VG München, Urteil vom 12.10.2010 - M 6b K 09.5624
Fundstelle
openJur 2012, 111245
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Autoradio, das ein Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft in dem auf ihn zugelassenen Kfz bereithält, als gebührenfreies Zweitgerät im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) anzusehen ist, wenn (nur) der andere Teil der eheähnlichen Lebensgemeinschaft als Rundfunkteilnehmer gemeldet ist.

Die Klägerin gab gegenüber der Beauftragten des Beklagten am … Juni 2009 an, in dem auf sie zugelassenen Kfz seit April 2007 ein Autoradio zum Empfang bereitzuhalten. Daraufhin erstellte die Gebührenbeauftragte eine Anmeldung für ein Autoradio ab April 2007, die von der Klägerin unter Angabe ihrer Kontoverbindung und Bestimmung vierteljährlicher Zahlungsweise unterschrieben wurde.

Die GEZ bestätigte diese Anmeldung mit Schreiben vom … Juni 2009. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom … Juli 2009 unter Hinweis auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV. Ihr Autoradio sei nach der Rechtsprechung ein gebührenfreies Zweitgerät. Sie wies u.a. auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. August 2008, Az.: 2 S 1519/08 hin.

Im weiteren Schriftwechsel zwischen den Beteiligten vertrat demgegenüber die GEZ die Auffassung, die in Bezug genommene Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV sei ausschließlich auf Ehegatten anzuwenden.

Da es zwischen den Beteiligten über diese unterschiedlichen Rechtsstandpunkte zu keiner Verständigung kam, setzte der Beklagte mitGebührenbescheid vom … November 2009gegenüber der Klägerin Rundfunkgebühren für den Zeitraum 4/07 bis 9/09 in Höhe von 171,36 Euro fest.

Hiergegen ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 26. November 2009, bei Gericht eingegangen am 27. November 2009, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom … November 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010 unter Aktenvorlage,

die Klage abzuweisen.

Im Verlauf des Verfahrens haben die Beteiligten zu der inmitten stehenden Rechtsfrage umfangreich und umfassend vorgetragen; hierauf wird Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

Wesentlicher Punkt des klägerischen Vortrags ist, dass es keinen sachlichen Differenzierungsgrund gebe zwischen den in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ausdrücklich genannten Ehegatten und den Partnern eheähnlichen Lebensgemeinschaften. Die rechtlich bzw. gebührenrechtlich zu würdigenden Sachverhalte seien vielmehr gleich.

Demgegenüber argumentiert der Beklagte, der Gesetzgeber habe ausdrücklich nur Ehegatten die Gebührenfreiheit von Zweitgeräten zugestanden, einer Ausdehnung dieser Ausnahmevorschrift (von der Regel der Gebührenpflicht) stehe der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen. In seiner Entscheidung vom 29. April 2009, Az.: 6 C 28/08 (DAR 2009, 717) habe das Bundesverwaltungsgericht zwar die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. August 2008, Az.: 2 S 1519/08 (DÖV 2009, 127) bestätigt, dabei aber lediglich die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV als einer landesrechtlichen Norm mit Geltungsbereich nur für Baden-Württemberg als nicht gegen Bundesrecht verstoßend angesehen. Das bedeute indes nicht, dass eine andere Auslegung der entsprechenden Vorschrift des für Bayern geltenden Rundfunkgebührenrechts nicht möglich sei oder gegen Bundesrecht verstoße.

Mit Beschluss vom 31. August 2010 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Das Gericht hat am 7. Oktober 2010 zur Sache mündlich verhandelt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2010 ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Rechtsgrundlage für die Beurteilung des Falles ist der Rundfunkgebührenstaatsvertrag vom 31.8.1991 (GVBl 1991, S. 451 ff. i.d.F.d. Bek. vom 27.7.2001, GVBl 2001, 561) in der für den maßgeblichen Gebührenzeitraum jeweils geltenden Fassung. Durch Beschlüsse des Bayerischen Landtags hat der Rundfunkgebührenstaatsvertrag in seiner jeweiligen Fassung Gesetzeskraft für Bayern erlangt.

Das von der Klägerin unstreitig seit April 2007 in dem auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug bereitgehaltene Autoradio ist kein gebührenfreies Zweitgerät im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV. Vielmehr hat sie hierfür die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom … November 2009 geforderten Rundfunkgebühren zu entrichten. Dieser Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV steht die oben zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2009 (a.a.O.) nicht entgegen.

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkgerät jeweils eine Grundgebühr zu entrichten. Rundfunkteilnehmer ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV jeder, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit hält. Für Autoradios trifft § 1 Abs. 3 RGebStV eine Sonderregelung, nach der für das im Kraftfahrzeug eingebaute Rundfunkempfangsgerät derjenige als Rundfunkteilnehmer gilt, für den das Kraftfahrzeug zugelassen ist, im vorliegenden Fall also die Klägerin. Sie hat das Autoradio im streitgegenständlichen Zeitraum, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, in dem auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug bereitgehalten und hat deshalb hierfür Rundfunkgebühren zu entrichten.

2. Die Rundfunkgebührenpflicht der Klägerin entfällt nicht nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV, da Herr A…, mit dem sie zusammenlebt, nicht ihr Ehegatte ist. Der Lebensgefährte der Klägerin ist beim Beklagten angemeldeter Rundfunkteilnehmer. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV entfiele die Rundfunkgebührenpflicht der Klägerin für das in dem auf sie zugelassenen Kfz bereitgehaltene Autoradio nur dann, wenn sie die Ehefrau des Herrn A… wäre.

3. Diesem Ergebnis steht weder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2009 (a.a.O.) noch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (z.B. vom 21.8.2008, Az.: 2 S 1519/08) entgegen.

a) Im Gegensatz zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ist inzwischen die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV revisibles Recht, weil die Länder von der Möglichkeit des Art. 99 Grundgesetz - GG - durch Einführung des neuen § 10 RGebStV mit Wirkung vom 1. März 2007 Gebrauch gemacht und dies so bestimmt haben. Für die im vorliegenden Rechtsstreit inmitten stehende Rechtsfrage hat dies jedoch mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung zunächst keine Konsequenzen.

b) Ob es, wie in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geschehen, zulässig ist, die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV über Ehegatten hinaus und damit entgegen seinem eindeutigen Wortlaut auch auf andere Formen von Partnerschaften oder Personengemeinschaften auszudehnen, ist fraglich. Weist - wie hier - eine Norm einen eindeutigen Wortlaut auf, der ihren Anwendungsbereich eindeutig bezeichnet und beschränkt, so verbietet sich nach den Grundsätzen zur Auslegung und Anwendung von Normen an sich, die Norm im Wege der Auslegung in ihrem Anwendungsbereich zu erweitern und sie auf andere als die vom Wortlaut der Norm bezeichneten Fallkonstellationen anzuwenden. Eine Norm darf vielmehr nur ausgelegt werden, wenn sie nicht nur der Auslegung bedarf, sondern auch der Auslegung zugänglich ist. Das ist bei einem eindeutigen Wortlaut der jeweiligen Vorschrift gerade nicht der Fall. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG vom 14.6.2007, Az.: 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05, BVerfGE 118, 212-244 = NJW 2007, 2977-2982) hat hierzu folgende Grundsätze aufgestellt:

„Der Respekt vor dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbietet es dem Bundesverfassungsgericht, eine gesetzliche Vorschrift aufzuheben, wenn diese durch Interpretation in den Grenzen des Grundgesetzes aufrechterhalten werden kann (BVerfGE 86, 288 <320>) und dabei ihren Sinn nicht verliert (BVerfGE 88, 203 <331>). Den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung sind jedoch Grenzen gesetzt. Verfassungskonforme Auslegung ist dort nicht statthaft, wo sie zu dem Gesetzeswortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. u.a. BVerfGE 71, 81 <105>; 95, 64 <93>). Den Gerichten ist es verwehrt, im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn zu geben oder den normativen Gehalt einer Vorschrift grundlegend neu zu bestimmen (BVerfGE 90, 263 <275>). Eine solche Korrektur des Gesetzes würde nicht zuletzt Art. 100 Abs. 1 GG zuwiderlaufen, der die Autorität des parlamentarischen Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung wahren soll (BVerfGE 63, 131 <141>; 86, 71 <77>).“

Erweist sich in Anwendung dieser Grundsätze eine Norm als zwar auslegungsbedürftig, weil sie z.B. andernfalls gegen höherrangiges Recht verstieße, aber nicht als auslegungsfähig, so wäre sie - gegebenenfalls auf Vorlage nach Art. 100 a Grundgesetz (GG) hin - durch das Bundesverfassungsgericht zu überprüfen und gegebenenfalls zu verwerfen, verbunden mit dem Auftrag an den Normgeber, eine mit höherrangigem Recht vereinbare Normsetzung vorzunehmen. An die Stelle des Gesetzgebers kann sich in einem solchen Fall weder ein Gericht noch die Verwaltung setzen, indem sie den - gegebenenfalls durch das höherrangige Recht indizierten - Inhalt und Sinn in eine wegen ihres eindeutigen Wortlauts nicht erweiternd auslegungsfähige Norm hinein interpretieren.

Darüber hinaus darf einer Norm nicht, auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung, ein Inhalt und Sinn gegeben werden, den ihr der Gesetzgeber offensichtlich nicht beigemessen hat.

Eine solche erweiternde Auslegung findet jedoch statt, wenn über die ausschließlich und abschließend genannten Fälle des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV hinaus auch eheähnliche Lebensgemeinschaften und mit ihnen konsequenterweise weitere Personengruppen, die gemeinsam wohnen, in den Regelungsbereich dieser Vorschrift einbezogen werden, wie dies als Ergebnis und Folge der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg der Fall ist. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass es in etwa ebenso viele verheiratete wie unverheiratete Paare gibt. Mit der erweiternden Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften wird folglich der Anwendungsbereich dieser Norm zahlenmäßig praktisch verdoppelt. Eine derart weitreichende Entscheidung darüber, wer in den Genuss der Zweitgerätefreiheit nach dieser Norm kommen soll, muss aber allein dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

Letztendlich braucht dies vorliegend aber nicht abschließend geklärt oder entschieden zu werden. Denn die bisherige Spruchpraxis des Gerichts hat eine solche erweiternde Auslegung nicht zur Grundlage. Vielmehr orientiert sie sich strikt am Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und der teleologischen Auslegung der hier in Mitten stehenden Norm.

d) Das Gericht hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auch weiterhin davon auszugehen sei, dass eheähnliche Lebensgemeinschaften jedenfalls bezüglich Autoradios dann nicht von der Privilegierung des § 5 Abs. 1 Satz Nr. 1 RGebStV profitieren, wenn das Autoradio von demjenigen Partner der Lebensgemeinschaft in dem auf ihn zugelassenen Kfz bereitgehalten wird, der nicht zugleich der beim Beklagten gemeldete Rundfunkteilnehmer ist (vgl. VG München vom .10.12.2008, Az.: M 6a K 07.4287; vom 9.2.2007, Az.: M 6a K 06.898). Das Gericht nimmt über seine in den zitierten Entscheidungen hinaus bereits dargelegten Gründe auf die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom … Oktober 2009 (dort ab Seite 5) Bezug und macht diese zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung. Darüber hinaus ist noch Folgendes auszuführen:

Eine den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV erweiternde Auslegung verbietet sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch aus rechtsgrundsätzlichen Erwägungen. In verschiedenen Rechtsgebieten und Rechtsbereichen sind Vorschriften auf bestimmte Personengruppen bezogen. Eine besondere Stellung im Kreis dieser Vorschriften nehmen solche ein, die Rechte gewähren oder Ausnahmen zulassen. Hier entscheidet sich der Gesetzgeber bewusst dafür oder dagegen, eine Personengruppe oder bestimmte Personen in den Anwendungsbereich von Regelungen begünstigender oder belastender Art einzubeziehen. Beispiele hierfür sind das sog. Ehegattensplitting und die Regelungen über den Leistungsbezug für sog. Bedarfsgemeinschaften im Bereich der Sozialleistungsgesetze. Im Aufenthaltsrecht wird der Nachzug von Ausländern zu ihren deutschen bzw. ausländischen Ehegatten differenzierend geregelt. Es besteht ein Stufenverhältnis zwischen dem Nachzug zu deutschen Ehegatten einerseits und zu ausländischen Ehegatten andererseits. Ehegatten haben auch im Asylrecht eine besondere Stellung.

Diese keineswegs vollständige Aufzählung an Beispielen verdeutlicht, dass der Gesetzgeber je nach der Regelungsmaterie der Norm sehr wohl differenzierende Regelungen trifft, was den Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften auf Personen oder Personengruppen, und gerade eben auch Ehegatten, angeht. Nichts anderes gilt im Zusammenhang mit der im vorliegenden Rechtsstreit inmitten stehenden Norm, die ihrem Wortlaut nach eindeutig neben anderen im Haushalt des Rundfunkgebührenpflichtigen lebenden Personen, deren Einkommen den einfachen Sozialhilfesatz nicht übersteigen, allein und ausschließlich deren Ehegatten in den Genuss einer Gebührenfreiheit für die von diesen bereitgehaltenen Geräten kommen lässt, falls der andere Ehegatte bereits gebührenpflichtiger Rundfunkteilnehmer ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Normgeber verborgen geblieben wäre, wie sich im Laufe der letzen Jahrzehnte die Formen des Zusammenlebens insbesondere mit Blick auf die bis dahin vorherrschende Form der Ehe entwickelt haben. Wenn er gleichwohl keine der in dieser Zeit zahlreich erfolgten Änderungen des Rundfunkrechts dazu nutzte, den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV auch auf diese zunehmend in der Gesellschaft anzutreffenden Lebensformen auszudehnen, so lässt das kaum einen anderen Schluss als den auf deinen hierzu fehlenden Willen des Gesetzgebers zu.

Zwar ist dem Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) darin zuzustimmen, dass Normen im Laufe einer gesellschaftlichen oder rechtlichen Entwicklung auch inhaltliche Änderungen derart erfahren können, dass sie über den ihnen ursprünglich vom Gesetzgeber zugedachten Regelungsbereich hinaus auch auf andere tatsächliche oder rechtliche Sachverhalte auszudehnen sind. Hinzu kommen Fälle, in denen wie z.B. als Folge der Einführung der sog. privilegierten Partnerschaft die Änderung von Normen erforderlich wird, die bis dato lediglich die Ehe als die einzig sich von sonstigen Formen des Zusammenlebens von Menschen signifikant unterscheidende Form der Partnerschaft zum Gegenstand hatten. Eine solche Anpassung von Vorschriften kann jedoch nicht einfach dadurch geschehen, dass über den eindeutigen Wortlaut hinaus nun solche Personengruppen, die von Verfassung wegen oder aus anderen rechtlich relevanten Gründen in den Anwendungsbereich einbezogen werden müssten, durch erweiternde Auslegung der Norm in deren Anwendungsbereich einbezogen werden. Vielmehr musste der Gesetzgeber in solchen Fällen reagieren und die entsprechenden Vorschriften ändern, wie dies beispielsweise bei § 27 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - im Hinblick auf die eingetragene Partnerschaft geschehen ist. Ein weiteres Beispiel hierfür sind erbrechtliche Vorschriften; auch hier hat sich im Zuge entsprechender gesellschaftlicher Entwicklungen Anpassungsbedarf ergeben, dem ebenfalls nicht einfach durch erweiternde Auslegung der betroffenen Norm, z.B. auf nichteheliche Kinder, Rechnung getragen werden konnte, sondern nur durch Handeln des Gesetzgebers. Vor diesem Hintergrund bestehen zumindest erhebliche Zweifel, ob die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vorgenommene erweiternde Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV zulässig ist.

e) Jedenfalls aber hat das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) keineswegs entschieden, die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vorgenommene Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV sei die einzig mögliche und zulässige. Es hat lediglich festgestellt, diese Auslegung verstoße nicht gegen Bundesrecht. Eine anderslautende Auslegung, wie sie beispielsweise der Beklagte auch im vorliegenden Rechtsstreit vertritt, sei durchaus denkbar. In seinem Schriftsatz vom … Oktober 2010 weist der Beklagte unter Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung zu Recht darauf hin, dass eine divergierende Auslegung von Landesrecht durchaus möglich sei, ohne dass die eine wie die andere Auslegung allein wegen der Unterschiedlichkeit unzulässig sein müsse oder gegen höherrangiges Recht verstoße. Dem ist zuzustimmen. Ebenso wie dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zustehen kann, ist eine unterschiedliche Auslegung selbst im Wortlaut gleichlautender Vorschriften des Landesrechts auch im Lichte der Normen des Grundgesetzes jedenfalls dann denkbar, wenn sich jede dieser Auslegungen in den durch das Grundgesetz und sonstige höherrangige Normen gesetzten Grenzen hält und, soweit es sich um Grundrechte handelt, nicht unzulässig in diese eingreift. Weder das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) noch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a.a.O.) haben entschieden, dass eine andere als die von ihnen für möglich erachtete Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV diesen Grundsätzen zuwiderliefe. Sie haben die entsprechende Anwendung auf eheähnliche Lebensgemeinschaften für möglich und zulässig erachtet, ohne sich dazu zu äußern, ob die hier vertretene Beschränkung auf Ehepartner nicht ebenfalls eine zulässige Auslegung dieser Norm sein könnte. Damit steht die obergerichtliche Rechtsprechung, insbesondere diejenige des Bundesverwaltungsgerichts, der vorliegenden Entscheidung mit ihrer Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV dahin, dass diese Vorschrift ausschließlich auf Ehegatten, nicht dagegen auf eheähnliche Lebensgemeinschaften oder sonstige Formen des Zusammenlebens von Menschen (z.B. Wohngemeinschaften) anzuwenden ist, nicht entgegen. Aus diesem Grund war weder eine Vorlage der Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 a GG) noch das Feststellen einer Divergenz zur obergerichtlichen Rechtsprechung angezeigt.

Die Klage war daher abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. den §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 171,36 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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