VG Ansbach, Urteil vom 20.05.2010 - AN 14 K 08.00335
Fundstelle
openJur 2012, 108413
  • Rkr:
Tenor

1. Der Feststellungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region …- Integrationsamt - vom … 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt - vom … 2008 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen den Feststellungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region … - Integrationsamt - vom … 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt - vom … 2008, mit dem die Klägerin zur Zahlung rückständiger Beträge der Ausgleichsabgabe für das Kalenderjahr 2006 in Höhe von 31.200,00 EUR aufgefordert wurde, und begehrt dessen Aufhebung.

Die Klägerin ist die Tochter einer bundesweit operierenden Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft …), deren einzelne Gesellschaften in betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheiten (beE) Arbeitnehmer in Kurzarbeit Null (KUG Null) im Sinne von § 216 b SGB III aufnimmt. Nach Angaben der Klägerin erfolgt dies vor dem Hintergrund von Insolvenzen, Werkschließungen und anderen mit Massenentlassungen verbundenen strukturellen Veränderungen durch 3-seitige Verträge (Aufhebungsvertrag mit dem abgebenden Unternehmen, Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der BQG), wobei die betroffenen Arbeitnehmer/-innen in internen und externen Qualifizierungsmaßnahmen betreut werden, um diese in neue Arbeitsverhältnisse zu vermitteln.

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region … - Integrationsamt - setzte mit Feststellungsbescheid vom … 2007 (Bl. 5 ff. der Behördenakte, im Folgenden ohne Zusatz) gegenüber der Klägerin für das Jahr 2006 eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 31.200,00 EUR fest und ermittelte einen rückständigen Betrag in Höhe von 31.200,00 EUR.

Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 12. Juli 2007 (Bl. 17 f.) Widerspruch ein, und begründete diesen mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 5. September 2007 (Bl. 27 ff.) im Wesentlichen dahingehend, dass im Falle der Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 73 SGB IX nicht erfüllt seien, da der Begriff des Arbeitsplatzes und des Beschäftigten im Sinne des SGB IX anders auszulegen sei, als dies im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der Fall sei; ferner sei hier den Besonderheiten des KUG-Null Rechnung zu tragen. Die (in die Gesellschaft überführten) Arbeitnehmer einer Betriebseinheit der BQG würden nie auf einem festen Arbeitsplatz eingesetzt, sondern lediglich durch Maßnahmen wie Bewerbertraining, Fortbildungs- und anderen Qualifikationsmaßnahmen bei der Rückkehr in den (wenn möglich) ersten Arbeitsmarkt unterstützt. Aufgaben der abgebenden Unternehmen würden nicht in die Betriebseinheiten der BQG übernommen, deren technische Zwecke nicht fortgeführt. Die Arbeitsverhältnisse seien über die Dauer der Höchstförderung durch die Agentur für Arbeit befristet. Die Arbeitnehmer erhielten Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 216 b SGB III und, je nach Einzelfall, Aufzahlungen der abgebenden Unternehmen auf das pauschalierte Nettoentgelt. Eine Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft habe, anders als ein gewöhnlicher Arbeitgeber, keinerlei Kontrolle über ihre Personalstruktur in Bezug auf die Begründung neuer bzw. die Beendigung alter Arbeitsverhältnisse. Gerade ältere und schwerbehinderte Menschen würden auf Grund der Möglichkeit, früher eine Altersrente zu beanspruchen, häufig den Anspruch auf eine Abfindung aus einem flankierenden Sozialplan in Anspruch nehmen und nicht in die Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft eintreten. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen, nachdem die streitige Personalsituation konkret wegen der Übernahme der Mitarbeiter des geschlossenen Stammwerkes der AEG Haushaltsgeräte GmbH in Nürnberg entstanden sei: Für die dortige Belegschaft habe ein Sozialtarifvertrag gegolten, der älteren und schwerbehinderten Arbeitnehmern die Überleitung in ein Vorruhestandmodell ermöglicht habe; bei der AEG Haushaltsgeräte GmbH selbst sei die Schwerbehindertenquote noch erfüllt gewesen. Ferner übernehme eine Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft im Falle von nicht vollständigen Betriebsschließungen diejenigen Arbeitnehmer, welche in Verhandlungen zwischen abgebendem Unternehmen und dessen Betriebsrat nach sozialen Auswahlkriterien in einem Interessenausgleich festgelegt würden, worauf die Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft keinerlei Einfluss habe. Nachdem schwerbehinderte Arbeitnehmer im Rahmen einer Sozialauswahl von vorneherein eine sehr starke Position einnähmen, sei eine Verschiebung des prozentualen Anteils von schwerbehinderten Mitarbeitern in der Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft gegenüber der Struktur im abgebenden Unternehmen vorprogrammiert und damit eine gewollte Auswirkung einer gesetzlichen Regelung. Die Klägerin beschäftige darüber hinaus einen Stab von „eigenen“ Mitarbeitern, welche die Verwaltung, die Qualifikationsmaßnahmen etc. durchführten. Im Jahresdurchschnitt 2006 habe sie mit solchen Aufgaben 112 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen einer schwerbehindert gewesen sei. Demgegenüber hätten sich in den betriebsorganisatorischen eigenständigen Einheiten im Jahresdurchschnitt 2006 insgesamt 3078 Arbeitnehmer, davon 90 schwerbehinderte Arbeitnehmer, befunden. Beide Funktionen des § 77 Abs. 4 SGB IX, nämlich sowohl die Ausgleichs- als auch die Antriebsfunktion, seien deshalb bei einem mit Transferkurzarbeitergeld geführten Arbeitsverhältnis, „also eines virtuellen Arbeitsverhältnisses“, nicht zu erfüllen. Die Vorschrift des § 77 Abs. 4 SGB IX setze bei genauerer Betrachtung voraus, dass bei einem Arbeitgeber eine gewisse Anzahl an Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 SGB IX existierten - von denen weniger als 5 % mit schwerbehinderten Arbeitnehmern „beschäftigt“ seien - weswegen er zu einer Ausgleichsabgabe heranzuziehen sei. Die Klägerin „beschäftige“ im Sinne des § 73 SGB IX in ihren Betriebseinheiten aber gerade keine Arbeitnehmer. Einerseits sei es gesetzliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld, dass „die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend“ entfielen. Andererseits vertrete der Beklagte unzutreffenderweise die Auffassung, dass diese Arbeitnehmer in der betriebsorganisatorischen eigenständigen Einheit - trotz tatsächlich nicht stattfindender Beschäftigung - gleichwohl Arbeitsplätze im Sinne des § 73 SGB IX innehätten. Dieser Widerspruch, nämlich das Vorhandensein eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund übergegangener Arbeitsverhältnisse aus der stillgelegten Gesellschaft, aber keine Beschäftigungsmöglichkeit in der Beschäftigungsqualifizierungsgesellschaft selbst, sei nicht auflösbar. Leiste ein abgebendes Unternehmen keine Aufzahlungen mehr zum Kurzarbeitergeld, wie es insbesondere bei Arbeitnehmern aus insolventen Unternehmen der Fall sei, erfolge die Finanzierung ausschließlich auf Grund der Anspruchsberechnungsvorschriften der §§ 216b, 178, 179 SGB III, wobei hierbei aber eine Berücksichtigung der Ausgleichsabgabe nicht vorgesehen sei, da diese sich allein an den persönlichen Verhältnissen des betroffenen Arbeitnehmers orientiere. Deshalb habe die Klägerin in diesen Fällen keinerlei Möglichkeit, an Mittel zu gelangen, um diese Abgabe finanziell bestreiten zu können. Aber selbst bei Aufzahlungen der abgebenden Unternehmen seien die entsprechenden Mittel nicht zur freien Verfügung vorgesehen, d. h. selbst wenn infolge vorzeitiger Vermittlung ausscheidender Arbeitnehmer Mittel übrig bleiben sollten, seien diese regelmäßig an das abgebende Unternehmen zurückzuerstatten oder aber diese flössen in Starterprämien, weitere Qualifizierungsmaßnahmen für die schwieriger zu vermittelnden Arbeitnehmer und dergleichen. Nachdem die Klägerin keinen Einfluss darauf habe, ob und welche Arbeitnehmer in Arbeitsverhältnisse mit ihr einträten, könnte eine „ungünstige“ Personalstruktur des abgebenden Betriebes im schlimmsten Fall dazu führen, dass von der Bildung einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit Abstand genommen werden müsse und damit den Arbeitnehmern der Anspruch auf ein äußerst erfolgreiches und aus gutem Grund gefördertes arbeitsmarktwirksames Instrument verwehrt werde. Unabhängig davon könne eine Transfergesellschaft, wie es die Höhe der hier streitigen Zahlungsverpflichtung belege, ohne irgendeine Möglichkeit des Eingreifens in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Ein Arbeitgeber könne seiner Beschäftigungspflicht nur durch tatsächliche Beschäftigung nachkommen, denn selbst die Zahlung einer Ausgleichsabgabe suspendiere nicht von dieser Pflicht (§ 77 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Dies zu erfüllen, sei bei Arbeitnehmern - wie hier - in Kurzarbeit Null evident unmöglich. Da eine tatsächliche Beschäftigung im Falle einer Transfergesellschaft von vorneherein und irreversibel für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses unmöglich sei, könne ein solches Arbeitsverhältnis, das in seiner Gesamtheit unter Kurzarbeit Null geführt werde, keinen Arbeitsplatz im Sinne von § 73 SGB IX darstellen, denn Unmögliches könne das Gesetz von niemanden verlangen. Dem stünde auch nicht entgegen, dass es sich gleichwohl um sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse nach SGB II, III, V, VI und VII handele. Das SGB IX regle kein Sozialversicherungsverhältnis, sondern stelle eine sozialrechtliche Rahmengesetzgebung dar. Der Beschäftigungsbegriff könne zudem je nach Sinn und Zweck der einzelnen Norm, in der er stehe, unterschiedliche Bedeutung haben. So sei es auch hier. Das SGB IX verfolge den Zweck, die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern, weshalb, wie bereits erwähnt, der Beschäftigungspflicht nur durch tatsächliche Beschäftigung nachgekommen werden könne, was mit den Arbeitsverhältnissen einer Transfergesellschaft von vorneherein nicht zu leisten sei. Ferner könne die Klägerin keinerlei Leistungen aus den Mitteln der Integrationsämter entgegennehmen, das gesamte Leistungsspektrum sei für Transfergesellschaften nicht ausgelegt. Ausgleichsfähige Mehraufwendungen, Eingliederungszuschüsse und dergleichen könnten allenfalls bei der „eignen“ Belegschaft in Betracht kommen, beispielsweise betreffend die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes etc. Auch dies zeige, dass auf eine Transfergesellschaft die Regelungen der §§ 71 ff. SGB IX nicht passten. Folglich könne nur auf die eigene Belegschaft abgestellt werden, eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit sei als im Wortsinne betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit zu verstehen und zu behandeln. Die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe (BVerfGE 57, 139) habe die besondere Situation, welche durch die Einführung der Regelungen zum Struktur-Kurzarbeitergeld und später Transfer-Kurzarbeitergeld für die betreffenden Gesellschaften entstanden sei, noch nicht berücksichtigen können, weil es damals derartige Institutionen noch nicht gegeben habe. Nichts anderes gelte für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2003 - Az 5 B 7/03. Deshalb sei im Lichte der Veränderungen der zu beurteilenden Strukturen das Tatbestandsmerkmal des Arbeitsplatzes verfassungskonform und mit Rücksicht auf die veränderten Bedingungen eines Arbeitsplatzes unter Transfer-Kurzarbeit auszulegen.

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region… - Integrationsamt - erhob mit Säumnisbescheid vom 10. September 2007 (Bl. 11 ff.) hinsichtlich des verspätet am … 2007 eingegangenen Ausgleichsabgabebetrages einen Säumniszuschlag in Höhe von 1.560,00 EUR.

Die Agentur für Arbeit Nürnberg legte mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 (Bl. 44) eine Stellungnahme vom 19. Oktober 2007 (Bl. 45) zum Widerspruch vom 16. Juli 2007 vor, wonach die geltenden Bestimmungen der Bundesagentur für Arbeit keine Ausnahmetatbestände zuließen und somit auch die Arbeitsplätze in Transfergesellschaften im Rahmen der Ausgleichsabgabe zu zählen seien.

Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom … 2008 (Bl. 72 ff.) den Widerspruch der Klägerin vom … 2007 gegen den Feststellungsbescheid vom … 2007 als unbegründet zurück. Begründet wurde der am 12. Februar 2008 zugestellte Bescheid (Bl. 78) im Wesentlichen damit, dass die Pflicht zur Zahlung der Ausgleichsabgabe unmittelbar kraft Gesetzes mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes, also ohne besondere amtliche Feststellungen entstehe. Jeder Arbeitgeber habe die Ausgleichsabgabe im Wege der Selbstveranlagung für jedes Kalenderjahr selbst zu ermitteln und in eigener Verantwortung rechtzeitig zu entrichten. Die Ausgleichsabgabe sei zugleich mit der Erstattung der Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX fällig, was spätestens am 31. März für das vorausgegangene Kalenderjahr erfolgen müsse (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Hier habe die Klägerin die streitige Ausgleichsabgabe bei der Agentur für Arbeit selbst ermittelt. Eventuelle Fehler im Rahmen der Selbstveranlagung müssten bei der Agentur für Arbeit in Nürnberg geltend gemacht werden, die in ihrer Stellungnahme vom 19. Oktober 2007 gegenüber dem Integrationsamt erklärt habe, dass es sich nach deren internen Anweisungen bei den besagten Stellen um Arbeitsplätze im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX handele. Der gegenteiligen Auffassung der Klägerin, wonach es sich bei den in ihren Betriebseinheiten beschäftigten Arbeitnehmern nicht um Arbeitsplätze im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX handele, könne nicht gefolgt werden. Aus der zitierten gesetzlichen Regelung lasse sich diese Auffassung nicht entnehmen, § 73 Abs. 1 SGB IX spreche vielmehr allgemein von Arbeitsplätzen und zähle diese enumerativ auf. Außerdem stellten die Folgeabsätze klar, welche Arbeitsplätze keine Arbeitsplätze im Sinne des 2. Teils des SGB IX seien, wie beispielsweise bei Personen, die an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III teilnähmen. Die Kommentarliteratur gehe jedoch davon aus, dass die Empfänger von Kurzarbeitergeld-Null nicht von § 73 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX erfasst würden, vielmehr handele es sich bei diesen Stellen um Arbeitsplätze im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX. Dies werde darauf gestützt, dass bei dem Begriff des Arbeitsplatzes im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX nicht auf eine funktionale oder gegenständliche Erbringung der Arbeitsleistung abgestellt werde, sondern es auf die vertraglichen Beziehungen ankomme. Auch wenn Kurzarbeit vorliege, liege ein zu berücksichtigender Arbeitsplatz vor, denn auch bei Kurzarbeit bestehe das Arbeitsverhältnis fort. Zwar hätten das Oberverwaltungsgericht Brandenburg (Urteil vom 27.5.1998 - 4 A 133/97) sowie das Oberverwaltungsgericht Weimar (Urteil vom 6.7.1995.- 2 KO 11/94) entschieden, dass bei der nach § 5 Abs. 1 SchwbG (nunmehr § 71 Abs. 1 SGB IX) vorzunehmenden Berechnung der Pflichtarbeitsplätze Arbeitsplätze, die in der Übergangszeit im Jahr 1990 in Betrieben der ehemaligen DDR mit „Kurzarbeiter-O-Stunden“ bezeichnet worden seien, nicht mit einzubeziehen seien, weil sie keine Arbeitsplätze im Sinne des § 7 Abs. 1 SchwbG (nunmehr § 73 Abs. 1 SGB IX) darstellten, sondern zu den nicht anrechenbaren Arbeitsplätzen im Sinne des § 7 Abs. 3 SchwbG zählten. Diese Entscheidungen seien deshalb jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Die damalige Einführung dieser Form von Kurzarbeitergeld habe die gesetzgeberische Reaktion auf die besondere Situation in der ehemaligen DDR bzw. später in den neuen Ländern als Folge des Zusammenbruchs des zentralverwaltungswirtschaftlichen Systems und des außerordentlich schwierigen Übergangs zur Marktwirtschaft dargestellt, weshalb die zitierten Entscheidungen auf einem anderen politischen Zusammenhang basiert hätten, d. h. auf Massenentlassungen von Arbeitnehmern aus ehemaligen DDR-Betrieben als Folge der Etablierung eines marktwirtschaftlichen Systems. In diesem Zusammenhang habe es interessengerecht erschienen, die Empfänger von „Kurzarbeitergeld-Null“ nicht als anrechenbare Arbeitsplätze im Sinne des § 7 SchwbG a. F. anzusehen, da ansonsten ein in sich zusammengebrochenes Wirtschaftssystem noch zusätzlich geschwächt worden wäre. Vorliegend solle es aber gerade das Ziel der Klägerin sein, Arbeitnehmer durch Qualifizierungsmaßnahmen in Beschäftigungsverhältnisse auf dem „ersten Arbeitsmarkt“ zu vermitteln. Es solle also gerade kein wirtschaftlicher Zusammenbruch aufgefangen werden. Auch der Ausschlusstatbestand des § 73 Abs. 3 2. Hs SGB IX, wonach es sich dann nicht um Arbeitsplätze handele, sofern die wöchentliche Arbeitszeit weniger als 18 Stunden betrage, greife im vorliegenden Fall nicht ein. Es sei davon auszugehen, dass die in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergeleiteten Arbeitnehmer in Vollzeit an Qualifizierungsmaßnahmen teilnähmen. Folglich ergebe sich ein rechnerisch korrekt festgesetzter Betrag der Ausgleichsabgabe in Höhe von 31.200,00 EUR für das Kalenderjahr 2006. Entgegen den Ausführungen in der Widerspruchsbegründung sei auch nicht davon auszugehen, dass einerseits Beschäftigungsverhältnisse aus übergegangenen Arbeitsverhältnissen vorlägen, aber andererseits keine Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Wie die Klägerin selbst vortrage, unterzögen sich die Arbeitnehmer Qualifizierungs- und anderen Schulungsmaßnahmen, so dass vom Nichtvorliegen einer Beschäftigung nicht ausgegangen werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin mit am 28. Februar 2008 eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 25. Februar 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach und beantragte:

1. Der Bescheid des Beklagten vom …2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … 2008 wird aufgehoben.

2. Die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren war notwendig.

Begründet wurde die Klage im Wesentlichen damit, dass es sich auf Grund folgender Umstände bei den Arbeitnehmern unter Transfer-KUG-Bezug nicht um Inhaber von Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 SGB IX handeln könne: Ein Arbeitgeber könne seiner Beschäftigungspflicht nur durch tatsächliche Beschäftigung nachkommen, was gerade bei Arbeitnehmern, die unter Kurzarbeit-Null stünden, evident unmöglich sein. Die Klägerin habe keinen Einfluss auf Zugang und Abgang von Arbeitnehmern einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft und damit auf deren Beschäftigungsquote. Bereits im Vorfeld eines Übertritts von Arbeitnehmern in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit trete eine gesetzlich gewollte Verschiebung der Schwerbehindertenbeschäftigungsquote ein. Die „Antriebsfunktion“ des § 77 Abs. 4 SGB IX könne bei einem Beschäftigungsverhältnis, das über seine gesamte Dauer unter der Bedingung Kurzarbeit Null laufe, unmöglich Wirksamkeit entfalten. Auch die Ausgleichsfunktion der zitierten Vorschrift könne nicht zum Tragen kommen, da bei einem „virtuellen Arbeitsverhältnis“ weder besondere Belastungen eintreten könnten, noch Förderung in Anspruch genommen werden könnte. Ferner sei - wie bereits erwähnt - eine tatsächliche Beschäftigung der Mitarbeiter in den betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheiten einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft rechtlich und tatsächlich unmöglich. Weiter gingen, wie der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt habe, das Oberverwaltungsgericht Brandenburg und das Oberverwaltungsgericht Weimar mit der Klägerin übereinstimmend davon aus, dass in vorliegendem Fall (Arbeitsplätze unter Kurzarbeit-Null) keine Arbeitsplätze nach § 73 SGB IX gegeben seien. Des Weiteren betrage die durchschnittliche Dauer von Schulungsmaßnahmen etc. im Rahmen der Befristung eines Kurzarbeit-Null-Arbeitsverhältnisses stets weniger als 18 Wochenstunden. Die weitere Begründung im Einzelnen entsprach im Wesentlichen den Ausführungen der Widerspruchsbegründung.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 20. März 2008,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei. Streitig sei im vorliegenden Fall allein, ob Arbeitsplätze im Sinne des § 73 SGB IX vorlägen. Bei den vom Oberverwaltungsgericht Brandenburg und vom Oberverwaltungsgericht Weimar entschiedenen Fällen habe es sich um Arbeitsplätze gehandelt, für die Kurzarbeitergeld auf Grund von § 63 Abs. 5 des Arbeitsförderungsgesetzes der DDR gezahlt worden sei. Dabei habe es sich um einen anderen Typus von Kurzarbeitergeld gehandelt, bei dem nicht die Erhaltung der Arbeitsplätze das Ziel gewesen sei, sondern die Verlängerung der Arbeitsverhältnisse, um Zeit zu gewinnen, die Arbeitnehmer zu fördern und durch Weiterqualifikation ihre Arbeitsmarktchancen zu erhöhen, weshalb diese Entscheidungen im Lichte einer besonderen sozialpolitischen Situation im Hinblick auf die Vermeidung von Massenarbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern im Zeitpunkt der Wende zu sehen sei. Der Beklagte schließe sich vielmehr der im Schrifttum vertretenen Auffassung an, wonach auch im Falle von Kurzarbeit der Begriff des Arbeitsplatzes im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX gegeben sei, weil auch bei Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis fortbestehe (Ernst/Adelhoch/Seel, Kommentar zum SGB IX, April 2007, Rdnr. 4 zu § 73). Die von den Bevollmächtigten ins Feld geführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei schon deshalb für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil es nicht um zu besetzende Stellen mit schwerbehinderten Arbeitnehmern gehe, die dem Arbeitgeber durch die Agenturen für Arbeit angezeigt worden seien, sondern um das tatsächliche Vorliegen eines Arbeitsplatzes, auf welchem schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt würden. Ferner sehe § 73 SGB IX für die hier vorliegende Fallkonstellation von Transfergesellschaften, in denen unter Kurzarbeit-Null stehende Arbeitnehmer beschäftigt würden, keinen Ausnahmetatbestand vor, weswegen ein Arbeitsplatz gegeben sei. Dass sich die durchschnittliche Dauer von Schulungsmaßnahmen der unter Kurzarbeit-Null stehenden Arbeitnehmer auf unter 18 Stunden belaufen solle, sei im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen worden.

Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung im Einzelnen wird auf die Niederschrift verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Feststellungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region …- Integrationsamt - vom … 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt - vom …2008 ist rechtswidrig, die Klägerin wird hierdurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Integrationsamt hat die Klägerin im vorliegenden Fall zu Unrecht zu einer Ausgleichsabgabe für unbesetzte Pflichtplätze nach § 77 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2, 3 des Sozialgesetzbuches IX - SGB IX - herangezogen. Die Klägerin hat zwar hinsichtlich der gemäß „3-seitigen Vertrags“ in die Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer die formal-rechtliche Stellung eines Arbeitgebers, es fehlt jedoch an einer „Beschäftigung“ der in eine derartige Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer und damit an einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX. Bereits deswegen liegt kein Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX vor. Deshalb bedarf es insoweit auch keines in § 73 Abs. 2 SGB IX für eine Transfergesellschaft ausdrücklich geregelten Ausnahmetatbestandes.

Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinn des § 73 SGB IX haben gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Nach § 73 Abs. 1 SGB IX sind Arbeitsplätze im Sinn des Teils 2 des SGB IX (§§ 68 bis 160 SGB IX) -vorbehaltlich der Ausnahmen der Absätze 2 und 3 des § 73 SGB IX - alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer, Beamte, Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben Arbeitgeber, die die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Nach § 80 Abs. 2 SGB IX haben sie der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit unter Beifügung einer Durchschrift für das Integrationsamt einmal jährlich bis spätestens 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr unter anderem die Zahl der Arbeitsplätze nach § 73 SGB IX und die Zahl der in den einzelnen Betrieben und Dienststellen beschäftigten Schwerbehinderten, Gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, darunter die Zahl der zur Ausbildung und der zur sonstigen beruflichen Bildung eingestellten Schwerbehinderten und Gleichgestellten anzuzeigen. Nach § 77 Abs. 4 Satz 2 SGB IX erlässt sodann, wenn ein Arbeitgeber mit der nach § 77 Abs. 4 Satz 1 SGB IX zugleich mit der von § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geforderten Anzeige abzuführenden Ausgleichsabgabe mehr als drei Monate im Rückstand ist, das Integrationsamt einen Feststellungsbescheid über die rückständigen Beträge und betreibt deren Einziehung.

Bei der Berechnung der Pflichtzahl für Schwerbehinderte nach dem SGB IX ist das Integrationsamt dabei - entgegen den Ausführungen des Widerspruchsbescheides - weder an die Anzeige des Arbeitgebers noch an die Feststellungen der Arbeitsverwaltung gebunden (vgl. BVerwG vom 16.12.2004, BVerwGE 122, 322 bis 331). Vielmehr ist das Integrationsamt zur Überprüfung verpflichtet, ob die Angaben und Berechnungen des Arbeitgebers zur Zahl der Arbeitsplätze zutreffend sind.

§ 73 Abs. 1 Satz 1 SGB IX definiert den Begriff des Arbeitsplatzes, wonach es sich um alle Stellen handelt, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte „beschäftigt“ werden und regelt in Abs. 2 und 3 die Ausnahmen hiervon. Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX ist nicht lediglich ein Vollzeitarbeitsplatz mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, sondern jeder, auf dem Beschäftigte mehr als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. Dies folgt aus dem eindeutigen und klaren Wortlaut des § 73 Abs. 3 2. Halbs. SGB IX, wonach als Arbeitsplätze nicht Stellen gelten, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. Eine weitere Differenzierung hinsichtlich der wöchentlichen Arbeitszeit trifft das Gesetz nicht und es ist auch kein Raum für eine dahingehende Auslegung. Hiergegen spricht bereits der eindeutige Wortlaut des Gesetzes sowie die mit der Vorschrift des § 73 Abs. 3 SGB IX korrespondierende Vorschrift des § 75 Abs. 2 SGB IX. Danach werden Arbeitnehmer, die wenigstens 18 Stunden teilzeitbeschäftigt sind, ohne Weiteres auf einen vollen Pflichtplatz angerechnet. Dies gilt auch beim so genannten Job-Sharing oder in den Fällen, in denen auf einem Arbeitsplatz zwei Arbeitnehmer beschäftigt werden, wobei dann, wenn es sich um zwei schwerbehinderte Menschen handelt, auch zwei Arbeitnehmer voll auf den Pflichtplatz angerechnet werden, selbst wenn sie innerhalb des Betriebes nur einen Arbeitsplatz innehaben, der für zwei schwerbehinderte Arbeitnehmer geteilt worden ist (vgl. Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski - Pahlen, SGB IX, Kommentar, 10. Aufl., § 75 Rd.Nr. 7).

Ferner kommt es für den Begriff des Arbeitsplatzes im Sinn des § 73 Abs. 1 SGB IX nicht allein auf eine räumlich-gegenständliche, sondern auch auf eine rechtliche Betrachtungsweise an. Arbeitsplatz ist so gesehen der einem Arbeitnehmer in einem Betrieb zugewiesene Tätigkeitsbereich mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten (BayVGH vom 26.11.2008 BayVBl. 2009, 667 f.; BVerwG vom 21.10.1987 NZA 1988, 431). Auch das Sozialgesetzbuch IX verwendet den Begriff des Arbeitsplatzes in mehrfacher Hinsicht, wenn es zum Beispiel in § 81 Abs. 3 SGB IX die räumliche Stelle im technischen Sinne meint (so auch Neumann, a. a. O., § 73 Rdnr. 8), bzw. im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinn (vgl. Neumann, a. a. O., § 73 Rdnr. 9) bzw. im rein rechnerischen Sinn (vgl. Neumann, a. a. O., § 73 Rdnr. 10), wonach nach dieser Bedeutung für den Arbeitgeber so viel Arbeitsplätze zählen, wie beschäftigte Arbeitnehmer. Vorliegend jedoch kann nicht ein Ort im räumlichen Sinn gemeint sein, da die für die Berechnung von Pflichtarbeitsplätzen entscheidenden Arbeitsplätze dort zugerechnet werden sollen, wo ein Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis besteht.

Diese personenbezogene Definition ergibt sich auch aus § 73 Abs. 2 SGB IX, der die Ausnahmen vom Vorliegen eines Arbeitsplatzes regelt und hierbei jeweils auf die Person des Arbeitnehmers abstellt. Dies gilt auch für § 73 Abs. 3 1. Halbs. SGB IX, wonach als Arbeitsplätze nicht Stellen gelten, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind. Stellt demnach die Regelung der Ausnahmen vom Vorliegen eines Arbeitsplatzes auf das Beschäftigungsverhältnis mit der jeweiligen Person ab, so kann nichts anderes für die weitere Ausnahme vom Vorliegen eines Arbeitsplatzes gemäß § 73 Abs. 3 2. Halbs. SGB IX gelten, der die Beschäftigung von weniger als 18 Stunden wöchentlich betrifft. Auch das Bundesverwaltungsgericht stellt in seiner Entscheidung zur Anrechnung des Arbeitsplatzes bei Leiharbeitsverhältnissen (BVerwG vom 13.12.2001, BVerwGE 312 ff.) allein auf das Arbeitsverhältnis ab und nicht auf den Ort der Beschäftigung.

Gemessen an diesen Grundsätzen erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig. Die Klägerin hat im Hinblick auf die gemäß des „3-seitigen Vertrags“ in die Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer zwar die formal-rechtliche Stellung eines Arbeitgebers, es fehlt jedoch an einer „Beschäftigung“ der in eine derartige Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer und damit an einem Beschäftigungsverhältnis im rechtlichen Sinne. Bereits deswegen liegt kein Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX vor.

Zwar setzt eine „Beschäftigung“ im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX nicht zwingend eine Arbeitsleistung voraus. Das Bayerische Landessozialgericht sowie das Bundessozialgericht haben dies für bestimmte Fallkonstellationen bejaht, diese Fallkonstellationen weichen jedoch von der Konstellation des vorliegenden Falles entscheidend ab.

Das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 21.1.2010 - L 9 AL 489/05) hat dies beispielsweise für die Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell (für die bis 31.12.2003 geltende Rechtslage) ausdrücklich bejaht - trotz zwischenzeitlich erfolgter „Doppelbesetzung“ des „Arbeitsplatzes“ -, mit dem Ergebnis, dass beide Stellen der Arbeitnehmer als Arbeitsplätze im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX zu zählen seien. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass es auf die rechtliche Bewertung ankomme und nicht darauf, ob tatsächlich eine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer geschuldet werde, wobei maßgeblich auf die im Sozialrecht geltende Regelung des Beschäftigungsverhältnisses in § 7 SGB IV abzustellen sei. Für die Altersteilzeit sei § 7 Abs. 1 a SGB IV anzuwenden: Sei für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung Arbeitsentgelt fällig, das mit einer vor oder nach diesen Zeiten erbrachten Arbeitsleistung erzielt werde (Wertguthaben), bestehe während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt, wenn 1. die Freistellung aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung erfolge und 2. die Höhe des für die Zeit der Freistellung und des für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate monatlich fälligen Arbeitsentgelts nicht unangemessen voneinander abwichen und diese Arbeitsentgelte 400 Euro überstiegen. Nach dieser Regelung könne ein Beschäftigungsverhältnis auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung fortbestehen, wenn der Arbeitsvertrag rechtlich weiterbestehe. Es handele sich hier um eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass tatsächliche Arbeitsleistung zu einem bestimmten Zeitabschnitt eine Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts begründe. Die Vorschrift stelle überdies klar, dass während der Freistellungszeit das Beschäftigungsverhältnis auch ohne Fortsetzungswillen der Beteiligten aufrechterhalten bleibe. Rechtsfolge sei im Wege einer Fiktion, dass auch während der Freistellungszeit durchgehend eine entgeltliche Beschäftigung bestanden habe (BayLSG vom 21.1.2010 - L 9 AL 489/05 - m. w. N.).

Diese Argumentation kann auf den vorliegenden Fall einer Transfergesellschaft jedoch nicht übertragen werden, da im Falle einer Transfergesellschaft zum Beispiel bereits kein entsprechendes Wertguthaben angespart wurde. Ferner wird das bisherige Beschäftigungsverhältnis mit dem abgegebenen Unternehmen durch den 3-seitigen Vertrag gerade beendet; die betroffenen Arbeitnehmer wechseln befristet in die Transfergesellschaft, wo sie mit Qualifizierungsmaßnahmen betreut werden. Für die in der Transfergesellschaft in internen und externen Qualifizierungsmaßnahmen betreuten Arbeitnehmer kann deshalb keine durchgehend entgeltliche Beschäftigung und damit kein Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX fingiert werden.

Zur weiteren Begründung verweist das zitierte Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts unter anderem auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts, wonach in einzelnen Fällen ein Beschäftigungsverhältnis trotz fehlender Arbeitsleistung existiere. So sei innerhalb des in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses unstreitig, dass gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch derjenige bleibe, der gemäß § 275 Abs. 1 BGB bzw. §§ 1 ff. BUrlG von der Verpflichtung zur Arbeit frei werde. Ferner habe das Bundessozialgericht eine Beschäftigung auch dann angenommen, wenn bei einer einseitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung abhängiger Arbeit eine anschließende Fortsetzung der Beziehungen im Blick auf eine bereits konkretisierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beabsichtigt gewesen sei (Hinweis auf Bundessozialgericht vom 18.9.1973 BSGE 36, 161). Ebenso habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine begrenzte Fortsetzung der Beschäftigung in Übereinstimmung mit dem Arbeitsverhältnis angenommen, wo über den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Rahmen arbeitsgerichtlicher Verfahren gestritten worden sei (Hinweis auf Bundessozialgericht vom 25.9.1981 BSGE 52, 152). Diese Rechtsprechung sei mit Urteil vom 25. Oktober 1990 (12 RK 40/89) auch auf den Fall erstreckt worden, dass die Parteien im arbeitsgerichtlichen Vergleich bei entgeltlicher Freistellung des Arbeitnehmers von jeglicher Arbeitsleistung bis dahin einen zeitlich nach dem Vergleichsschluss liegenden zukünftigen Zeitpunkt für das Ende des Arbeitsverhältnisses festlegten. Dabei sei hingenommen worden, dass eine Wiederaufnahme der tatsächlichen Arbeitsleistung nicht mehr vorgesehen gewesen sei.

Auch insoweit unterscheiden sich die zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts von dem hier zu entscheidenden Fall maßgeblich, da dort der freigestellte Arbeitnehmer jeweils weiterhin auf der Gehaltsliste des Arbeitsgebers verbleibt, während die auf Grund des „3-seitigen“ Vertrages in die Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer gerade von der „payroll“ des bisherigen Arbeitgebers genommen werden: Abgesehen von den Sozialabgaben und einer Verwaltungskostenpauschale, die das abgebende Unternehmen an die Transfergesellschaft leistet (s. Näheres dazu auch unten), entfallen für das abgebende Unternehmen die bisherigen Lohnkosten.

Die Betreuung der in die Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer stellt demgegenüber keine entgeltliche „Beschäftigung“ von Arbeitnehmern im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX dar. Ferner stellt eine Transfergesellschaft auch keinen „klassischen“ Arbeitgeber dar, der mit Gewinnerzielungsabsicht sein Unternehmen betreibt. Die Aufnahme der betroffenen Arbeitnehmer dient vorrangig dazu, die sofortige Arbeitslosigkeit der in die Transfergesellschaft wechselnden Arbeitnehmer zunächst für einen befristeten Zeitraum - der auf maximal 12 Monate beschränkt ist - zu vermeiden, um ihnen dort zur Verbesserung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt die Möglichkeit einer Qualifizierung anzubieten und ihnen bestenfalls erfolgreich eine neue Stelle zu vermitteln.

Auch wenn der 3-seitige Vertrag wiederholt den Begriff „Arbeitsverhältnis“ verwendet (beispielsweise in den §§ 1 und 2), kommt es - wie bereits dargelegt - allein maßgeblich auf die rechtliche Bewertung an (BayVGH vom 26.11.2008 BayVBl 2009, 667 f.; BayLSG vom 21.1.2010 - L 9 AL 489/05). Die in die Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer bekommen in der Transfergesellschaft keinen konkreten Tätigkeitsbereich mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten zugewiesen, was Voraussetzung für einen Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX ist (BayVGH vom 26.11.2008 BayVBl 2009, 667 f. unter Verweis auf BVerwG vom 21.10.1987 NZA 1988, 431 ff.). Vorausgesetzt ist dabei immer, dass der Arbeitsplatz von einer Person eingenommen wird, die im Dienste eines anderen fremdbestimmte Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit vom Dienstberechtigten erbringt, im arbeitsrechtlichen Sinne also als Arbeitnehmer (BVerwG vom 8.3.1999 NZA 1999, 826 ff.). Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinn ist, wer auf Grund Vertrags in persönlicher Abhängigkeit Dienste erbringt. Ob ein solches persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG vom 26.9.2002 NZA 2003, 1094 ff. unter Hinweis auf BAG vom 6.5.1998 NJW 1998, 3796 ff.).

Im Falle einer Transfergesellschaft fehlt es an einer derartigen, abhängig fremdbestimmten Arbeitsleistung im vorgenannten Sinne. Weder erbringen die in eine Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer „abhängig fremdbestimmt“ irgendeine Arbeits- oder Dienstleistung für den „Betrieb“ der Gesellschaft, noch kann dieses Betreuungsverhältnis ohne jede faktische Arbeitsleistung der in die Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer gemessen an den von der zitierten Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen rechtlich als entgeltliches Beschäftigungsverhältnis bewertet werden.

Auch die maßgebliche gesetzliche Bestimmung setzt voraus, dass für die in eine Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend keine Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist: Voraussetzung von Transferkurzarbeitergeld nach § 216 b SGB III ist unter anderem, dass der Arbeitnehmer von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sein muss (§ 216 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III), wobei ein dauerhafter Arbeitsausfall nach § 216 b Abs. 2 SGB III vorliegt, wenn infolge einer Betriebsänderung im Sinne des § 216 a Abs. 1 Satz 3 die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann der vorliegende Fall einer Transfergesellschaft auch nicht mit der gewöhnlichen Kurzarbeit-Regelung verglichen werden. Im Normalfall der Kurzarbeit kann - unter den Voraussetzungen der §§ 169 bis 182 SGB III, d. h. unter anderem wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen beruht, vor-übergehend und nicht vermeidbar ist (§ 170 SGB III) - die Arbeitszeit der hiervon betroffenen Arbeitnehmer um einen bestimmten Prozentsatz verringert werden, im Extremfall auch auf Null. Es muss jedoch stets gewährleistet sein, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt (oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst) ist. Oberstes Ziel dieser Maßnahme Kurzarbeit im Sinne der §§ 169 ff. SGB III ist somit der Erhalt der bestehenden Arbeitsplätze beim Kurzarbeit anmeldenden Arbeitgeber (so auch OVG Brandenburg vom 27.5.1998 - 4 A 133/97 - m. w. N.).

Im Gegensatz zu diesem Fall der Kurzarbeit nach §§ 169 ff. SGB III werden im Falle einer Transfergesellschaft die mit dem abgebenden Unternehmen geschlossenen Arbeitsverhältnisse durch den Wechsel in die Transfergesellschaft nicht nur vorübergehend „unterbrochen“, sondern endgültig beendet. Die bisher beim abgebenden Unternehmen bestehenden Arbeitsplätze bestehen nicht länger fort, sondern gehen ersatzlos verloren.

Insoweit kann sich die vom Beklagten zitierte Kommentarmeinung nur auf den genannten Normalfall einer nach § 173 SGB III angemeldeten Kurzarbeit beziehen - da auch die Kommentarmeinung voraussetzt, dass der Arbeitsplatz als solcher „fortbesteht“(Ernst/Adelhoch/Seel, Kommentar zum SGB IX, April 2007, Rdnr. 4 zu § 73). Für den besonderen Fall einer Transfergesellschaft unter Kurzarbeit-Null-Bedingung kann dieser Kommentarmeinung nach Auffassung der erkennenden Kammer auf Grund des ersatzlosen Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes hingegen keine Aussagekraft zukommen. Im Falle einer Transfergesellschaft unter Kurzarbeit-Null-Bedingung handelt es sich um einen anderen Typus von Kurzarbeitergeld, der mit der herkömmlichen Regelung der §§ 169 ff. SGB III nicht vergleichbar ist.

Die Situation einer Transfergesellschaft unter Kurzarbeit-Null-Bedingung ist zwar nicht identisch mit der der Kurzarbeit-Null Stellen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR als Übergangsregelung für das Gebiet der ehemaligen DDR, kann aber am ehesten mit diesen Kurzarbeit-Null Stellen verglichen werden.

Die beiden von der Klägerseite angeführten oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (OVG Brandenburg vom 27.5.1998 - 4 A 133/97 - und OVG Weimar vom 6.7.1995 - 2 KO 11/94 - ThürVBl 1996, 11 f.) sahen solche Kurzarbeiter-Null Stellen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR als nicht anrechenbare Arbeitsstellen im Sinne des damals geltenden § 7 Abs. 3 SchwbG-DDR/SchwbG-Bund an, um die ohnehin von der Umstellung auf die Marktwirtschaft belasteten Unternehmen nicht noch zusätzlich zu belasten. Ziel der Kurzarbeiter-Null Stellen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR als Übergangsregelung für das Gebiet der ehemaligen DDR war die Vermeidung von Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit infolge des Übergangs zur Marktwirtschaft. Mit dem herkömmlichen Kurzarbeitergeld, das - wie bereits erwähnt - eine Hilfe der Arbeitsförderung bei konjunkturellen Beschäftigungseinbrüchen in Betrieben ist und mit dem Arbeitsausfälle und Entgeltausfälle vorübergehender Natur teilweise ausgeglichen werden, hätte im Sommer 1990 im Gebiet der damaligen DDR wenig geholfen werden können. Es war bereits damals erkennbar, dass mit dem Übergang zur Marktwirtschaft die bis dahin unterhaltenen unrentablen Arbeitsplätze nicht erhalten bleiben würden. Die ostdeutsche Wirtschaft hätte mit dem Tag des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten Freisetzungen in erschreckender Höhe vornehmen müssen. Aus diesem Grund wurde das Arbeitsförderungsgesetz mit § 63 Abs. 5 AFG-DDR für ein derartiges Kurzarbeitergeld für strukturelle Arbeitsausfälle geschaffen. Die Regelung zielte auf die vorübergehende Vermeidung von Entlassung und Arbeitslosigkeit ab. Die Erhaltung von Arbeitsplätzen war nicht Ziel der Regelung. Es ging darum, die Arbeitsverhältnisse möglichst zu verlängern und in dieser Zeit die in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer soweit zu fördern, dass ihre Chancen am Arbeitsmarkt sich wesentlich verbesserten. Die Arbeitgeber sollten dazu veranlasst werden, die Möglichkeiten des § 63 Abs. 5 AFG-DDR auszuschöpfen. Durch die Verpflichtung, während einer Kurzarbeit nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld zahlen zu müssen, wäre den Arbeitgebern jeder Anreiz genommen worden, dieses Instrument im Interesse der Arbeitnehmer auszunutzen (BAG vom 17.1.1995 -3 AZR 462/94 - recherchiert über juris, Rdnr. 20; vgl. auch OVG Weimar vom 6.7.1995 a. a. O.).

Auch wenn einer Transfergesellschaft wie die des vorliegenden Falls keine derartige arbeitsmarktpolitische Bedeutung zukommen kann, wie es bei Kurzarbeiter-Null-Stellen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR der Fall war, bleibt doch die eigentliche Zielsetzung jeweils die gleiche. Auch die Förderung nach §§ 216 a, 216 b SGB III erfolgt für Arbeitnehmer, die - wenn auch nicht im damaligen Umfang - von Entlassungen bedroht sind, da deren Stellen auf Grund von Werksschließungen oder sonstigen strukturellen Umstrukturierungsmaßnahmen wegfallen. Somit zielt auch die Schaffung einer Transfergesellschaft letztendlich auf die vorübergehende Vermeidung von Entlassung und Arbeitslosigkeit ab und dient damit zunächst auch der vorübergehenden Entlastung des Arbeitsmarktes. Ohne die Übernahme in eine Transfergesellschaft müsste das abgebende Unternehmen die betroffenen Arbeitsverträge kündigen bzw. im Falle von Insolvenzen freistellen, die betroffenen Arbeitnehmer wären dann in der Regel bereits zu einem früheren Zeitpunkt arbeitslos. Durch das Instrument Transfergesellschaft werden die vom Abbau betroffenen Arbeitsverhältnisse zumindest formal-rechtlich - für maximal 12 Monate - verlängert, um in dieser Zeit die in Kurzarbeit-Null befindlichen Arbeitnehmer möglichst soweit zu fördern, dass sich ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern.

Eine weitere Parallele zu den Kurzarbeiter-Null Stellen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR ist, dass hier wie dort beide Funktionen der Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX - zum einen die Antriebsfunktion, zum anderen die Ausgleichsfunktion - nicht zum Tragen kommen bzw. zum Tragen kommen können. Bei einer Transfergesellschaft, die lediglich auf ein Jahr befristet ist, entfällt von vorneherein die Möglichkeit, die Transfergesellschaft als „Arbeitgeber“ zur Einstellung weiterer (schwerbehinderter) Arbeitnehmer zu motivieren. Die Antriebsfunktion geht deshalb für eine - ohnehin befristete - Transfergesellschaft von vorneherein ins Leere, ähnlich der damaligen Situation der damals existenzbedrohten Betriebe der ehemaligen DDR (vgl. OVG Brandenburg vom 27.5.1998 - 4 A 133/97). Auch die Ausgleichsfunktion kann für eine Transfergesellschaft nicht zum Tragen kommen, es bedarf insoweit keines Ausgleichs in Bezug auf die Freistellung von Lasten im Vergleich zu anderen Arbeitgebern: Die Transfergesellschaft entlastet sich nicht auf Kosten anderer Unternehmen, sondern sie „verlängert“ das ursprüngliche - von Entlassung bedrohte - Arbeitsverhältnis der vom abgebenden Unternehmen übernommenen Arbeitnehmer um maximal 12 Monate und übernimmt hiermit - quasi stellvertretend für die staatlichen Arbeitsagenturen - die Aufgabe, die von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer vorübergehend, d. h. maximal für 12 Monate, mit Qualifizierungsmaßnahmen zu betreuen, um deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Eine Transfergesellschaft dient damit - wie bereits ausgeführt - in jedem Fall (d. h. unabhängig von der erzielten Vermittlungsquote zumindest auch vorübergehend) der Entlastung des Arbeitsmarktes.

Im Gegenteil: Die Transfergesellschaft, die diese Gemeinschaftsaufgabe der Qualifizierung und Vermittlung der von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer auf dem „ersten Arbeitsmarkt“ übernimmt, mit einer Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX zu belasten, könnte sich im Hinblick auf die mit der Ausgleichsabgabe verfolgte Antriebsfunktion sowie den eigentlichen Schutzzweck des SGB IX eher als kontraproduktiv erweisen. Eine (theoretisch denkbare) künftige Einberechnung der streitgegenständlichen Ausgleichsabgabe in den vom abgebenden Unternehmen zu tragenden Kostenteil könnte dazu führen, dass dort künftig die „Bereitschaft“ sinkt, für schwerbehinderte Arbeitnehmer weiterhin eine Sonderregelung zu treffen, etwa - wie hier - durch den Abschluss eines Sozialtarifvertrages, der älteren und schwerbehinderten Arbeitnehmer die Überleitung in ein Vorruhestandsmodell ermöglicht hatte. Im Falle einer Berücksichtigung der in eine Transfergesellschaft gewechselten Arbeitnehmer als Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX wäre somit zu befürchten, dass als (ungewollte) Auswirkung hiervon auf Dauer der eigentliche Schutzzweck des SGB IX unterlaufen werden könnte.

Eine Transfergesellschaft wird laut - unbestrittenem - Vortrag der Klägerseite durch drei Kostenblöcke finanziert: Erstens die so genannten Remanenzkosten, welche die Sozialversicherungskosten oder beispielsweise die Aufzahlung auf die Kurzarbeitervergütung beinhaltet und die im Falle von Überzahlungen an den bisherigen Arbeitgeber insoweit zurückbezahlt werden müssen. Zweitens die reinen Verwaltungskosten, welche ebenfalls vom abgebenden Unternehmen stammen und für den Betrieb der Transfergesellschaft als solche gebraucht werden, sowie drittens die Qualifizierungsmittel im Sinne des § 216 b SGB III. Der erste Kostenblock, die Remanenzkosten werden zwischen Transfergesellschaft und abgebendem Unternehmen vorab vertraglich festgelegt, gemäß Angabe der Klägerseite gehören die hier streitgegenständlichen Ausgleichsabgaben (bisher) nicht zu diesen Remanenzkosten. Eine (theoretisch denkbare) künftige Einberechnung der streitgegenständlichen Ausgleichsabgabe in diesen ersten Kostenblock könnte sich allerdings als kontraproduktiv für die an sich nach §§ 85 ff. SGB IX besonders schützenswerten schwerbehinderten Arbeitnehmer erweisen. Denn dem besonderen Kündigungsschutz der §§ 85 ff. SGB IX muss - insbesondere im Falle einer mit Massenentlassungen verbundenen teilweisen Betriebsstilllegung - im Rahmen der vom abgebenden Unternehmen vorgenommenen „Auswahl“ der Arbeitnehmer, die in die Transfergesellschaft aufgenommen werden, Rechnung getragen werden, was regelmäßig entweder im Rahmen von speziellen „Sonderregelungen“ für diese Arbeitnehmergruppe (etwa in Form einer besonderen Übergangsregelung bis zum Eintritt des Rentenalters oder dergleichen) oder aber im Verbleib dieser Arbeitnehmer im bisherigen Unternehmen erfolgt. Eine künftige Einberechnung der streitgegenständlichen Ausgleichsabgabe in diesen ersten Kostenblock würde hingegen zumindest den „Anreiz“ für das abgebende Unternehmen erhöhen zu versuchen, auch möglichst viele schwerbehinderte Arbeitnehmer in die Transfergesellschaft abzugeben - insoweit käme bspw. der auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 5 KSchG eingeschränkte Überprüfungsrahmen der Arbeitsgerichte (vgl. hierzu BAG vom 6.9.2007 DB 2008, 640 ff. = BB 2008, 727 ff.) erschwerend hinzu. Damit bestünde für den Fall einer künftigen Einberechnung der streitgegenständlichen Ausgleichsabgabe in diesen ersten Kostenblock zumindest die Gefahr, dass im Ergebnis nicht nur der besondere Schutzzweck des SGB IX unterlaufen, sondern auch die „Antriebsfunktion“ für Unternehmen als ein Hauptzweck der Ausgleichsabgabe konterkariert wird.

Nach alledem erweist sich der Feststellungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region …- Integrationsamt - vom 4. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales - Integrationsamt - vom 6. Februar 2008 aus genannten Gründen als rechtswidrig und war aufzuheben.

Der Beklagte hat als unterliegender Teil die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen (§§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO).

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nach § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob zwischen Transfergesellschaft und den dorthin unter Kurzarbeit-Null-Bedingungen gewechselten Arbeitnehmern ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX besteht und deshalb für in eine Transfergesellschaft gewechselte Arbeitnehmer eine Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX zu zahlen ist, war bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung und ist eine Rechtsfrage, an deren Klärung ein über den vorliegenden Einzelfall hinausgehendes, allgemeines Interesse besteht.

Beschluss vom 25. Mai 2010

Der Gegenstandswert wird auf 31.200,00 EUR festgesetzt (§ 33 RVG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG).

Beschluss vom 12. Juli 2010

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Nachdem der Tenor des Urteils vom 20. Mai 2010 hierzu keine Entscheidung enthält, konnte hierüber in einem gesonderten Beschluss entschieden werden, eine Urteilsergänzung nach § 120 VwGO bedurfte es insoweit nicht (BayVGH vom 22.1.2002 - 23 C 02.53 -; Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl., § 162 Rdnr. 14 m. w. N.).