Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.08.2010 - 11 CS 10.1464
Fundstelle
openJur 2012, 110122
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.800 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehung einer Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches.

Mit Bescheid vom 30. März 2010 verpflichtete das Landratsamt Oberallgäu nach Anhörung den Antragsteller sofort vollziehbar dazu, vom 10. April 2010 bis zum 10. April 2012 für das Fahrzeug mit dem dort genannten amtlichen Kennzeichen sowie jedes sonstige Ersatzfahrzeug ein Fahrtenbuch zu führen.

Ausweislich eines polizeilichen Aktenvermerks vom 2. Juli 2009 wurde der Halter des Fahrzeugs am gleichen Tag telefonisch von dem mit dem auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß, der ursächlich für die Fahrtenbuchauflage war, in Kenntnis gesetzt. Dabei habe der Halter angegeben, dass er zur Sache nichts sagen werde, weder am Telefon noch sonst in irgendeiner Art und Weise. Der Halter sei darüber belehrt worden, dass er, falls es sich bei dem verantwortlichen Fahrer um einen Familienangehörigen handeln sollte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen dürfe. Bei einem weiteren Anruf habe sich, ebenfalls am gleichen Tag, ein jüngerer Mann gemeldet, der der anrufenden Polizei versichert habe, seinen Bruder T., der momentan nicht zu Hause sei, von dem Anruf in Kenntnis zu setzen und die Telefonnummer weiterzugeben. Um 18.40 Uhr, ebenfalls noch am gleichen Tag, habe unter der im Vermerk angeführten Handynummer ein Mann angerufen, der sich mit H. vorgestellt habe. Auf Nachfrage habe er bestätigt, T.H. zu sein. Ihm sei der Sachverhalt erklärt worden. Daraufhin habe er geäußert, dass er der Fahrer gewesen sei und sich an den Vorfall erinnern könne. Nachdem er eingeräumt habe, der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein, sei er als Beschuldigter belehrt worden. Daraufhin habe er angegeben, sich nicht weiter äußern zu wollen.

Am 22. Oktober 2009 hat die zuständige Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen T.H. nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die aus der Akte gewonnenen Erkenntnisse zur Täterschaft des Beschuldigten nicht verwertet werden könnten. Der Beschuldigte sei erst nachdem er die Fahrereigenschaft eingeräumt habe, über seine Rechte als Beschuldigter belehrt worden. Danach habe der Beschuldigte keinerlei Angaben mehr zur Sache gemacht. Die vor dieser Belehrung getätigten Äußerungen seien angesichts des gezielten Vorgehens der Polizei auch nicht als verwertbare Spontanäußerung des Beschuldigten zu werten. Da die Täterschaft auch durch eine Wahllichtbildvorlage nicht zweifelsfrei habe geklärt werden können, sei das Verfahren einzustellen gewesen.

Mit Beschluss vom 26. Mai 2010 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Ein Fahrzeugführer könne nur dann als festgestellt betrachtet werden, wenn er wegen des begangenen Verstoßes auch tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Auch erscheine es nicht mit der erforderlichen Gewissheit erwiesen, dass der Sohn des Antragstellers eine Tatbeteiligung fernmündlich eingeräumt habe. Denn die Identität des im polizeilichen Aktenvermerk geschilderten Anrufers stehe nicht zweifelsfrei fest.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung trägt sein Bevollmächtigter vor, es bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass der verantwortliche Fahrer Herr T.H. gewesen sei. Damit liege die Voraussetzung, dass der verantwortliche Fahrzeugführer nicht habe festgestellt werden können, nicht vor. Dass er im Ergebnis wegen der unterbliebenen Belehrung nicht zur Verantwortung habe gezogen werden können, spiele in diesem Zusammenhang keinerlei Rolle mehr.

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Beschluss.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht begründet.

Nach Auffassung des Senats bestehen nach dem geschilderten Sachverhalt keine vernünftigen Zweifel daran, dass Herr T.H. auch tatsächlich der im polizeilichen Aktenvermerk genannte Anrufer war, so dass auch keine Zweifel an seiner Fahrereigenschaft veranlasst sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es im Rahmen von § 31a StVZO jedoch nicht nur darauf an, dass der verantwortliche Fahrzeugführer (nicht) festgestellt werden kann, sondern auch darauf, dass die von ihm begangene Verkehrsstraftat oder Verkehrsordnungswidrigkeit für den Fall der Feststellung auch geahndet werden kann (BVerwG vom 17.12.1982 BayVBl 1983, 310). Damit in Übereinstimmung steht die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Fahrtenbuchauflage sicherstellen soll, dass künftig mit dem Kraftfahrzeug begangene Verkehrsverstöße im Unterschied zu derjenigen Tat, die Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hatte, während der Dauer der Fahrtenbuchauflage geahndet werden können (vgl. etwa BayVGH vom 18.3.2008 Az. 11 CS 07.2210). Damit liegt die Tatbestandsvoraussetzung des § 31 a StVZO, dass die Fahrerfeststellung unmöglich war, auch dann vor, wenn sie zwar tatsächlich möglich war, die getroffenen Feststellungen aber nicht verwertbar sind und die Tat damit nicht geahndet werden kann.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).