Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.03.2011 - 11 C 11.318
Fundstelle
openJur 2012, 114381
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der 1966 geborene Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Am 23. Mai 2009 gegen 17.40 Uhr wurde der Kläger einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen. Ein freiwilliger Drogentest verlief positiv auf Amphetamin und Metamphetamin. Die chemisch-toxikologische Untersuchung der daraufhin veranlassten Blutentnahme ergab einen positiven Amphetamin- bzw. Metamphetaminwert von < 4,0 ng/ml. Nach einem ergänzenden Schreiben der Gutacher vom 30. Juli 2009 konnten sowohl Amphetamin als auch Metamphetamin eindeutig nachgewiesen werden. Die Befunde belegten eine - u.U. allerdings bereits einige Tage zurückliegende - Aufnahme.

Bei seiner Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis gab der Kläger an, dass er noch nie Betäubungsmittel konsumiert habe. Möglicherweise habe ihm jemand in der Disko „was ins Getränk gegeben“.

Mit Bescheid vom 5. August 2009 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, CE, L, M und S. In den Bescheidsgründen wird ausgeführt, dass aufgrund der chemisch-toxikologischen Untersuchung der Venenblutprobe feststehe, dass der Kläger Metamphetamin bzw. Amphetamin konsumiert habe. Seine Einlassung, dass ihm jemand das Betäubungsmittel anlässlich eines Diskobesuches unbemerkt ins Getränk gemischt habe, sei offensichtlich eine Schutzbehauptung.

Gegen den Bescheid vom 5. August 2009 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und seinen Bevollmächtigten als Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen. Den Prozesskostenhilfeantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2011 ab. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Kläger hat zwar nachgewiesen, dass er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, das Verwaltungsgericht ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Für das Prozesskostenhilfeverfahren gilt das Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht. Die Beschwerdeinstanz hat eigenständig zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage nach einer summarischen Prüfung erfolglos bleiben wird. Er weist das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird zu der Beschwerdebegründung noch Folgendes ausgeführt:

Behauptet eine Person, in deren Körper ein Betäubungsmittel oder Abbauprodukte hiervon vorgefunden wurden, sie habe diese Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Da derartige Rauschmittel illegal und sie zudem nicht billig sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass Dritte einer Person Betäubungsmittel dadurch gegen ihren Willen zuführen, dass sie z.B. eine solche Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein für ihn bestimmtes Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung derartigen Behauptungen nur dann Beachtlichkeit zuerkannt, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränkt zugänglich zu machen, und dass es ferner naheliegt, dass diesem die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (vgl. BayVGH vom 10.12.2007 Az. 11 CS 07.2905 m.w.Nachw.). Diesem Erfordernis genügt weder der unsubstantiierte Vortrag im Verwaltungsverfahren noch die mit Schriftsatz vom 30. Juli 2010 erfolgte Schilderung der Diskonacht am 22./23. Mai 2009. Der Kläger hatte hier vorgetragen, dass er unwissentlich und unbeabsichtigt durch Mittrinken von anderen, ihm nicht "gehörenden" Getränken oder durch den Austausch von Zungenküssen/Körperflüssigkeiten Betäubungsmittel zu sich genommen habe.

Nach seiner Schilderung sind bei der Diskonacht diverse Mixgetränke, Champagner, Red Bull, Wodka, Ramazzotti, Alkopops, Jack Daniel’s, Bacardi und Bier konsumiert worden, wobei teilweise von allen möglichen Getränken auch der anderen Personen durcheinander getrunken worden sei. Weiter wurde in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass die Getränke von den anwesenden Damen selbst zusammengemischt worden seien. Die Vermutung des Klägers, dass er damit ein Getränk getrunken habe, in dem sich ein Betäubungsmittel befunden habe, ist bereits deshalb unschlüssig, weil der Kläger andererseits vorgetragen hat, dass er nüchtern geblieben sei, da er fahren habe müssen. Die nach dem Vortrag des Klägers "durcheinander getrunkenen" Getränke bestanden nach seinem Vortrag aber ausschließlich aus alkoholhaltigen Getränken. Auch ein nachvollziehbares Motiv für die Zugabe eines Betäubungsmittels in die Getränke konnte der Kläger nicht nennen. Soweit der Kläger dem Kostenargument damit begegnen wollte, dass er vorgetragen hat, dass sich die "Damen" für seine großzügige Einladung revanchieren wollten, hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass es aufgrund der finanziellen Situation des Klägers unglaubwürdig sei, dass er "mehrere hundert Euro" allein für Getränke ausgegeben haben wolle. Dieser Feststellung des Verwaltungsgerichts ist der Kläger auch mit der Beschwerdeerwiderung nicht substantiiert entgegengetreten.

Unabhängig von dem unschlüssigen Vorbringen des Klägers ist es aufgrund der bei der Blutentnahme am 23. Mai 2009 festgestellten Konzentration von Amphetamin und Metamphetamin nicht naheliegend, dass es erst in der Nacht vom 22./23. Mai 2009 zu einer entsprechenden Aufnahme gekommen ist. Ausweislich der Ergebnisse einer bei Möller (Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2. Aufl. 2010, § 3 RdNr. 64, Abb. 6) wiedergegebenen Studie über das Abbauverhalten von Amphetamin sinkt bei der oralen Aufnahme von 10 mg Amphetamin-Sulfat die Amphetaminkonzentration nach acht bis 12 Sunden auf 25 ng/ml bis 20 ng/ml Blut, auf Werte unter 10 ng/ml Blut erst nach mehr als 30 Stunden. Ein Wert von etwa 2 ng/ml bis 3 ng/ml Blut wird nach dieser Tabelle nach ca. 48 Stunden erreicht. Dies deckt sich auch mit der gutachterlichen Stellungnahme vom 30. Juli 2009, wonach die Befunde eine - u.U. allerdings bereits einige Tage zurückliegende - Aufnahme von Amphetamin bzw. Metamphetamin belegen. Entsprechend länger kann Amphetamin bzw. Metamphetamin im Urin nachgewiesen werden (Möller a.a.O., § 3 RdNr. 168, Abb. 31), so dass auch der Urinschnelltest am 23. Mai 2009 insoweit ein eindeutiges Ergebnis erbrachte.

Das Verwaltungsgericht hat bei einer Würdigung der Gesamtumstände auch zu Recht den positiven Drogenschnelltest am 25. Juli 2009 auf Kokain berücksichtigt. Dass die daraufhin veranlasste Blutprobe keinen Nachweis von Kokain mehr ergab, beweist nicht, wie der Kläger mit der Beschwerde vorträgt, dass er dieses Betäubungsmittel nicht eingenommen hat, sondern es spricht sehr viel dafür, dass die festgestellte fehlende Nachweisbarkeit eines Kokainabbauprodukts im Blut des Klägers aus der unterschiedlichen Nachweisbarkeitsdauer auch von Kokain im Urin und im Blut herrührt (vgl. Möller, a.a.O.).

Eine Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung ist im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags entbehrlich. Hier ergibt sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG, dass der Kläger die im Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten zu tragen hat; außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 166 VwGO nicht erstattet.