AG München, Urteil vom 27.04.2009 - 424 C 10521/08
Fundstelle
openJur 2012, 100130
  • Rkr:
Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 10.11.2008 wird aufgehoben.

Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger 2.844,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 1.185,-- seit dem 20.05.2008, aus je EUR 79,-- seit dem 05.03., 05.04., 05.06., 05.07., 05.08. und 05.09.2008 und aus je EUR 237,-- seit 05.10., 05.11. und 05.12.2008 und seit 05.01., 05.02.2009 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten der Säumnis tragen die Klägerinnen.

Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerinnen 2/3, die Beklagten 1/3.

Die Beklagten tragen 1/3 der Kosten der Nebenintervention, im übrigen tragen diese die Nebenintervenienten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für die Klägerinnen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 8.690,-- EUR.

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren von den Beklagten rückständigen Mietzins.

Mit Mietvertrag vom 03.06.2000 vermieteten die Klägerinnen das Einfamilienhaus in G..., M... Str. 4 a, zum 01.07.200 3 an die Beklagten. Die Miete betrug zuletzt insgesamt EUR 1.580,--. Die Beklagten zahlten am 04.01.2008 EUR 1.580,-- an Miete für November 2007. Am 30.01.08 gingen auf dem Konto der Klägerinnen EUR 632,-- Miete für Dezember 2007 abzüglich 2 x 3 0 % Minderung ein.

Die Beklagten überwiesen am 20.02., 13.03. und 15.04.2008 jeweils 1.106,-- EUR an die Klägerinnen, die diese auf die Mietrückstände für Januar, Februar und März verrechneten. Auch für die Monate April 2008 bis Februar 2009 minderten die Beklagten die Mietet um jeweils EUR 474,-- und zahlten jeweils EUR 1.106,-- an die Klägerinnen.

Mit Schreiben vom 26.01.2008, vorgelegt als K 2, schrieben die Beklagten an die Klägerin zu 1), dass sie die Miete rückwirkend ab November 07 um 30 % mindern werden, da ihnen jetzt Untersuchungsergebnisse des Bayerischen Landesamtes für Umwelt: über die Belastung des Wohnraums der Beklagten mit den Ausgasungen der Schwellen des U-Bahnhofes G... vorlägen. Die Klägerinnen widersprachen der Minderung mit Schreiben vom 3 0.01.20 08.

Die Kläger tragen vor, eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung liege nicht vor. Die Beklagten seien zur Zahlung der Miete verpflichtet, insbesondere dürften die Beklagten nicht rückwirkend mindern. Auch eine Gefahr für die Gesundheit der Beklagten läge nicht vor. Jedenfalls im Winter lägen die Werte im Rahmen.

In der öffentlichen Sitzung vom 10.11.2008 ist ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen die Klägerinnen ergangen.

Zuletzt beantragen die Klägerinnen:

Die Beklagten werden unter Aufhebung des Versäumnisurteils samtverbindlich verurteilt, EUR 8.690,-- nebst Zinsen an die Klägerinnen zu zahlen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Sie tragen vor, dass seit die U-Bahn in G... in Betrieb sei mit jeder einfahrenden U-Bahn ein ganz erheblicher Gestank aus den U-Bahn-Eingängen dringe, der auch bei ihrem Wohnhaus noch deutlich wahrnehmbar sei. Dies führe dazu, dass man im Sommer den Garten nicht nutzen könne und auch nicht lüften könne. Auch im Winter könne man die Fenster nicht öffnen, da sonst der Gestank ins Haus dringe.

Es wurde Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Z... R... und R... in der öffentlichen Sitzung vom 10.11.2008 und der Zeugen R... und H... in der Sitzung vom 02.02.2009.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 24.09.2008 (Bl. 57 der Akten) vom 10.11.2008 (Bl. 64 der Akten) und vom 02.02.2009 (Bl. 91 der Akten) verwiesen.

Gründe

Die Klage der Klägerinnen ist teilweise begründet, da die Miete in dem streitgegenständlichen Zeitraum zwar gemindert war, aber nicht in der Höhe, wie es von den Beklagten beansprucht wurde.

15Aufgrund der Beweisaufnahme ist das Gericht der Auffassung, dass die Tauglichkeit des an die Beklagten vermieteten Hauses zum vertragsgemäßen Gebrauch durch die von der U-Bahn verursacht; Gerüche erheblich beeinträchtigt war. Bei der Geruchsbeeinträchtigung handelt es sich um einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beeinträchtigung ist auch nicht nur unerheblich. Das Gericht geht hier von einer Minderung in den Monaten April bis September von 25 % und in den Monaten Oktober bis März von 15 % aus.

Die Zeugin ZR... konnte glaubhaft bestätigen, dass es sowohl vor dem Haus, dass die Beklagten bewohnen, als auch hinter dem Haus auf der Gartenseite, die von der U-Bahn abgewandt ist, unangenehm riecht aufgrund der Ausgasungen der U-Bahn-Schwellen. Sie war zwar nicht selbst in dem Haus. Das Gericht geht aber davon aus, dass wenn die Gerüche unmittelbar vor und hinter dem Haus wahrnehmbar sind, diese auch, wie von den Beklagten behauptet, bei geöffnetem Fenster in das Haus dringen. Die Zeugin ZR... wohnt selbst in größerer Nähe zum U-Bahn-Ausgang. Sie konnte weiterhin angeben, dass bei den Beklagten, die etwas weiter entfernt wohnen, bei bestimmten Windrichtungen die Beeinträchtigung nicht so groß ist. Weiterhin hat die Zeugin bestätigt, dass die Beeinträchtigung im Winter bei niedrigeren Temperaturen geringer ist. Auch der Zeuge R... konnte bestätigen, dass es direkt vor dem Haus als auch hinter dem Haus unangenehm riecht in der beschriebenen Weise. Auch der Zeuge R... sagte, dass die Geruchsbeeinträchtigung bei dem Beklagten von der Windrichtung abhänge.

Die Beeinträchtigung durch den beißenden Geruch oder Gestank ist bei der Familie F... etwas geringer als bei den Zeugen. Die Beklagten wohnen etwas weiter entfernt. Nicht bei jeder Windrichtung dringen die unangenehmen Gerüche zu ihnen. Die Zeugen haben das Ausmaß der Geruchsbeeinträchtigung beschrieben. Das Gericht geht daher davon aus, dass tatsächlich die Außenflächen nicht mehr zum dauernden Aufenthalt bei warmem Wetter geeignet sind. Im Winter werden diese in der Regel sowieso nicht benutzt.

Für das Gericht stellt es eine ganz erhebliche Beeinträchtigung im Gebrauch von Wohnräumen dar, wenn man nicht Lüften kann oder wenn man in der Wohnung ohne Ausweichmöglichkeit unangenehmen Gerüchen ausgesetzt ist.

Die Beeinträchtigung ist im Winter geringer. Es fällt weniger ins Gewicht, dass der Garten nicht genutzt werden kann, genauso wenig wie der Weinausschank der Beklagten vor dem Haus. Es wird insgesamt weniger gelüftet. Gleichwohl muß auch im Winter gelüftet werden, so dass die unangenehmen Gerüche in das Haus dringen.

Das Gericht hält die Aussagen der Zeugen R... und ZR... für glaubhaft. Die Zeugen sind zwar selbst an einem Rechtstreit beteiligt, der die von ihnen vorgenommene Mietminderung zum Gegenstand hat. Die Zeugen gaben auch an, eine Bürgerinitiative gegründet zu haben. Die Zeugen haben sich also ausgiebig mit diesem Thema auseinander gesetzt. Das heißt aber nicht, dass ihre Angaben nicht richtig sind. Die Angaben waren detailliert und differenziert. Die Zeugen haben nicht pauschal erheblichen Gestank behauptet. Stattdessen haben sie detailliert geschildert, welche Auswirkungen die Gerüche auf ihr Leben und ihre Gesundheit haben.

Im übrigen wurden diesen Angaben auch von dem durch und durch glaubwürdigen Zeugen H... bestätigt. Dieser war zwar nur wenige Male zur Vornahme der Messungen vor Ort. Der Zeuge bemühte sich um eine zurückhaltende Ausdrucksweise, hat aber letztlich doch bestätigt, dass bei dem von dem Beklagten bewohnten Anwesen ein beißender Gestank wahrzunehmen ist. Die Beeinträchtigung sei im Winter geringer. Bei den Beklagten hänge die Beeinträchtigung auch von der Windrichtung ab. Er hat also insgesamt die Angaben der Zeugen R... und ZR... bestätigt. Der Zeuge R... war nicht selbst in G... gewesen. Er konnte jedoch sagen, dass aus seiner professionellen Sicht die Wahrnehmung eines beißenden Gestankes mit den in der Luft vorgefundenen Stoffen problemlos zu vereinbaren ist.

22Für die Monate November 2007 bis Februar 2008 schulden die Beklagten daher jeweils noch EUR 237,--. Bei der Zahlung der Dezember-Miete rechneten die Beklagten mit der Minderung für November in Höhe von EUR 474,-- auf. Die Miete war jedoch nur um jeweils EUR 237,-- gemindert. Anders als die Klägerinnen meinen, ist eine rückwirkende Minderung nicht unzulässig. Gemäß § 536 c Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Mieter nicht berechtigt zu mindern, soweit der Vermieter in Folge der Unterlassung der Anzeige nicht Abhilfe schaffen konnte. Eine Abhilfe der Geruchsbeeinträchtigung war und ist den Klägerinnen aber selbst nicht möglich. Es ist offensichtlich, dass die Klägerinnen nicht für eine Verbesserung der Situation sorgen konnten. Hierfür wären erhebliche bauliche Maßnahmen an U-Bahn-Bauwerk nötig. Die Beklagten konnten also rückwirkend, wie mit ihrem Schreiben vom 26.01.09 angekündigt, mindern.

Die Klägerinnen haben für März 2008 EUR 1.580,-- eingeklagt. Auch hier besteht nur eine Forderung in Höhe von 237,-- EUR.

Die Klägerinnen haben selbst vorgetragen, dass die Beklagten am 16.04.2008 EUR 1.106,-- auf die Miete für März 2008 gezahlt haben. Im Übrigen war die Miete gemindert. Die Klage war daher insoweit abzuweisen. Für die Monate April 2008 bis September 2008 haben die Beklagten noch jeweils EUR 79,-- zu zahlen. Die Miete war um jeweils 25 % gemindert. Die Beklagten haben um 30 % gemindert. Den Restbetrag haben sie noch zu zahlen.

In den Monaten Oktober 2008 bis Februar 2009 haben die Beklagten auch weiterhin um jeweils 30 %, also EUR 474,-- gemindert. Die Miete war jedoch nur um 15 % gemindert, so dass sie noch jeweils 237,-- EUR zu zahlen haben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 344, 91, 92, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert entspricht der klageweise geltend gemachten Forderung, § 3 ZPO.

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