Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.03.2009 - 19 ZB 09.498
Fundstelle
openJur 2012, 98775
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit dargelegt – nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Verkürzung der noch bis zum 30. Juli 2011 währenden Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung nicht zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Die Ausweisung verfolgt den Zweck, die Allgemeinheit vor dem Ausländer wegen der Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe zu schützen (Spezialprävention) und – wo zulässig – andere Ausländer von der Verwirklichung der Ausweisungsgründe abzuschrecken (Generalprävention). Die Dauer der Sperrwirkung ist daher danach zu bestimmen, wann der oder die Ausweisungszwecke voraussichtlich erreicht sein werden, wobei nicht auf die abstrakt möglichen, sondern – entsprechend dem akzessorischen Charakter der Sperrwirkung – auf die in der zugrunde liegenden Ausweisungsverfügung konkret festgelegten Zwecke abzustellen ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 26.3.2003 – 11 S 59/03 –, InfAuslR 2003, 333 [336] m.w.N.). Bei dieser Prognose sind alle – vor allem auch nachträglich eintretende Umstände – des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht oder sonst für die Behörde erkennbar sind. In diesem Kontext ist auch das Gewicht des Ausweisungsgrundes im Rahmen des Systems der §§ 53 ff. AufenthG maßgeblich mit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.8.2000 – 1 C 5.00 –, InfAuslR 2000, 483 f.). Die Sperrwirkung darf so lange fortbestehen, wie es die ordnungsrechtlichen Zwecke im Einzelfall erfordern. Sind diese Zwecke andererseits (sämtlich) erreicht, ist es nicht länger gerechtfertigt, die Sperrwirkung aufrecht zu erhalten (Zweckerreichung als Fristobergrenze; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.8.2000 – 1 C 5.00 –, InfAuslR 2000, 483 [484]). Darüber hinaus sind die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.8.2000 – 1 C 5.00 –, InfAuslR 2000, 483 [484]; VGH BW, Urteil vom 26.3.2003 – 11 S 59/03 –, InfAuslR 2003, 333 [336]). Die Festlegung des Ausmaßes der Befristung im Einzelfall ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG der Ausländerbehörde überlassen. Die Entscheidung hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Der betroffene Ausländer hat Anspruch auf fehlerfreie, umfassende und willkürfreie Ausfüllung des Ermessensrahmens. Allerdings ist es den Gerichten verwehrt, die Zweckmäßigkeit der Ermessensentscheidung zu überprüfen (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Ausländer kann daher nur verlangen, dass die Befristung unter sachgerechten Erwägungen verfügt wird. Die Verwaltungsgerichte sind lediglich berechtigt, die Ermessensentscheidung darauf hin zu überprüfen, ob eine Ermessensunterschreitung oder ein Fehlgebrauch vorliegt, mit anderen Worten, ob die Behörde ihr Ermessen überhaupt und entsprechend dem Zweck des Gesetzes ausgeübt hat und ob die Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Belangen des Betroffenen verhältnismäßig ist. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es dagegen nicht, die sachgerechteste Fristregelung zu bestimmen.

b) Gemessen an diesem Maßstab begegnet die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung bis zum 30. Juli 2011 keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger wurde zuletzt vom Amtsgericht Nürnberg am 30. Januar 2007 zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren wegen schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen verurteilt. Auch zuvor ist er bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Diese Umstände begründen unter spezialpräventiven Gesichtspunkten eine erhebliche Wiederholungsgefahr, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, den Kläger zumindest bis zum 30. Juli 2011 vom Bundesgebiet fernzuhalten. Soweit der Kläger demgegenüber im Antrag auf Zulassung der Berufung auf das Kindeswohl seiner am 13. Oktober 2006 geborenen Tochter und die am 26. Mai 2008 erfolgte Eheschließung mit der Mutter des Kindes verweist, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Der Kläger verkennt, dass die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen des Ausländergesetzes von Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK nicht schlechthin und ausnahmslos überlagert werden (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 4.9.2003 – OVG 6 S 284.03 –, InfAuslR 2004, 68 [69]; BayVGH, Beschluss vom 22.10.2008 – 19 CE 08.2354 u.a. –, Juris – RdNr. 21). Letzteres ist namentlich dann der Fall, wenn ein Ausländer nicht nur gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, sondern schwerwiegende Straftaten, wozu auch Eigentums- und Vermögensdelikte von erheblichem Gewicht gehören, begangen hat. In diesen Fällen kann ohne das Hinzutreten weiterer, dem Betroffenen günstiger Umstände – langes Zurückliegen der Straftaten, geringe Wiederholungsgefahr, günstige Sozialprognose usw. – regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass allein das nachträgliche Entstehen oder die beabsichtigte Aufnahme einer von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK grundsätzlich geschützten Lebens- und Erziehungsgemeinschaft eine Zäsur in der Lebensführung des Ausländers bewirkt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 –, NVwZ 2000, 56 [60]), die in Anbetracht aller Umstände erwarten lässt, dass er bei einem legalisierten Aufenthalt keine (weiteren) Straftaten mehr begehen wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.10.2008 – 19 CE 08.2354 u.a. –, Juris – RdNr. 21). In diesen Fällen tritt das Kindeswohl notgedrungen hinter die Belange der Bundesrepublik Deutschland und die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zurück. Die mit Bescheid der Beklagten vom 27. August 2008 verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung vom 15. Juni 2004 und der Abschiebung vom 31. Juli 2008 bis zum 30. Juli 2011 begegnet danach keinen rechtlichen Bedenken. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass der Ermessensrahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG überschritten wäre.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus §§ 47 und 52 Abs. 2 GKG.

Nach § 152 Abs. 1 VwGO ist dieser Beschluss unanfechtbar.