FG München, Urteil vom 15.07.2010 - 15 K 1825/07
Fundstelle
openJur 2012, 109781
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von monatlichen Rentenzahlungen, die die Klägerin von ihrem Bruder, dem Beigeladenen (im Folgenden: B), erhalten hat.

Mit notariellem Übergabevertrag vom 5. April 1995 überließ der Vater der am ... Februar 1949 geborenen Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sein Grundstück in H. mit Wohnhaus, Autoreparaturwerkstatt, Nebengebäuden und Hofraum seinem Sohn B. Der Vater behielt sich ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht im Vertragsobjekt vor. Ferner übernahm B den bereits an ihn verpachteten Gewerbebetrieb einschließlich aller Aktiva und Passiva gemäß der Bilanz zum 31. Dezember 1994. Im Gegenzug verpflichtete sich B, zur zusätzlichen Sicherung der Altersversorgung des Vaters eine lebenslängliche dauernde Last in Höhe von monatlich 6.000 DM zu entrichten (Abschnitt III. Ziffer 4.1 des Übergabevertrags). Die Abänderbarkeit des Betrages gemäß § 323 Zivilprozessordnung (ZPO) wurde zugelassen. Zur Sicherung der dauernden Last wurde eine Reallast für den Vater bewilligt und beantragt. Weiter verzichteten B und die Klägerin gegenüber ihrem Vater jeweils für sich und die jeweiligen Abkömmlinge auf ihre gesetzlichen Pflichtteilsrechte (Abschnitt III. Ziffer 2).

In Abschnitt III, Ziffer 5 des Übergabevertrags ist ausgeführt: „Der Übernehmer verpflichtet sich an seine Schwester, Frau X, zur zusätzlichen Sicherung ihrer Altersversorgung und zum persönlichen Unterhalt eine lebenslange Rente zu bezahlen, die durch eine Rentenreallast abgesichert wird. … Die Rente ist erstmals am auf den Tod des Übergebers folgenden Monatsersten und durch Dauerauftrag dem Berechtigten zu überweisen.

Die Höhe der Rente berechnet sich aus der statistisch zu erwartenden Lebensdauer der Berechtigten nach der allgemeinen Sterbetafel und aus einem Basisbetrag von 800.000 DM, wobei sich dieser Basisbetrag um eine etwa bestehende Restschuld aus einem evtl. vom Übernehmer zu übernehmenden Grundpfandrecht, welches vom Übergeber gemäß Ziffer XI. dieser Urkunde bestellt wurde, vermindert. Eine Verzinsung ist nicht einzurechnen.

Es wird bewilligt und beantragt eine Reallast auf Zahlung der oben vereinbarten Rente für Frau X im Grundbuch einzutragen mit der aufschiebenden Bedingung des Todes des Übergebers, ……, mit der Maßgabe, daß zur Löschung des Rechtes der Nachweis des Todes der Berechtigten genügen soll.“ Eine § 323 ZPO entsprechende Anpassungsklausel enthält der Übergabevertrag insoweit nicht.

Weiter unten in Abschnitt VII. Ziffer 2 folgt: „Anfallende Verkehrssteuern, insbesondere eine etwaige Grunderwerbsteuer oder Schenkungsteuer trägt der Übernehmer. Eine etwaige Steuer aus der Zuwendung für Frau X trägt diese selbst.“

Der Vater verstarb am ... Februar 2001. Seit 1. März 2001 bezieht die Klägerin von B eine monatliche Rente von 2.243,91 DM, so dass ihr im Streitjahr 2001 ein Rentenbetrag von 22.439 DM zugeflossen ist. Insoweit beantragte die Klägerin im Rahmen ihrer Einkommen-steuererklärung 2001, eine Besteuerung mit einem Ertragsanteil der Rente in Höhe von 41 % bzw. 9.199 DM. Die Zahlungen wurden vom Beklagten (dem Finanzamt – FA –) zunächst antragsgemäß veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 erging am 31. Januar 2003 gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Mitteilung des für die Besteuerung des B zuständigen Finanzamtes, dass bei B die Zahlungen an die Klägerin in voller Höhe als dauernde Lasten bei den Sonderausgaben abgezogen würden, änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2001 der Klägerin am 12. September 2003 insoweit, als es die Rentenzahlungen des B an die Klägerin bei dieser in voller Höhe der Besteuerung unterwarf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16. September 2001 Einspruch ein. Zu diesem Verfahren wurde B mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 gemäß § 174 Abs. 5 S. 2 AO hinzugezogen. Der Einspruch wurde vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2007, bei Gericht eingegangen am 25. Mai 2007, erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, den geänderten Bescheid aufzuheben. Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus, dass es sich bei den Zahlungen des B an die Klägerin nicht um sogenannte Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe handele, die beim Empfänger in voller Höhe zu versteuern wären. Es läge vielmehr in dem Vertrag vom 5. April 1995 ein Erb- und Pflichtteilsverzicht der Klägerin, der auch die Basis für die Zahlungen sei. Es handele sich insoweit gerade nicht um eine Zahlung im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Berechnung der Rente ein Basisbetrag von 800.000 DM zu Grunde gelegt worden sei und sich dieser Betrag um eine etwa bestehende Restschuld aus einem evtl. von B zu übernehmenden Grundpfandrecht vermindere. Der Betrag von 800.000 DM entspreche einem geschätzten Erbanteil der Klägerin unter Berücksichtigung der Verpflichtung des B aus dem Versorgungsvertrag. Mit Schriftsatz vom 12. April 2010 legte der Klägervertreter ein Schreiben des Steuerberaters vom gleichen Tag vor, in dem das geschätzte Immobilienvermögen des Vaters 3,6 Mio. DM betragen habe; davon sollten B und die Klägerin jeweils die Hälfte erhalten. Von den auf die Klägerin entfallenen 1,8 Mio. DM seien bereits die drei in den Vorjahren an die Klägerin übertragenen Immobilien im Wert von einer Million in Abzug gebracht worden, so dass auf die Klägerin noch ein Betrag von 800.000 DM entfallen sei. Damit sei eine Gegenleistung und nicht eine am Versorgungsbedarf orientierte Zahlungsweise gegeben. Aus dem Vertrag ergebe sich auch, dass die lebenslängliche Rente der Klägerin nicht im Sinne des § 323 ZPO abänderbar wäre. Auch dies spreche für eine Versteuerung der Rente lediglich mit dem Ertragsanteil. Im Übrigen sei es für die Behandlung der Zahlungen bei der Klägerin unerheblich, ob die Zahlungen des B in dessen Einkommensteuererklärung zutreffend behandelt worden seien. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für die Einkommensteuer 2005 hatte der Steuerberater der Klägerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2006 erklärt, dass er in Zukunft die Bezüge nicht mehr als Einkünfte erfassen werde, da es sich nicht um Versorgungsbezüge, sondern um steuerlich nicht relevante Unterhaltszahlungen handele.

Mit Beschluss des Senats vom 24. Februar 2010 wurde B zum Verfahren beigeladen. Er trägt vor, dass es sich bei der Zahlung um eine Versorgungsrente (dauernde Last) handele. Der „Basisbetrag“ von 800.000 DM sei eine reine Rechengröße, die vom Vater festgelegt worden sei, um seiner Tochter angemessene Einnahmen für den Lebensunterhalt zu gewähren und den Beigeladenen nicht mit überhöhten Zahlungen unangemessen und existenzgefährdend zu belasten. Kaufmännische Gesichtspunkte wie die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung hätten bei der Bemessung der Zahlung an die Klägerin keine Rolle gespielt. Der Vater habe daher zum Zeitpunkt des Übergabevertrags keine Bewertung des Grundbesitzes veranlasst oder durchgeführt. Er habe lediglich die monatlichen Zahlungen von zurzeit 1.147,29 € als angemessen für den zusätzlichen Lebensunterhalt der Klägerin beurteilt.

Die Klägerin beantragt,1. den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 12. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2007 dahingehend abzuändern, dass die streitbefangenen Zahlungen als Unterhaltsleistungen nicht erfasst werden,2. hilfsweise die streitbefangenen Zahlungen – wie erklärt – nur mit dem Ertragsanteil zu erfassen,3. hilfsweise für den Fall der Klageabweisung, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.Das FA beantragt,1. die Klage abzuweisen,2. hilfsweise die Kosten im Fall der Stattgabe der Klägerin aufzuerlegen, da grundlegend neuer Sachvortrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgte.Zur Begründung trägt das FA unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2007 im Wesentlichen vor, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen um steuerpflichtige wiederkehrende Bezüge der bezugsberechtigten Klägerin handele. Gegenstand des Übergabevertrages des Vaters an den B sei nach Abschnitt III. Ziffer 5 auch die Versorgung der Schwester des Übernehmers, also der Klägerin, ab dem Tode des Vaters durch auf Lebenszeit der Klägerin zu zahlende Leistungen gewesen. Die Zahlungen hätten sich nicht nach dem Wert des auf den B übertragenen Vermögens bemessen, sondern orientierten sich an dem Versorgungsbedürfnis der Klägerin. Da es sich um eine unentgeltliche Vermögensübergabe im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge gehandelt habe, lägen weder als Anschaffungskosten zu beurteilende Veräußerungsleistungen noch steuerlich nicht abziehbare Unterhaltsleistungen vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 S. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Steuerakten des FA sowie die Gerichtsakte nebst Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. April 2010 verwiesen.

Nach der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten auf Bitte des Gerichts im weiteren Verfahren mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2010 hat der Senat die Beratung wieder eröffnet. Die erneute Beratung erfolgte am 15. Juli 2010.

Gründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

1. Hinsichtlich des Hauptantrags ist die Klage unbegründet.

17Eine unter § 12 Nr. 2 EStG fallende und damit nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG vollumfänglich nicht steuerbare Unterhalts- bzw. Zuwendungsrente liegt vor, wenn den Rentenleistungen keine bzw. nur eine geringfügige Gegenleistung gegenübersteht. Zu bejahen ist dies auch noch dann, wenn der Wert des übertragenen Vermögens bei überschlägiger und großzügiger Berechnung wenigstens die Hälfte des Werts der Rentenzahlungen beträgt. Für den Fall eines Erb- und Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung hat die Rechtsprechung stets eine Unterhaltsrente abgelehnt, ohne auf das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung näher einzugehen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 7. April 1992, VIII R 59/89, BStBl II 1992, 809). Erfolgt die Rentenzahlung dagegen als adäquate Gegenleistung für eine Leistung des Rentenbeziehers, liegt keine Unterhaltsrente vor (Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, § 12 EStG, Rn. C 18 ff.).

18Im Streitfall kommt den an die Klägerin entrichteten Rentenzahlungen kein Unterhalts- bzw. Zuwendungscharakter zu. B hat diese nicht freiwillig bzw. aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht i.S. des § 12 Nr. 2 EStG geleistet. Im vorliegenden Überlassungsvertrag vom 5. April 1995 stand nicht der Unterhaltscharakter der Zahlungen an die Klägerin im Vordergrund, auch wenn als Beweggrund für die Zahlungen die „zusätzliche Sicherung der Altersvorsorge und der persönliche Unterhalt“ der Klägerin angegeben wurde. Im Gegenteil, die monatlichen Zahlungen stehen im Zusammenhang mit der im (dreiseitigen) Überlassungsvertrag vom 5. April 1995 erklärten Grundstücks- und Betriebsübergabe an B und dem gleichzeitig geregelten Pflichtteilsverzicht der Klägerin, gelten den Pflichtteilsverzicht ab und sollen eine Gleichstellung zwischen B und der Klägerin bewirken (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BStBl II 2000, 82). Zwar hat der BFH eine erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt, die wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht als nicht steuerbare Unterhaltsleistungen beurteilt hatte (BFH-Urteil vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, DB 2010, 1432). Dieser Fall ist mit dem Streitfall aber insoweit nicht vergleichbar, als die wiederkehrenden Leistungen im Streitfall nicht an eine veränderte Leistungsfähigkeit des Zahlungsverpflichteten oder die Bedürftigkeit der Zahlungsempfängerin anzupassen waren.

2. Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags, die streitbefangenen Zahlungen wie erklärt mit dem Ertragsanteil zu versteuern, ist die Klage begründet.

a) Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf seinen künftigen Erb- und/oder Pflichtteil und erhält er dafür ab dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers vom Erben wiederkehrende Zahlungen, sind diese grundsätzlich weder beim Bezieher als wiederkehrende Leistungen i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar noch beim Zahlenden entsprechend als Sonderausgaben abziehbar. Die anlässlich des Erbfalls entstehenden und auf erbrechtlichen Ausgleich gerichteten Leibrentenverpflichtungen sind vielmehr Nachlassverbindlichkeiten, die ihrer Rechtsnatur nach privat sind und die Einkunftssphäre nicht berühren, gleichgültig, ob es sich bei den Ausgleichszahlungen um entgeltliche Vermögensumschichtungen oder unentgeltliche Vorgänge handelt (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BStBl II 2000, 82 und 20. Oktober 1999 X R 86/96, BStBl II 2000, 602). Im Ergebnis sind somit die in den Bezügen enthaltenen Umschichtungs- bzw. Kapitalanteile nicht steuerbar. Wegen der zeitlich gestreckten Auszahlung der Ausgleichsleistung und damit deren „darlehensähnlichen“ Charakters ist allerdings davon auszugehen, dass in den einzelnen Bezügen steuerbare Zinsanteile enthalten sind, die herauszurechnen sind (siehe hierzu unter c)).

b) Die an die Klägerin geleisteten Bezüge sind nicht als wiederkehrende Leistungen aus einer „Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen“ als dauernde Last bei B abziehbar und damit bei der Klägerin nicht nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG vollumfänglich steuerbar. Dieses anhand der Hofübergabeverträge im Bereich der Landwirtschaft von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist der Hauptanwendungsfall des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG und geht davon aus, dass im Generationen-Nachfolgeverbund eine die Existenz wenigstens teilweise sichernde Wirtschaftseinheit im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird und sich der Übergeber die Erträge in Form der Versorgungsleistungen vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden. Möglich ist insoweit auch die Erbringung der Versorgungsleistungen an Geschwister. Leistung und Gegenleistung sind bei der Versorgungsrente nicht wie unter Fremden als nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen anzusehen. Vielmehr wird in diesen Fällen vermutet, dass die Rente unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens nach dem Versorgungsbedürfnis des Übergebers und/oder der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen wird. Der Vertragstypus „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ ist deshalb in einem spezifisch einkommensteuerlichen Sinn als unentgeltlich zu beurteilen (BFH-Urteile vom 7. März 2006 X R 12/05, BStBl II 2006, 797, und vom 31. August 1994 X R 44/93, BStBl II 1996, 676; BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847).

Im Streitfall ist die Rente der Klägerin nicht als Versorgungsrente zu beurteilen, weil insoweit nicht die Versorgung der Klägerin im Vordergrund steht, sondern der finanzielle Ausgleich für die vollständige Aufgabe ihrer Beteiligung am Nachlass. In Fällen der Ausgleichszahlungen an Geschwister ist von einer allgemeinen Vermutung auszugehen, dass Geschwister in erster Linie nicht versorgt, sondern gleichgestellt werden wollen (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BStBl 2000, 602).

Zwar enthält Abschnitt III. Ziffer 5 des Überlassungsvertrags vom 5. April 1995 eine Klausel, wonach sich B verpflichtete, die Rente an seine Schwester zur „zusätzlichen Sicherung ihrer Altersversorgung und zum persönlichen Unterhalt“ zu zahlen. Andererseits ist aber in einem weiteren Absatz derselben Klausel ausgeführt, dass sich die Rente „aus einem Basisbetrag von 800.000 DM“ und der „statistisch zu erwartenden Lebensdauer“ der Klägerin berechnet. Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Beginns der Rente (1. März 2001) aus der Sterbetafel 1994/96 zu entnehmenden durchschnittlichen Lebenserwartung der Klägerin von 29,71 Jahren ergibt sich daraus exakt der tatsächlich bezahlte Rentenbetrag in Höhe von monatlich 2.243,91 DM. Hieraus ist zu schließen, dass die Beteiligten die Höhe der Rente bewusst an der Höhe des auf 800.000 DM geschätzten Wertes des auf die Klägerin entfallenen Erbteils bemessen wollten, wie dies auch im Schreiben des Steuerberaters vom 12. April 2010 ausgeführt ist. Dem entspricht es, dass die monatlichen Leistungen unabhängig von einem Versorgungsbedürfnis der Klägerin bei einem früheren oder späteren Versterben des Vaters niedriger oder höher ausgefallen wären. Träfe der Einwand des Beigeladenenvertreters zu, dass die Höhe der Rente nicht am geschätzten Wert des Erbteils, sondern am damaligen Verdienst einer ungelernten Büroangestellten in Höhe von ca. 2.200 DM bemessen werden sollte, wäre es naheliegender gewesen, diesen Betrag unmittelbar als zu zahlende Rente in den Überlassungsvertrag aufzunehmen und gegebenenfalls mit einer Wertsicherungsklausel gemäß § 323 ZPO abzusichern. Da dies nicht geschehen ist, geht der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der von der Rechtsprechung in derartigen Fällen aufgestellten Vermutung davon aus, dass die Vertragsschließenden die Rente zur vermögensrechtlichen Gleichstellung und nicht zur Versorgung der Klägerin vereinbart haben.

c) Die an die Klägerin geleisteten Zahlungen enthalten einen pauschalierten Zinsanteil in Höhe des Ertragsanteils.

25Unterhaltsleistungen enthalten grundsätzlich keinen steuerbaren Zinsanteil (BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BStBl II 1992, 612; s.a. FG Nürnberg, Urteil vom 4. April 2006, I 370/2004, EFG 2007, 410). Werden hingegen Entgelte zum Ausgleich für die Aufgabe einer Beteiligung an einem Nachlass in zeitlich gestreckter Form in monatlich wiederkehrenden Bezügen ausgezahlt, enthalten diese regelmäßig nicht nur einen nicht steuerbaren Vermögensumschichtungs- bzw. Kapitalanteil, sondern, weil von einer Verzinslichkeit des überlassenen Kapitals auszugehen ist, auch einen steuerbaren Zinsanteil. Zwar hat der 8. Senat des BFH ausgeführt, dass wiederkehrende Leistungen, die als Gegenleistung für einen gegenüber Eltern erklärten Pflichtteilsverzicht gezahlt werden, keinen Zinsanteil enthalten, weil den Leistungen kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung zugrunde liege (BFH-Urteil vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, DB 2010, 1432). Diese Entscheidung betraf aber einen Fall, bei dem die Beteiligten die Höhe der wiederkehrenden Leistungen u.a. an der Bedürftigkeit der gesundheitlich beeinträchtigten Zahlungsempfängerin ausgerichtet hatten. Im Gegensatz dazu taxierten die Beteiligten des Streitfalls den Pflichtteilsanspruch einvernehmlich auf einen Betrag von exakt 800.000 DM und bemaßen daran – abhängig von der Lebenserwartung der Klägerin im Zeitpunkt des Ablebens des Vaters – die Höhe der ab Eintritt des Erbfalls monatlich zu zahlenden Leibrente. In einem derartigen Fall ist nach Auffassung des erkennenden Senats davon auszugehen, dass entsprechend dem Gleichstellungsgedanken ein in einer Summe bereits festgelegter Anspruch lediglich verrentet werden soll. Insoweit hat die Leibrentenvereinbarung vom 5. April 1995 einen darlehensähnlichen Charakter, so dass die wiederkehrenden Leistungen sowohl einen Kapital- als auch einen Zinsanteil enthalten.

Handelt es sich bei den wiederkehrenden Bezügen um gleichbleibende, nicht abänderbare Leistungen und werden diese auf Lebenszeit des Berechtigten gezahlt, handelt es sich um Leibrenten. Anders als bei einer mit einer bestimmten Laufzeit versehenen Rente, bei der der Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern und aus der Differenz der Rentenbarwerte zu Beginn und am Ende des jeweiligen Streitjahrs zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BStBl II 2000, 82, und vom 26. November 1992 X R 187/87, BStBl II 1993, 298), ergibt sich die Besteuerung des Zinsanteils von Leibrenten aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Satz 3 EStG (BFH-Urteil vom 25. November 1992 X R 91/89, BStBl II 1996, 666). Insoweit handelt es sich um einen Zinsanteil in gesetzlich pauschalierter Form (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BStBl II 2000, 602).

Da die Klägerin zu Beginn der Rente das 52. Lebensjahr vollendet hatte, beträgt der Ertragsanteil nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3, Buchstabe a Satz 3 EStG 41 %. Die steuerbaren Einnahmen aus wiederkehrenden Leistungen berechnen sich somit wie folgt:

 Jahresrente 22.439,00 DM Ertragsanteil 41 % (abgerundet) 9.199,00 DM3. Berechnung der Einkommensteuer

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. FGO. § 137 FGO kommt nicht zur Anwendung, da die Entscheidung nicht auf den mit Schriftsatz vom 14. April 2010 vorgebrachten Angaben der Klägerin beruht. Der Beigeladene trägt keine Kosten (§ 135 Abs. 3 FGO). Seine außergerichtlichen Kosten sind gemäß § 139 Abs. 4 EStG zu erstatten, da er das Verfahren durch seine Sachausführungen wesentlich gefördert hat.

315. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Regelung gilt auch nach der Änderung der ZPO durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl I 2004, 2198) sinngemäß noch für finanzgerichtliche Urteile (vgl. FG München Urteil vom 20. Januar 2005, 3 K 4519/01, EFG 2005, 969).

6. Die Revision wird in Hinblick auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO und die Abgrenzung zu nicht steuerbaren Leistungen im Sinne des BFH-Urteils vom 9. Februar 2010 VIII R 43/06, DB 2010, 1432, zugelassen.