VG München, Urteil vom 09.06.2008 - M 8 K 07.5646
Fundstelle
openJur 2012, 92419
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich zu tragen.

III. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mit Schreiben der von ihnen beauftragten Landschaftsarchitekten vom 18. Oktober 2006 beantragten die Kläger die Genehmigung zur Fällung von drei Birken auf dem Grundstück ...str. 4 FlNr. 552/6 Gemarkung ...

Zur Begründung für den Fällungsantrag wurde auf die Allergie des Klägers zu 2) verwiesen, die eine Fällung dringend nötig mache. Darüber hinaus habe die Landschaftsarchitektin festgestellt, dass die Birken bereits krank seien, die Kronen sich lichteten und die Stämme stark mit Efeu bewachsen seien.

Mit Schreiben vom 24. November 2006 und 7. September 2007 nahm die Untere Naturschutzbehörde der Beklagten aufgrund jeweils vorangegangener Ortsbesichtigung mit Prüfung der zur Fällung beantragten Bäume dahingehend Stellung, dass die mangelnde Vitalität der Bäume Nr. 8 und 9 als Fällungsgrund anerkannt werden könne, der Baum Nr. 5 jedoch von seinem Vitalitätszustand als erhaltenswert einzustufen sei.

Im Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2007 - am 11. Oktober 2007 zugestellt - zur Baugenehmigung vom ... September 2006 und der Tekturgenehmigung vom ... Januar 2007 an die Kläger wurde die Genehmigung zur Fällung der Bäume Nr. 8 und 9 unter Auflage einer Ersatzpflanzung von zwei standortgerechten Laubbäumen auf dem Grundstück ...str. 4 erteilt.

Mit Bescheid vom ... November 2007 - am 16. November 2007 jeweils an die Kläger mit PZU zugestellt - wurde der Fällungsantrag vom 18. Oktober 2006/2. November 2006 für den Baum Nr. 5 (Birke Stammumfang ca. 140 cm) nach Plan-Nr. ... abgelehnt.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass trotz Vorlage eines ärztlichen Attestes bezüglich der Birkenpollenallergie des Klägers zu 2) nach der Rechtsprechung kein Anspruch auf Beseitigung des Baumes bestehe. Angesichts der nur auf die Blütezeit beschränkten Beeinträchtigungen überwiege das Erhaltungsinteresse der Allgemeinheit an der Birke. Es sei auch zu bedenken, dass Allergien weit verbreitet seien und von einer Vielzahl von Pflanzen ausgingen. Unter Verweis auf die Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. August 1995 Az: 2/16 S 49/95 und des Verwaltungsgerichts München vom 16. Juni 1998 Az: M 8 K 95.2592 wurde festgestellt, dass keine deutliche Linderung bei Fällung eines Baumes zu erwarten sei, wenn die Pollen eine gute Flugfähigkeit besäßen und weitere Bäume dieser Art in der Umgebung vorhanden seien. Eine leichte Milderung sei nicht geeignet, eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO herbeizuführen. Die Birke sei eine weit verbreitete Baumart mit gut flugfähigen Pollen. Die Untere Naturschutzbehörde habe bei den Ortsbesichtigungen festgestellt, dass in der Umgebung bzw. unmittelbarer Nachbarschaft weitere Birken vorhanden seien.

Mit einem am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 5. Dezember 2007 erhoben die Bevollmächtigten der Kläger Klage und beantragten,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom ... November 2007 aufzuheben und dem Fällantrag der Kläger vom 18. Oktober 2006 für den Baum Nr. 5 (Birke Stammumfang ca. 140 cm) stattzugeben.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2008 wurde die bisherige Begründung des Fällungsantrags in Bezug auf die Allergie des Klägers zu 2) vertieft und darauf hingewiesen, dass in der Umgebung des Grundstücks der Kläger keine weitere Birken mehr vorhanden seien, weshalb der Kläger zu 2) ausschließlich durch die streitgegenständliche Birke gefährdet sei. Das Grundstück der Kläger könne nicht genutzt werden, ohne die Gesundheit des Klägers zu 2) zu gefährden.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde nochmals vorgetragen, dass sich in der Umgebung des Grundstücks weitere Birken befänden, so dass bedingt durch den Pollenflug die Fällung einer einzelnen Birke keine relevante Linderung bringen würde. Würde jedem Allergiker ein Anspruch auf Beseitigung der Allergie auslösenden Pflanzen zustehen, so würde dies den Interessen der Allgemeinheit an einer „grünen“ Wohnumgebung widersprechen, zumal die Beeinträchtigungen auf die Blütezeit beschränkt seien.

Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2008 legten die Bevollmächtigten der Kläger einen handgezeichneten Lageplan vor, woraus sich ergeben soll, dass im Umkreis von 150 m um das streitgegenständliche Objekt nur eine Birke stehe, die deutlich kleiner sei als die zur Fällung beantragte Birke. Auch in einer Entfernung von weiter als 150 m seien keine weiteren Birken. Weiterhin wurde ein Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin, Chirurgie - Notfallmedizin, Sportmedizin - aus ... vom 18. März 2008 vorgelegt, wonach der Kläger zu 2) an einer ausgeprägten Allergie auf Birkenpollen mit allergischer Rhinitis und Konjunktivitis sowie asthmoider Bronchitis leide, die mehrfach die Anwendungen topischer und systemischer Kortisonpräparate notwendig mache.

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2008 wurde ein weiteres Attest des gleichen Arztes vom 20. Mai 2008 vorgelegt, nach dessen Inhalt sich die Allergie im letzten halben Jahr deutlich verschlimmert habe, so dass sich die Beschwerden auf zusätzliche Organe ausgeweitet hätten und der Kläger zu 2) nun eine Dauertherapie mit potenteren, auch kortisonhaltigen Medikamenten benötige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2008 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Ablehnung der Fällungsgenehmigung mit Bescheid vom ... November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Rechtsgrundlage des Genehmigungserfordernisses für die Fällung ist die Baumschutzverordnung der Beklagten vom 12. Mai 1992 in der Fassung vom 18. Dezember 2000 (MüABl. S. 549).

1.1 Zweifel an der Wirksamkeit der Baumschutzverordnung wurden nicht geltend gemacht, solche bestehen auch nicht. Die städtische Baumschutzverordnung wurde auf Grundlage der Art. 12 Abs. 2, Art. 37 Abs. 2 Nr. 3 und Art. 45 Abs. 1 Nr. 5 BayNatSchG erlassen. Diesen Bestimmungen zufolge kann der Bestand an Bäumen und Sträuchern innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile durch eine gemeindliche Rechtsverordnung geschützt werden - wie das hier für bestimmte Bereiche innerhalb des Stadtgebiets ... geschehen ist. Das Grundstück der Kläger liegt innerhalb der Grenzen des geschützten Bereichs, § 1 Abs. 5 BaumSchVO.

1.2 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO kann das Entfernen, Zerstören oder Verändern geschützter Gehölze auf Antrag genehmigt werden, wenn der Bestand oder die Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird. Nach § 5 Abs. 2 BaumSchVO muss die Genehmigung erteilt werden, wenn die geschützten Gehölze krank sind und ihre Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse geboten oder nicht möglich ist.

Für die zur Fällung beantragte streitgegenständliche Birke besteht ein Genehmigungserfordernis im Sinne der §§ 1, 3 und 5 BaumSchVO, da die Birke unstreitig einen Stammumfang von mehr als 80 cm in 1 m Höhe aufweist, § 1 Abs. 2 BaumSchVO und die Birke bzw. deren Fällung nicht gemäß § 4 BaumSchVO vom Beseitigungsverbot ausgenommen ist.

2. Die Genehmigungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO sind vorliegend entgegen der Ansicht der Klagepartei nicht gegeben. Voraussetzung hierfür wäre vorliegend die unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücks oder des hierauf vorhandenen Gebäudes durch den streitgegenständlichen Baum. Die Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines Gebäudes als solche ist allerdings nicht dadurch beeinträchtigt, dass der aktuelle Nutzer bzw. Bewohner aufgrund einer subjektiven gesundheitlichen Disposition das Grundstück bzw. das Gebäude nur eingeschränkt nutzen kann. Exakt diese Fallkonstellation ist aber vorliegend gegeben. Die streitgegenständliche Birke beeinträchtigt nicht die Nutzbarkeit des Grundstücks oder des Gebäudes als solche, vielmehr ist nur der Kläger zu 2) aufgrund seiner Allergie gehindert, das Grundstück zu bestimmten Zeiten während des Pollenflugs - entsprechend zu nutzen. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO knüpft aber schon von seinem Wortlaut her klar und eindeutig an die objektive Nutzbarkeit des Grundstücks oder des Gebäudes bzw. des Bestandes an. Derartige Einschränkungen sind aber aus den genannten Gründen ersichtlich nicht gegeben. Die Berücksichtigung derartiger subjektiver Befindlichkeiten ist sowohl dem Bau- und Bodenrecht als auch dem Naturschutzrecht grundsätzlich fremd und würde letztlich die gesetzlichen Schutzintentionen unterlaufen.

Da somit die von den Klägern geltend gemachte Birkenpollenallergie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO objektiv nicht erfüllt, kommt es entscheidungserheblich auf das Vorhandensein weiterer Birken in der Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks nicht an.

2.1 Es kann offen bleiben, ob eine andere Entscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG, zu treffen wäre, wenn der Bewohner bzw. Nutzer eines Grundstücks aufgrund seiner gesundheitlichen Disposition unvorhersehbar extremen, d.h. lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt wäre. Solche sind vorliegend weder dargetan noch ersichtlich.

3. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass, selbst wenn man die gesundheitliche Disposition des Klägers zu 2) als Einschränkung der Benutzbarkeit des Grundstücks im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchVO ansehen wollte, bei einer Ermessensentscheidung nicht außer Acht gelassen werden könnte, dass die Kläger das Anwesen mit dem streitgegenständlichen Baum, wie sich aus der Mitteilung über den Bauherrenwechsel vom 30. August 2006 ergibt und der Kläger zu 2) in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat, erst in jüngerer Zeit und somit in Ansehung des Vorhandenseins der streitgegenständlichen und zwei weiterer Birken erworben haben. Im Hinblick auf die Feststellung im vorgelegten Attest vom 20. Mai 2008, dass der Kläger zu 2) eine „seit Jahren bekannte Allergie gegen Birkenpollen hat“, ist nicht ersichtlich, worauf sich ein Zurücktreten der Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung des Baumes gegenüber den klägerischen Interessen stützen sollte.

4. Sonstige Genehmigungstatbestände im Sinne des § 5 BaumSchVO sind ebenfalls nicht gegeben. Das Gericht hat keinen Grund, an den Feststellungen der Unteren Naturschutzbehörde hinsichtlich der Vitalität des Baumes zu zweifeln, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BaumSchVO entgegen den Behauptungen der Klagepartei nicht erfüllt sind. Wie sich schon aus dem in der mündlichen Verhandlung abgelehnten Beweisantrag ergibt, ist die pauschale Behauptung, die streitgegenständliche Birke sei im Sinne des § 5 Abs. 2 BaumSchVO nicht erhaltenswert, nicht geeignet, die aus den Akten ersichtlichen positiven Feststellungen der Fachbehörde hinsichtlich der Vitalität des streitgegenständlichen Baumes zu erschüttern.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 3.500,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).