Bayerischer VGH, Beschluss vom 03.12.2009 - 20 CS 09.2381
Fundstelle
openJur 2012, 104687
  • Rkr:
Tenor

I. Unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. September 2009 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. Juli 2009 in vollem Umfang angeordnet.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 70,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht vieles dafür, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache uneingeschränkt Erfolg haben wird. Daher war unter Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses seinem Aussetzungsantrag in vollem Umfang statt zu geben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2009 anzuordnen.

Mit seiner am 14. August 2009 im Verfahren RN 5 K 09.1457 vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage wendet sich der Antragsteller gegen die im Wege der Verwaltungsvollstreckung mit Bescheid vom 20. Juli 2009 verfügten Fristsetzungen und Zwangsgeldandrohungen (vgl. Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2, Art. 36 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG).

Die gegen diesen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid des Antragsgegners erhobene Klage ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Sie hat allerdings gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 21 a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung. Vorläufiger Rechtsschutz kann im Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden (Art. 21 a Satz 2 VwZVG).

Diesen Antrag hat der Antragsteller gestellt; im Beschwerdeverfahren steht nur noch Nr. 1 des Bescheides vom 20. Juli 2009 auf dem Prüfstand, mit der dem Antragsteller für den Fall, dass er der in Ziffer 1.1 der Allgemeinverfügung des Landratsamtes Deggendorf vom 12. Februar 2009 festgelegten Verpflichtung, seine Rinder gegen die Blauzungenkrankheit impfen zu lassen, nicht bis spätestens 15. September 2009 nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 20,-- Euro je Tier androht. Diese Zwangsgeldandrohung ist bei summarischer Betrachtung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Es fehlt bereits an einem wirksamen vollstreckbaren Grundverwaltungsakt (vgl. Art. 19 VwZVG).

Die Allgemeinverfügung des Landratsamtes Deggendorf vom 12. Februar 2009, auf die die angefochtene Zwangsgeldandrohung gestützt ist, legt ein Zeitfenster für die Impfung aller impffähigen Rinder, Schafe und Ziegen bis spätestens 19. Juni 2009 fest. Damit konkretisierte sie die gesetzlich gemäß § 4 Abs. 1 a der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über Maßnahmen zur Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit – EG – Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 2008 (BGBl. I S. 1905) geregelte Impfpflicht, bestimmte insoweit Zeitpunkt der Impfung sowie die näheren Einzelheiten ihrer Durchführung. Diese Konkretisierung war auch geboten, weil die vorgenannte Verordnung in § 4 Abs. 1 a Satz 1 nur grundsätzlich eine fortgeltende Impfpflicht einführt (siehe insoweit auch BayVGH vom 11.2.2009 Az. 20 CS 08.3419; vom 14.10.2009 Az. 20 CS 09.1887), jedoch in § 4 Abs. 1 a Satz 2 bestimmt, dass die zuständige Behörde den Zeitpunkt der Impfung sowie die näheren Einzelheiten ihrer Durchführung festlegt. Dies kann sowohl durch Allgemeinverfügung gemäß Art. 35 Satz 2 BayVwVfG geschehen (vgl. BayVGH vom 14.10.2009 a.a.O.) als auch durch Einzelverwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG.

Dergleichen Bescheide als wirksame Grundverwaltungsakte (vgl. Art. 43 BayVwVfG) und damit Voraussetzungen für eine Verwaltungsvollstreckung liegen hier aber nicht (mehr) vor. Das in der Allgemeinverfügung vom 12. Februar 2009 bestimmte Zeitfenster für die Impfung war am 19. Juni 2009 abgelaufen (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Aus den vorgelegten Behördenakten ist nicht ersichtlich, dass vor Erlass der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung am 20. Juli 2009 noch eine weitere Allgemeinverfügung mit einem Zeitfenster etwa bis zum 15. September 2009 oder ein gesonderter Bescheid gegenüber dem Antragsteller erlassen worden wäre, der in Verlängerung nach § 4 Abs. 1 a Satz 2 der EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung diesem individuell aufgegeben hätte, seine Rinder bis zum 15. September 2009 impfen zu lassen. Die nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfolgte Fristsetzung zur Vornahme der von einem Grundverwaltungsakt nicht mehr geforderten Handlung läuft daher ins Leere.

Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass infolge aufschiebender Wirkung der Klage (umfasst ist auch die Kostenentscheidung nach Art. 41 VwZVG) die Fälligkeitsmitteilung vom 12. Oktober 2009 obsolet geworden ist und eine Vollstreckung unterbleibt (vgl. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Abs. 3 VwZVG).

Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Er beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Viertel des angedrohten Zwangsgeldes.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.