Bayerischer VGH, Beschluss vom 12.04.2010 - 7 ZB 09.2483
Fundstelle
openJur 2012, 107270
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin beantragte am 6. Mai 2009 bei der Beklagten, ihrer am … 1995 geborenen Tochter, die seit dem 16. September 2002 die A…-Schule in M… besuche, als Gastschülerin den Wechsel zur D…schule in A… zu gestatten. Zur Begründung führte sie aus, ihre Tochter habe innerhalb weniger Monate drei Unfälle an der Schule erlitten und sich dabei Hand und Schulter gebrochen und einen Bänderriss zugezogen. Sie werde deshalb an der Schule gehänselt und verspottet und sei deswegen auch in psychologischer Behandlung. Gespräche mit Schulleitung und Lehrkräften hätten zu keiner Veränderung geführt.

Nachdem der Leiter der A…-Schule die Unfälle zwar bestätigte, jedoch darauf hinwies, dass keine Verletzung der Aufsichtspflicht vorgelegen habe und dass den Mobbingvorwürfen durch die Klassenleiterin und Beratungslehrerin sehr aufmerksam nachgegangen worden sei, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 2. Juli 2009 ab.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 24. August 2009 als unbegründet ab. Es lägen keine zwingenden persönlichen Gründe für ein Gastschulverhältnis vor. Die behauptete Angststörung im Zusammenhang mit dem Besuch der Schule werde mit keinen Unterlagen belegt. Da der Schule die Mobbingvorwürfe bekannt seien, könne diese problematischen Entwicklungen entgegenwirken. Schließlich könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Tochter der Klägerin an einer anderen Schule wieder in die erlebte Rolle gedrängt werde.

Zur Begründung des gegen das Urteil eingereichten Prozesskostenhilfegesuchs und Antrags auf Zulassung der Berufung führt die Klägerin unter Beifügung mehrerer Anlagen aus, die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei nicht auszuschließen, dass ihre Tochter auch an einer anderen Schule wieder in die erlebte Rolle gedrängt werde, sei nicht hinreichend belegt. Wenn nur ansatzweise die Möglichkeit bestehe, dass es sich bei der gewünschten Schule um einen angstfreien Raum handele, sei den Belangen ihrer Tochter Vorrang vor fiskalischen Interessen einzuräumen. Durch die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren habe das Verwaltungsgericht den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt. Der Klägerin sei auch nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, auf den Schriftsatz der Beklagten vom 3. August 2009 zu erwidern. Die Klägerin übe das Sorgerecht für ihre beiden Kinder alleine aus. Der Vater habe die Kinder misshandelt und auch versucht, mit ihrer Tochter in der Schule Kontakt aufzunehmen. Ihm sei deshalb das Umgangsrecht entzogen und ein Annäherungsverbot auferlegt worden. Ihrer Tochter solle deshalb die Möglichkeit gegeben werden, eine neue Schule als angstfreien Raum zu erleben.

Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Die Klägerin stütze ihr Begehren auf einen völlig neuen Sachverhalt. Die nunmehr als Grund für den Wechsel angeführten familiären Konflikte, bei denen allerdings kein Zusammenhang mit den Schulunfällen erkannt werden könne, seien bisher zu keinem Zeitpunkt vorgebracht worden. Weder der Schulleitung noch der Beklagten sei bekannt, dass der Vater die Tochter der Klägerin an der Schule bedroht habe. Im Übrigen habe die Schulleitung mitgeteilt, dass der Schulbesuch der Tochter der Klägerin im laufenden Schuljahr 2009/2010 unproblematisch sei und dass auch die Klägerin keinen Kontakt mehr zur Schule gesucht habe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Zulassungsverfahren ist unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin abzulehnen. Auch wenn die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114, § 121 Abs. 1 ZPO).

2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Es bestehen weder ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Weitere Gründe für die Zulassung der Berufung lassen sich der Antragsbegründung vom 2. November 2009, die keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO festgelegten Zulassungsgründe ausdrücklich benennt, nicht entnehmen.

a) Nach Art. 42 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, BayRS 2230-1-1-UK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 467), erfüllen die Schülerinnen und Schüler der Volksschulen, also der Grund- und Hauptschulen (Art. 7 Abs. 1 BayEUG), ihre gesetzliche Schulpflicht (Art. 35, Art. 37 BayEUG) in der Schule, in deren Schulsprengel sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Einem Antrag auf Besuch einer anderen Volksschule als Gastschule kann nur aus zwingenden persönlichen Gründen stattgegeben werden (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt BayVGH vom 25.1.2010 Az. 7 ZB 09.3009 <juris> m.w.N.) liegen solche Gründe nur vor, wenn die persönlichen Nachteile beim Besuch der zuständigen Sprengelschule deutlich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Sprengelpflicht. Der bloße Wunsch, die Schule zu wechseln, ist für die Begründung eines Gastschulverhältnisses nicht ausreichend.

Die Beklagte und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend keine zwingenden persönlichen Gründe im Sinne des Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG gegeben sind. Es ist zwar unbestritten, dass die Tochter der Klägerin an der Schule innerhalb weniger Monate bei drei Unfällen Verletzungen erlitten hat. Allerdings hat die Schulleitung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufsichtspflicht in keinem Fall verletzt worden sei, sondern dass sich die Klägerin teilweise selbst in Gefahr gebracht habe, indem sie beispielsweise auf eine Tischtennisplatte geklettert und dabei heruntergefallen sei. Des Weiteren hat die Schulleitung zu den Mobbingvorwürfen ausgeführt, dass sich die Klassenleiterin und Beratungslehrerin insoweit aufmerksam und intensiv um die Tochter der Klägerin gekümmert und auch Kontakt mit der Klägerin aufgenommen habe. Anhaltspunkte für eine Verletzung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht oder für eine begründete und der Schule anzulastende Störung des Vertrauensverhältnisses (Art. 74 Abs. 1 BayEUG), die einen weiteren Besuch der Schule unzumutbar erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Es liegen auch keine Belege dafür vor, dass die Tochter der Klägerin die bisher von ihr besuchte Schule als Angstraum erlebt hätte und deshalb psychologisch behandelt worden wäre. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der im Antragsverfahren vorgelegten Bescheinigung einer allgemeinärztlichen Praxis vom 18. Mai 2009, die lediglich die Schilderungen der Tochter der Klägerin in knappen Worten wiedergibt, ohne jedoch eine Angststörung zu diagnostizieren oder die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung zu bestätigen.

Auch die nunmehr zur Antragsbegründung erstmals geltend gemachten familiären Hintergründe vermögen dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die hierzu vorgelegten Protokolle diverser familiengerichtlicher Verhandlungen enthalten zwar Schilderungen über Gewalttätigkeiten des Vaters gegenüber seinen Kindern. Jedoch wird insoweit kein Vorfall erwähnt, bei dem der Vater seine Tochter in der Schule aufgesucht hätte. Nähere Angaben zu einem solchen Vorkommnis, von dem im Übrigen auch die Schulleitung keine Kenntnis hat, lassen sich weder der Antragsbegründung noch dem Vergleichsvorschlag des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 16. Dezember 2008 entnehmen, wonach sich der Vater der Tochter der Klägerin im Rahmen eines vereinbarten Kontaktverbots unter anderem verpflichten sollte, es zu unterlassen, sich der Schule zu nähern. Einem solchen Vorschlag muss nicht unbedingt eine konkrete Bedrohungssituation an der Schule durch den Vater vorausgegangen sein. Vielmehr erscheint eine derartige Verpflichtung auch ohne ein solches Vorkommnis bei etwaigen Neigungen des Vaters zu Gewalttätigkeiten gegenüber seinen Kindern im Rahmen einer Gesamtvereinbarung sinnvoll. Im übrigen ist nicht erkennbar, dass die Schule nicht bereit oder in der Lage wäre, die Tochter der Klägerin vor etwaigen Bedrohungen durch den Vater auf dem Schulgelände ausreichend zu schützen.

b) Da die Klägerin am 10. August 2009 ausdrücklich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat (§ 101 Abs. 2 VwGO), liegt insoweit kein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruhen kann. Sie hatte auch ausreichend Gelegenheit, sich vor der Entscheidung vom 24. August 2009 zum Schriftsatz der Beklagten vom 3. August 2009, der ihr vom Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 6. August 2009 zugeleitet wurde und der ohnehin lediglich auf die bereits bekannte Stellungnahme des Schulleiters Bezug nimmt, zu äußern. Aufgrund der Aktenlage und der Zustimmung der Klägerin zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestand für das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, den Sachverhalt weiter aufzuklären und etwa durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln, ob und in welchem Ausmaß die Tochter der Klägerin die bisherige Schule tatsächlich als Angstraum empfindet und ob ein Schulwechsel insoweit eine Entlastung bewirken kann.

3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).