Bayerischer VGH, Beschluss vom 18.01.2010 - 11 CS 09.2079
Fundstelle
openJur 2012, 105412
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 5. November 2001 entzog das Amtsgericht Obernburg a. M. - Zweigstelle Miltenberg - dem Antragsteller die Fahrerlaubnis, da er am 15. September 2001 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,79 ‰ ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt und hierbei einen Unfall verursacht hatte. Nachdem ihm im Jahr 2003 die Fahrerlaubnis wieder erteilt worden war, entzog sie ihm das Amtsgericht Obernburg a. M. durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 13. Mai 2004 erneut, da der Antragsteller am 21. November 2003 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,23 ‰ als Führer eines Kraftfahrzeugs am Straßenverkehr teilgenommen hatte.

Am 11. April 2006 stellte die Polizei fest, dass der Antragsteller am 4. April 2005 in Blovice (Tschechische Republik) eine Fahrerlaubnis der Klasse B erworben hatte. Der zugehörige Führerschein trug die Nummer EA 587193. Von der zunächst gegenüber dem Antragsteller erhobenen Forderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten beizubringen, nahm das Landratsamt Miltenberg mit Schreiben vom 1. Juni 2006 "aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs" Abstand.

Am 29. Mai 2009 erkundigte sich das Landratsamt bei dem Gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit danach, ob der Antragsteller den vorgenannten Führerschein nach wie vor besitze und ob in diesem Dokument - wie das Landratsamt vermute - als Wohnort "C…" eingetragen sei. Das Gemeinsame Zentrum teilte am gleichen Tag schriftlich mit, der Antragsteller besitze nunmehr einen tschechischen Führerschein der Klasse B mit der Nummer ED 987256, der am 19. Januar 2009 durch die Führerscheinstelle in N… ausgegeben worden sei. In der tschechischen Führerscheindatei seien zwei Wohnsitze des Antragstellers eingetragen; einer davon bestehe in N…, der andere in C…. In N… sei er vom 22. Dezember 2008 bis zum 30. April 2009 "mit Wohnsitz" gemeldet gewesen. Wohnsitzeinträge in tschechischen Führerscheinen seien dem Gemeinsamen Zentrum nicht "ersichtlich".

Durch Bescheid vom 29. Juni 2009 verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller in sofort vollziehbarer Weise, den ihm am 19. Januar 2009 in N… ausgestellten Führerschein vorzulegen. Falls er dieser Verpflichtung nicht bis spätestens 9. Juli 2009 nachkomme, werde ein Zwangsgeld zur Zahlung fällig. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antragsteller sei am 4. April 2005 ein tschechischer Führerschein ausgestellt worden, in dem der in Deutschland liegende Ort C… als sein Wohnsitz angegeben gewesen sei. Am 19. Januar 2009 sei ein Ersatzführerschein ausgestellt worden, in dem ein tschechischer Wohnsitz eingetragen sei. Da der Antragsteller nicht 185 Tage lang in Tschechien gemeldet gewesen sei, habe sein Wohnsitz weiterhin in Deutschland bestanden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller nach Aktenlage am 15. Juli 2009 vor dem Verwaltungsgericht Würzburg Klage. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. In diesem Verfahren legte er eine Ablichtung des ihm am 19. Januar 2009 ausgestellten Führerscheins vor. Im Feld 8 dieses Dokuments ist "…" eingetragen; im Feld 4 b findet sich das Datum "19.01.2019".

Durch Beschluss vom 31. Juli 2009 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab, da die erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde und auch unabhängig hiervon ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung erkennbar sei. Da der Antragsteller nur vom 22. Dezember 2008 bis zum 30. April 2009 in N… gemeldet gewesen sei, habe er das Wohnsitzerfordernis des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl L 237 vom 24.8.1991, S. 1) nicht erfüllt; sein Wohnsitz zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins habe sich vielmehr in Deutschland befunden. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller am 4. April 2005 oder später einen den Anforderungen der Richtlinie 91/439/EWG genügenden Wohnsitz in Tschechien gehabt habe, bestünden nicht.

Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss vom 31. Juli 2009 dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 29. Juni 2009 wiederhergestellt wird.

Zur Begründung macht er geltend, auch im Fahrerlaubnisrecht setze die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eine besondere Dringlichkeit voraus. Er nehme jedoch seit mindestens drei Jahren in Deutschland wieder am Straßenverkehr teil, ohne dass er sich etwas habe zuschulden kommen lassen. Nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2008 (Az. C-329/06 und C-343/06 ZfS 2008, 473 ["Wiedemann"]; Az. C-334/06 bis C-336/06 DAR 2008, 459 ["Zerche"]) sei zudem ein Jahr vergangen, ehe das Landratsamt tätig geworden sei.

Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, es sei nur zu einer Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis gekommen. Unter dieser Voraussetzung würde die maßgebliche Zehnjahresfrist bereits 2015 ablaufen. Tatsächlich gelte die vom 19. Januar 2009 datierende Fahrerlaubnis jedoch bis zum 19. Januar 2019.

§ 28 Abs. 4 FeV a.F. sei nicht einschlägig, da diese Bestimmung bis zum 26. Juni 2008 mit europäischem Recht unvereinbar gewesen sei. An der Unanwendbarkeit dieser Vorschrift hätten die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2008 (a.a.O.) und die im Anschluss daran ergangenen Entscheidungen nichts geändert.

Aus dem zweiten Leitsatz des in der Sache "Wiedemann" ergangenen Urteils vom 26. Juni 2008 (a.a.O.) lasse sich zudem entnehmen, dass der Europäische Gerichtshof von der Wirksamkeit einer ausländischen Fahrerlaubnis ausgehe, bis das Gegenteil endgültig festgestellt worden sei, da es andernfalls einer vorläufigen Aussetzung der Gültigkeit nicht bedurft hätte. Davon sei auch das Bundesverwaltungsgericht in den beiden Urteilen vom 11. Dezember 2008 (Az. 3 C 26.07 BVerwGE 132, 315; Az. 3 C 38.07 ZfS 2009, 233) ausgegangen, da in diesen Entscheidungen von einem "Zugriffsrecht" auf die ausländische EU-Fahrerlaubnis sowie davon gesprochen worden sei, vom Inhaber einer solchen Berechtigung könne eine medizinisch-psychologische Untersuchung verlangt werden.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkte wird auf die Beschwerdeerwiderung der Landesanwaltschaft Bayern vom 10. September 2009, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang des Landratsamts verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Da der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung dieses Rechtsmittels gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf das form- und fristgerechte Beschwerdevorbringen beschränkt ist, haben die Darlegungen im Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. Januar 2010 außer Betracht zu bleiben. Die darin enthaltenen Ausführungen stellen sich insbesondere nicht als bloße Vertiefung oder Erläuterung rechtzeitigen Vorbringens dar, die auch noch nach dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) möglich wäre. Auf die Auslegung des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 vom 30.12.2006, S. 18) und die Frage, ob im gegebenen Fall gegen das europarechtliche Wohnsitzerfordernis verstoßen wurde, sind die Bevollmächtigten des Antragstellers innerhalb der Einmonatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nämlich nicht einmal ansatzweise eingegangen.

Die Ausführungen in dem allein berücksichtigungsfähigen Schriftsatz vom 28. August 2009 rechtfertigen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1. Soweit sich der Antragsteller gegen die Anwendung des § 28 Abs. 4 FeV a.F. (d.h. der bis einschließlich 18.1.2009 geltenden, zuletzt durch die Verordnung vom 7.8.2002, BGBl I S. 3267, geänderten Fassung dieser Bestimmung) wendet, geht sein Vorbringen ins Leere. Denn im Rahmen der Anfechtungsklage, die er am 15. Juli 2009 erhoben hat, kommt es, da sich aus dem einschlägigen materiellen Recht kein anderer Beurteilungszeitpunkt ergibt, auf die bei Erlass der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage an. Am Tag der Bekanntgabe des Bescheids vom 29. Juni 2009 aber galt § 28 Abs. 4 FeV bereits in der Fassung, die diese Vorschrift durch die am 19. Januar 2009 in Kraft getretene Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 7. Januar 2009 (BGBl I S. 29) erhalten hat. Da der Ausgang eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich von den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eröffneten Rechtsbehelfs abhängt, ist insoweit auf den gleichen Beurteilungszeitpunkt abzustellen.

2. Mit den Ausführungen in Abschnitt 2 der Beschwerdebegründung will der Antragsteller offenbar zum Ausdruck bringen, er habe den ihm am 19. Januar 2009 ausgestellten Führerschein nicht als bloßen Ersatz für das vom 4. April 2005 stammende Dokument erworben; es soll erkennbar der Eindruck hervorgerufen werden, diesem Führerschein liege eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis zugrunde.

a) Dem steht allerdings entgegen, dass der Antragsteller auf Seite 2 der Antragsschrift vom 14. Juli 2009 durch seine Bevollmächtigten hat vortragen lassen:

"Am 14.1.2005 hat der … Antragsteller von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Nachbarland Tschechien eine neue Fahrerlaubnis der Klasse B zu erwerben, für die er am 19.01.2009 einen Ersatzführerschein erhalten hat."

Darauf, dass der Antragsteller im Jahr 2009 in der Tschechischen Republik keine neue Fahrerlaubnis erworben hat, sondern ihm nur ein neuer Führerschein über die bereits am 4. April 2005 erteilte Fahrerlaubnis ausgestellt wurde, deutet auch die Eintragung des Datums "04.04.05" in der Spalte 10 auf der Rückseite des vom 19. Januar 2009 stammenden Führerscheins hin. Die Spalte 10 dient nach dem Anhang I zu der auch insoweit ab dem 19. Januar 2009 anwendbar gewordenen Richtlinie 2006/126/EG dazu, das Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung für jede Klasse zu vermerken; der gleichen Vorschrift zufolge ist dieses Datum bei jeder späteren Ersetzung oder bei jedem späteren Umtausch erneut in den Führerschein einzutragen (ebenso Anhang Ia zu der gemäß Art. 17 der Richtlinie 2006/126/EG insoweit noch fortgeltenden Richtlinie 91/439/EWG).

Dass der am 19. Januar 2009 ausgestellte tschechische Führerschein im Wege des "Umtausches" des aus dem Jahr 2005 stammenden Dokuments erlangt wurde, ist begrifflich schon deshalb ausgeschlossen, da das nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG und nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG voraussetzen würde, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz in einem anderen Land als demjenigen Mitgliedstaat der Europäischen Union begründet hat, in dem der umzutauschende Führerschein ausgestellt wurde. Die Eintragung des Datums "04.04.05" in die Spalte 10 des vom 19. Januar 2009 stammenden Führerscheins kann deshalb nur so verstanden werden, dass der Antragsteller dieses Dokument im Rahmen einer "Ersetzung" (vgl. zu diesem Rechtsinstitut Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG und Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie 2006/126/EG) des am 4. April 2005 ebenfalls in Tschechien ausgestellten Führerscheins erlangt hat. Ein im Weg der bloßen Ersetzung eines früheren Dokuments ausgestellter Führerschein aber kann dem Inhaber keine Berechtigung verschaffen, die über den Umfang der Befugnisse hinausgeht, die durch den früheren, nunmehr ersetzten Führerschein beurkundet wurden.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der vom "4. Mai 2005" (richtig: 4.4.2005) stammende tschechische Führerschein des Antragstellers habe offensichtlich die Wohnsitzangabe "C…" enthalten (vgl. Seite 15 des angefochtenen Beschlusses). Dieser Annahme ist der Antragsteller in der Beschwerdebegründung vom 28. August 2009 nicht entgegengetreten. Damit kann nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auch im Beschwerdeverfahren davon ausgegangen werden, dass sich unmittelbar aus dem am 4. April 2005 ausgestellten tschechischen Führerschein ein Verstoß gegen das europarechtliche Wohnsitzerfordernis (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG) ergab. Unter dieser Voraussetzung aber sind andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2008 (a.a.O.) jedenfalls dann, wenn sie gegen den Inhaber einer solchen ausländischen EU-Fahrerlaubnis zuvor eine Maßnahme im Sinn von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG ergriffen haben, berechtigt, diese Fahrerlaubnis in ihrem Hoheitsgebiet als ungültig zu behandeln. Das im Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. Januar 2010 erfolgte, zudem unsubstantiierte Bestreiten, dass es zu einem Verstoß gegen das europarechtliche Wohnsitzerfordernis gekommen sei und dass die ausstellende Behörde diesen Verstoß durch Eintragungen auf dem Führerschein oder in Gestalt anderer unbestreitbarer Informationen dokumentiert habe, ist - da verspätet - unbeachtlich.

Nur ergänzend ist anzumerken, dass die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts durch das Schreiben bestätigt wird, das die Stadtverwaltung von Blovice am 7. Mai 2009 in Erledigung der Anfrage, ob die am 4. April 2005 erteilte Fahrerlaubnis zurückzunehmen sei, an das Kraftfahrt-Bundesamt gerichtet hat. Denn in diesem Schriftstück (Bl. 101 der Akte des Landratsamts) wird der Antragsteller in Zusammenhang mit der damaligen Ausstellung eines Führerscheins als eine in C… wohnhafte Person ("bytem C…, V…-…-Str. 1") bezeichnet. Diese unmittelbar vom Ausstellerstaat stammende Information rechtfertigt den Schluss, dass die tschechischen Behörden den Antragsteller seinerzeit als in Deutschland ansässig geführt und sie in den ihm am 4. April 2005 ausgestellten Führerschein demgemäß einen im Bundesgebiet befindlichen Wohnsitz eingetragen haben.

Wurde dem Adressaten einer Maßnahme im Sinn von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG später in einem anderen EU-Mitgliedstaat ein Führerschein ausgestellt, dem keine neu erteilte Fahrerlaubnis zugrunde liegt, sondern bei dem es sich nur um ein Dokument handelt, das die bisher erteilte Fahrerlaubnis ausweist, so sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 2004 (NJW 2004, 1725 ["Kapper"]) und vom 6. April 2006 (NZV 2006, 498 ["Halbritter"]) über die grundsätzlich voraussetzungslose Pflicht zur Anerkennung ausländischer EU-Fahrerlaubnisse von vornherein nicht einschlägig (BVerwG vom 29.1.2009 ZfS 2009, 298/299, RdNr. 17). Anerkannt werden muss vielmehr nur eine neue Fahrerlaubnis, der eine Eignungsüberprüfung vorausgegangen ist, wie sie Art. 7 der Richtlinie 91/439/EWG vorsieht (BVerwG vom 29.1.2009, a.a.O., S. 300, RdNr. 19). Denn bei dem Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis, dem in einem Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis entzogen wurde und der danach keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats angeordneten Überprüfung seiner Kraftfahreignung unterzogen wurde, ist nicht der Beweis dafür erbracht, dass er entsprechend den Eignungsanforderungen, die sich aus der Richtlinie 91/439/EWG ergeben, zum Führen von Kraftfahrzeugen und zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet ist (EuGH vom 19.2.2009 DAR 2009, 191/195, RdNr. 95). Denn eine solche Prüfung findet naturgemäß nicht statt, wenn lediglich das Dokument über eine bestehende Fahrerlaubnis erneuert wird (BVerwG vom 29.1.2009, a.a.O., S. 301, RdNr. 20).

b) Eine in Deutschland gültige Fahrerlaubnis besäße der Antragsteller aber auch dann nicht, wenn der Ausstellung des vom 19. Januar 2009 stammenden Führerscheins eine Eignungsüberprüfung vorausgegangen sein sollte. Denn eine dem Antragsteller an diesem Tag ggf. neu erteilte Fahrerlaubnis wäre gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV als im Bundesgebiet ungültig anzusehen, weil Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine ausländische EU-Fahrerlaubnis dann nicht anzuerkennen, wenn sie einer Person erteilt wurde, der die Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaates zuvor entzogen worden war. Diese Bestimmung ist gemäß Art. 18 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG am 19. Januar 2009 anwendbar geworden. Auf die Frage, ob bei der Ausstellung einer solchen Fahrerlaubnis gegen das europarechtliche Wohnsitzerfordernis verstoßen wurde, kommt es im Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG nicht an (BayVGH vom 10.11.2009 Az. 11 CS 09.2082; vom 21.12.2009 Az. 11 CS 09.1791).

3. Zu Unrecht wendet sich der Antragsteller dagegen, dass ausländische EU-Fahrerlaubnisse dann, wenn die einschlägigen Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 FeV erfüllt sind, in Deutschland unmittelbar kraft Rechtsnorm ungültig sind. Die Europarechtskonformität dieser Bestimmung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Europäische Gerichtshof in dem am 26. Juni 2008 in der Sache "Wiedemann" (a.a.O.) ergangenen Urteil es als unzulässig angesehen hat, die sich aus einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis ergebende Fahrberechtigung während der Dauer der Überprüfung der Ausstellungsmodalitäten des zugehörigen Führerscheins auszusetzen, wenn ein Mitgliedstaat zur Anerkennung dieser Fahrerlaubnis verpflichtet ist, während eine solche Aussetzung dann rechtens ist, wenn keine Anerkennungsverpflichtung besteht (vgl. insbesondere die Randnummern 81 bis 86 jenes Urteils). Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs sind vielmehr vor dem Hintergrund des Umstands zu würdigen, dass ihm eine Vorlagefrage unterbreitet wurde, die die Möglichkeit der zeitweiligen Aussetzung der Gültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis zum Gegenstand hatte (vgl. die Nr. 3 in der Randnummer 31 des letztgenannten Urteils vom 26.6.2008). Eine Aussage, dass eine Fahrerlaubnis, die nach den eigenen Erklärungen des Ausstellermitgliedstaates unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilt wurde, bis zu einer (konstitutiv wirkenden) administrativen Einzelfallentscheidung des Aufnahmestaates als gültig behandelt werden muss, hat der Europäische Gerichtshof nicht getroffen.

Auch aus den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 (a.a.O.) ergibt sich diese Rechtsfolge nicht. Diesen Urteilen lag die Sachverhaltsgestaltung zugrunde, dass gegenüber den Klägern Aberkennungs- bzw. Entziehungsbescheide ergangen waren. Das Bundesverwaltungsgericht wies vor diesem Hintergrund darauf hin, dass die Geltung der ausländischen EU-Fahrerlaubnisse der Kläger im Inland "möglicherweise bereits nach § 28 Abs. 4 FeV ausgeschlossen war", und stellte fest, dass die öffentliche Verwaltung hierdurch nicht gehindert wird, das Recht, von dieser Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, (vorsorglich) förmlich abzuerkennen (BVerwG vom 11.12.2008 BVerwGE 132, 315/318, RdNr. 23; vom 11.12.2008 ZfS 2009, 233/234, RdNr. 20). Das "Zugriffsrecht" des Aufnahmemitgliedstaates auf ausländische EU-Fahrerlaubnisse, von dem das Bundesverwaltungsgericht in diesen Entscheidungen (BVerwG vom 11.12.2008 BVerwGE 132, 315/321, RdNr. 31; vom 11.12.2008 ZfS 2009, 233/235, RdNr. 28) spricht, kann nicht nur durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, sondern auch in der Weise ausgeübt werden, dass der Aufnahmestaat eine Rechtsnorm erlässt, durch die bestimmten fremden Hoheitsakten mit unmittelbarer Wirkung Gültigkeit innerhalb des eigenen Territoriums abgesprochen wird. Denn auch darin liegt ein (unmittelbar durch den Normgeber erfolgender) "Zugriff" auf die ausländische Fahrerlaubnis.

4. Zu Recht ging das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass auch eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts spricht.

Da die tschechische Fahrerlaubnis des Antragstellers gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 2 und 3 FeV im Bundesgebiet ungültig ist, würde er bei jeder Fahrt, die er mit einem erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeug im Bundesgebiet durchführt, den Straftatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG verwirklichen. Angesichts seiner fehlenden Bereitschaft, die Ungültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland anzuerkennen (vgl. dazu insbesondere den vom Landratsamt gefertigten, als Blatt 108 in die Akte dieser Behörde aufgenommenen Vermerk über das am 16.6.2009 mit ihm geführte Gespräch), ist mit solchen Straftaten konkret zu rechnen. Es stellt eine bedeutsame Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar, die Begehung strafbarer Handlungen zu verhindern. Die Verwirklichung dieses Anliegens lässt sich dadurch fördern, dass in den tschechischen Führerschein des Antragstellers ein Hinweis aufgenommen wird, aus dem sich für jede Person, die von diesem Dokument Kenntnis erlangt, die fehlende Fahrberechtigung des Antragstellers im Inland ergibt. Straftaten nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG können auf diese Weise leichter aufgedeckt werden, als das ohne einen derartigen "Sperrvermerk" möglich wäre. Außerdem darf erwartet werden, dass eine solche Eintragung ggf. die Bereitschaft des Antragstellers verringert, sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar zu machen. Das Gewicht, das diesen Belangen zukommt, rechtfertigt die Anordnung der sofortigen Vollziehung, damit die Verpflichtung, den tschechischen Führerschein vorzulegen, nicht erst nach der Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 29. Juni 2009 bzw. nach dem sich aus § 80 b Abs. 1 VwGO ergebenden Zeitpunkt durchsetzbar wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).