AG Freising, Urteil vom 28.01.2010 - 6 C 1660/07 WEG
Fundstelle
openJur 2012, 105796
  • Rkr:
Tenor

I. Den Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Wochen für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung geboten, folgende Störungen des Gemeinschaftsverhältnisses im Anwesen ... .., ... Rudelzhausen zu unterlassen:

1. Nutzung von ton- und geräuscherzeugenden Geräten unter Überschreitung der Zimmerlautstärke, sowie das Zulassen solcher Störungen durch Familienmitglieder oder Gäste,

2. sonstige Lärmerzeugung durch Trampeln, Springen, Ballspiel, Türenknallen, Hämmern und ähnliche Tätigkeiten, sowie das Zulassen solcher Störungen durch Familienmitglieder oder Gäste,

3. Gießen von Gewächsen und sonstige Wässerungen auf der Dachterrasse, insbesondere mit dem Gartenschlauch, sowie Duldung durch Familienangehörige,

4. Herunterschütten von Wasser auf die Sondereigentums- und Sondernutzungsflächen der Kläger, sowie Duldung durch Familienangehörige,

5. eigenmächtige Beheizung der Gemeinschaftsräume über das notwendige Maß von 6 Grad (Keller), 12 Grad (Treppenhaus),

6. Manipulationen an der Heizungsanlage, insbesondere Entfernung des Thermostats im Keller,

7. Beleidigungen der Kläger in Wort und Tat,

8. Fotografieren der Kläger und deren Gäste.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 2.000,00 abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

IV. Der Streitwert wird auf Euro 8.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

Kläger und Beklagte sind Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage ... .. in ... Rudelzhausen, welche aus zwei Wohneinheiten besteht.

Die Kläger sind Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss, die Beklagten diejenigen im Obergeschoss.

Die Kläger tragen vor, die Beklagten verursachten mutwillig Lärm, in dem sie Musik lauter als mit Zimmerlautstärke hörten, weiter verursachten sie unnötig und auch zu Ruhezeiten Lärm durch Ballspielen, Trampeln, Springen innerhalb der Wohnung und durch häufiges geräuschvolles Zuwerfen der Haus- und Wohnungseingangstüren.

4Die Beklagten und ihre Familienangehörigen würden Pflanzen auf der Dachterrasse gießen und Wasser auf die Sondereigentums- und Sondernutzungsflächen der Kläger mutwillig herunterschütten, ferner würden sie die Gemeinschaftsräume, um die Trocknung ihrer Wäsche sicher zu stellen, eigenmächtig zu hoch beheizen und zu diesem Zweck den Thermostat im Keller entfernen.

5Ferner hätten die Beklagten mehrfach die Kläger beleidigt, und würden gelegentlich die Kläger und deren Gäste fotografieren.

Die Kläger beantragen daher,

den Beklagten bei Meidung eines Zwangsgeldes von Euro 1.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu gebieten, die im Tenor genannten Störungen des Gemeinschaftsverhältnisses zu unterlassen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, die Kläger seien überempfindlich, und hätten auch die früheren Miteigentümer tyrannisiert.

Die Beklagten bestreiten die ihnen zur Last gelegten Vorwürfe.

Wegen des umfangreichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W, K, N, B, S, T, M H und H, L und Sc. Wegen des Ergebnisses wird auf die Protokolle Bezug genommen.

Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch Erholung eines schalltechnischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Diplom-Ingenieur S G vom 17.07.2009 (Blatt 74/93 der Akten) Bezug genommen.

Gründe

15Die zulässige Klage ist im vollen Umfang begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Abwehranspruch aus § 1004 in Verbindung mit § 823 BGB auf Unterlassung der im Urteilstenor genannten Handlungen.

16Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO war diese Unterlassungsverpflichtung mit der Androhung von Ordnungsgeld, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft zu versehen, § 890 Abs. 2 ZPO.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass im Hinblick auf das zwischen den Parteien bereits seit längerer Zeit stark angespannte und von vielfältigen Streitigkeiten belastete Verhältnis maßgeblich die Beklagten es darauf anlegen, die Kläger bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu schikanieren, zu ärgern und ihnen das Zusammenwohnen nach Kräften zur Hölle zu machen.

Dem gegenüber verhalten sich die Kläger nach Auffassung des Gerichts zwar in manchen Kleinigkeiten überkorrekt, und versuchen, möglichst viel zu kontrollieren.

Im Gegensatz zu den Beklagten sind dem Gericht aber von den Klägern keine Übergriffe bekannt geworden, welche das Zusammenleben stören würden.

Solche Übergriffe sind vielmehr allein den Beklagten anzulasten.

Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das von den Parteien bewohnte Haus den zum Zeitpunkt der Erbauung gültigen DIN-Normen betreffend die Lärmübertragung im Wesentlichen entspricht.

Ausgenommen hiervon sind lediglich Steinbeläge in der Wohnung der Beklagten, welche aufgrund wahrscheinlich fehlerhaft verlegter Wandanschlüsse zu einer höheren Beeinträchtigung der Kläger durch Trittschall führen.

Hierzu hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass für das Zusammenleben der Parteien hier eine erhöhte Vorsicht und Sorgfalt der Beklagten beim Verursachen von Lärm zu fordern ist.

Im Übrigen hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die Haustür ohne Weiteres bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt so geschlossen werden kann, dass keine Lärmbelästigung eintritt, ferner, dass Musik bei Zimmerlautstärke gehört, und übrige Wohngeräusche grundsätzlich im Erdgeschoss nicht stören müssen, wobei aber grundsätzlich auch außerhalb der Ruhezeiten eine besondere Rücksichtnahme und Beschränkung der Schallerzeugung nötig ist. Zum Trittschall hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei normaler Gangart keine Belästigung auftritt, wobei aber vorausgesetzt werden muss, dass die Beklagten und ihre Familienangehörigen in der Wohnung Schuhe mit weichen Gummisohlen benutzen.

Beim Barfuß- oder Strumpfsockiglaufen oder der Benutzung von Stöckelschuhen treten hingegen Belästigungen auf.

Der Zeuge W, der gegenüber dem Anwesen wohnt, hat glaubhaft angegeben, dass der Beklagte zu 1), welcher schichtarbeitet, zeitweise morgens um 03.00 Uhr die Haustür mit großem Geräusch zuschlägt.

Die Zeugin K hat glaubhaft angegeben, dass die Beklagten sich in letzter Zeit bei der Lärmerzeugung zwar zurückhalten, soweit sie erkennen können, dass die Kläger Besuch haben, dass aber die Lärmerzeugung einsetzt, wenn die Beklagten wähnen, die Kläger befänden sich allein im Haus.

Die Beklagte zu 2) hat auf intensive Nachfragen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie die Klägerin zu 1) beleidigt hat.

Aufgrund der Angaben der Zeugen B und S sowie N ist das Gericht davon überzeugt, dass beide Beklagte die Kläger bei wechselnden Gelegenheiten insgesamt häufig beleidigt haben.

Dass die Beklagten die Kläger gegen ihren Willen und unter Verstoß des Rechts der Kläger auf das Recht am eigenen Bild nach dem Kunsturheberrechtsgesetz fotografiert haben, ist von den Klägern schlüssig vorgetragen und von den Beklagten nicht bestritten worden, so dass dieser Sachverhalt als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO.

Aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen M und L steht fest, dass die Beklagten, um eine stärkere Beheizung des Kellers und des Treppenhauses zu erreichen, den im Keller befindlichen Thermostat demoliert haben.

Dass die Beklagten bzw. deren Tochter J die Dachterrasse mit dem Schlauch wässern und gelegentlich Wasser auf die Sondernutzungsflächen der Kläger geschüttet haben, steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen S.

Demgegenüber konnten die von den Beklagten benannten Zeugen zur Widerlegung der Angaben der Zeugen der Kläger nichts beitragen, da es sich um Bekannte handelte, welche jeweils nur kurzzeitig einige Stunden sich bei den Beklagten aufhielten. Bereits nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass während dieser Zeiträume die Beklagten keine besonderen Lärmeinwirkungen produziert haben, da dies den von ihnen benannten Zeugen sonst sofort aufgefallen wäre.

34Insgesamt ist dem für ein geordnetes Zusammenleben der Wohnungseigentümer sehr abträglichen Verhalten der Beklagten durch Androhung erheblich fühlbarer Sanktionen Einhalt zu gebieten.

35Schließlich handelt es sich bei den von den Klägern beantragten und vom Gericht antragsgemäß ausgesprochenen Geboten um solche, die dem unter zivilisierten Menschen üblichen Anstand entsprechen und im Allgemeinen leicht und ohne Schwierigkeiten eingehalten werden können.

36Dass die Beklagten insbesondere bei der Lärmerzeugung innerhalb der Wohnung etwas erhöhte Sorgfalt walten lassen müssen, ist im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens zumutbar.

Kosten: § 91 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

Streitwert: § 3 ZPO.

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