Bayerischer VGH, Urteil vom 06.04.2009 - 19 B 09.90
Fundstelle
openJur 2012, 100153
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine im Zuge der Beleihung getroffene Haftungsregelung für Schäden, die die Klägerin in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als EG-Öko-Kontrollstelle Dritten zufügt.

1. Die in Form einer Nebenbestimmung zu dem Bescheid vom 4. Mai 2004 über die Beleihung getroffene Regelung lautet – soweit streitbefangen – in ihrer aktuellen Fassung wie folgt:

„Bei Schäden, die die Kontrollstelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Dritten zufügt, hat die Kontrollstelle – sofern sie in Anspruch genommen wird – keinen Ausgleichsanspruch gegen den Freistaat Bayern. Wird der Freistaat Bayern in Anspruch genommen, hat die Kontrollstelle diesen von der Haftung freizustellen. Die Haftung der Kontrollstelle greift gegenüber geschädigten Dritten dann nicht, wenn das schädigende Ereignis durch die Umsetzung einer Weisung der Landesanstalt entstanden ist. Der Abschluss einer angemessenen Haftpflichtversicherung oder die Bildung ausreichender Rücklagen ist daher für die Dauer der Beleihung nachzuweisen.“

2. Nach erfolglosem Widerspruch ließ die Klägerin gegen die Nebenbestimmung Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Überwälzung der Haftung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren grundrechtlich geschützten Rechten. Die Klägerin sei im Vollzug der ihr übertragenen Aufgaben als Kontrollstelle nach der EG-Öko-Verordnung mit der Ausübung von Hoheitsgewalt beauftragt und damit als Amtsträger und Beamter im haftungsrechtlichen Sinne (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) anzusehen. Die Haftungsfreizeichnung des Beklagten verstoße gegen die in Art. 34 GG festgelegten Haftungsgarantien des Staates. Der Klägerin sei es als beliehene Unternehmerin nicht zuzumuten, die alleinige Haftung für beim Vollzug der ihr übertragenen Aufgaben – beispielsweise dem Erlass von Verwaltungsakten – entstehende Schäden zu übernehmen. § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus (Öko-Landbaugesetz – ÖLG) i.V.m. Art. 9 Abs. 5 und Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] i.V.m. Nr. 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 sehe entgegen der Behauptung des Beklagten keine Überwälzung der Staatshaftung auf die Klägerin vor. In diesen Vorschriften seien weder das Maß der Haftung noch deren Umfang geregelt.

3. Der Beklagte trat dem entgegen und trug zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung vor, die getroffene Haftungsregelung stelle eine zulässige Ausnahme vom Grundsatz der Staatshaftung dar. Den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts sei Rechnung getragen. Nummer 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 spreche zwar nur davon, dass entsprechende Feststellungen getroffen werden müssten, um die Haftung übernehmen zu können. Durch Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] werde diese Vorgabe jedoch zur Rechtspflicht erhoben. Die Vorschrift verlange die Erfüllung der Bedingungen der Norm EN 45011 und damit die Übernahme der Haftung, nicht lediglich entsprechende innerorganisatorische Maßnahmen. Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] könne deshalb nichts anderes entnommen werden, als dass die Staatshaftung zugunsten einer ausreichend zu gewährleistenden Haftung seitens der Kontrollstellen ausgeschlossen sei.

4. Mit Urteil vom 25. Juni 2008 hob das Verwaltungsgericht München die angefochtene Nebenbestimmung auf. Zur Begründung ist ausgeführt, die fragliche Bestimmung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für eine von den gesetzlichen Vorschriften der Staatshaftung abweichende Regelung fehle es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage. Vom System der Staatshaftung abweichende Regelungen stünden unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Eine solche sei nicht vorhanden. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 7. November 2003 (LMBek), AllMBl. S. 890, die unter Ziffer 3.1.4 zwar eine entsprechende Formulierung zur angefochtenen Regelung des Ausschlusses der Staatshaftung enthalte, habe keine Gesetzesqualität und die gesetzliche Regelung für die Beleihung der Kontrollstellen in § 2 Abs. 3 ÖLG i.V.m. § 11 EG-Ausführungsverordnung- Landwirtschaft (AV-EG-LF) spreche die Frage einer abweichenden Regelung der Staatshaftung nicht an. Eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung könne auch nicht in der Verweisung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG auf Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007], der wiederum vorgebe, dass die zugelassenen Kontrollstellen die Bedingungen von Nummer 4.2. Buchstabe h der Norm EN 45011 zu erfüllen und damit die entsprechenden haftungsrechtlichen Festlegungen zu treffen hätten, gesehen werden. Unabhängig von der Frage nach der Gesetzgebungskompetenz für eine von der Staatshaftung abweichende Bestimmung führe die genannte Verweisungskette nicht zu einer Regelung der Haftung. Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] bezwecke mit der Vorgabe zur Einhaltung der Norm EN 45011 durch die Kontrollstellen lediglich, dass diese organisatorisch außerhalb der Staatsverwaltung stehenden Stellen gewisse (Qualitäts-)Standards einhielten. Nummer 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 solle im Interesse der Nutzer von Zertifizierungssystemen nur sicherstellen, dass Zertifizierungsstellen Vorsorge für gegen sie gerichtete Haftungsansprüche tatsächlich träfen. Dass damit zugleich eine Regelung zur Staatshaftung beabsichtigt gewesen sei, lasse sich weder dem Wortlaut noch der systematischen Stellung der fraglichen Normen entnehmen. Ein entsprechender Erklärungsinhalt sei nicht festzustellen. Für die streitgegenständliche Haftungsregelung fehle es deshalb an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage.

5. Mit Beschluss vom 12. Januar 2009 ließ der Senat die Berufung des Beklagten wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu. Mit Schriftsätzen vom 2. Februar und 23. März 2009 trug der Beklagte zur Begründung des zugelassenen Rechtsmittels im Wesentlichen Folgendes vor:

Als beliehene Kontrollstelle finanziere die Klägerin ihre hoheitliche Tätigkeit aus Gebühren, die von den kontrollierten Unternehmen zu entrichten seien (§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ÖLG; § 11 Abs. 2 Satz 3 AV-EG-LF; Bek. des Bayer. Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 7. November 2003, AllMBl. S. 890, Ziff. 8.2). Bei einer solchen Konstellation entfalle die Staatshaftung nach den fortgeltenden Grundsätzen für Gebührenbeamte und Beamte, die besondere Entgelte von den Beteiligten erhielten. Gemäß § 1 Abs. 3 des Preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 sei eine Haftung des Staates ausgeschlossen, wenn der Beliehene zu den Beamten gehöre, die auf den Bezug von Gebühren angewiesen seien und bei ihren Amtshandlungen eine besondere Vergütung durch Gebühren von den Beteiligten bezögen. Diese Voraussetzungen seien bei den beliehenen Kontrollstellen erfüllt. Diese hafteten daher selbst. Eine Staatshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG trete nicht ein. Das Preußische Staatshaftungsgesetz sei zumindest analog anwendbar (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 9.8.2006 –, U 407/06 –, LKV 2007, 191 f.).

Aber auch für den Fall, dass ein Ausschluss der Staatshaftung nach den Grundsätzen des Preußischen Staatshaftungsgesetzes nicht gegeben sein sollte, müsse die angefochtene Regelung zur Haftung bzw. Haftungsfreistellung Bestand haben. Der Verweis in Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] auf die von der Kontrollstelle zu erfüllende Norm EN 45011 gestalte nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen Zertifizierungsstelle und Nutzern von Zertifizierungssystemen, vielmehr habe der Europäische Verordnungsgeber mit der Zulassung des kombinierten Kontrollverfahrens gerade auch die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und privater Kontrollstelle in den Blick genommen. Nummer 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 verlange ausdrücklich, dass eine Zertifizierungsstelle Festlegungen treffe, um die Haftung für ihre Maßnahmen und Tätigkeiten übernehmen zu können. Damit gehöre die Haftungsübernahme zu den unverzichtbaren Merkmalen der besonderen Rechtsbeziehung zwischen dem Staat und der zugelassenen und beliehenen Kontrollstelle. Hieraus folge zugleich, dass mit der Verweisung in § 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG und Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] auf Nummer 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 auch eine Regelung zur Staatshaftung habe getroffen werden sollen. Diese könne für den Fall der Beleihung nur in einem Abgehen vom Grundsatz des Art. 34 Satz 1 GG bestehen. Der Ausschluss der in Art. 34 Satz 1 GG normierten Staatshaftung sei damit durch die Einbeziehung der Norm EN 45011 über Art. 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] sowie § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG erfolgt. Die Norm EN 45011 habe nach ihrem Vorwort den Status einer nationalen Norm.

Der Ausschluss der Staatshaftung könne auch in der Sache selbst nicht beanstandet werden. Er sei systemgerecht, sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Kontrollstelle als beliehenes Unternehmen erfülle die übertragenen Aufgaben im Unterschied zu einem Beamten, den die Verfassung mit Art. 34 GG schützen wolle, in weitgehender Selbstständigkeit. Der privaten Kontrollstelle seien durch § 11 AV-EG-LF die Aufgaben nach der EG-Öko-Verordnung umfassend übertragen, soweit dies nach dem ÖLG überhaupt möglich sei. Als Folge dieser Eigenverantwortung bei der Wahrnehmung der Kontrollaufgaben sei der Ausschluss der Staatshaftung für eventuelle Fehler in diesem Tätigkeitsbereich gerechtfertigt. Dieser Haftungsausschluss sei auch nicht unverhältnismäßig. Die Kontrollstellen könnten anfallende Kosten für die Absicherung des Haftungsrisikos bei der Bemessung ihrer Gebühren einkalkulieren und auf die kontrollierten Unternehmen umlegen. Auch gegenüber den kontrollierten Unternehmen sei der Ausschluss der Staatshaftung zumutbar, da diesen nach wie vor ein leistungsfähiger Schuldner zur Verfügung stehe. Voraussetzung der Beleihung sei der Nachweis einer Haftpflichtversicherung, so dass eventuell eintretende Schäden durch das (beliehene) Unternehmen abgedeckt werden könnten. Durch den Ausschluss der Staatshaftung sei die Klägerin auch nicht schlechter gestellt als sie ohne Haftungsausschluss stünde. Der Staat könne die Kontrollstelle auch unabhängig von einer Regelung zum Haftungsausschluss bei jeder Form von Fahrlässigkeit in Regress nehmen. Die Rückgriffsbeschränkung des Art. 34 Satz 2 GG auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gelte für Verwaltungshelfer und selbständige private Unternehmen nicht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2008 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ließ sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Februar 2009 im Wesentlichen Folgendes vortragen: Das Preußische Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 gelte in Bayern nicht. Auch das Reichsbeamtenhaftungsgesetz vom 22. Mai 1910 (RGBl., S. 798) finde keine Anwendung. Die hierzu ergangene Rechtsprechung komme deshalb nicht zum Tragen. Ebenso wenig beinhalte die europäische Norm EN 45011 einen Ausschluss der Staatshaftung. Die Regelung stelle darüber hinaus auch keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen solchen Ausschluss dar. Es handele sich weder um eine vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber erlassene Vorschrift, sondern lediglich um das Produkt eines Normungsausschusses, das den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nicht genüge. Auch die weiteren vom Beklagten herangezogenen Bestimmungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG und Art. 9 Abs. 11 VO (EWG) Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007]) enthielten keine Regelung über die Staatshaftung. Eine solche sei auch anlässlich der Novellierung des ÖLG vom 7. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2358 ff.) nicht getroffen worden. Ein Ausschluss der Staatshaftung sei im Übrigen auch unverhältnismäßig und deshalb nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig könne der vom Bundesgerichtshof für Verwaltungshelfer angenommene Ausschluss der Rückgriffsbeschränkung in Art. 34 S. 2 GG auf Beliehene übertragen werden.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den gesamten Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die von den gesetzlichen Vorschriften der Staatshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) abweichende Nebenbestimmung im Bescheid des Beklagten keine ausreichende Rechtsgrundlage vorhanden ist. Die streitgegenständliche Bestimmung ist deshalb wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 20 Abs. 3, 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG).

a) Im Einzelnen ist Folgendes festzustellen:

20aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 9, 289 [290]; 61, 7 [14]) und ihm folgend des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 61, 149 [199 f.]) kann die in Art. 34 Satz 1 GG verankerte Staatshaftung durch einfaches Gesetz ausgeschlossen oder beschränkt werden (vgl. hierzu auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 RdNr. 235 ff.; Bonk, in: Sachs [Hrsg.], GG, 5. Aufl. 2009, Art. 34 RdNr. 100, jeweils m.w.N.). Die Zulässigkeit entsprechender gesetzlicher Regelungen wird aus dem Umstand gefolgert, dass nach dem Wortlaut des Art. 34 GG der Staat für amtspflichtwidriges Verhalten seiner Amtsträger „grundsätzlich“ verantwortlich ist (vgl. BGHZ 9, 289 [290]; 99, 62 [64]). Aus dem Wort „grundsätzlich“ lasse sich mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Staatshaftung bei vorangegangenem hoheitlichen Unrecht nicht zum lückenlosen Prinzip verdichtet sei, sondern Raum für Regelungen biete, von einer Einstandspflicht des Staates abzusehen (so ausdrücklich BVerfGE 61, 149 [199 f.]). Die Literatur ist dem weitgehend gefolgt (vgl. nur Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 RdNr. 237 f. m.w.N.; a.A. im Wesentlichen nur Bettermann, in: Die Grundrechte, Band III/2, S. 847 sub IX.2., der mangels eines ausdrücklichen Gesetzesvorbehalts in Art. 34 GG den Begriff „grundsätzlich“ nicht auf das „ob“ der Staatshaftung bezieht und deshalb für ein grundgesetzliches Verbot jeglichen Haftungsausschlusses plädiert). Die grundsätzliche Zulässigkeit gewisser Ausnahmen vom Prinzip der Haftung des Staates folgt nach zutreffender Auffassung auch aus dem Charakter des Art. 34 GG als einer institutionellen Garantie der Staatshaftung. Zu einer solchen Garantie gehört zugleich auch die Befugnis des Gesetzgebers, nähere Ausgestaltungen und Einschränkungen vorzunehmen (vgl. BVerfGE 61, 149 [195]).

bb) Andererseits kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Staatshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG unter einem uneingeschränkten Gesetzesvorbehalt stünde. Es existieren vielmehr sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht Grenzen. Zum einen darf die Staatshaftung für amtspflichtwidriges Verhalten von Organwaltern weder generell noch für wesentliche Bereiche staatlicher Tätigkeit abgeschafft werden (vgl. BGHZ 61, 7 [14]; 62, 372 [377, 378]). Der Gesetzgeber ist vielmehr verpflichtet, den Wesensgehalt der institutionellen Garantie zu wahren. Normative Haftungsausschlüsse und –begrenzungen sind nur in eng abgesteckten Ausnahmefällen zulässig, in denen sachliche Gründe des öffentlichen Wohls eine Abweichung von der regelmäßig einsetzenden Haftungsüberleitung auf den Staat rechtfertigen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird (vgl. BGHZ 25, 231 [237 f.]; 61, 7 [14]; 62, 372 [377, 378]; 99, 62 [64]). Insoweit ist zugleich auch der Zusammenhang von Art. 34 GG mit Art. 19 Abs. 4 GG zu sehen: Indem Art. 34 GG bundeseinheitlich für alle staatliche Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen die grundsätzliche Staatshaftung für Schäden vorsieht, die in Ausübung öffentlich-rechtlicher Tätigkeit verursacht werden, gewährleistet er zugleich auch einen sekundären Rechtsschutz. Art. 34 GG hat damit über Art. 19 Abs. 4 GG hinaus auch die Funktion, im Rechtsschutzsystem verbleibende Lücken zu schließen und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG) zu konkretisieren. Dies gebietet, dass der Staat die Folgen seines rechtswidrigen Handelns soweit wie möglich behebt und der durch eine rechtspflichtwidrig ausgeübte öffentliche Gewalt geschädigte Bürger nicht ohne angemessenen und effektiven Schadensausgleich bleibt. Infolgedessen ist es dem Staat verwehrt, die Haftung für hoheitliches Unrecht dem Grunde nach insgesamt zu verneinen oder es bei einer allein persönlichen und zivilrechtlichen Haftung der öffentlichen Bediensteten zu belassen (vgl. Bonk, in: Sachs [Hrsg.], GG, 5. Aufl., 2009, Art. 34 RdNr. 4 f.). Haftungsausschlüsse und Beschränkungen kann es deshalb – soll die Institution der Staatshaftung als solche gewahrt bleiben – nur in Randzonen und nur bereichsspezifisch geben. Diese Verwaltungsbereiche müssen gebiets- oder personenspezifische Abweichungen von der Normalität aufweisen, die eine Ausnahme von der allgemeinen Geltung der Staatsunrechtshaftung sachlich begründen und für die Betroffenen vertretbar und zumutbar erscheinen lassen (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 RdNr. 240 f.).

cc) Zu diesen sachlichen Begrenzungen tritt eine formelle Schranke hinzu. Haftungsausschlüsse und –beschränkungen dürfen im Anwendungsbereich des Art. 34 GG nur durch förmliches (Parlaments-)Gesetz bestimmt werden (vgl. BGHZ 61, 7 [14]; s. auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 RdNr. 242 m.w.N.). Für die Staatshaftung besitzt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG der Bund das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung. Derartige Gesetze bedürfen nach Art. 74 Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrates. Ein solches, die Haftung ausschließendes oder auch nur beschränkendes (Parlaments-)Gesetz muss nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein (vgl. BVerfGE 57, 295 [320 f.]; 80, 137 [161]). Die Regelungen sind so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (vgl. BVerfGE 49, 168 [181]; 59, 104 [114]; 87, 234 [263]; 93, 213 [238]). Je schwerwiegender die Auswirkungen einer Regelung sind, desto genauer müssen die Vorgaben des förmlichen Gesetzgebers sein (vgl. BVerfGE 49, 168 [181]; 59, 104 [114]; 86, 288 [311]). Die Rechtslage muss für den betroffenen Bürger erkennbar sein, damit er in der Lage ist, sein Verhalten hierauf einzurichten (BVerfGE 52, 1 [41]; 62, 169 [182 f.]; 64, 261 [286]). Wird in einer Rechtsnorm auf andere Regelungen oder Normen verwiesen, so folgt aus dem Rechtsstaatprinzip das Erfordernis, dass der der Norm Unterworfene in der Lage sein muss, die in Bezug genommenen Regelungen und deren Inhalte ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse mit hinreichender Sicherheit festzustellen (vgl. BVerfGE 5, 25 [31 f.]; 8, 274 [302]; 22, 330 [346]). Ein Verweis auf Normen eines anderen Rechtsträgers ist zwar nicht generell unzulässig, der Gesetzgeber muss jedoch Inhalt und Beschränkungen im Wesentlichen selbst festlegen (vgl.  BVerfGE 64, 208 [214 f.]; 78, 32 [36]).

dd) Eine Ausnahme vom Erfordernis des förmlichen Gesetzes besteht nur insoweit, als sich aufgrund fortgeltenden vorkonstitutionellen Rechts, etwa des Preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 (PrGs S. 691), ein Haftungsausschluss für so genannte Gebührenbeamte ergibt. Das sind diejenigen Amtsträger, die für ihre Amtshandlungen nicht an den Staat abzuführende Gebühren oder andere Entgelte erheben und für sich behalten dürfen. Wenn sie damit in finanzieller Hinsicht wie Privatpersonen gestellt sind, aber durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, ist es sachlich gerechtfertigt, sie auch haftungsmäßig wie Privatpersonen zu behandeln (vgl. hierzu Bonk, in: Sachs [Hrsg.], GG, 5. Aufl., 2009, Art. 34 RdNr. 101). Die Risiken für Geschädigte werden durch Pflichtversicherungen begrenzt, was dazu beiträgt, dass ein solcher Staatshaftungsausschluss vor Art. 34 GG Bestand hat. Der den Haftungsausschluss rechtfertigende sachliche Grund ist nach allgemeiner Auffassung darin zu sehen, dass der Staat gegenüber diesen Gebührenbeamten nur eine lockere Dienstaufsicht zu führen vermag und die staatlichen Einwirkungs- und Aufsichtsmöglichkeiten erheblich reduziert sind (vgl. BGHZ 62, 372 [380]; 113, 71 [81]; s. auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 RdNr. 278 m.w.N.).

2. Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken:

25a) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klägerin als beliehene Kontrollstelle (vgl. hierzu näher BayVGH, Urt. v. 19.12.2005 – 19 N 04.1774 –, BayVBl. 2007, 277 ff.) nicht als so genannte Gebührenbeamtin im Sinne des Preußischen Staatshaftungsgesetzes vom 1. August 1909 angesehen werden. Dieses Gesetz und damit dessen § 1 Abs. 3 über die persönliche Haftung findet im Freistaat Bayern keine (unmittelbare) Anwendung (vgl. OLG München, Urteil vom 29.1.2004 – 1 U 4881/03 -, OLGR 2004, 227 f.). Die zum Haftungsausschluss bei Gebührenbeamten ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 62, 372 [376 ff.]) kommt deshalb im Freistaat Bayern nicht zum Tragen. Eine entsprechende Regelung im bayerischen Landesrecht existiert nicht. Die Bayerische Rechtssammlung vom 1. Oktober 1983 enthält eine derartige Vorschrift nicht und eine etwaige ältere Regelung wäre gemäß Art. 2 des bayerischen Rechtssammlungsgesetzes aufgehoben. Im BayAGBGB als insoweit in Betracht kommende Vorschrift hat eine solche Spezialregelung für Gebührenbeamte zu keinem Zeitpunkt bestanden (vgl. näher OLG München, Urteil vom 29.1.2004 – 1 U 4881/03 -, OLGR 2004, 227 f.). Auch das Reichsbeamtenhaftungsgesetz vom 22. Mai 1910 (RGBl., S. 798), das in § 5 Abs. 1 eine ähnliche Regelung enthielt, galt nach seinem Wortlaut (§ 1 Abs. 1) und seiner systematischen Stellung nur für Reichsbeamte, nicht aber für Beamte der deutschen Länder (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.08.2006 – 12 U 60/06 –, VersR 2007, 108; OLG München, Urteil vom 29.1.2004 – 1 U 4881/03 –, OLGR 2004, 227 f.). Die Klägerin ist keine „Reichsbeamtin“. Anstellungskörperschaft der Kontrollstellen ist nicht der Bund, sondern der Freistaat Bayern als Beleihender (vgl. § 2 Abs. 3, Abs. 1 ÖLG i.V.m. § 11 AV-EG-LF). Der Bund entscheidet lediglich über die Zulassung als Kontrollstelle (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 ÖLG). Die Aufgabenübertragung (Beleihung) ist hingegen Angelegenheit der jeweiligen Landesregierung (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 ÖLG). Zwischen der Zulassung, also der Feststellung und Bestätigung der Befähigung als Kontrollstelle, und der Aufgabenübertragung, der Betrauung mit der Befugnis zur Aufgabenwahrnehmung, ist streng zu trennen (vgl. BT-Drucks. 16/10174, S. 18 u. 24).

26Ebenso wenig kommt im Hoheitsbereich des Freistaats Bayern eine analoge Anwendung vorkonstitutionellen preußischen Rechts in Frage. Zwar hat das OLG Dresden (Urt. v. 9.8.2006 – 6 U 407/06 –, LKV 2007, 191 f.) für den Bereich des Freistaats Sachsen einen Ausschluss der Staatshaftung für Amtspflichtverletzungen eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs „entsprechend“ der Regelung des Preußischen Staatshaftungsgesetzes angenommen, obwohl dieses Gesetz – abgesehen von einigen Randgebieten – auch dort zu keiner Zeit galt (vgl. hierzu die Kritik von Kreuter, LKV 2007, 542 [544]). Indes kann dieser Rechtsauffassung für den Jurisdiktionsbereich des Freistaats Bayern nicht gefolgt werden. Eine Analogie kommt nur dann in Betracht, wenn ein Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt so weit mit einem geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte sich bei einer Interessenabwägung von den gleichen Grundsätzen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift leiten lassen und wäre deshalb zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Darüber hinaus muss die Unvollständigkeit des Gesetzes planwidrig sein (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 373). Diese Voraussetzungen liegen hier ungeachtet der Frage einer Vergleichbarkeit der Interessenlage gleich in mehrfacher Hinsicht nicht vor. Zum einen hat der bayerische Landesgesetzgeber – wie dargelegt – zu keiner Zeit überhaupt irgendwelche Regelungsbemühungen zur Amtshaftung entfaltet, bei denen eine Lücke hätte offenbleiben können. Zum anderen würde das Abstellen auf eine im Freistaat Bayern gar nicht geltende Regelung eines anderen – noch dazu untergegangenen – Gesetzgebers die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sprengen (so zutreffend Kreuter, LKV 2007, 542 [544]). Der Richter darf sich nicht aus der Rolle des Rechtsanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]). Das Preußische Staatshaftungsgesetz ist auch nicht etwa aufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung im gesamten Bundesgebiet anwendbar (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.08.2006 – 12 U 60/06 –, VersR 2007, 108). Der Beklagte vermag daher aus dem Preußischen Staatshaftungsgesetz vom 1. August 1909 keine Rechte herzuleiten. Ungeachtet dessen würde es angesichts der detaillierten Regelungen des Beleihungsverhältnisses durch den Gesetz- und Verordnungsgeber (vgl. §§ 2 bis 5 ÖLG; Art. 27 VO (EG) Nr. 834/2007 [vormals: Art. 9 Eu-Öko-VO Nr. 2092/91]) auch an einer inneren Legitimation für eine solche Konstruktion fehlen. Denn die staatlichen Einwirkungs- und Aufsichtsmöglichkeiten gegenüber der Kontrollstelle sind – anders als in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 62, 372 [380]; 113, 71 [81]) vorausgesetzt – nicht erheblich gelockert, sondern im Gegenteil detailliert vorgegeben (vgl. Art. 27 Abs. 8 u. 9 VO (EG) Nr. 834/2007 [vormals: Art. 9 Eu-Öko-VO Nr. 2092/91 i.V.m. Anhang III]), so dass nicht von einer relativen Selbstständigkeit des Beliehenen ausgegangen werden kann. Letzteres zeigt sich nicht zuletzt auch an dem der Kontrollstelle bei Verstößen und Unregelmäßigkeiten in Art. 30 Abs. 1 VO (EG) Nr. 834/2007 auferlegten Handlungsprogramm.

b) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht des Weiteren auch davon ausgegangen, dass in der Verweisungskette des § 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG auf Art. 9 Abs. 11 EU-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] und Nr. 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 kein Ausschluss der Staatshaftung nach Art. 34 Satz 1 GG gesehen werden kann. Den Anforderungen eines förmlichen Parlamentsgesetzes könnte allein § 4 Abs. 1 Nr. 1 ÖLG genügen. Die Vorschrift trifft zur Haftungsfrage jedoch keinerlei Aussage. Ein entsprechender Regelungswille des Gesetzgebers lässt sich dieser Bestimmung auch nicht durch die Verweisung auf § 9 Abs. 11 EG-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] entnehmen. Zum einen befasst sich auch diese Vorschrift nicht mit Haftungsfragen, zum anderen müsste der Bundesgesetzgeber so weitreichende Folgen wie die eines Ausschlusses der Staatshaftung – jedenfalls in den wesentlichen Grundzügen – selbst festlegen (vgl. BVerfGE 64, 208 [214 f.]; 78, 32 [36]) und dürfte sie nicht einer Verweisung auf europäisches Sekundärrecht überlassen. Dieser Mangel kann schließlich auch nicht dadurch als behoben angesehen werden, dass in Nummer 4.2 Buchstabe h der Norm EN 45011 mittelbar eine Verpflichtung der Kontrollstellen zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung begründet wird und § 9 Abs. 11 EU-Öko-VO Nr. 2092/91 [nunmehr: Art. 27 Abs. 5 lit. c) VO (EG) Nr. 834/2007] dies zur Rechtspflicht erhebt. Zum einen ist auch dort von einem Ausschluss der Staatshaftung mit keinem Wort die Rede, zum anderen handelt es sich insoweit auch nicht um eine Norm im staats- bzw. verfassungsrechtlichen Sinne, sondern lediglich um eine Empfehlung des deutschen Normausschusses, deren freiwillige Anwendung erwartet wird (vgl. BGHZ 59, 303 [308 f.] zu den früheren DIN-Normen). Ein gesetzesvertretender Charakter wohnt der Regelung deshalb nicht inne. Schon gar nicht kann die Vorschrift den Voraussetzungen eines förmlichen Parlamentsgesetzes genügen. Angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen eines Ausschlusses der Staatshaftung bedürfte es insoweit eines klaren, unmissverständlich dokumentierten Willens des förmlichen Gesetzgebers, der Inhalt, Zweck und Ausmaß einer solchen Regelung hinreichend bestimmt und begrenzt und damit für die Betroffenen fassbar macht. Würde der Senat der Interpretation des Beklagten folgen, so würde er sich nicht nur in die Rolle einer normsetzenden Instanz begeben, was ihm nicht zukommt (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]); er würde der Exekutive zugleich auch ermöglichen, den allein zuständigen Gesetzgeber zu umgehen. Dass dies nicht in Frage kommt, bedarf keiner näheren Erörterung, zumal der Gesetzgeber anlässlich der Novellierung des ÖLG vom 7. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2358 ff.) selbst keinen entsprechenden Regelungsbedarf gesehen hat (vgl. BT-Drucks. 16/10174).

3. Dessen ungeachtet sind dem Senat – freilich ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommen würde – die Beweggründe des Beklagten, einen Ausschluss der Staatshaftung zu generieren, auch aus folgenden Erwägungen wenig nachvollziehbar:

Nach dem vom EuGH entwickelten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch ist jeder Mitgliedsstaat zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die dem Einzelnen durch diesem zurechenbare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, gleichviel, ob der zur Last gelegte Verstoß den nationalen Gesetzgeber, seiner Verwaltung oder seinen letztinstanzlich entscheidenden Gerichten zuzuschreiben ist, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstehenden Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.1991 – Rs C-6/90 u. 9/90 -, NJW 1992, 165 – „Francovich“; Urteil vom 5.3.1996 – Rs C-46/93 u.a. -, NJW 1996, 1267 – „Brasserie du Pècheur“; Urteil vom 8.10.1996 Rs C-1978/94 -, NJW 1996, 3141 – „Dillenkofer“; Urteil vom 30.9.2003 – Rs C-224/01 -, NJW 2003, 3539 – „Köbler“).

Diese richterrechtlichen Grundsätze einer gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung überlagern und verdrängen die nationalen Staatshaftungsinstitute und bewirken auch im Staatshaftungsrecht einen quasi-Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Im Ergebnis besteht daher ein gesplittetes einerseits nationales Haftungsrecht bei Verstößen gegen die nationale Rechtsordnung, andererseits ein vom EuGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erweitertes gemeinschaftliches Staatshaftungsrecht mit unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen (vgl. hierzu Bonk, in: Sachs [Hrsg.], GG, 5. Aufl. 2009, Art. 34 RdNr. 52 e m.w.N.).

Dieser richterrechtlich begründeten Haftung können sich die Mitgliedsstaaten nicht dadurch entziehen, dass sie auf die Aufteilung der Zuständigkeiten und die Haftung von Körperschaften verweisen, die nach ihrer Rechtsordnung bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14.9.1999 – Rs C-310/97 -, NVwZ 2000, 303 – „Konle“; Urteil vom 4.7.2000 – Rs C-424/97 –, NVwZ 2001, 903 – „Haim“). Vielmehr besteht die Haftung des Mitgliedsstaates auch dann fort, wenn innerstaatlich die Haftung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens gegeben ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4.7.2000 – Rs C-424/97 –, NVwZ 2001, 903 [905] – „Haim“). Vor diesem Hintergrund erschließt sich dem Senat nicht, welchen rechtlichen Vorteil sich der Beklagte von einem Ausschluss der nationalen Staatshaftung für mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraute Kontrollstellen verspricht. Allerdings bedarf dies vorliegend keiner weiteren Vertiefung.

4. Mangels wirksamer Rechtsgrundlage für einen Haftungsausschluss kann ferner auch dahinstehen, ob ein Ausschluss der Staatshaftung den eingangs näher beschriebenen materiellen Voraussetzungen entsprechen würde. Ebenso wenig bedarf die Frage, ob der vom Bundesgerichtshof für Verwaltungshelfer angenommene Ausschluss der Rückgriffsbeschränkung in Art. 34 Satz 2 GG (vgl. hierzu näher BGHZ 161, 6 [11 ff.]) auf Beliehene übertragbar ist, einer Entscheidung. Diese ist nicht Gegenstand der angefochtenen Regelung.

Ob ein beliehener Unternehmer selbst haftet oder aber über Art. 34 Satz 1 GG der beleihende Staat, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Schadensersatzansprüche gemäß § 839 BGB treffen i.V.m. Art. 34 GG stets den beleihenden Verwaltungsträger (vgl. BGHZ 49, 108 [111 ff.]; 122, 85 [87 ff.]; 147, 169 [171 ff.]). Zieht ein Hoheitsträger zur Erfüllung seiner Aufgaben beliehene Unternehmer, also selbstständig tätig werdende Personen, oder unselbstständige Verwaltungshelfer heran, so besteht bereits allein wegen der Zielsetzung Amtshaftung (vgl. statt aller Palandt, BGB, 67. Aufl., 2008, § 839 RdNr. 20 m.w.N.). Die öffentliche Hand kann sich der Haftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung der ihr obliegenden Maßnahmen auf einen Dritten überträgt. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen den übertragenen Tätigkeiten und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Dritten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (BGHZ 121, 161 [165 f.]). Hiervon ausgehend bestehen keine Zweifel, dass der Freistaat Bayern für ein etwaiges Fehlverhalten der von ihm beliehenen Kontrollstellen nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG haftet. Die hiervon abweichende Regelung in Ziff. 3.1.4 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 7. November 2003 (AllMBl 2003, 890 [892]) ist ohne Grundlage.

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständliche Nebenbestimmung zu Recht aufgehoben.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob das Preußische Staatshaftungsgesetz im Freistaat Bayern zur Anwendung kommt. Zum einen ist diese Frage bereits durch die Entscheidung des OLG München vom 29.1.2004 – 1 U 4881/03 –, OLGR 2004, 227 f. geklärt. Zum anderen wäre die Frage auch keiner weiteren Prüfung in einem Revisionsverfahren zugänglich (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil sie ausschließlich irreversibles (bayerisches) Landesrecht betrifft (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., 2007, § 137 RdNr. 9 ff.; P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., 2006, § 137 RdNr. 8 ff.) und der Senat insoweit abschließend entscheidet.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).