Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.04.2009 - 11 CS 09.292
Fundstelle
openJur 2012, 99637
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 19. Juni 2001 verhängte das Amtsgericht Fürth gegen den Antragsteller wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Damit wurde geahndet, dass der Antragsteller am 10. März 2001 gegen 8.40 Uhr ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, obwohl eine ihm am gleichen Tag um 9.38 Uhr entnommene Blutprobe eine mittlere Alkoholkonzentration von 2,79 Promille aufwies.

Am 16. Januar 2006 erwarb der Antragsteller in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B. In ihr ist als Wohnort des Antragstellers "Fürth, Spolková Republika Nmecko" eingetragen.

Am 15. September 2006 beantragte er bei der Antragsgegnerin, ihm gemäß §§ 29 bis 31 FeV aufgrund seiner ausländischen Fahrerlaubnis eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S auszustellen. Ein entsprechendes Dokument wurde ihm am 27. Oktober 2006 ausgehändigt.

Durch für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 17. September 2008 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller, der zuvor angehört worden war, die deutsche Fahrerlaubnis der Klasse B. Gleichzeitig wurde der Antragsteller verpflichtet, den ihm am 27. Oktober 2006 erteilten Führerschein innerhalb von drei Tagen nach der Zustellung des Bescheids beim Straßenverkehrsamt der Antragsgegnerin abzuliefern. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Antragsteller habe eine tschechische Fahrerlaubnis unter offensichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erhalten. Deren Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis sei nach § 30 FeV rechtswidrig erfolgt, da der Antragsteller nach § 28 Abs. 4 Nrn. 2 und 3 FeV nicht berechtigt gewesen sei, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne gemäß Art. 48 BayVwVfG auch nach dem Eintritt seiner Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Dem Bescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, der zufolge gegen ihn innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe entweder Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden könne.

Über den "Einspruch", den der Antragsteller am 25. September 2008 gegen den Bescheid vom 17. September 2008 eingelegt hat, wurde nach Aktenlage noch nicht entschieden.

Am 11. November 2008 beantragte er beim Verwaltungsgericht, die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung vom 17. September 2008 auszusetzen, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 25. September 2008 anzuordnen und die Antragsgegnerin zu bescheiden, den von ihm abgelieferten Führerschein unverzüglich an ihn herauszugeben.

Das Verwaltungsgericht legte dieses Begehren insgesamt als Antrag nach § 80 Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO aus und lehnte es durch Beschluss vom 8. Januar 2009 als zulässig, aber nicht begründet ab.

Mit der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 17. September 2008 wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Zur Begründung wendet er sich gegen die im angefochtenen Beschluss enthaltene Aussage, er könne sich nicht durchgreifend auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes berufen, da diese bei Entscheidungen nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG nur im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das geltend gemachte Vertrauen in den Bestand der Umschreibung unter Berücksichtigung der nach Aktenlage erkennbaren Tendenz des Antragstellers zur Umgehung der deutschen Wiedererteilungsvoraussetzungen nach vorangegangenem alkoholbedingtem Fahrerlaubnisentzug wenig schutzwürdig erscheine. Der Antragsteller tritt dieser Auffassung mit dem Argument entgegen, er habe sich beim Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis an die in Tschechien geltenden, einschlägigen Voraussetzungen gehalten; die Fahrerlaubnis sei ihm zu Recht erteilt worden. Die zur Zeit der Umschreibung "vorherrschende" Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs habe das bestätigt. Aus diesem Grund habe auch die Antragsgegnerin die Umschreibung vorgenommen. Zwar habe sich diese Rechtsprechung mit der Folge geändert, dass tschechische Führerscheine, in denen ein deutscher Wohnsitz eingetragen sei, in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr anerkannt werden müssten. Er habe jedoch aufgrund übergeordneten europäischen Rechts eine deutsche Fahrerlaubnis erhalten. Das deutsche Fahrerlaubnisrecht, das weitergehende Voraussetzungen für die Wiedererteilung aufstelle, sei demgegenüber nachrangig. Es stehe mithin nicht im Ermessen der Antragsgegnerin, die Erteilung dieser Fahrerlaubnis rückgängig zu machen. Der vom Europäischen Gerichtshof gewollte Vertrauensschutz in EU-Fahrerlaubnisse habe in Deutschland aus rechtspolitischen Gründen entweder nie bestanden oder sei jedenfalls faktisch abgeschafft worden. EU-Fahrerlaubnisse seien im Bundesgebiet - vor allem aber in Bayern - in kurzfristigem Wechsel einmal gültig, dann wieder ungültig und sodann entziehbar. Gleiches solle nunmehr für umgeschriebene Fahrerlaubnisse gelten.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen ihrer Ausführungen zur Sach- und Rechtslage wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 16. Februar 2009, wegen des Verfahrensgangs und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Verwaltungsgericht beigezogene, den Antragsteller betreffende Fahrerlaubnisakte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die sich aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ergebende Beschränkung des Rechtsmittelgerichts auf das Beschwerdevorbringen entbindet den Verwaltungsgerichtshof nicht von der Pflicht zu prüfen, ob in einem von § 146 Abs. 4 VwGO erfassten Rechtsstreit die Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, da dieser Frage in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen nachzugehen ist. Unter diesem Blickwinkel ist vorliegend anzumerken, dass der vom Antragsteller erhobene Widerspruch unzulässig ist. Denn nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ist das Widerspruchsverfahren in Bayern abgeschafft, soweit sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 AGVwGO Abweichendes ergibt. Die hier allein in Betracht zu ziehende Bestimmung des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO ermöglichte es dem Antragsteller nicht, gegen den Bescheid vom 17. September 2008 Widerspruch einzulegen, da keiner der in diesem Bescheid enthaltenen Verwaltungsakte als "personenbezogene Prüfungsentscheidung" angesehen werden kann. Nach dem Beschluss vom 7. August 2008 (BayVBl 2009, 111), in dem sich der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich zur Auslegung des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO geäußert hat, können als personenbezogene Prüfungsentscheidungen alle (fahrerlaubnisrechtlichen) Verwaltungsakte verstanden werden, deren Erlass eine - wie auch immer geartete - Exploration des Betroffenen vorausgeht, die dem Ziel dient, aufgrund des hierdurch gewonnenen Eindrucks das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften, Kenntnisse, Fertigkeiten etc. beurteilen zu können. Gleichzeitig hat der beschließende Senat jedoch darauf hingewiesen, dass der Wille des historischen Normgebers, dem zufolge zumindest bei den meisten fahrerlaubnisrechtlichen Entscheidungen die Möglichkeit eines fakultativen Widerspruchsverfahrens eröffnet sein sollte, nur bis zu der Grenze berücksichtigt werden kann, die sich aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO ergibt (BayVGH vom 7.8.2008, a.a.O., S. 115).

Die Antragsgegnerin hat den Bescheid vom 17. September 2008 damit begründet, dass der Antragsteller gemäß § 28 Abs. 4 Nrn. 2 und 3 FeV nie eine im Bundesgebiet gültige ausländische Fahrerlaubnis besessen habe und die nach § 30 FeV vorgenommene "Umschreibung" deshalb rechtswidrig sei; dieser Umstand erlaube nach Art. 48 BayVwVfG die Rücknahme der deutschen Fahrerlaubnis. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, musste sich die Antragsgegnerin nicht mit personenbezogenen Eigenschaften des Antragstellers auseinandersetzen. Insbesondere brauchte sie auf der Grundlage des von ihr gewählten rechtlichen Ansatzes nicht der Frage nachzugehen, ob bei ihm heute noch ein Alkoholproblem besteht oder andere Tatsachen vorliegen, die entweder seine Fahrungeeignetheit nach sich ziehen oder zumindest diesbezügliche Zweifel begründen. Vielmehr handelt es sich um einen Akt reiner Rechtsanwendung (ergänzt ggf. um Ermessenserwägungen). Eine derartige Behördenentscheidung ist auch auf der Grundlage des vom historischen Gesetzgeber gewollten weiten Verständnisses des Begriffs der "personenbezogenen Prüfungsentscheidung" vom möglichen Bedeutungsgehalt dieses Ausdrucks nicht umfasst.

Die Unstatthaftigkeit des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs führt indes nicht zur Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO. Diese Rechtsfolge träte nur dann ein, wenn der Verwaltungsakt, in Bezug auf den die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, bereits bestandskräftig geworden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Da die dem Bescheid vom 17. September 2008 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung insoweit unzutreffend war, als sie den Eindruck erweckte, gegen diese Maßnahme könne wahlweise Widerspruch eingelegt oder sogleich Klage erhoben werden, beträgt die Frist zur Erhebung einer Anfechtungsklage gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO im gegebenen Fall ein Jahr seit der Zustellung des Bescheids; diese Rechtshandlung kann mithin noch nachgeholt werden. Die Anhängigkeit eines statthaften Rechtsbehelfs fordert der beschließende Senat nur dann, wenn das Gericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgeben will.

2. Eine Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht.

a) Wegen der sich aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ergebenden Prüfungsbeschränkung ist im anhängigen Beschwerdeverfahren im Wesentlichen nur der Frage nachzugehen, ob der Bescheid vom 17. September 2008 deshalb rechtswidrig ist, weil einer Rücknahme der dem Antragsteller im Jahr 2006 erteilten deutschen Fahrerlaubnis der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegensteht. Das ist zu verneinen.

Die Rücknehmbarkeit der dem Antragsteller im Jahr 2006 im Wege der sog. "Umschreibung" (d.h. auf der Rechtsgrundlage des § 30 FeV) erteilten deutschen Fahrerlaubnis beurteilt sich nach Art. 48 Abs. 1 und 3 BayVwVfG, da es sich bei ihr um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, der weder eine Geld- noch eine Sachleistung im Sinn von Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG zum Gegenstand hatte. Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG schränkt - seinem Wortlaut nach - die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nicht ein, sondern verpflichtet die öffentliche Gewalt lediglich, den Vermögensnachteil auszugleichen, der dem Betroffenen ggf. daraus erwachsen ist, dass er schutzwürdig auf den Bestand des zurückgenommenen Verwaltungsakts vertraut hat. Diese Regelung schließt es jedoch nicht aus, den Gesichtspunkt eines u. U. bestehenden Vertrauensschutzes bereits im Rahmen des durch Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG eröffneten Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (vgl. Ziekow, VwVfG, 2006, RdNr. 35 zu § 48; Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Anm. IV.1.b.aa zu Art. 48 BayVwVfG).

Auf der Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, in der Regel aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nicht schutzwürdig darauf vertrauen durfte, die deutsche Fahrerlaubnis, die er im Jahr 2006 erworben hat, könne ihm nicht wieder entzogen werden.

Der Antragsteller musste zwar nicht die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. EG Nr. L 237 vom 24.8.1991, S. 1) kennen, die die Ausstellung eines Führerscheins vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes im Gebiet des ausstellenden Mitgliedstaates abhängig macht. Bewusst sein musste ihm jedoch - zumindest im Rahmen einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" -, dass ein Staat Hoheitsakte in Bezug auf Ausländer nur vornehmen darf, wenn solche Personen einen hinreichenden Bezug zu seinem Territorium aufweisen (vgl. zu dem sich aus dem Völkergewohnheitsrecht ergebenden Grundsatz, dass es eines "legitimierenden Anknüpfungspunkts" bedarf, damit ein Staat in Fällen mit Auslandsberührung Personen Rechte zuordnen darf, Herdegen, Völkerrecht, 7. Aufl. 2008, § 26, RdNr. 1). Auch ein juristischer Laie konnte sich ferner nicht der Einsicht verschließen, dass es vom internationalen Recht u. U. nicht gebilligt werden würde, wenn ein Staat einem ausländischen Staatsangehörigen eine auch für dessen Heimatland Geltung beanspruchende Fahrerlaubnis erteilt, obwohl sich der Ausländer nur ganz vorübergehend und allein zum Zweck des Erwerbs einer solchen Berechtigung in den ausstellenden Staat begibt.

Allen derzeit erkennbaren Umständen nach gehört der Antragsteller zu den Personen, die ihre tschechische Fahrerlaubnis unter solchermaßen "makelbehafteten" Umständen erworben haben. Nach Aktenlage war er seit dem 28. Oktober 1978 ununterbrochen in seinem Geburtsort Fürth als wohnhaft gemeldet. Dass er sich dessen ungeachtet - z.B. im Rahmen einer Berufstätigkeit - längere Zeit in Tschechien aufgehalten hat, hat er zu keiner Zeit geltend gemacht. Es spricht deshalb viel dafür, dass der Antragsteller die tschechische Fahrerlaubnis durch einen jener Vermittler erhalten hat, die im Gefolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 2004 (DAR 2004, 333) Personen, denen in Deutschland die Fahrerlaubnis - vor allem wegen einer Alkoholproblematik - entzogen worden war und die davon ausgehen mussten, die Hürden eines deutschen Wiedererteilungsverfahrens nicht bewältigen zu können, gegen Entgelt den Erwerb einer tschechischen Fahrerlaubnis einschließlich aller zugehörigen "Leistungen" (Verschaffung einer kurz befristeten Anmeldung in einer tschechischen Gemeinde, Herstellung des Kontakts zu einer dortigen Führerscheinstelle und einer tschechischen Fahrschule sowie Abwicklung aller sonstigen Formalitäten) verschafft haben.

Der Antragsteller konnte vor diesem Hintergrund nicht schutzwürdig darauf vertrauen, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zeitweilig zwang, auch solche ausländischen EU-Fahrerlaubnisse als für ihr Gebiet gültig anzuerkennen, die unter derartigen Umständen erworben wurden, werde auf Dauer Bestand haben. Da die Problematik des sog. "Führerscheintourismus" bereits seit dem Jahr 2005 - und erst recht in der Folgezeit - in den Medien breit erörtert wurde und z.B. große Interessenverbände deutscher Kraftfahrer öffentlichkeitswirksam und in deutlichen Worten auf die Unzuträglichkeiten hingewiesen haben, die aus dem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) und den darauf aufbauenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs resultieren, musste er vielmehr damit rechnen, dass entweder der Europäische Gerichtshof selbst zu gegebener Zeit eine Korrektur seiner Rechtsprechung vornehmen könnte, oder dass der gemeinschaftsrechtliche Normgeber dieser Spruchpraxis den Boden entziehen würde, wie das mit der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. EU Nr. L 403 vom 30.12.2006, S. 18) noch in dem gleichen Jahr geschehen ist, in dem der Antragsteller eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat.

Musste dem Antragsteller aber bewusst sein, dass die Gültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis in Deutschland ungesichert war, so konnte er auch nicht schutzwürdig davon ausgehen, die auf ihrer Grundlage erworbene deutsche Fahrerlaubnis könne ihm so lange nicht entzogen werden, als er im Inland nicht nachteilig in Erscheinung treten würde. Denn das Umschreibungsverfahren nach § 30 FeV, in dem der Antragsteller die deutsche Fahrerlaubnis erlangt hat, unterscheidet sich in einer auch für den Laien erkennbaren Weise deutlich von dem Ablauf, der üblicherweise mit dem Erwerb einer deutschen Fahrerlaubnis einhergeht. Der Antragsteller musste insbesondere weder eine theoretische noch eine praktische Fahrprüfung ablegen und auch keine Nachweise über seinen Gesundheitszustand beibringen. Vor diesem Hintergrund konnte für ihn kein Zweifel daran bestehen, dass die deutsche Fahrerlaubnis, die er im Jahr 2006 erworben hat, ihm allein deshalb zuerkannt wurde, weil er im Besitz einer inhaltsgleichen tschechischen Berechtigung war. Das wiederum musste ihm den Schluss nahelegen, dass der Fortbestand der deutschen Fahrerlaubnis fraglich sein könnte, falls die für ihre Erteilung maßgebliche Voraussetzung - nämlich die Existenz einer tschechischen Fahrerlaubnis, die in Deutschland als gültig anerkannt wird - rückwirkend entfallen würde.

Die Frage, ob sich der Antragsteller schon deshalb nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, weil in seinem Fall die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG (hier anzuwenden in Verbindung mit Art. 48 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG) erfüllt sind, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Erörterung.

b) Ebenfalls dahinstehen kann, ob das Vorbringen des Antragstellers, er habe die deutsche Fahrerlaubnis aufgrund des übergeordneten europäischen Rechts erworben, und das deutsche Fahrerlaubnisrecht, das weitergehende Voraussetzungen für eine Wiedererteilung aufstelle, sei gegenüber dem Gemeinschaftsrecht nachrangig, als selbständiger, insbesondere hinreichend substantiierter Beschwerdegrund anerkannt werden kann. Denn unabhängig hiervon erweist sich diese Rüge jedenfalls als unbegründet.

Die Fahrerlaubnis, die die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Jahr 2006 erteilt hat, erhielt dieser nicht im Rahmen eines Neuerteilungsverfahrens nach § 20 FeV, sondern im Wege der "Umschreibung" nach § 30 FeV, in dem keine Prüfung der sich aus dem deutschen Fahrerlaubnisrecht ergebenden Voraussetzungen für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach deren vorangegangenem Entzug stattfindet. Der pauschale Hinweis auf eine etwaige Verdrängung der deutschen Wiedererteilungsvoraussetzungen durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben erweist sich somit als unbehelflich. Aus Art. 8 Abs. 1 Halbsatz 2 der Richtlinie 91/439/EWG ergibt sich vielmehr, dass derjenige Mitgliedstaat, der den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein in ein gleichwertiges Dokument umtauscht, wie das im Jahr 2006 mit dem am 16. Januar 2006 erworbenen tschechischen Führerschein des Antragstellers geschehen ist, prüfen darf (und ggf. sogar prüfen muss), ob der vorgelegte ausländische EU-Führerschein gültig ist. Nichts anderes aber hat die Antragsgegnerin getan, sobald sie aufgrund der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juni 2008 (ZfS 2008, 473; DAR 2008, 459) in Verbindung mit § 28 Abs. 4 Nrn. 2 und 3 FeV erstmals den Rechtsstandpunkt einnehmen durfte, dass ihr der Antragsteller im Jahr 2006 einen tschechischen Führerschein zum Zwecke der "Umschreibung" (bzw. des "Umtausches" im Sinne der Terminologie der Richtlinie 91/439/EWG) vorgelegt hatte, der in Deutschland von Anfang an ungültig war. An der Gemeinschaftsrechtskonformität ihres Vorgehens bestehen deshalb keine Zweifel.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).