktionsnachweises

77Die Antragsgegnerin hat in zulässiger Weise festgelegt, dass die in die engere Auswahl kommenden Bieter im Rahmen eines - für die Antragstellerin auf 3 Tage festgelegten - Testlaufs den Nachweis zu erbringen haben, dass sie ein mit den Besonderheiten der bestehenden Anlage kompatibles und funktionierendes technisches Leitsystem anbieten. Bei einem Verhandlungsverfahren, das in seiner Ausgestaltung flexibler ist, als das offene oder nichtoffene Verfahren, muss der Auftraggeber nicht bereits in der EU-weiten Bekanntmachung alle Details des weiteren Vorgehens vorgeben. Dies ist nicht einmal in einem offenen Verfahren erforderlich. Auch dort können Einzelheiten der Leistungsbeschreibung bzw. den Verdingungsunterlagen überlassen werden, die den Bietern auf Anforderung übersandt werden. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass der Auftraggeber in der Bekanntmachung die gewünschte Leistung umschreibt, die Kriterien für die generelle Eignung und die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bekannt gibt und dass er während des Verhandlungsverfahrens unter Beachtung des Gebotes der Gleichbehandlung und Transparenz rechtzeitig kundtut, welche Auswahlkriterien für ihn bedeutsam sind, so dass der Bieter sein Angebot (oder die Darstellung des Leistungsvorschlags) darauf ausrichten kann. Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin gewahrt. Sie hat bereits in der Bekanntmachung deutlich gemacht, dass sie für ein bestimmtes technisches System (SCADA-System, Tokenring) eine Ankopplung der Leittechnik benötigt, und dabei als unabdingbare Anforderung die Beibehaltung sämtlicher Redundanzen sowie den Parallelbetrieb des alten Systems und der neuen Leittechnik genannt. In der Bestellspezifikation, der näheren Umschreibung der geforderten Leistung und des Ablaufs der Vergabe, wurde detailliert ausgeführt, dass ein Nachweis über die Funktionalität der Ankoppelung an das SAT-NET im Produktivsystem des Auftraggebers zu erbringen ist und zwar im Rahmen eines vereinbarten Tests. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass eine Vergabe nur an eine Firma in Betracht kommt, die alle technischen Kriterien nachgewiesen hat bzw. dadurch die Umsetzung vollinhaltlich erfüllen kann. Der erfolgreiche Nachweis der Gesamtfunktion mit Anbindung an das SAT-NET der PLT wurde (graphisch hervorgehoben) als wesentlich bezeichnet.

Im Schreiben vom 03.12.2009 hat die Antragsgegnerin nochmals deutlich gemacht, dass sie vom Bieter eine Vorführung des SCADA-Systems in ihrem Hause verlangt und dass ein erfolgreicher Funktionsnachweis Voraussetzung dafür ist, dass mit dem Bieter im Anschluss daran die abschließenden Verhandlungsgespräche stattfinden. Im Januar 2010 haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin über Einzelheiten des Testlaufs korrespondiert. Welche Demonstrationen die Antragsgegnerin bei dem Funktionsnachweis verlangt, war der Antragstellerin im Detail bekannt. Hierauf konnte und musste sie sich einstellen und vorbereiten.

79Anhaltspunkte dafür, dass die zur Verfügung stehende Zeit bis zum angesetzten Testlauf unangemessen kurz gewesen wäre, liegen nicht vor. Die Antragstellerin war damit sowohl über die Bedeutung des Funktionsnachweises als auch über die inhaltlichen und technischen Anforderungen informiert. Ihr wurde nichts abverlangt, auf was sie sich nicht hätte einstellen können. Die Antragstellerin konnte auch nicht damit rechnen, dass ihr mehr Zeit zur technischen Anpassung ihres Systems gegeben wird oder dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nochmals Gelegenheit hat, ihr System vor Ort zu demonstrieren. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin ohnehin einen Tag mehr Zeit zugestanden hat, als den anderen beiden Konkurrenten, war eindeutig und klar vorgegeben worden, dass die Bieter im Rahmen dieses Funktionsnachweises den Beleg erbringen müssen, dass die von ihnen angebotene Leistung die geforderten Mindestanforderungen erfüllt, nämlich eine störungsfreie Ankoppelung des angebotenen Systems an die vorhandene Leittechnik, Beibehaltung der Redundanzen und Parallelbetrieb des alten Systems und der neuen Leittechnik. Im unmittelbaren Anschluss daran waren die abschließenden Vergabegespräche mit den Bietern geplant, die den Funktionsnachweis erfolgreich erbracht haben. Ein weiterer Testversuch war weder vorgesehen noch zu erwarten.

Klar und eindeutig hat die Antragsgegnerin in der Bestellspezifikation und den nachfolgenden Schreiben auch zum Ausdruck gebracht, dass nur mit dem Bieter abschließende Vergabegespräche geführt werden, dem ein erfolgreicher Funktionsnachweis gelingt. Der Argumentation der Antragstellerin, dass auch ein Bieter, der den Funktionstest nicht besteht, noch eine Chance auf den Zuschlag haben kann, kann der Senat nicht folgen. Im Hinblick auf die Vorgaben in der Bekanntmachung und den nachdrücklichen und wiederholten Hinweise in den weiteren Unterlagen zur Bedeutung und den Anforderungen an den Funktionsnachweis konnte ein Bieter schlechterdings nicht davon ausgehen, dass sein Angebot bei einem Fehlschlagen dieses Nachweises lediglich eine schlechte Bewertung erhält, die er aber durch andere Bewertungspunkte ausgleichen kann.

2. Rügen der Antragstellerin zum Funktionsnachweis

a) Der Vorwurf der Antragstellerin, sie habe von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen vor oder während des Funktionsnachweises nicht die gebotene Unterstützung erhalten, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Wie die Zeugen A. und Z. bekundet haben, hat die Antragstellerin vorab alle notwendigen Informationen, insbesondere die SSI- Protokolle erhalten und damit die für sie notwendigen Grundlagen für die Entwicklung ihrer IT-Leistungen gehabt. Eine wesentliche technische Aufgabenstellung stellten die sogenannten „gateways“ dar, also die Brücken zur Systemankoppelung. Diesbezüglich hatte sich die Antragstellerin, wie sich bei der Befragung herausstellte, gegen eine Kooperation mit der Beigeladenen entschieden, da ihr der Preis für deren (Subunternehmer-) Leistung zu hoch war. Es war eine unternehmerische Entscheidung der Antragstellerin, dass sie selbst „gateways“ mitbringt und es war für sie auch klar, dass es in ihrer Verantwortung lag, damit eine erfolgreiche Ankoppelung des bestehenden Systems vor Ort zu bewerkstelligen (einschließlich notwendiger Vorbereitungen/Umparametrierungen) und die vorgeschriebenen Tests zu absolvieren. Die e-mail Anfrage im Januar 2010 bei der Beigeladenen („Anwesenheit Systemspezialist“) diente demgegenüber nicht der Anforderung von Hilfsleistungen - so der Zeuge Z. (Mitarbeiter der Antragstellerin) - sondern, nur einer (rückblickend nicht erforderlichen) Absicherung des bestehenden Systems der Antragsgegnerin.

b) Ebenso wenig konnte anhand der Zeugenaussagen festgestellt werden, dass die Beigeladene aufgrund früherer Tätigkeiten über einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der Antragstellerin verfügt hätte. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene sind Nachfolgefirmen der Firma S. Wien, die das bei der Antragsgegnerin verwendete System erstellt hat. Die Antragstellerin hatte damit ebenso Kenntnis von der vorhandenen Technik und den EDV-Produkten wie die Beigeladene. Dass die Beigeladene im Laufe der letzten Jahre Weiterentwicklungen des Systems vorgenommen hätte, über die die Antragstellerin konkrete Informationen benötigt hätte, ist nicht ersichtlich und ergab sich auch nicht aus der Befragung der Zeugen. Letztlich hat der Zeuge Z. ausdrücklich bestätigt, dass sich die Antragstellerin mit den anderen Bietern gleich behandelt gesehen hat, sie den Vorteil der grundlegenden Kenntnis des SAT-Systems hatte und dass ihr die Antragsgegnerin keine Informationen vorenthalten hat. Die Problematik, dass ein mittlerweile veraltetes System (Tokenring) vorhanden ist und dass eine Einbindung dieses Systems verlangt war, war bekannt und stellte sich für alle Bieter gleichermaßen dar. Es war gerade Aufgabe der Bieter, für dieses Problem eine technisch einwandfreie Lösung anzubieten. Tatsächlich ist auch nicht nur der Beigeladenen, sondern auch dem dritten Bieter, der keine Vorkenntnisse über das verwendete SAT-System hatte, binnen zwei Tagen gelungen, einen erfolgreichen Funktionsnachweis zu erbringen, was zeigt, dass die Anforderungen der Antragsgegnerin weder unzumutbar waren, noch dass dies nur für die Beigeladene möglich war.

c) Der Vorwurf, bereits am ersten Tag sei der Antragstellerin nur eine verkürzte Arbeitszeit zur Verfügung gestanden, ist ebenfalls nicht begründet. Hinsichtlich des konkreten Ablaufs folgt der Senat den Angaben des Zeugen A., der präzise, sachlich und glaubhaft den Verlauf schilderte und sich dabei auf ein ausführliches, zeitnah erstelltes Gesprächsprotokoll stützen konnte. Dass die Antragsgegnerin im Rahmen des Funktionsnachweises einige Nachfragen zur verwendeten Technik hatte und hierzu Erläuterungen wünscht, hat der Zeuge A. (Mitarbeiter der Antragsgegnerin) zwar bestätigt, diese dauerten jedoch weder so lange, wie die Antragstellerin behauptet hat, noch waren sie so umfangreich, als dass sie einen relevanten Einfluss auf die zur Verfügung stehende Zeit gehabt hätten. Es handelte sich lediglich um einige erläuternde Fragen im Zuge der bevorstehenden Präsentation, mit denen die Antragstellerin als Teil der Vorstellung ihres Systems zu rechnen hatte und die zeitlich einzukalkulieren waren. Die Erläuterungen erfolgten in der Zeit zwischen 9.15 h und 10.15 h des ersten Tages und zwar parallel zum Systemaufbau ohne Einschränkungen bei der Testvorbereitung. Von einer Behinderung oder zeitlichen Beeinträchtigung der Arbeiten der Antragstellerin bis 12.00 h oder 13.30 h, wie dies in den Aussagen der Zeugen P. und Z. angeklungen ist, konnte sich der Senat nicht überzeugen.

d) Zum weiteren Verlauf ergab die Beweisaufnahme, dass es den Mitarbeitern der Antragstellerin am ersten Tag nicht gelungen ist, überhaupt ein gateway an das System der Antragsgegnerin anzuschließen. Der Aufbau einer Kommunikation schlug nach übereinstimmenden Angaben aller Zeugen fehl. Grund hierfür waren die großen Datenmengen, mit denen die Antragstellerin nicht zurecht kam, nicht etwa, wie im Verfahren behauptet, unerwartete oder im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen liegende Komplikationen oder Systementwicklungsarbeiten. Auch am 10.02.2010 gelang es der Antragstellerin nicht, einen störungsfreien Anschluss eines gateways durchzuführen. Der Antragstellerin wurde an diesem Tag (siehe Aussage und Protokoll des Zeugen A.) sogar eine Verlängerung der Arbeitszeit um 1 Stunde gewährt. Sie konnte außerdem den ganzen restlichen Nachmittag und den Abend über an der Problemlösung weiterarbeiten, weil die Antragsgegnerin ihr die Mitnahme von Laptops und Monitoren in das Hotel gestattete. Von einer unzulässigen Verkürzung der zur Verfügung stehenden Zeit und einer mangelnden Kooperation seitens der Antragsgegnerin kann demnach keine Rede sein.

e) Ob es am 11.02.2010 gelang, zumindest ein gateway störungsfrei zu installieren, blieb nach Anhörung der Zeugen im Unklaren. Die Zeugen der Antragstellerin haben dies zwar behauptet, der Zeuge A. konnte dies aber nicht bestätigen. Es kamen demnach laufend Störungsmeldungen. Man führte bis 10 Uhr noch Versuche über einen zwischengeschalteten Laptop des Zeugen A. durch, aber nicht etwa, weil dieser eine derartige Demonstration wünschte, sondern weil die Mitarbeiter der Antragstellerin nach möglichen Fehlerquellen und Lösungen suchten. Der Behauptung der Zeugen Z. und P., es sei um 10 Uhr oder 10.30 h der störungsfreie Anschluss des zweiten gateways gelungen, konnte der Senat keinen Glauben schenken. Der Zeuge A. belegte anhand seiner Unterlagen, dass es kontinuierlich bis zum Rückbau des Systems und vollständigen Entfernung der Komponenten der Antragstellerin (11.15 h) zu Fehlermeldungen kam. Demnach schlug der Versuch der Mitarbeiter der Antragstellerin zwei voll funktionierende Gateways in Gang zu setzen, bis zuletzt fehl.

Angesichts des gesamten Verlaufs des Funktionstests und der fortgeschrittenen Zeit ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Funktionsnachweis um 10 Uhr abzubrechen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Soweit die Zeugen Z. und P. vorgetragen haben, man habe die vorgesehenen Testungen schon zu einem erheblichen Teil vorgenommen, ist dies nicht glaubhaft. Auch die Behauptung, es sei für die vorgesehenen Tests ausreichend gewesen, ein funktionierendes gateway zu installieren, erst ganz am Ende der Tests wäre ein zweites gateway nötig gewesen, hat sich als unzutreffend erwiesen. Dies folgt schon aus der e-mail der Antragstellerin vom 22.01.2010, in der es unter Punkt 1 heißt „Einbindung der redundanten Gateways“. Wie der Zeuge A. zudem anhand der Unterlagen im einzelnen erklärt hat, sollte die Demonstration des Systems in der Weise von statten gehen, dass zunächst die einzelnen Testreihen in einem „virtuellen Kraftwerk“ durchgeprüft werden, dann sollte man schrittweise in den „Echtbetrieb“ gehen und nach und nach bestimmte Tests für die Zentralwarte und alle vier Kraftwerkswarten vornehmen. Von Anfang an waren dafür zwei redundante Gateways nötig und zu installieren, sonst konnte mit den Testreihen (auch im virtuellen Kraftwerk) überhaupt nicht begonnen werden. Überzeugend hat der Zeuge A. auch dargetan, dass den Mitarbeitern der Antragstellerin damit nicht einmal der erste Punkt der in der e-mail vom 18.01.2010 (ASt 10) vorgegebenen Anforderungen gelungen ist. Soweit die Zeugen der Antragstellerin dies unter Hinweis auf ihre eigenen Listen anders dargestellt haben (Anhang zum Protokoll vom 11.02.2011, ASt 13), war dies nicht plausibel und nicht nachvollziehbar. Wie der Zeuge P. zu erkennen gab, hielt er es im Grunde für ausreichend, dass mit einem funktionierenden gateway eine Generalabfrage gemacht wird, weil man dann vermuten könne, dass es auch mit dem zweiten gateway klappt. Die Vorgaben der Antragsgegnerin zu den zu demonstrierenden Leistungen gingen weit darüber hinaus. Von der stufenweisen Durchführung der Tests erst in einem virtuellen Kraftwerk, dann in den einzelnen Warten haben die Zeugen der Antragstellerin überhaupt nicht berichtet.

Zur Frage, wie lange der Durchlauf der Tests und der Rückbau der Anlage voraussichtlich noch gedauert hätte, erläuterte der Zeuge A., dass hierfür noch 8 bis 10 Stunden nötig gewesen wären. In diesem Zeitrahmen hätten sich auch die Testungen der anderen beiden Bieter gehalten. Ein erfolgreicher Abschluss der Tests war demnach nicht mehr möglich, zumal der Prämisse der Antragstellerin, sie habe um 10.30 h zwei funktionsfähige gateways angeschlossen gehabt, nicht gefolgt werden kann. Der Zeuge P., der Techniker der Antragstellerin, konnte zur mutmaßlichen Dauer der noch ausstehenden Tests überhaupt keine Angaben machen. Der Zeuge Z. schätze die Dauer auf 3 bis 4 Stunden. Seine Aussage basiert allerdings auf der Unterstellung, dass man nur noch Punkt 14 bis 18 der Testpläne der Antragstellerin hätte abarbeiten müssen, was ersichtlich falsch ist. Wie der letzte Schriftsatz der Antragstellerin belegt, betreffen die in der genannten Übersicht unter dem Kürzel „TA:VK“ aufgelisteten 4 Punkte Testreihen im virtuellen Kraftwerk. Alle nachfolgenden Punkte (5 bis 18) sind in den realen Kraftwerken durchzutesten. Unstreitig ist die Antragstellerin aber über Versuche, zwei fehlerfreie gateways im virtuellen Kraftwerk zu installieren, nicht hinausgekommen, kann also gar nicht bis Punkt 13 ihrer Vorschlagsliste gekommen sein.

Ausgehend von der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass den Mitarbeitern der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Abbruchs des Funktionsnachweises noch nicht einmal die notwendigen erfolgreiche Vorbereitung zum Beginn der eigentlichen Testreihen gelungen war (fehlerfreie Funktion zweier redundanter Gateways), ebenso dass sich keine konkrete Problemlösung abzeichnete. Die verbleibende Zeit bis 15.30 h war nicht mehr ausreichend, um die im Rahmen des Funktionstests geforderten umfangreichen Datentests, Überprüfungen, Modifikationen und Redundanzdemonstrationen in insgesamt 6 Anlagen (virtuelles Kraftwerk, Zentralwarte und 4 weitere Kraftwerkswarten) darzustellen. Dazu hätte das System anschließend wieder abgekoppelt und in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müssen. Die Antragstellerin hat damit den Funktionsnachweis zu Recht nicht bestanden.

Soweit die Antragstellerin in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 21.04.2011 neuen Sachvortrag und weitere Beweismittel zur mutmaßlichen Dauer der Tests bei funktionierenden gateways vorgebracht hat, besteht keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Das Vorbringen ist verspätet. Das Thema „Ablauf des Funktionsnachweises“ einschließlich der Frage, wie weitgehend der Antragstellerin die Installation ihres Systems gelungen ist und wie lange sie noch für die vorgesehenen Tests gebraucht hätte, war von Anfang an ein zentraler Streitpunkt des Verfahrens und sogar schon Thema beim Bundesvergabeamt. Die Antragstellerin hatte seit Juni 2010 Zeit und Veranlassung, ihre nunmehr vorgebrachten Argumente in das Verfahren einzubringen und Beweisanträge zu stellen. Dies hat sie versäumt. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Wären die zeitlichen Abläufe im Übrigen derart kurz, wie sie die Antragstellerin nun behauptet, hätten dies ihre Zeugen bei der Vernehmung zudem darstellen können und müssen.

3. Rechtliche Folgen

92Die rechtliche Konsequenz aus der Tatsache, dass der Antragstellerin den geforderten Funktionsnachweis nicht erbracht hat, ist der zwingende Ausschluss der Antragstellerin. Der Senat verkennt nicht, dass die (generelle) Eignung der Antragstellerin von der Antragsgegnerin vorab geprüft und bejaht wurde. Der Senat beurteilt jedoch die Aufforderung zum Funktionsnachweis nicht als „Eignungstest“, sondern als rechtlich zulässige Überprüfung seitens der Antragsgegnerin, inwieweit die von der Antragstellerin angebotene Leistung den von der Antragsgegnerin geforderten zwingenden Anforderungen an die zu erbringende Leistung entspricht. Der Antragstellerin ist es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen, die geforderte „direkte Ankopplung des SCADA-Systems an den Tokenring der prozessnahen Leittechnik, Beibehaltung sämtlicher Redundanzen sowie Parallelbetrieb des alten Systems und der neuen Leittechnik“ vorzuführen. Ihr ist es bis zum Abbruch des Tests am Vormittag des dritten Tages noch nicht einmal gelungen, die technischen Voraussetzungen für den Beginn der geforderten Tests zu schaffen. Dass mit einem Bieter, der bei der Demonstration der Funktionsfähigkeit seines Systems in dieser Weise scheitert, keine weiteren Vergabegespräche geführt werden und er aus dem Wettbewerb ausscheidet, war eindeutig und auch für die Antragstellerin anhand der Vergabeunterlagen und der Korrespondenz ersichtlich. In dieser Weise hat sie das Vorgehen der Antragsgegnerin auch verstanden, wie ihre Argumentation beim Bundesvergabeamt und im hiesigen Verfahren zeigt (vgl. S. 24 des Schriftsatzes vom 11.06.2010).

4. Keine Veranlassung zu einer erneuten Ausschreibung

Zwar hat die Antragsgegnerin nach der Entscheidung des Bundesvergabeamtes erklärt, sie stelle das Vergabeverfahren ein (Anlage ASt 16). Diese Erklärung ist jedoch im Gesamtkontext zu lesen. Demnach hat sie das Verfahren „als Sektoren-Auftragsvergabe“ eingestellt und zwar im Hinblick auf den vorangegangenen Gerichtsbeschluss. Zugleich hat sie aber auch mitgeteilt, dass sie ihre Beschaffungsentscheidung auf der Grundlage der Angebotsunterlagen und unter Anwendung der bekanntgegebenen Bewertung zur Bestbieterermittlung getroffen habe. Den Zuschlag hat demnach der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot erhalten. Tatsächlich hat die Antragsgegnerin damit deutlich gemacht, dass sie ihre Beschaffungsabsicht nicht aufgegeben hat, sondern dass sie das begonnene Verfahren durch Entscheidung für den nach ihrer Auswertung besten Bieter beendet hat - und zwar unter Zugrundelegung der Kriterien, die sie im Vergabeverfahren vorgegeben hatte. Auch bei formell korrekter Beendigung des Verfahrens wäre das Ergebnis kein anderes gewesen, denn das Angebot der Antragstellerin war mangels erfolgreichem Funktionstests nicht zuschlagsfähig. Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung für die Antragsgegnerin, nunmehr ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Insoweit unterscheidet sich die Konstellation maßgeblich von üblichen de-facto Vergaben, bei denen der nicht zum Zuge gekommene Bieter keine Gelegenheit hatte, sich in einem den Vergabevorschriften entsprechenden förmlichen Verfahren um den Auftrag zu bemühen. Hier dagegen wurde die Antragstellerin ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt. Die von ihr angebotene Leistung entsprach nicht den Vorgaben und Anforderungen der Antragsgegnerin, weswegen ihr Angebot auszuschließen war. Die nachfolgenden formellen Fehler der Antragsgegnerin sind insoweit unschädlich. Sie sind unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet, einen Anspruch der Antragstellerin auf nochmalige Ausschreibung und Angebotserholung zu begründen. Nur wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - zur Korrektur der begangenen Verfahrensfehler nicht die Fortsetzung des begonnenen förmlichen Vergabeverfahrens ausreichend wäre, sondern das gesamte Verfahren neu beginnen müsste, hätte die Antragstellerin eine erneute Chance auf den Zuschlag.

Da das Vorgehen der Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht in ihren subjektiven Bieterrechten verletzt hat, sind sämtliche von ihr gestellten Anträge im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens unbegründet.

C.

Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage liegen nicht vor. Anders als in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG Jena vom 19.10.2010, Az. 9 Verg 5/10, geht es vorliegend um einen Beschaffungsvorgang, der ordnungsgemäß ausgeschrieben worden ist und bei der die Antragsgegnerin denjenigen beauftragt hat, der entsprechend den festgelegten Vergabekriterien das wirtschaftlichste Angebot für die Leistung abgegeben hat. Die Antragstellerin hat sich an dem durchgeführten Vergabeverfahren beteiligt, jedoch einen erforderlichen Test nicht bestanden. Demgegenüber hat das OLG Jena in seinem Verfahren festgestellt, dass die ursprüngliche Ausschreibung einen anderen, als den später beauftragten Leistungsumfang hatte. Damit kam in Betracht, dass sich ein anderer Kreis von Unternehmern für den ohne Ausschreibung vergebenen Auftrag interessiert. Die dortige Antragstellerin hatte gerade dies geltend gemacht, Sie hatte sich - so ihr Vortrag - an der ursprünglichen Ausschreibung nicht beteiligt, da dort Leistungsphasen enthalten waren, die sie nicht anbietet. Wäre eine Ausschreibung mit dem später vergebenen Auftragsvolumen erfolgt, hätte sie ein Angebot abgegeben. In einer solchen Konstellation wäre auch aus der Sicht des Senats eine Fortsetzung der ursprünglichen Ausschreibung und Vergabe nicht ausreichend, um den festgestellten Vergabefehler zu beheben. Dies ist vorliegend aus den dargelegten Gründen jedoch anders.

D.

Die Antragstellerin hat sämtliche Kosten der Beschwerde zu tragen, da sie vollständig unterlegen ist (§ 91 ZPO, § 120 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 S.1 GWB). Die Kostenpflicht umfasst auch die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Für die Bemessung des Streitwertes wurden 5 % des geschätzten Bruttoauftragswertes zugrunde gelegt (§ 50 Abs. 2 GKG).