LG Landshut, Urteil vom 08.01.2010 - 21 O 2252/09
Fundstelle
openJur 2012, 105808
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 10.240,-- Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einer verlustreichen Geldanlage. Der Kläger ist angestellter Chefarzt bei einer Klinik. Er hatte ursprünglich ein Wertpapierdepot bei der .. Bank, die auch seine sonstigen sämtlichen Konten führte und führt. Dieses Wertpapierdepot übertrug er dann an die ... , die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... Bank, übernommen wurde. So kam der Kläger in geschäftlichen Kontakt mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (in Zukunft: Beklagte). Der Kläger kaufte mit Wertstellung  zum 14.11.2006 aufgrund eines Beratungsgespräches vom 09.11.2006 unter Vermittlung der Beklagten und im Anschluss an eine Beratung durch die Beklagte eine Schuldverschreibung der ... . Für 10 Stück bezahlte er am 14.11.2006 10.240,-- Euro. Hier handelt es sich um eine Inhaberverschreibung. Diese war als "Bonus Barriere Quanto Zertifikat auf den Nikkei 225" bezeichnet. Die Laufzeit des Papieres betrug 7 Jahre. Nach 7 Jahren sollte der Kunde einen Bonus von 60 % bekommen, wenn innerhalb dieser Zeit der Kurs des Nikkei 225 weniger als 30 % vom festgestellten Ausgangswert fällt. Sollte dieses Ereignis eintreten, würde der Anspruch auf den Bonus und Rückzahlung von 100 % des Emissionskurses entfallen, stattdessen wandelte sich das Papier in ein normales Indexzertifikat um.

Nachdem die amerikanische Investitionsbank ... im Herbst 2008 insolvent wurde, hat der Kunde bisher kein Geld zurückerhalten. In welcher Höhe Ansprüche vom Insolvenzverwalter befriedigt werden/befriedigt werden können, ist noch völlig offen.

Der Kläger behauptet, er sei ein konservativer Anleger. Als solcher sei er auch bei der Beklagten bekannt gewesen. Er habe keinerlei Erfahrung mit Papiere dieser Art gehabt. Er sei über die Bonität und auch über die Person der Emittentin nicht aufgeklärt worden. Er habe nicht einmal gewusst, dass es sich nicht um eine Anlage bei der Beklagten selbst handelte. Er habe auch nicht gewusst, dass es sich bei der Emittentin um eine ausländische Gesellschaft handele. Er habe auch nicht gewusst, um welchen Index es sich beim Nikkei 225 handle. Hätte er das alles gewusst, hätte er diese Anlage nicht gezeichnet. Die Beklagte habe auch vertriebsanreizfördernde Bonifikationen für den Vertrieb dieser Anlage in der Form von umsatzabhängigen Provisionen erhalten. Er sei die Kick- back-Rechtssprechung anzuwenden. Hätte er gewusst, dass die Bank hier an dieser Anlage so verdient, hätte er die Anlage nicht gezeichnet. Er hätte dann aus entgangenen Anlagen für dieses Geld  4% Zinsen erlangen können.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.240,-- Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz sei dem 02.05.2009 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von 10 Stück der Schuldverschreibung ... (22.11.13) und Nikkei 225 (WKN: AOLHVD)

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 972,71 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2009 zu bezahlen

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4 % Zinsen aus 10.240,-- Euro vom 14.11.2009 bis zur Rechtshängigkeit, sowie auf diesen Betrag 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Anlage sei damals eher als risikoarm angesehen worden. Der Kläger sei entgegen seiner Behauptung weder ein unerfahrener noch ein risikoscheuer Anleger. Er habe bei der Rechtsvorgängerin ... sein eigenes Risikoprofil mit "Chance" und seine Erfahrung mit "hoch" angegeben. Zur Empfehlung dieser Anlage sei es gekommen, weil der Kläger einen höheren Betrag anlegen wollte, nämlich 40.000,-- Euro. In diesem Zusammenhang habe die Zeugin J. mehrere Vorschläge gemacht, u.a. für die Anlage von Teilbeträgen in sehr sichere Anlageformen. Dem Kläger sei auch das fact-sheet übergeben worden. In seinem Depot seien Aktien und Aktienfonds gewesen. Die Beraterin, die Zeugin J., habe den Kläger über sämtliche Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt. Bereits vor der Zeichnung dieser Papiere habe er ein "Rolling discount Zertifikat" erworben. Die Emittentin sei damals mit einem Rating von A bewertet gewesen. Die Bank habe nur die übliche Provision von 3 % erhalten, was bei Festpreisgeschäften dieser Art absolut normal sei. Davon habe auch der Kläger ausgehen müssen. Im Übrigen hätte der Kläger diese Anlage auch gekauft, wenn er den Umstand einer Provision gekannt hätte.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze mit den Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat in dem Termin vom 10.12.2009 die Zeugin J. uneidlich vernommen und bei dieser Gelegenheit auch den Kläger persönlich angehört. Auf das Protokoll vom 10.12.2009 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage war nicht begründet. Dem Kläger ist der Nachweis, dass er von dem Beklagten nicht anlage- und anlegergerecht beraten wurde und dadurch einen Schaden erlitten hat (§§ 280, 249 ff BGB), nicht gelungen.

I.

Zwischen den Parteien ist spätestens am 09.11.2006 ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen.

Tritt nämlich ein Anlageinteressent an eine Bank heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, wird das darin liegenden Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen, vgl. BGHZ 123, 126 ff.

Im Rahmen dieses Beratungsvertrages musste die Beratung durch die Zeugin J. anleger- und objektgerecht sein (vgl. BGHZ 123, 126, 128 ff). Maßgeblich für die Prüfung, ob eine Beratung diesen Standard erfüllt, sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben (vgl. BGH, a.a.O.). Ausgehend von diesen Kriterien konnte die Klagepartei den ihr obliegenden Nachweis einer Falschberatung nicht führen.

a) Zunächst hatte sich die Beraterin ein Bild vom Wissensstand des Klägers in Anlagegeschäften zu machen.

18Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe nicht gewusst, was ein Zertifikat ist. Für ihn sei es in etwa das Gleiche wie ein Aktienfonds. Das Gericht glaubt dem Anleger, da sein Wissensstand tatsächlich so war, er sich also entweder keine Gedanken über die rechtlichen Unterschiede gemacht hat oder diese rechtlichen Unterschiede nicht erkannte. Das führt im konkreten Fall allerdings nicht dazu, dass die Beklagte für dieses Missverständnis auf Klägerseite haftet. Es gibt nämlich keine standardisierten Vorgaben, welche konkreten Fragen zum Wissensstand der Berater an den Kunden richten muss. Vom Berater kann nur verlangt werden, dass er sich auf den Kunden so einstellt, wie er sich ihm präsentiert. Wenn der Berater aus keinem Anhaltspunkte erkennen kann, dass der Kunde ein Produkt grundsätzlich nicht verstanden hat, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er von einem falschen Wissensstand des Kunden ausgeht. In diesen Fällen ist der Kunde, der im Dialog merken muss, dass der Berater Begriffe verwendet, die er nicht kennt, von dem dann Nachfragen zu erwarten sind. Im konkreten Sachverhalt sah sich die Beraterin einem augenscheinlich intelligenten und gebildeten Kunden gegenüber. Der Kläger hatte zudem bereits jahrelang Anlagen am Aktienmarkt getätigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Kläger selbst als erfahren ansah oder nicht, die Beraterin durfte ihn nach dem Eindruck, den auch das Gericht aus der persönlichen Anhörung gewonnen hat, als solchen Anleger einschätzen. Der Kläger hatte nämlich sogar Erfahrungen am grauen Kapitalmarkt (geschlossene Immobilienfonds), er hatte konkrete moralische Vorstellungen, wo er sein Geld anlegen wollte, er wusste, dass er sich Liquidität versichern muss. All dies sprach für einen Kunden, der mindestens durchschnittliche allgemeine Kenntnisse am Anlagemarkt hat. Die Beraterin kann daher erwarten, dass der Kunde, wenn er den Unterschied zwischen Zertifikat und einem Aktienfonds nicht kennt, diesen erfragt. Für eine solche Rückfrage hätte es aus Sicht des Klägers auch jeden Grund gegeben. Die Produkte waren ja schon anders gezeichnet, auch die Risikostruktur der Produkte war unterschiedlich. Der Kläger räumt auch selbst ein, dass er  hier von zwei verschiedenen Produkten ausging, wenn er auch das wirtschaftliche Risiko bei beiden gleich gesehen haben will. Wenn es ihm auf die rechtliche Struktur der jeweiligen Anlagesysteme ankam, so hätte er die Beraterin danach fragen müssen. Dass das unterblieben ist, kann im konkreten Fall nicht zum Nachteil der Beklagten gehen.

b)

Die Beratung war auch im Hinblick auf die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden betreffend nicht pflichtwidrig falsch. Die gegenüber einem absolut konservativem Anleger erhöhte  Risikobereitschaft des Kunden hatte sich schon dadurch gezeigt, dass er grundsätzlich bereit war, Geld in einen Aktienfonds einzulegen. Der Kläger hat in der mündlichen Anhörung glaubhaft erläutert, ihm seien Kursschwankungen beim Nikkei durchaus bekannt gewesen. Er habe auch gewusst, dass hier der Erhalt des Nominalkapitals nicht sicher ist. Dem Risikoprofil des Klägers entsprach es also durchaus, ihm eine Anlage zu verkaufen, deren relativer Werterhalt nach den vertraglichen Bedingungen am Aktienmarkt hing. Seinem Anlageziel, langfristig Wertsteigerung zu erreichen, war durch eine Anlage am Aktienmarkt ebenfalls entsprochen worden. Der Kunde wusste, dass seine Geldanlage sich am japanischen Aktienmarkt ausrichten würde, was auch seinen Vorstellungen entsprach.

c)

Bei der streitgegenständlichen Anlage hat sich allerdings nicht nur das Vertragsrisiko, sondern auch das Emittentenrisiko durch die Insolvenz der amerikanischen ... verwirklicht. Auf dieses Insolvenzrisiko ist der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausdrücklich hingewiesen worden. Diese Tatsache kann der Klage allerdings nicht zum Erfolg verhelfen.

21Unter den gegebenen Umständen musste nämlich  auf das damals als fernliegend erachtete Emittentenrisiko der ... und ihrem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen nicht gesondert hingewiesen werden. Die Zeugin J. hat freimütig eingeräumt, über diesen Punkt sei nicht gesprochen worden. Risiken, die aus damaliger Sicht als absolut fernliegend angesehen werden müssen, brauchen nicht ausdrücklich angesprochen zu werden, wenn der Kunde wie hier signalisiert hat, dass er auf den Erhalt des Nominalkapitals nicht als vorrangiges Anlageziel eingestellt ist. Im Herbst des Jahres 2007 war nicht abzusehen, dass eine amerikanische Investmentbank in Insolvenz fallen und ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen würde.

d) Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass ihm verborgen blieb, wer sein Vertragspartner war, er also davon ausging, das sei die Beklagte selbst. Dazu hat das Gericht die Zeugin J. befragt. Diese war sich sicher, dass ausdrücklich über den Emittenten "..." gesprochen wurde. Diese Angaben hält das Gericht für glaubhaft, denn die Zeugin konnte sie mit der naheliegenden Begründung untermauern, man habe das damals bewusst betont, um dem Vorwurf, man verkaufe nur eigene Produkte entgegenzusetzen. Auch wenn der Kläger konkret damals einen solchen Vorwurf nicht erhoben haben mag, vertraut das Gericht hier der Erinnerung der Zeugin, die auch noch erklären konnte, warum auf dem schriftlichen Vorschlag der Name nicht auftaucht. Sie berichtete dazu recht lebensnah, sie habe das auch nicht mehr gleich verstanden, sondern erst nachforschen müssen.

d) Auch die Tatsache, dass auf die grundsätzliche Möglichkeit der Insolvenz einer Bank und damit die Unrealisierbarkeit einer Forderung gegen das Kreditinstitut nicht nochmals und ausdrücklich hingewiesen wurde, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kläger hat eingeräumt, er habe schon damals nach den Ereignissen um die ...-Bank gewusst, dass auch Banken in Insolvenz fallen können. Sollte beim Kläger die Fehlvorstellung geherrscht haben, bei Insolvenz einer Bank greife irgendein Sicherungssystem ein, davon sei er mit seiner Anlage also nicht bedroht, kann das nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Die Zeugin J. hatte keinen Anlass, die grundsätzliche Vorstellungen des Klägers zu diesem Risiko abzufragen, nachdem er ja bereit war, sein Geld an den stark schwankenden Aktienmarkt zu binden, der Erhalt des Nominalkapitals also nicht vorrangiges Anlageziel war.

f)

24Es kann der Beklagten auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie den Kläger nicht über ihre Marge beim Vertrieb dieser Produkte aufgeklärt hat. Die sogenannte Kick back-Rechtssprechung (BGH, XI ZR 510/07, XI ZR 586/07)  ist vorliegend nicht anwendbar. Es wurden nämlich weder aus Ausgabenaufschläge noch aus Verwaltervergütungen, die der Kunde an die Gesellschaft zahlte, hinter seinem Rücken umsatzabhängige Provisionen an die beratende Bank bezahlt, vgl. BGH, XI ZR 338/08. Das gesamte vom Kläger eingesetzte Geld wurde in das Zertifikat eingebracht. Besondere Vergütungen hat der Kläger an den Emittenten nicht bezahlt, so dass auch keine "zurück"fließen konnten. Entgegen der Auffassung der Klagepartei, die im Schriftsatz vom 4.1.2010 geäußert wurde, gefährdet auch nicht jede Vertriebsvergütung und/oder Bestandsprovision, die die Bank erhält, die Qualität der Beratung und das Kundeninteresse. Das mag im Falle einer echten Täuschung - auch durch Unterlassen - der Fall sein. Eher fernliegend ist diese Gefährdung jedoch dann, wenn das gesamte vom Kunden eingesetzte Geld in das eigentliche Anlageprodukt (hier: das Zertifikat) fließt und die von der Bank erzielte "Marge" den Wert des Investments selbst nicht mindert. Dabei wird nicht verkannt, dass bei besonders hohen oder gestaffelten Drittprovisionen eine solche Gefährdung auch in diesen Fällen bestehen kann. Angesichts der hier gerichtsbekannten Vertriebsprovisionen für den grauen Kapitalmarkt, die bei über 10 % lagen, waren die hiesigen Provisionen aber nicht geeignet, die Qualität der Beratung zu beeinträchtigen und es musste deshalb auch nicht über sie aufgeklärt werden.

g)

Auch der vom Kläger erhobene Vorwurf in Richtung der Beklagten, man habe ihm später zum Verkauf der Papiere raten müssen, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kursverlauf eines solchen Papiers lässt sich nicht vorhersehen. Nur dann, wenn aus damaliger Sicht die Insolvenz des Emittenten und/oder der Zusammenbruch des japanischen Aktienmarktes erkennbar gewesen wären, könnte die Beklagte in Haftung genommen werden. Dafür ist aber nichts ersichtlich.

II.

1. Kostenentscheidung § 91 ZPO. Nachdem keine Pflichtverletzung vorlag, waren auch außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

2. Vorläufige Vollstreckbarkeit § 711 ZPO.

3. Streitwert § 3 ZPO

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