ArbG Würzburg, Urteil vom 23.01.2009 - 3 Ca 664/08
Fundstelle
openJur 2012, 97802
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 38.191,05 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von zumindest 34.080,00 Euro sowie auf Tragung der gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Der Kläger war auf Grund von befristeten Arbeitsverträgen in der Zeit vom 01.10.2005 bis 31.03.2008 in der Truppenküche der US-Streitkräfte in Schweinfurt beschäftigt gegen eine Vergütung von zuletzt ca. 2.840,00 Euro brutto.

Der Kläger trägt vor:

Er sei mehrfach wegen seiner vermeintlichen sexuellen Identität und seiner ethnischen Herkunft diskriminiert worden.

So habe ihn, der heterosexuell sei, Herr ... am 06.01.2008 gegen 17.30 Uhr als "Schwuchtel" bezeichnet.

Am 15.01.2008 gegen 4.50 Uhr habe ihn Herr ... mit den Worten "dieSchwuchtelist auch da" begrüßt. Gegen 5.10 Uhr am 15.01.2008 habe Herr ... einem neuen Mitarbeiter erklärt, der Kläger komme aus dem Osten und die taugen alle nichts. Am Vormittag des 15.01.2008 habe Herr ... zu Herrn ... sinngemäß gesagt bezogen auf ihn, den Kläger, da komme die Lusche aus dem Osten.

Am 15.01.2008 um 9.00 Uhr habe ihn Herr ... abwertend als "Ossi" bezeichnet und um 9.15 Uhr gesagt man müsse ihm, dem Kläger, "die Fresse polieren" und er sei ein "dreckiges Arschloch".

Die geschilderten Vorfälle seien Höhepunkte einer langen Reihe von monatelangen Demütigungen. Immer wieder sei er als "ostdeutsche Schlampe" und "Wessi per Einreise" bezeichnet worden.

Es lägen somit Diskriminierungen im Sinn des § 1 AGG wegen vermeintlicher sexueller Identität und ethnischer Herkunft vor. Insbesondere beinhalte die Bezeichnung als "Ossi" eine ethnische Diskriminierung. Zumindest handle es sich um eine Beleidigung, die nach § 185 ff StGB zu ahnden sei. Herr ... habe ebenso wie Herr ... disziplinarische Befugnisse gegenüber den Köchen gehabt. So habe regelmäßig mit Herrn ... und Herrn ... eine Teambesprechung stattgefunden, in dem die Zeugen ... und ... die Arbeiten eingeteilt hätten. Sie hätten die Pausenzeiten der Köche überwacht und unter anderem auch angeordnet, dass die Köchinnen und Köche die Friteuse zu putzen oder andere Putzarbeiten zu verrichten hätten. Unabhängig von der Schichteinteilung hätten sich die Zeugen ... und ... ihm gegenüber ständig als Vorgesetzte geriert.

Die Beklagte müsse sich das Verhalten der Zeugen ..., ... und ... zurechnen lassen. Dies folge aus dem Organisationsverschulden seitens der US-Streitkräfte.

Die US-Streitkräfte könnten sich auch nicht mit dem Vortrag entlasten, dass sie alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen und Schutzpflichten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten ergriffen hätten.

So werde mit Nichtwissen bestritten, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Inkrafttreten des AGG eingehend über alle Rechte der für das Armee-Arbeitsverhältnis relevanten Themen unterrichtet wurden.

Bestritten werde auch, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der US-Streitkräfte das von der Beklagten vorgelegte Merkblatt erhalten haben. Selbst wenn das Merkblatt übergeben wurde, habe dies nicht zur Folge, dass die Fiktion des § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG eintritt. Die Übergabe eines Merkblatts stelle keine "Schulung" im Sinn von § 12 AGG dar.

Er, der Kläger, sei nicht verpflichtet gewesen, sich um innerbetriebliche Abhilfe zu bemühen. Im Übrigen habe er dies getan und sich insbesondere am 15.01.2008 gegen 10.30 Uhr an den Zeugen ... gewandt. Daraufhin sei allerdings nichts unternommen worden.

Wenn die US-Streitkräfte die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in geeigneter Art und Weise geschult hätten, so hätten die Diskriminierungen mit Sicherheit verhindert werden können. Dass sie dennoch stattgefunden haben, indiziere geradezu das Verschulden der US-Streitkräfte. Das Fehlverhalten der Beschäftigten ... und ... sei den US-Streitkräften über § 278 BGB zuzurechnen. Da §§ 7 und 12 Abs. 1 AGG Schutzgesetze im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB seien, würden die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden auch auf die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB gestützt. Auch die Voraussetzungen des §§ 826 BGB seien gegeben.

Grundsätzlich hafte der Arbeitgeber gemäß § 278 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter begehen. Die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe handelnden Mitarbeiter stehe in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfe zugewiesen habe. Dies sei der Fall, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert. Vorliegend seien die Diskriminierungen im Wesentlichen von den Zeugen ... und ... ausgeführt worden, die rechtsverletzenden Handlungen und Verhaltensweisen dieser Personen seien auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der arbeitsvertraglich geschuldeten Dienstleistung erfolgt.

Auch Verschulden liege vor.

Die Höhe des Schmerzensgeldes werde in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ein Betrag von 34.080,00 Euro sollte dabei aber nicht unterschritten werden. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der wegen Diskriminierung anzusetzende Schaden ein Jahresgehalt betrage, mindestens aber 30.000,00 Euro. Aus der Schutzpflicht des Artikel 3 Abs. 2 GG folge, dass der auszuwerfende Schadensersatz in Gestalt des Schmerzensgeldes höher sein müsse als etwa im sonstigen Schadensersatzrecht. Auch der EuGH verlange in ständiger Rechtsprechung, dass die verhängte Sanktion zur Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes geeignet sein müsse, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber habe und auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehe.

Neben dem immateriellen Schaden sei auch sein materieller Schaden zu ersetzen. Dieser materiell rechtliche Kostenerstattungsanspruch sei durch § 12 a ArbGG nicht ausgeschlossen, da diese Vorschrift gegen die EU-Vorgaben verstoße. Das europäische Recht verlange zwingend einen vollständigen Schadensausgleich. Dazu gehörten auch die Kosten der Rechtsverfolgung. Soweit § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG ein Verschulden für den materiellen Schadensersatz verlange, sei die Vorschrift wegen Verstoß gegen Europarecht unwirksam.

Der gestellte Feststellungsantrag sei zulässig, da eine konkrete Bezifferung erst zum Abschluss des Verfahrens möglich sei.

Bei der außergerichtlichen Geschäftsgebühr werde von einer 2,5 Gebühr ausgegangen, da die Angelegenheit umfangreich sowie rechtlich schwierig sei.

Die Klage sei rechtzeitig innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 61 a ArbGG erhoben worden. Die Geltendmachung sei mit Schreiben vom 12.02.2008, eingegangen am 15.02.2008 erfolgt.

Die Beklagte sei nach Artikel 56 Abs. 8 Satz 2 NTS-ZA passiv legitimiert.

Der Kläger beantragt daher:

1. Die Beklagte wird verurteilt für den Entsendestaat der U. S: Streitkräfte an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber 34.080,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt für den Entsendestaat der U. S: Streitkräfte an den Kläger die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.511,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den Entsendestaat der U. S: Streitkräfte an den Kläger die Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung einschließlich der Anwaltshonorare abzüglich des anrechenbaren Teils der Gerichtsgebühr zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Sie trägt vor:

Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass die Vorarbeiter Köche wie der Kläger seien. Sie hätten keine disziplinarischen Befugnisse gegenüber den Köchen. Sie teilten auch keine Schichten ein. Hierfür sei Herr ... zuständig.

Die Vorarbeiter seien lediglich für die fachliche Arbeitseinteilung innerhalb der wechselnden Schichten zuständig. Die Köche würden auch in Schichten mit jeweils anderen Vorarbeitern eingesetzt, das bedeute, dass die Vorarbeiter der Köche und damit auch des Klägers je nach Schicht, Tätigkeit und Wochentagen wechselten. Soweit sie keine Vorarbeiterfunktionen ausübten würden die Vorarbeiter als "einfache Köche" tätig werden. Der Kläger trage aber nichts dazu vor, ob und in welcher Funktion sie am 06. und 15.01.2008 innerhalb der Schichten als Vorgesetzte oder weisungsbefugte Mitarbeiter ihm gegenüber eingesetzt waren. Es werde deshalb die Vorgesetzten – und Weisungsfunktionen der genannten Herren bestritten.

Herr ... habe als "einfacher Koch" keine Vorgesetztenfunktion oder Weisungsbefugnis.

Würden Diskriminierungen nicht durch Vorgesetzte oder Weisungsbefugte in Ausübung ihrer Befugnisse erfolgen, so bedürfe es eines Organisationsverschulden des Arbeitgebers um Ansprüche des diskriminierten Arbeitnehmers zu begründen. Hierzu trage der Kläger nichts vor.

Im Übrigen sei die Entlastung nach § 12 AGG möglich, da die US-Streitkräfte alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen und Schutzpflichten gegenüber allen Mitarbeitern/-innen als vorgesetzten und nicht vorgesetzten Arbeitnehmern ergriffen habe.

So seien alle Arbeitnehmer/-innen und insbesondere auch die Herren ..., ... und ... über alle Rechte der für das Armee-Arbeitsverhältnis relevanten Themen unterrichtet worden. Bei diesen Verhaltensregeln handele es sich um eine Dienstvorschrift, die auch Verbote für diskriminierendes Verhalten enthalte.

Nach Inkrafttreten des AGG habe jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin, so auch der Kläger und die Herren ..., ... und ... das Merkblatt für Mitarbeiter/-innen "allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG" erhalten. Mit diesem Merkblatt habe der Arbeitgeber unmissverständlich, deutlich, abschließend und ausreichend die tatsächlich und rechtlich notwendige dienstliche Hinweispflicht auf Rechte und Pflichten nach dem AGG erfüllt.

Der Kläger habe sich trotz des Merkblatts zu keiner Zeit an seine Vorgesetzten, an die Personalabteilung oder an die betriebliche Beschwerdestelle gewandt. Das eigene Verhalten des Klägers widerlege die Beweiserleichterung des § 22 AGG und die Vermutung einer Diskriminierung.

Diskriminierungshandlungen im Sinn des § 1 AGG führten nicht in jedem Einzelfall, d. h. durch einmalige Handlungen zu Schadensersatzansprüchen nach diesem Gesetz. Ausgenommen seien diskriminierende Nichteinstellungen. Für eine anspruchsbegründende Benachteiligung – auch hierzu fehle ein konkreter Sachvortrag des Klägers – sei vielmehr ein andauerndes diskriminierendes Verhalten der Vorgesetzten oder sonstiger Mitarbeiter erforderlich.

Auch außerhalb des AGG liegende Rechtsgrundlagen kämen nicht in Betracht.

Die Behauptungen des Klägers zu den Vorfällen vom 06.01. und 15.01.2008 würden bestritten.

Im Übrigen bezeichne der Begriff "Ossi" nicht eine Ethnie und stelle auch keine Diskriminierung ostdeutscher Bürger dar.

Die Klageforderung werde vorsorglich auch der Höhe nach als unverhältnismäßig bestritten.

Auch einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens könne der Kläger nicht geltend machen. Zunächst fehle es an den objektiven Kriterien einer Diskriminierungsverletzung. Hinzu komme, dass für den Fall der Geltendmachung eines materiellen Schadens der Kläger dem Arbeitgeber einen begründeten Schuldvorwurf gemäß § 15 Abs. 1 AGG machen müsse. Hierzu sei nichts vorgetragen.

Die geltend gemachte Geschäftsgebühr mit dem Höchstsatz von 2,5 Vergütungspunkten könne der Kläger nicht ersetzt verlangen. Es handle sich vorliegend nicht um einen alleinstehenden Rechtsstreit, der den höchsten Gebührensatz rechtfertigt. Die Anwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers habe bundesweit vielmehr vergleichbare Massenklagen erhoben.

Im Übrigen stehe dem materiellen Kostenerstattungsansprüchen des Klägers das arbeitsgerichtliche Kostenerstattungsverbot im Verfahren erster Instanz entgegen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die Protokolle (§ 313 Abs. 2 ZPO).

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts im Urteilsverfahren ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, Abs. 5 ArbGG.

Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Schweinfurt – folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 29 ZPO.

Dem Antrag zu 3. fehlt es auch nicht am gem. § 256 ZPO notwendigen Feststellungsinteresse, da die Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung erst nach Verfahrensabschluss feststehen und damit eine Bezifferung derzeit nicht möglich ist. Der Kläger hat andererseits auch schon derzeit ein schutzwürdiges Interesse an alsbaldiger Feststellung einer Pflicht der Beklagten bzw. der US-Streitkräfte zur Übernahme der Kosten der gerichtlichen Rechtsverfolgung.

Der Kläger hat die Klage zu Recht gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Zwar war er nicht bei der Bundesrepublik beschäftigt sondern bei den US-Streitkräften. Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ziviler Arbeitskräfte bei einer Truppe oder einem Gefolge im Sinn von Artikel 9 NATO-Truppenstatut vom 19.06.1951 und Artikel 56 Abs. 1 ZusAbK zum NATO-Truppenstatut hat aber in der Weise zu erfolgen, dass die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für den Entsendestaat verklagt wird (Artikel 56 VIII., 2, 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut; BAG, Urteil vom 15.05.1991, NZA 1992, Seite 43 ff). Die Beklagte hat deshalb über die streitigen Ansprüche einen Prozess im eigenen Namen zu führen, ohne selbst materiell rechtlich berechtigt oder verpflichtet zu sein.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet, da dem Kläger Schmerzensgeld, Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche schon dem Grunde nach nicht zustehen.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Ansprüche des Klägers auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bestehen nicht.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann ein Beschäftigter wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Voraussetzung hierfür ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Danach dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Behauptet der Arbeitnehmer eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes so hat er gemäß § 22 AGG zumindest Indizien zu beweisen, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen. Er muss somit zunächst den Vollbeweis führen, dass die von ihm angegriffene Maßnahme wie behauptet stattgefunden hat. Auch trifft ihn die volle Beweislast für das Vorliegen eines Benachteiligungsmerkmals im Sinn des § 1 AGG (vgl. Thüsing in MünchK zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl., Rn. 6, 8 zu § 22 AGG). Hinsichtlich des Beruhens der Benachteiligung auf einem Grund gemäß § 1 AGG greift an die Beweislastregelung des § 22 AGG, d. h., der Arbeitgeber muss bei Vorliegen geeigneter Indizien beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

57Vorliegend trägt der Kläger vor, am 06.01.2008 und 15.01.2008 durch die Herren ... bzw. ... als "Schwuchtel" bezeichnet worden zu sein. Zu Recht weist der Klägervertreter darauf hin, dass unter sexueller Identität im Sinn des § 1 AGG diePräverenzbei der sexuellen Partnerwahl zu verstehen ist also Heterosexualität, Homosexualität oder Bisexualität. Damit ist bei Verwendung des herabsetzenden Begriffs "Schwuchtel" jedenfalls ein Merkmal des § 1 AGG betroffen, wobei es keine Rolle spielt, ob der Kläger tatsächlich homosexuell ist oder nicht, § 7 Abs. 1 Hs. 2 AGG.

58Ob bei Verwendung des Begriffs "Schwuchtel" durch einen Vorgesetzten ohne weitere Voraussetzungen ein Schmerzensgeld bzw. Entschädigungsanspruch ausgelöst wird kann dahinstehen, weil der Kläger für die entsprechenden Behauptungen letztendlich beweisfällig geblieben ist.

Der Kläger bietet zum Beweis seiner Behauptungen allein die Einvernahme der eigenen Person an. Diese Einvernahme hatte nicht zu erfolgen. Eine Vernehmung gemäß § 447 ZPO schied schon deshalb aus, weil es an dem Einverständnis der Beklagten zur Einvernahme des Klägers, das ausdrücklich hätte erklärt werden müssen (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., Rn. 2 zu § 447), fehlt.

Auch eine Parteieinvernahme gemäß § 448 ZPO von Amts Wegen war nicht veranlasst. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände und des Sachvortrags der Parteien eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht, d. h. es muss mehr für sie als gegen sie sprechen, "ein Beweis" muss erbracht sein (vgl. Zöller aaO, Rn. 4 zu § 448 ZPO; BAG, Urteil vom 20.10.1987, Az: 3 AZR 200/86). Vorliegend sind keinerlei Umstände ersichtlich, aus denen auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der klägerischen Behauptungen geschlossen werden könnte.

61Allerdings sichert Artikel 103 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 2 Abs. 1 GG und dem im Artikel 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip den Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes. Dies hat für den Fall eines "4-Augen-Gesprächs" der beteiligten Parteien zur Folge, dass eine Parteivernehmung oder eine Parteianhörung nach § 141 ZPO dann zu erfolgen hat, wenn ein Gespräch allein zwischen den Parteien stattgefunden hat und deshalb kein Zeuge, auch kein "gegnerischer" Zeuge zugegen war (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2007, Az: 3 AZN 1155/06 m. w. N.). Vorliegend behauptet der Kläger nicht, dass die Bezeichnung "Schwuchtel" durch gesetzliche Vertreter der Beklagten oder der US-Streitkräfte erfolgte. Vielmehr geht es um Bemerkungen eines in der betrieblichen Hierarchie kaum über den Kläger stehenden Vorarbeiters. Damit liegt kein Fall der Beweisnot vor, der Anlass zur Durchführung einer Parteieinvernahme der beweisbelasteten Partei gegeben hätte. Vielmehr wäre es Sache des Klägers gewesen die Zeugen und ... für die Richtigkeit seiner Behauptungen als Beweis anzubieten. Bei Zweifeln an der Richtigkeit der Aussage wäre eine Parteianhörung nach § 141 ZPO oder eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO durchzuführen gewesen.

62Die Verwirklichung weiterer Diskriminierungsmerkmale im Sinn des § 1 AGG trägt der Kläger nicht vor. Weder durch die behauptete Bezeichnung als "Ossi" noch durch die behaupteten Bemerkungen hinsichtlich seiner Herkunft "aus dem Osten" verbunden mit der Bemerkung "Lusche bzw. der Bemerkung, dass "die aus dem Osten nichts taugen" würden stellt eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft im Sinn des § 1 AGG dar. Das Merkmal der ethnischen Herkunft bezieht sich auf nicht vererbliche Merkmale wie die Zugehörigkeit des Menschen zu einem bestimmten Kulturkreis, zu einer gemeinsamen Religion und Sprache. Kennzeichnend ist, dass die betreffenden Menschen auf Grund dieser Merkmale eine dauerhafte Einheit bilden (z. B. Kurden, Sorben, Sinti und Roma). Maßgeblich ist die Wahrnehmung als "andere Gruppe" in Gebräuchen, Herkunft und Erscheinung. Äußeres Erscheinungsbild, Sprache und Religion können hier wichtige Merkmale sein, den Typus der Ethnie zu beschreiben. Maßgeblich ist insgesamt die Wahrnehmung als "andere Gruppe" in Gebräuchen, Herkunft und Erscheinung. (vgl. Lingemann, Müller; "die Auswirkungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf die Arbeitsvertragsgestaltung", Betriebsberater 2007, Seite 2013 ff; Thüsing, aaO, Rn. 54, 55 zu § 1 AGG). Keine Ethnien sind demzufolge Ost- und Westdeutsche, Bayern und Schwaben, Düsseldorfer und Kölner. Wir sind ein Volk – auch diskriminierungsrechtlich (so zutreffend Thüsing, aaO).

Weitere Diskriminierungsmerkmale werden vom Kläger nicht vorgetragen. Damit scheidet § 15 AGG als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch aus.

2. Auch weitere Anspruchsgrundlagen für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch bestehen nicht.

65Es kann dahinstehen, ob der Kollege des Klägers, Herr ... am 15.01.2008 die behaupteten Äußerungen dem Kläger gegenüber getan hat und ob diese gegebenenfalls eine so schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts zur Folge hatten, dass Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. § 185 StGB in Betracht kommen. Eine Haftung der Beklagten bzw. der US-Streitkräfte für deliktisches Handeln des Kollegen des Klägers scheidet schon deshalb aus, weil der Arbeitskollege des Klägers ihm gegenüber nicht Verrichtungsgehilfe des Arbeitgebers im Sinn des § 831 BGB war.

Auch eine Verletzung eigener Pflichten der US-Streitkräfte, die zur Begründung von Schadensersatzpflichten gemäß §§ 280, 278 BGB führen könnten des Arbeitgeber ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat sich nach eigenem Sachvortrag erst nach den Vorfällen vom 15.01.2009 an seinen Vorsätzen gewandt. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch unterlassene Verhinderung weiterer Beleidigungen scheidet somit aus.

Auch kann der Beklagten bzw. den US-Streitkräften das möglicherweise schuldhafte Handeln Herrn ... nicht unmittelbar gemäß § 278 BGB zugerechnet werden. Zwar haftet der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer gegenüber gemäß § 278 BGB für schuldhaft begangene Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch einen von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzten Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat demzufolge für die schuldhafte Verletzung der auf seine Erfüllungsgehilfen übertragenen arbeitsvertraglichen Schutzpflichten, etwa die Pflicht zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzustehen. Notwendig ist jedoch immer, dass die schuldhafte Handlung in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Schuldner dem Erfüllungsgehilfen im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen hat. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Erfüllungsgehilfen gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht konkretisieren bzw. ihm gegenüber Weisungsbefugnisse haben. Eine Zurechnung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn, wie vorliegend behauptet, gleichgestellte Kollegen einander beschimpfen (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2007, Az: 8 AZR 709/06).

68Schließlich können die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche auch nicht unter dem Stichwort "Mobbing" zugesprochen werden. "Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. einen oder mehrerer Arbeitskollegen (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2007 aaO). Es ist deshalb jeweils zu prüfen, ob der in Anspruch genommene in den vom Kläger genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers im Sinn des ... § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinn des § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in denen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen oder seiner Vorgesetzten bzw. seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen jedoch zu einer Vertrags- oder Rechtsgutverletzung führt, weil deren Zusammenfassung auf Grund der ihnen zugrundeliegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt.

Solche Verhaltensweisen können Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 280, 278, 253 Abs. 2, 823 BGB dann auslösen, wenn nicht nur ganz geringfügige Verletzungen der Gesundheit verursacht worden oder eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, bei der Genugtuung durch Unterlassen, Gegendarstellung oder Widerruf nach Art der Verletzung auf andere Weise nicht zu erreichen ist.

Vorliegend sind solche Verhaltensweisen letztendlich nicht ausreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Soweit der Kläger Bemerkungen der Vorarbeiter ... vom 06.01.2008, 17.30 und 15.01.2008, 4.05 Uhr, 4.50 Uhr behauptet fehlt es an ausreichenden Beweisangeboten (siehe oben).

Konkret werden sodann noch vier weitere Äußerungen des Vorarbeiters ... und des Kollegen ... vom Vormittag des 15.01.2008 behauptet. Dem übrigen Sachvortrag fehlt es an der notwendigen Konkretisierung. Die Rede ist pauschal von "monatelangen Demütigungen" und anderen Äußerungen, die "immer wieder" gefallen seien. Wann konkret wer was gesagt hat wird nicht vorgetragen. Eine nähere Konkretisierung erfolgt auch nicht hinsichtlich der an anderer Stelle vorgetragenen Behauptung des Klägers ihm sei erinnerlich, dass der Zeuge ... "immer Strafputzen" verteilte, wenn Kritik an seiner Person geübt wurde.

Verbleibt es somit bei maximal vier beleidigenden Äußerungen an einem Vormittag so kann von einer systematischen Vorgehensweise mit dem Ziel durch "Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld" (Belästigungsbegriff aus § 3 Abs. 3 AGG, der für alle Benachteiligungen von Arbeitnehmern heranzuziehen ist) nicht gesprochen werden.

Soweit für den 15.01.2008, 5.10 Uhr behauptet wird, der Vorarbeiter ... habe gegenüber einem neuen Mitarbeiter gesagt, "der Kläger komme aus dem Osten und taugen alle nichts" liegt zwar eine ausreichende Konkretisierung des Sachvortrags vor. Diese Äußerung allein ist selbst bei Wahrunterstellung nicht geeignet Schmerzensgeldansprüche auszulösen, nachdem eine durch diese Behauptung ausgelöste Gesundheitsstörung nicht behauptet wird. Damit scheiden Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 280, 278, 253 Abs. 2 BGB aus. Auch §§ 823, 831 BGB kommen als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Persönlichkeitsverletzungen können einen Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden nur dann begründen, wenn eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt bei der die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Eine solch schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann das Gericht in der behaupteten Äußerung aber nicht erkennen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Behauptungen im Übrigen nicht ausreichend unter Beweis gestellt ist. Die Parteivernehmung des beweisbelasteten Klägers kommt nicht in Betracht (siehe oben). Eine ladungsfähige Anschrift des benannten Zeugen wurde entgegen der Ankündigung im Schriftsatz vom 09.05.2008 nicht nachgereicht.

Damit bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schmerzensgeldzahlung verlangen kann. Die Klage war deshalb in Ziff. 1 abzuweisen.

3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsverfolgung zu. Dem steht schon die Tatsache entgegen, dass sich die Beklagte bzw. die US-Army dem Kläger gegenüber nicht schadensersatzpflichtig gemacht hat (siehe oben) wodurch es einem Kostenerstattungsanspruch von vornherein an der notwendigen Rechtsgrundlage fehlt.

Im Übrigen besteht nach der Bestimmung des § 12 a ArbGG selbst für die obsiegende Partei kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten. Dieser Ausschluss betrifft nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur im gerichtlichen Verfahren anfallende Vertreterkosten sondern auch vorprozessuale Kosten unabhängig davon, ob später ein Prozess geführt wird oder nicht (vgl. Schwab, Veth, Komm. z. ArbGG, Rn. 16 zu § 12 a m. w. N.). Die Vorschrift des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG betrifft im Übrigen nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch sondern entfaltet auch materiell – rechtliche Wirkungen. Der Annahme eines nach materiell rechtlichen Normen ersatzfähigen Schadens steht in Höhe der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 30.04.1992, Az: 8 AZR 288/91). Ob bei Schadensersatzansprüchen nach § 15 AGG von diesen Grundsätzen abzuweichen wäre (dagegen: Roloff, Beck'scher online Kommentar, Rdnr. 4 zu § 15 AGG) kann dahinstehen, da dem Kläger, wie dargelegt, keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche nach § 15 AGG zustehen.

Damit war die Klage auch in den Anträgen zu 2. und 3. abzuweisen.

Mithin war zu entscheiden, wie geschehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff ZPO.

Dabei hat das Gericht den Schmerzensgeldanspruch entsprechend den Vorstellungen des Klägers mit 34.080,00 Euro in Ansatz gebracht. Den Feststellungsantrag zu 3. hat das Gericht mit einem Betrag von 1.600,00 Euro bewertet. Zu addieren hierzu war der mit 2.511,05 Euro bezifferte Antrag zu 1.. Insgesamt errechnet sich hieraus der festgesetzte Betrag von 38.191,05 Euro.