VG Ansbach, Beschluss vom 07.09.2010 - AN 1 E 10.01725
Fundstelle
openJur 2012, 110390
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb im Justizministerialblatt Nr. … vom 6. Mai 2010 die Stelle eines Gruppenleiters bei dem Amtsgericht … in BesGr. A 12 mit Entwicklungsmöglichkeit nach BesGr. A 14 aus. Zur Bewerbung aufgefordert seien Angehörige des höheren Rechtspfleger- und Justizverwaltungsdienstes sowie Rechtspfleger, denen in der dienstlichen Beurteilung die Aufstiegseignung zuerkannt worden sei und bei denen die Bereitschaft zum Aufstieg bestehe.

Frauen seien besonders aufgefordert, sich zu bewerben (Art. 7 Abs. 3 BayGlG). Schwerbehinderte Bewerber würden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt. Die Stelle könne auch durch eine Teilzeitkraft besetzt werden.

Es gingen drei Bewerbungen auf die ausgeschriebene Stelle ein, darunter diejenigen der Antragstellerin und des Beigeladenen.

Die am … geborene Antragstellerin legte 1977 die Laufbahnprüfung für den gehobenen Justizdienst mit der Gesamtnote 3,33 ab. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1977 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Justizinspektorin z.A. und zum 1. Juni 1980 zur Justizinspektorin ernannt. Am 1. April 1984 erfolgte die Beförderung der Antragstellerin zur Justizoberinspektorin und am 1. November 1992 zur Justizamtsfrau.

Am 1. Juni 2004 wurde die Antragstellerin zur Justizamtsrätin befördert.

Ab 1. März 2004 war die Antragstellerin als Gruppenleiterin beim Amtsgericht … tätig. Seit 1. März 2008 ist sie Gruppenleiterin und ständige Vertreterin des Geschäftsleiters beim Amtsgericht ….

In der letzten periodischen dienstlichen Beurteilung vom 24. Januar 2008 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 erhielt die Antragstellerin das Gesamturteil „13 Punkte“ zugesprochen. Unter „Verwendungseignung“ ist bei dem Einzelmerkmal „Führungseignung“ ausgeführt, die Antragstellerin „besitze die zur Führung von Mitarbeitern erforderlichen menschlichen und fachlichen Qualitäten“ und unter dem Einzelmerkmal „Eignung für folgende Dienstposten“ wird ihr die Eignung „für alle Rechtspflegeraufgaben, Gruppen- oder Geschäftsleitung, Sachbearbeiterin in der Justizverwaltung“ attestiert. Bei dem Einzelmerkmal „Eignung für einen Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn“ wird ausgeführt, die Antragstellerin sei für den Aufstieg in den höheren Dienst geeignet.

In der vorhergehenden periodischen dienstlichen Beurteilung 2003 hatte die Antragstellerin ein Gesamturteil von 12 Punkten zugesprochen erhalten und in der periodischen dienstlichen Beurteilung 1999 das Gesamtprädikat „übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Der am 7. Oktober 1960 geborene Beigeladene legte 1984 die Laufbahnprüfung für den gehobenen Justizdienst mit der Gesamtnote 2,83 ab. Mit Wirkung vom 9. Januar 1985 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Justizinspektor z.A. und am 1. Juni 1986 zum Justizinspektor ernannt. Am 1. Juni 1989 erfolgte die Beförderung des Beigeladenen zum Justizoberinspektor und am 1. Juni 1996 zum Justizamtmann. Am 1. Juli 2003 wurde der Beigeladene zum Justizamtsrat befördert.

Seit 1. Januar 2003 ist der Beigeladene Gruppenleiter beim Amtsgericht ….

In der letzten periodischen dienstlichen Beurteilung vom 17. März 2008 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2006 erhielt der Beigeladene das Gesamturteil „13 Punkte“ zugesprochen. Unter „Verwendungseignung“ ist bei dem Einzelmerkmal „Führungseignung“ ausgeführt, der Beigeladene „besitze die zur Führung von Mitarbeitern erforderlichen menschlichen und fachlichen Qualitäten“ und unter dem Einzelmerkmal „Eignung für besondere Aufgaben“ wird „Lehr- und Vortragstätigkeit“ genannt. Bei dem Einzelmerkmal „Eignung für folgende Dienstposten“ wird dem Beigeladenen die Eignung „für alle Rechtspflegeraufgaben, Gruppen- oder Geschäftsleitung, Sachbearbeiterin in der Justizverwaltung“ attestiert. Bei dem Einzelmerkmal „Eignung für einen Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn“ wird ausgeführt, der Beigeladene sei für den Aufstieg in den höheren Dienst geeignet.

In der vorhergehenden periodischen dienstlichen Beurteilung 2003 hatte der Beigeladene ein Gesamturteil von 12 Punkten zugesprochen erhalten und in der periodischen dienstlichen Beurteilung 1999 das Gesamtprädikat „übertrifft erheblich die Anforderungen“.

Die mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. Juni 2010 unter Fristsetzung bis 12. Juli 2010 um Stellungnahme zu der geplanten Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit dem Beigeladenen gebetene Gleichstellungsbeauftragte beim Oberlandesgericht … äußerte sich nicht.

Mit einem am 27. Juli 2010 beim Oberlandesgericht … eingegangenen Schreiben stimmte der Bezirkspersonalrat der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit dem Beigeladenen zu.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2010 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, es sei beabsichtigt, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen, der aufgrund der längeren Verweildauer im aktuellen Amt Vorrang genieße, zu besetzen.

Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 9. August 2010 Widerspruch ein.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18. August 2010, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, beantragte die Antragstellerin,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu untersagen, die im JMBL Nr. … ausgeschriebene Stelle eines Gruppenleiters bei dem Amtsgericht … (Besoldungsgruppe A 12 mit Entwicklungsmöglichkeiten nach Besoldungsgruppe A 14) mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden sei.

Zur Begründung des Antrags wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Es bestehe ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin. Die Auslese sei fehlerhaft getroffen worden. Dies sei für das Auswahlergebnis kausal gewesen.

Gehe man davon aus, dass die Antragstellerin sowie ihr Mitbewerber aufgrund der Beurteilungen im wesentlichen gleich geeignet für die zu besetzende Stelle seien, so sei die Auswahl nach einem Hilfskriterium zutreffen. Nach Auffassung der Ernennungsbehörde habe vorliegend ausschließlich darauf abgestellt werden können, dass der Mitbewerber eine elf Monate längere Verweildauer im aktuellen Amt besitze. Dies sei rechtsfehlerhaft. Da sowohl die Antragstellerin als auch der Mitbewerber bereits seit über sechs Jahren das gegenwärtige Amt ausübten, könne ein Zeitraum von elf Monaten, den der Mitbewerber länger in das Amt eingesetzt worden sei, nicht entscheidungserheblich sein. Ein etwaiger zeitlicher Vorsprung relativiere sich im Laufe der Jahre, in denen das Amt ausgeübt werde. Er sei nicht geeignet, eine Eignung der Bewerber um das ausgeschriebene Amt darzustellen.

Zudem bestätigten die Beurteilungen, dass es im Hinblick auf die Qualifikation aufgrund der Verweildauer im Amt keine Leistungsunterschiede zwischen den beiden Bewerbern gebe. Auch dies bestätige, dass die Verweildauer im Amt kein adäquates Differenzierungskriterium darstelle. Andernfalls hätte sich in der Beurteilung eine bessere Qualifikation niedergeschlagen.

Die von der Ernennungsbehörde getroffene Auswahlentscheidung sei insoweit ermessensfehlerhaft. Das gewählte Hilfskriterium sei nicht aussagekräftig im Hinblick auf die Eignung und Befähigung zur Ausübung des zu besetzenden Amtes.

Geeignete Kriterien seien vorliegend das dienstliche Lebensalter sowie die bevorstehende Altersgrenze. Hieraus ergäben sich tatsächliche Unterschiede zwischen den Bewerbern.

Die Antragstellerin sei im Dienst- und Lebensalter dem Mitbewerber vorzuziehen. Sie sei fünf Jahre älter als der Mitbewerber und habe die Rechtspflegerprüfung bereits sieben Jahre vor ihm abgelegt. Die Antragstellerin verfüge daher über deutlich mehr Berufserfahrung als der Mitbewerber. Sie sei insoweit für die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle besser geeignet als der Mitbewerber. Zudem sei sie aufgrund ihres Alters und der bevorstehenden Altersgrenze vorrangig vor dem Mitbewerber zu berücksichtigen. Diesem verbleibe eine längere Zeit im Amt für die Bewerbung auf eine Beförderungsstelle. Der Antragstellerin sei insoweit Vorrang vor dem Mitbewerber zu geben und die streitgegenständliche Stelle mit ihr zu besetzen.

Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Beförderung in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Es bestehe insoweit die Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt werden könnte.

Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 24. August 2010,

den Antrag abzulehnen.

Ein Anordnungsanspruch liege weder vor noch sei er glaubhaft gemacht.

Sowohl die Antragstellerin als auch der Beigeladene hätten in der aktuellen dienstlichen Beurteilung das Prädikat „13 Punkte“ erhalten. Beide Beurteilungen stammten aus dem Jahr 2008 und seien im Amt der Justizamtsrätin bzw. des Justizamtsrats erfolgt. Aktualität und Vergleichbarkeit der Beurteilungen stünden daher außer Zweifel. Darüber hinaus stammten beide Beurteilungen von demselben Beurteiler, dem Präsidenten des Amtsgerichts ….

Da bei der Stellenausschreibung auf das Anforderungsprofil für Geschäfts- und Gruppenleiter Bezug genommen worden sei, sei zusätzlich zu prüfen gewesen, welcher Bewerber das Anforderungsprofil am besten erfülle. Nach den Kriterien des Anforderungsprofils für Dienst- Geschäfts- und Gruppenleiter bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium der Justiz vom 27. März 2002, Gz 2320-V-7559/00, sei von gleicher Eignung der Antragstellerin und des Beigeladenen auszugehen. In diesem Falle obliege es dem Dienstherrn, welche Hilfskriterien er heranziehe und in welcher Reihenfolge dies geschehe (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003, 2 C 16/02)

Ein wichtiges „Hilfskriterium“ in diesem Sinne sei das Rangdienstalter, also die Zeit seit der letzten Beförderung. Dieses sei bei dem Beigeladenen elf Monate höher als bei der Antragstellerin.

Entgegen der Antragsschrift sei ein Abstellen auf das Rangdienstalter statt auf das Lebensalter oder Gesamtdienstalter der Bewerber nicht ermessensfehlerhaft, sondern im Gegenteil sachgerecht. Vorliegend komme dem Rangdienstalter noch eine verstärkte Bedeutung zu, da seinerzeit die Ernennung zum Justizamtsrat bzw. zur Justizamtsrätin bei beiden Bewerbern mit der (erstmaligen) Übertragung einer Gruppenleitertätigkeit und damit Führungstätigkeit im Sinne des Spitzenstellenkonzepts verbunden gewesen sei. Die Beförderung sei jeweils nach Ausschreibung und anschließender sechsmonatiger Bewährung in der Führungsposition erfolgt.

Soweit in der Antragsschrift geltend gemacht werde, die Antragstellerin sei seit mehr als 20 Jahren in Führungspositionen tätig gewesen, sei dies nur eingeschränkt zutreffend, da die Bestellung der Antragstellerin zu Gruppenleiterin aufgrund einer ausgeschriebenen Spitzenstelle beim Amtsgericht … erstmals zum 1. März 2004 erfolgt sei. Die vorausgegangene Tätigkeit als „Unterabteilungsleiterin“ mit der sie neben ihrer Rechtspflegertätigkeit in früheren Zeiten bereits vertraut gewesen sei, könne einer „Spitzenstelle“ nicht gleichgesetzt werden und rechtfertige daher nicht den Schluss, dass die Antragstellerin das Anforderungsprofil besser erfülle als der Beigeladene.

Eine „echte“ Gruppenleitertätigkeit nach Ausschreibung im Sinne des Spitzenstellenkonzepts sei dem Beigeladenen erstmals zum 1. Januar 2003 übertragen worden. Somit besitze der Beigeladene im Vergleich zur Antragstellerin über das ranghöhere Rangdienstalter hinaus auch noch eine um ein Jahr und zwei Monate längere Erfahrung als Gruppenleiter.

Der Beigeladene äußerte sich nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Stellenbesetzungsvorgang Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung).

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ist ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die begehrte einstweilige Anordnung notwendig und geeignet ist, den von der Antragstellerin im Hauptantrag behaupteten, auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden materiellen Bewerbungsverfahrensanspruch zu sichern und dadurch einen endgültigen Rechtsverlust zu ihrem Nachteil abzuwenden.

Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (BVerfG, Beschluss vom 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, BayVBl 2004, 17). Steht die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens im Streit, muss der abgelehnte Bewerber vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen mit dem Ziel, den Beförderungsdienstposten bis zu einer abschließenden Entscheidung über seinen Bewerbungsverfahrensanspruch freizuhalten, um zu verhindern, dass durch die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten vollendete Tatsachen geschaffen werden. Wird die umstrittene Stelle anderweitig besetzt, bleibt ihm sowohl die erfolgreiche Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes als auch primärer Rechtsschutz in der Hauptsache versagt. Der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt sich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle, weil Beförderung und Besetzung der Stelle nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteile vom 21.8.2003 - 2 C 14/02, BVerwGE 118, 370, vom 25.8.1988 - 2 C 62.85, BVerwGE 80, 127 und vom 9.3.1989 - 2 C 4.87, Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 36 S. 7 m.w.N.; Beschluss vom 30.6.1993 - 2 B 64.93, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 49 S. 10; BayVGH, Beschluss vom 28.8.2006 – 3 CE 06.1402). Dem haben sich der Bundesgerichtshof (Urteil vom 6.4.1995 - III ZR 183/94, BGHZ 129, 226) und das Bundesarbeitsgericht (Urteile vom 2.12.1997 - 9 AZR 445/96, BAGE 87, 165 und - 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 sowie vom 11.8.1998 - 9 AZR 155/97, BAGE 89, 300 und vom 28.5.2002 - 9 AZR 751/00, ZTR 2003, 146) angeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. Beschlüsse vom 24.9.2007 – BvR 1586/07, BayVBl 2008, 82, vom 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 und vom 19.9.1989 - 2 BvR 1576/88, NJW 1990, 501). Von diesen Grundsätzen ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Dienstherr durch sein Verhalten rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz verhindert oder sich über dessen erfolgreiche Inanspruchnahme hinweggesetzt hat (BVerfG, Beschluss vom 24.9.2007 – 2 BvR 1586/07, a.a.O.).

Die Antragstellerin hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts sind die Verwaltungsgerichte im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche und irreversible Verletzung in seinen Grundrechten, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - 2 C 14.02, ZBR 2004, 101) - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. Hierbei muss das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt (BVerfG, Beschluss vom 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, a.a.O.).

Auch die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs dürfen deshalb nicht überspannt und über die Darlegung der Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung und die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung im Falle der Wiederholung des Bewerbungsverfahrens hinaus ausgedehnt werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, a.a.O., und vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02, NVwZ 2003, S. 200). Hierzu hat der Antragsteller die den Anordnungsanspruch begründenden Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, Beschluss vom 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, a.a.O.).

Die Antragstellerin hat nicht einen dahin gehenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, dass sie in einem nach den Auswahlgrundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 12 Abs. 2 BayBG - Eignung, Befähigung und fachliche Leistung - durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahren wegen dabei - möglicherweise - unterlaufener, rechtlich zu beanstandender Fehler in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein könnte, und dass infolgedessen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes schon vor der Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren eine vorläufige Eilentscheidung veranlasst sein könnte.

Hat der Dienstherr ein Amt im konkret-funktionellen Sinn (also einen „Dienstposten“) zu besetzen, der für alle angesprochenen Bewerber eine Beförderung (also die Übertragung eines Amtes im statusrechtlichen Sinn mit höherem Endgrundgehalt) mit sich bringt („Beförderungsbewerber“), und hat er unter mehreren Bewerbern eine Auswahl zu treffen, so ist diese Entscheidung gemäß dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 94 Abs. 2 BV (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 BayBG, §§ 2, 10 LbV) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen. Kommen mehrere Bewerber für einen höherwertigen Dienstposten in Betracht, muss der am besten Geeignete ausfindig gemacht werden. Die entsprechenden Feststellungen sind dabei in erster Linie auf dienstliche Beurteilungen zu stützen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.12.2002 - 2 C 31/01, BayVBl 2003, 533; Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02, BayVBl 2003, 693; BayVGH, Beschluss vom 22.11.2007 - 3 CE 07.2274). Diese Regeln dienen vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat insofern einen „Bewerbungsverfahrensanspruch“ auf rechtsfehlerfreie Anwendung.

Für eine sachbezogene und am Leistungsgrundsatz orientierte, fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens ist ein aktueller Eignungs- und Leistungsvergleich notwendig. Dabei kommt es maßgeblich auf die im Zeitpunkt der jeweiligen Auswahlentscheidung vorhandenen Bewertungsgrundlagen an (BayVGH, Beschluss vom 24.9.1996 - 3 CE 96.2023). Hierfür sind grundsätzlich die aktuellen dienstlichen Beurteilungen heranzuziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02, DÖD 2003, 202 f.). Diesen kommt für die Frage der Eignung und Befähigung eines Beamten besondere Bedeutung zu (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 LBV). Dies setzt allerdings voraus, dass die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber miteinander vergleichbar sind, d.h. die zu vergleichenden Beurteilungen dürfen weder von erheblich unterschiedlicher noch von gänzlich mangelnder Aktualität sein (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 23.8.1993, ZBR 1994/83 f = NVwZ - RR 1994/225 f; BayVGH, Beschluss vom 5.5.1994 - 3 CE 94.563; BayVGH, Beschluss vom 24.9.1996 a.a.O.).

Im vorliegenden Fall konnten die aktuellen periodischen Beurteilungen der Antragstellerin (24.1.2008: „13 Punkte“) und des Beigeladenen (17.3.2008: „13 Punkte“) einen geeigneten Maßstab für einen Leistungsvergleich bilden, da sich die Antragstellerin und der Beigeladene in einem gleichwertigen statusrechtlichen Amt (Justizamtsrätin bzw. Justizamtsrat, BesGr. A 12) befinden. Hiernach ist von einer im Wesentlichen gleichen Eignung der Antragstellerin und des Beigeladenen für den ausgeschriebenen Dienstposten auszugehen. Auch aus den vorhergehenden periodischen dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen (2003: jeweils „12 Punkte“ und 1999: jeweils „übertrifft erheblich die Anforderungen“) lässt sich kein Vorsprung eines der beiden Bewerber herleiten.

Nachdem somit vorliegend alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft und die Bewerber als „im Wesentlichen gleich“ einzustufen sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 27.2.2003, 2 C 16/02, BayVBL 2003, 693-695) auf Hilfskriterien zurückzugreifen, wobei der Dienstherr nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden ist. Dem Dienstherrn steht bei der Heranziehung weiterer sachgerechter Merkmale ein weites Ermessen hinsichtlich der Bestimmung des Auswahlkriteriums zu (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.12.1996, 3 CE 96.3412).

Allerdings ist der Dienstherrin gehalten, das im Hinblick auf den zu besetzenden Dienstposten sachnächste Hilfskriterium heranzuziehen. Leistungsfremde, hauptsächlich am Zeitablauf orientierte Hilfskriterien, zu denen insbesondere auch das Lebensalter gehört, dürfen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 16.5.1995, 1 TG 772,95, NVwZ-RR 1996, 279-280). Die Frage, ob das Hilfskriterium „höheres Dienstalter“, mit dem auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Vorstellung von einer größeren berufsbezogenen Erfahrungen verbunden wird, ein leistungsbezogenes oder ein leistungsfremdes Differenzierungsmerkmal darstellt (so auch BVerwG v.27.2.2003 a.a.O.), kann vorliegend offen bleiben. Denn eine - mehr oder weniger - starre Reihen- und Rangfolge von Hilfskriterien ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf den dem Dienstherrn zuzugestehenden personalpolitischen Gestaltungsspielraum nicht anzunehmen. Die Auswahl der Hilfskriterien muss vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn überlassen werden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich demnach darauf zu beschränken, ob die vom Dienstherrn herangezogenen Hilfskriterien noch als sachgerecht angesehen werden können (vgl. VG München, Beschluss vom 7.3.2005, M 5 E 05.366).

Der Antragsgegner hat vorliegend das um 11 Monate höhere Rangdienstalter - also die Zeit seit der letzten Beförderung - des Beigeladenen und dessen um ein Jahr und zwei Monate längere Erfahrung als Gruppenleiter als sachentscheidendes Kriterium herangezogen. Da beide Auswahlkriterien sachgerechte Differenzierungsmerkmale darstellen, liegt eine sachgerechte und seitens der Kammer nicht zu beanstandende Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen vor.

Die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Bezirkspersonalrats ist jeweils ordnungsgemäß erfolgt (vgl. Art.18 Abs. 3 Satz 2 BayGLG; Art 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayPVG)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Auf Grund des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist als Streitwert die Hälfte des Regelstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2004).