VG München, Urteil vom 31.07.2009 - M 6a K 09.473
Fundstelle
openJur 2012, 101727
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die 1959 geborene Klägerin war Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klasse 3, ausgestellt im Jahr 1981.

Die Polizeiinspektion A… teilte der Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom … April 2006 mit, gegen die Klägerin sei in 26 Fällen u.a. wegen Bedrohung, Freiheitsberaubung, Beleidigung und Verleumdung ermittelt worden. Im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung sei eine psychische Störung festgestellt worden. Es bestünden Zweifel an der Fahreignung der Klägerin.

Im Rahmen eines Betreuungs- und Unterbringungsverfahrens für die Klägerin erstellte Herr Dr. A…, Facharzt für Psychiatrie, ein Gutachten über die Klägerin auf Basis der Aktenlage und einer persönlichen Untersuchung am … Mai 2005. Er diagnostizierte eine zunehmende Exazerbation einer Psychose vermutlich aus dem schizophrenen Formenkreis, eine erhebliche Einschränkung der kritischen Bewertung auch einfachster Sachverhalte, mangelnde Kooperationsbereitschaft und fehlende Krankheitseinsicht.

Mit Beschluss vom 20. Oktober 2005 ordnete das Vormundschaftsgericht A… eine Betreuung für die Klägerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge an. Durch das Gesundheitsreferat der A… wurde die Klägerin mit Verfügung vom 10. Oktober 2005 vorläufig in der geschlossenen Station des Bezirkskrankenhauses … untergebracht. Das Vormundschaftsgericht bestätigte diese Verfügung mit Beschluss vom 11. Oktober 2005 mit Gültigkeit bis zum 21. November 2005. Die Betreuung wurde mit Beschluss vom 5. Februar 2007 mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Wohnungsangelegenheiten bis 4. Februar 2009 verlängert.

Am 2. Januar 2007 ordnete das Amtsgericht A… erneut die Unterbringung der Klägerin im Bezirkskrankenhaus … an. Da diese von dort entwichen und später durch die Polizei wieder aufgegriffen worden war, erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts A… vom 1. Februar 2007 die weitere Unterbringung. Das Bezirksklinikum … (Dr. B…) gab mit Datum … Februar 2007 eine gutachterliche Stellungnahme zur Frage der Notwendigkeit einer Betreuungsverlängerung und den Voraussetzungen der vorläufigen Unterbringung ab. Darin wird eine paranoide Schizophrenie gemäß ICD 10 F 20.0 diagnostiziert. Differenzialdiagnostisch komme auch eine schizoaffektive Störung in Betracht. Weiter heißt es, die Behandlung der Patientin müsse zum Zwecke der psychiatrischen, insbesondere medikamentösen Behandlung dringend fortgesetzt werden, da ansonsten mit einer erheblichen Verschlechterung der Krankheit zu rechnen sei. Da die Patientin jedoch weder krankheitseinsichtig noch bereit sei, sich behandeln zu lassen, sei ihre Unterbringung notwendig.

Die Rechtsmittel der Klägerin gegen ihre vorläufige Unterbringung und die Anordnung bzw. Verlängerung der Betreuung wies das Oberlandesgericht A… mit Beschluss vom 19. April 2007 zurück (Az.: …, …).

Vor diesem Hintergrund forderte die Beklagte von der Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2007 die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle, mit dem zu klären sei, ob sie trotz Vorliegens einer Erkrankung nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung - FeV - die die Fahreignung in Frage stelle, (wieder) in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 gerecht zu werden.

Die Klägerin legte das geforderte Gutachten vor, das die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C… mit Datum … November 2007 erstattete. Nach mehrstündiger psychiatrischer Untersuchung stellte die Gutachterin fest, aus der jetzigen Verlaufsbeobachtung sei die Eskalation einer schizoiden Psychose auf dem Boden traumatischer Belastungen bei einer Persönlichkeitsstruktur mit sensitiven und paranoiden Anteilen nachvollziehbar. Unter Geltung der gerichtlichen Auflagen sei zwar nicht von einer vollständigen Remission auszugehen, es sei aber zu erwarten, dass unter medizinischer Betreuung und Therapie der heutige gute psychische Status erhalten werden könne. Aufgrund der optimalen Behandlungsergebnisse sowohl psychiatrisch-stationär als auch ambulant sei die Klägerin trotz ihrer Erkrankung an einer paranoiden Psychose wieder in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 gerecht zu werden.

Am … Dezember 2007 verursachte die Klägerin einen Verkehrsunfall durch Missachtung der Vorfahrt, bei dem ein Sachschaden in Höhe von 3.500,00 Euro entstand.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 10. Januar 2008 von der Klägerin die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung, welche dieselbe Fragestellung beantworten sollte, die bereits Gegenstand des fachärztlichen Gutachtens gewesen war.

Auch dieses Gutachten, erstellt von der B…, A…, mit Datum vom … April 2008 legte die Klägerin vor. Es kommt zu dem Ergebnis, die Klägerin sei aufgrund des Vorliegens einer Erkrankung, die nach Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle, derzeit nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden. Zwar habe es bei der Abklärung der psychischen Leistungsvoraussetzungen keine signifikanten Abweichungen von der geforderten Norm gegeben. Aufgrund der vorliegenden Gutachten und der eigenen Exploration müsse aber von einer paranoiden Bewusstseinsstörung ausgegangen werden. Im Kernsyndrom fühle sich die Klägerin von anderen massiv verfolgt. Es liege keinerlei Krankheitseinsicht vor. Gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren würden von der Klägerin als solche nicht wahrgenommen. Ihre eigenen Aktivitäten würden nur als Reaktion auf Übergriffe anderer bezeichnet. Bei offensichtlichem Vorliegen einer psychotischen Störung (auch nach Absetzen der dringend erforderlichen Medikation) sei davon auszugehen, dass die Klägerin in komplizierten Verkehrssituationen nicht adäquat reagieren könne. Die Fahreignung sei nicht gegeben. Die Störung werde nicht für rehabilitierbar gehalten.

Nach vorheriger Anhörung entzog die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 7. Juli 2008 der Klägerin die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihr auf, den Führerschein spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids bei der Führerscheinstelle abzugeben (Nr. 2), drohte ihr für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an (Nr. 3) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an (Nr. 4). Begründet ist der Bescheid im Wesentlichen damit, dass die an der Fahreignung der Klägerin aufgetretenen Zweifel nicht hätten ausgeräumt werden können. Das Gutachten der B… komme zu einem negativen Ergebnis, das aus Sicht der Behörde schlüssig und nachvollziehbar begründet sei. Auf den Inhalt des Bescheids im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Gegen den ihr am 8. Juli 2008 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens wurde der Klägerin mit Schreiben vom 21. Juli 2008 nochmals Gelegenheit gegeben, die Zweifel an ihrer Fahreignung durch Beibringung eines psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auszuräumen.

Die Klägerin legte das Gutachten der C… - … Institut … GmbH - A… vom … September 2008 vor, das auf einer Untersuchung der Klägerin am … September 2008 sowie den von der Fahrerlaubnisbehörde übermittelten Akten beruht. Zusammenfassend kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, die Klägerin akzeptiere die mehrfach aktenkundig dokumentierte Diagnose einer paranoiden Schizophrenie nicht und leite infolgedessen auch keine entsprechenden Maßnahmen zur Stabilisierung der Krankheit ein. Insbesondere gebe es keine medikamentöse Unterstützung und therapeutischen Gespräche. Vielmehr versuche sie, die aktenkundigen Auffälligkeiten im Rahmen nachbarschaftlicher Streitigkeiten als ein ausschließliches Fehlverhalten anderer darzustellen. Es wäre jedoch sehr überraschend, wenn es in verschiedenen Wohnungen und mit unterschiedlichen Nachbarn immer wieder zu Streitigkeiten komme, ohne dass die Klägerin hieran einen Anteil habe. Fachliche Diagnosen würden von ihr angezweifelt. Den Gutachtern werde unterstellt, dass sie ihr die Krankheit nur andichteten. Das Denken der Klägerin, das sich in verschiedenen Lebensbereichen von anderen Menschen beeinflusst, beobachtet und negativ bewertet sehe, zeige deutlich Züge einer paranoiden Gedankenwelt. Insofern müsse weiterhin von einer fortbestehenden Erkrankung ausgegangen werden. Eine selbstkritische Identifikation und Bewertung persönlicher Faktoren für die gezeigten extremen Verhaltensweisen seien bei der Klägerin nicht feststellbar. Die im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung erhobenen Befunde würden noch keine günstige Beantwortung der behördlichen Fragestellung erlauben. Die Klägerin sei aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht und des Vorliegens einer Erkrankung nach Anlage 4 zur FeV, welche die Fahreignung in Frage stelle, nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 gerecht zu werden.

Die Regierung … wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2009 zurück und begründete dies im Wesentlichen mit dem negativen Ergebnis des Gutachtens der C….

Mit ihrem am 11. Februar 2009 bei Gericht eingegangenen Schreiben erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 7. Juli 2008 Klage mit dem Ziel, ihr den Führerschein zurückzugeben und die Teilnahme am Straßenverkehr wieder zuzulassen.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Gutachten würden zu falschen Ergebnissen kommen. Sie sei eine verantwortungsbewusste Verkehrsteilnehmerin, die auch schon öfter im Straßenverkehr anderen geholfen habe. Nach einer längeren Fahrpause habe sie ihre Verantwortung dadurch gezeigt, dass sie nochmals Fahrstunden genommen habe. Die in den Akten erwähnten Vorfälle seien alle erklärlich. So habe man ihr schlicht den Schlaf geraubt, was vielleicht ihre Fahrtüchtigkeit beeinflusst haben könnte. Sie habe mit viel Mühe erfolgreich ihre pädagogische Ausbildung durchlaufen und, wie ihre Zeugnisse belegen würden, auch berufliche Erfolge vorzuweisen. Es habe bei ihr niemals und auf keiner zwischenmenschlichen Ebene eine Handlung oder ein Verhalten gegeben, das sie nicht willentlich verursacht habe und das sie nicht begründen könne.

Nachdem einmal eine psychiatrische Gutachterin die Diagnose einer schizophrenen Psychose in die Welt gesetzt habe, hätten in der Folgezeit die Gutachter nur abgeschrieben. Keiner traue sich, seine eigene Meinung zu sagen. Alle späteren Gutachten würden immer zur Feststellung „Schizophrenie“ kommen, stünden aber nicht mehr im ursprünglichen Zusammenhang und würden ihrer Person nicht gerecht. Sie sei eine gute Autofahrerin, verhalte sich gewissenhaft, passe sich den Anforderungen an und nehme auch eigene Belastungsgrenzen wahr, in dem sie beispielsweise die Autobahn meide. Die Belastungstests bei der Begutachtung habe sie alle ohne Beanstandung absolviert. Das sei ein Beweis dafür, dass Aufmerksamkeit, Konzentration und richtiges Denken vorhanden seien. Auf das Vorbringen der Klägerin im Übrigen und die von ihr vorgelegten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Die Klägerin beantragte sinngemäß,

ihr unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 7. Juli 2008 den Führerschein zurück zu geben und ihr das Führen von Kraftfahrzeugen wieder zu erlauben.

Unter Vorlage der Akten beantragte die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. März 2009,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Zur Begründung weist die Beklagte insbesondere darauf hin, dass die fehlende Krankheitseinsicht und die damit einhergehende immer wieder abgebrochene medikamentöse Behandlung der Klägerin ausschlaggebend für den Entzug der Fahrerlaubnis gewesen seien. Zwar sei in mehreren Gutachten übereinstimmend festgestellt worden, bei angemessener und dauerhafter medikamentöser Behandlung könne eine Rückbildung der psychischen Erkrankung der Klägerin auf ein Maß, das die Fahreignung als wieder gegeben erscheinen lasse, durchaus erreicht werden. Da der Klägerin jedoch die Krankheitseinsicht fehle und sie die medikamentöse Behandlung immer wieder abgebrochen habe, seien die Voraussetzung für die Fahreignung nicht gegeben, was schließlich die beiden Gutachten der B… und der C… bestätigt hätten. Auf das Vorbringen der Beklagten im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Das Gericht hat am 31. Juli 2009 zur Sache mündlich verhandelt. Für die Klägerseite ist niemand erschienen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2009 ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2009 entschieden werden, obwohl auf Seiten der Klagepartei niemand erschienen ist. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens eines der Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin ist ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 31. Juli 2009 ordnungsgemäß geladen worden.

2. Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist vorliegend § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4 zur FeV vorliegen, welche die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen.

In Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV wird ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei einer akuten schizophrenen Psychose (Nr. 7.6.1) nicht gegeben ist. Nach Ablauf der akuten Erkrankung wird hinsichtlich der Klassen A, A1, B, BE, M, L und T die Fahreignung jedoch bejaht, wenn keine Störungen nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen (Nr. 7.6.2). Für die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE und D1E sind die Anforderungen strenger.

Diese Voraussetzungen zum Entzug der Fahrerlaubnis lagen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, d.h. der Entscheidung der Widerspruchsbehörde, vor.

Bei der Klägerin liegt eine Erkrankung im Sinne der Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV vor, die ihre Fahreignung ausschließt.

a) Aus den vorliegenden Gutachten ergibt sich, dass die Klägerin seit mehreren Jahren, jedenfalls mindestens seit Mai 2005 an einer Erkrankung im Sinne der Nr. 7.6 der Anlage 4 zur FeV leidet. Dabei kann offen bleiben, ob ein Fall der Nr. 7.6.1 oder Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur FeV vorliegt. Denn selbst wenn keine die Fahreignung ausschließende Psychose i.S.v. Nr. 7.6.1 Anlage 4 zur FeV vorläge, sind jedenfalls Symptome i.S.v. Nr. 7.6.2 Anlage 4 zur FeV feststellbar, die das Realitätsurteil der Klägerin erheblich beeinträchtigen können. Ob die Gutachten zu Recht angefordert wurden, ist nicht weiter zu erörtern, denn deren Ergebnis ist in jedem Fall verwertbar.

(1) Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C… hat in ihrem Gutachten vom … November 2007 eine schizoide Psychose mit paranoiden Anteilen diagnostiziert, jedoch in Folge der damaligen optimalen stationär-psychiatrischen (vom … Dezember 2006 bis Februar 2007 mit Verlängerung über sechs Wochen) und ambulanten Behandlung eine Teilremission angenommen. Sie erwartete, dass unter weiterer medizinischer Betreuung und Therapie der zum Begutachtungszeitpunkt gegebene gute psychische Status erhalten werden könne. Aus medizinischer Sicht kam die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass die Klägerin trotz ihrer Erkrankung an einer paranoiden Psychose wieder in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Diese Einschätzung ist für das Gericht auf Grund des damals festgestellten gut therapierten psychischen Zustands der Klägerin im November 2007 nachvollziehbar.

(2) Demgegenüber verneinte das psychologische Gutachten der B… auf Grund der bei der Begutachtung am … April 2008 festgestellten Situation die Fahreignung der Klägerin. Die im Gutachten vom … April 2008 dargestellte Kernproblematik, von der zur Überzeugung des Gerichts auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung auszugehen ist, besteht darin, dass die Klägerin keine Krankheitseinsicht hinsichtlich der diagnostizierten schizophrenen Psychose und paranoiden Bewusstseinsstörung hat und dementsprechend die Einnahme der dringend erforderlichen Medikamente ebenso wie eine engmaschige therapeutische Betreuung verweigert. Statt dessen fühlt sich die Klägerin von anderen massiv verfolgt, gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren nimmt sie als solche nicht wahr und ihre eigenen Aktivitäten sieht sie nur als Reaktion auf Übergriffe anderer.

Die Gutachter nahmen deshalb zur Überzeugung des Gerichts zu Recht an, dass die Klägerin in komplizierten Verkehrssituationen nicht adäquat reagieren könne. Folgerichtig kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Fahreignung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben war.

(3) Auch das im Widerspruchsverfahren eingeholte psychologische Gutachten der C… - … Institut … GmbH - A… vom … September 2008 stellt überzeugend fest, dass die Klägerin die mehrfach aktenkundig dokumentierte Diagnose einer paranoiden Schizophrenie nicht akzeptiert und keine entsprechenden Maßnahmen zur Stabilisierung der Krankheit ergreift. Insbesondere fehlt es an der notwendigen medikamentösen Unterstützung und an therapeutischen Gesprächen. Insofern gehen die Gutachter von einer fortbestehenden Erkrankung aus und kommen - wie auch schon das psychologische Gutachten der B… vom … April 2008 - zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund ihrer fehlenden Krankheitseinsicht und ihrer Erkrankung nach Anlage 4 zur FeV nicht in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/2 gerecht zu werden.

b) Aufgrund der oben dargestellten Gutachten, die im Verwaltungsverfahren beigebracht wurden, steht zur Überzeugung des Gericht fest, dass die Klägerin jedenfalls bis zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 15. Januar 2009, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet war. Die Feststellungen in den Gutachten der B… vom … April 2008 und der C… vom … September 2008, die letztlich ausschlaggebend für die negative Beurteilung der Fahreignung der Klägerin und die Entziehung der Fahrerlaubnis waren, sind schlüssig und nachvollziehbar. Sie beruhen nicht nur auf vorausgegangenen Fachgutachten, sondern vor allem auch auf dem eigenen Eindruck der Gutachter, die in den Gutachten vor der Erläuterung des festgestellten Untersuchungsergebnisses ausführlich die Angaben der Klägerin vor allem zu ihrer Person, zu ihrer Erkrankung, der Therapie und Medikamenteneinnahme sowie zu den aktenkundigen Vorfällen, insbesondere mit ihren jeweiligen Wohnungsnachbarn wiedergegeben haben. Angesichts aller dem Gericht vorliegenden Unterlagen und Gutachten besteht auch keinerlei Zweifel daran, dass bei der Klägerin - wie diagnostiziert - eine paranoide Schizophrenie vorliegt, die die Klägerin auf Grund der fehlenden Krankheitseinsicht derzeit nicht therapieren lässt. Die Gutachter haben unter Bezugnahme auf die bisherigen Vorkommnisse überzeugend und in jeder Hinsicht nachvollziehbar ausgeführt, dass deshalb auch keine Stabilisierung oder Rückbildung angenommen werden kann. Damit lag auch keine Fahreignung der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt vor.

Die Gutachten stehen zueinander auch nicht etwa im Widerspruch. Das psychiatrische Gutachten diagnostiziert die selbe Erkrankung wie die anderen Gutachten und kommt nur deshalb zu einem für die Klägerin gleichwohl positiven Ergebnis, weil es zum damaligen Zeitpunkt eine optimale Therapierung und medikamentöse Einstellung der Klägerin attestiert.

c) Durch die psychologischen Begutachtungen durch B… und C… wurden neue, selbständige Tatsachen geschaffen, die zu berücksichtigen sind. Ein Verbot, diese Gutachten - insbesondere wenn sie, wir hier, negativ ausgefallen sind - für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich weder aus den Vorschriften des StVG, noch aus den Vorschriften der FeV oder aus sonstigen Rechtsnormen ableiten. Einem solchen Verbot stünde auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich auf Grund festgestellter Tatsachen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben (vgl. BVerwG v. 18.3.1982, BVerwGE 65, 157ff.; BayVGH v. 25.7.1994 NJW 1995, 72). Von einem Beweiserhebungsverbot könnte also in diesem Zusammenhang nicht auf ein Beweisverwertungsverbot geschlossen werden. Dies ist ständige Rechtsprechung des Gerichts (statt vieler: VG München vom 8.8.2000 M 6b K 00.1544; vom 28.11.2000 M 6b K 00.2447).

d) Ohne Bedeutung ist im Übrigen, ob die Klägerin in der Vergangenheit im Straßenverkehr bisher noch nicht mit Verkehrsverstößen oder Fahrfehlern aufgefallen ist. Die hier in Rede stehenden fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften des StVG und der FeV haben präventiven Charakter und setzen den Eintritt einer Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht voraus. Sie dienen insoweit der Sicherheit des Straßenverkehrs, als sie den Zweck verfolgen, nicht geeignete Kraftfahrer von der motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr fernzuhalten.

Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass nach dem Abklingen der schizophrenen Psychose eine Fahreignung der Klägerin wieder bejaht werden könnte, wenn keine Störungen mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen (Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Eine Wiedererlangung der Fahreignung setzt allerdings voraus, dass die Klägerin sich in dauernde fachärztliche Behandlung begibt, eine ausreichende Krankheitseinsicht erarbeitet und die dringend erforderliche Medikation und Therapie durchhält. Nur so wird sie über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Erkrankung ausreichend stabilisieren können. Gegebenenfalls wird sie dann den Nachweis dafür, dass keine Störungen mehr bestehen, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen, durch die Vorlage eines erneuten medizinisch - psychologischen Gutachtens erbringen müssen.

Die Klägerin war damit zum maßgeblichen Zeitpunkt (Zustellung des Widerspruchsbescheids) nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Deshalb hatte die Beklagte der Klägerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass ihr diesbezüglich noch irgend ein Ermessen eingeräumt war.

3. Die (deklaratorische) Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV. Die Zwangsgeldandrohung beruht auf Art. 31 BayVwZVG. Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit wurden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Klage war daher abzuweisen.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, . Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 7.500.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).