Bayerischer VGH, Beschluss vom 15.05.2008 - 4 ZB 07.1060
Fundstelle
openJur 2012, 91746
  • Rkr:
Tenor

I.Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.II.Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.III.Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 417,90 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Heranziehung des Klägers zu Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2006 und die Folgejahre.

Auf der Grundlage der Gebührensatzung für den Landkreis Ansbach vom 1. Juli 2005 war der Kläger zur Zahlung von Abfallbeseitigungsgebühren in Höhe von 119,60 Euro jährlich herangezogen worden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer „Privat-Leistungsgebühr“ in Höhe von 70,20 Euro und einer „Grundgebühr privat“ für vier Bewohner in Höhe von 49,20 Euro.

Das Verwaltungsgericht gab der auf Aufhebung des Gebührenbescheids gerichteten Klage statt, da der Bescheid auf einer Gebührensatzung beruhe, die im Gebührenteil gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Gebührensatzung sehe lediglich bei den privaten Haushalten eine Grundgebühr vor; dagegen sei nach der Satzung für die Abfallentsorgung aus Einrichtungen anderer Herkunftsbereiche gleichheitssatzwidrig keine Grundgebühr, sondern nur eine Leistungsgebühr vorgesehen, die sich nach der Anzahl und dem Fassungsvermögen der Behälter bemesse. Es verstoße gegen das Äquivalenzprinzip, wenn die von privaten Haushalten erhobene Grundgebühr auch die Vorhaltekosten für Müll aus anderen Herkunftsbereichen abdecken solle.

Der Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils sowie wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO scheitert bereits daran, dass der Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargelegt ist. Die Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage voraus, die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt und mit Blick auf die einheitliche Rechtsanwendung klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., RdNr. 72 zu § 124a). Eine allgemeine, sich in einer Vielzahl von Fällen stellende Rechtsfrage hat der Beklagte nicht formuliert; darüber hinaus verkennt er, dass die Frage, ob bei der Heranziehung zu einer Abfallbeseitigungsgebühr nur ein eingeschränkter Benutzerkreis mit einer Grundgebühr belastet werden kann, obergerichtlich bereits hinlänglich geklärt und daher nicht klärungsbedürftig ist (s. dazu unter 2.).

2. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Das Vorbringen im Zulassungsantrag ist nicht geeignet, einen die gerichtliche Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine Tatsachenfeststellung infrage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass die Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung des Landkreises Ansbach vom 1. Juli 2005 (im Folgenden: AGS) hinsichtlich des darin festgelegten Gebührenmaßstabs nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, weil nur für die Entsorgung von Restmüll aus privaten Haushalten nicht aber für die Entsorgung von Restmüll aus sonstigen Herkunftsbereichen (s. dazu § 13 Abs. 1, § 15 KrW-/AbfG, § 1 Abs. 2 Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises Ansbach vom 25.2.2005) eine Grundgebühr festgelegt wird. Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag hat das Verwaltungsgericht die Vorschriften der AGS zutreffend ausgelegt; bei der Gebühr nach § 4 Abs. 3 AGS handelt es sich um eine Leistungsgebühr und nicht - wie nunmehr vom Beklagten vorgetragen - um eine Gebühr, in der Grund- und Leistungsgebühr zusammengefasst sind. Selbst wenn man den Rechtsstandpunkt des Beklagten insoweit zugrunde legte, verbliebe es bei einem Verstoß der AGS gegen den Gleichheitssatz. Das ergibt sich aus folgendem:

Für die Abfallentsorgung von privaten Haushaltungen bestimmt sich die Grundgebühr gemäß § 3 Abs. 1 AGS nach der Zahl der Bewohner (im Sinne von § 1 Abs. 7 Abfallwirtschaftssatzung) eines Grundstücks, die Leistungsgebühr für die Abfallentsorgung im Bring- und Holsystem nach der Zahl und dem Fassungsvermögen der Restmüllbehältnisse und der Zahl der Abfuhren (§ 3 Abs. 2 Satz 1 AGS).

Für die Abfallentsorgung aus Einrichtungen anderer Herkunftsbereiche bemisst sich die Gebühr (allein) nach der Anzahl und dem Fassungsvermögen der Behälter (§ 3 Abs. 3 AGS).

Entsprechend dem in § 3 AGS festgelegten Gebührenmaßstab legt § 4 Abs. 1 AGS die Grundgebühr pro Grundstück für den Restmüll aus privaten Haushalten und § 4 Abs. 2 AGS die Leistungsgebühr für den entsprechenden Restmüll sowie § 4 Abs. 3 AGS die Gebühr für die Entsorgung des Restmülls aus Einrichtungen anderer Herkunftsbereiche fest.

Gemäß Art. 7 Abs. 5 BayAbfG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG kann zur Deckung der Vorhaltekosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung eine Grundgebühr erhoben werden, die so zu bemessen ist, dass neben ihr in der Mehrzahl der Fälle noch eine angemessene Abrechnung nach der tatsächlichen Nutzung stattfindet. Mit der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr soll die Inanspruchnahme der Annahme- und Betriebsbereitschaft der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung abgegolten werden; sie zielt insoweit auf eine Abgeltung der sogenannten Fixkosten wie z.B. Personal-, Verwaltungs-, Unterhaltungs- und Instandsetzungskosten ab (BayVerfGH vom 24.7.2006 BayVBl 2007, 42/43; BVerwG vom 1.8.1986 NVwZ 1987, 231). Da die Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Abfallentsorgungsanlage allen Benutzern zugute kommt, folgt aus dem Wesen der Grundgebühr, dass sie von  allenGebührenpflichtigen zu erheben ist (BayVerfGH, a.a.O., 43; Queitsch, ZKF 2000, 80/81; Stadlöder in Schieder/Happ, Kommunalabgabengesetz, RdNr. 76 zu Art. 8). Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert die Festsetzung der Grundgebühr nur geringe Differenzierungsanforderungen, weil die Vorhaltung der Entsorgungseinrichtung den Verursachern von viel und von wenig Abfall in gleichem Maße nutzt (BayVGH vom 20.10.1997 BayVBl 1998, 148/151).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht beanstandet, dass die streitgegenständliche Gebührensatzung nicht mit dem Gleichheitsatz vereinbar ist, da nach § 3 Abs. 1 AGS für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushalten eine Grundgebühr erhoben wird, während bei der Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen anderer Herkunftsbereiche nach § 3 Abs. 3 AGS keine Grundgebühr anfällt. Der Wortlaut der Satzung ist eindeutig. § 3 Abs. 3 AGS differenziert nicht wie bei den privaten Haushalten nach Grund- und Leistungsgebühr, sondern sieht für den Restmüll aus Einrichtungen sonstiger Herkunftsbereiche nur eine Jahresgebühr vor, die sich allein nach dem Volumen des Abfallbehältnisses bemisst. Hierin liegt eine rechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, denn private Haushalte und sonstige Einrichtungen wie etwa Büros oder Gewerbebetriebe, bei denen Restmüll anfällt, profitieren in gleicher Weise davon, dass der Landkreis zur Entsorgung des Restmülls eine Abfallentsorgungseinrichtung unterhält. Belastet eine Gebührenregelung nur einen Teil der Gebührenpflichtigen mit einer Grundgebühr, verstößt dies gegen den Gleichheitssatz, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen (BVerwG vom 1.8.1986 NVwZ 1987, 231/232; BayVGH vom 1.2.1995 BayVBl 1995, 432/433). Derartige besondere Umstände, die die Heranziehung nur eines Teils der Benutzer rechtfertigen könnten, sind weder vom Beklagten plausibel dargetan noch sonst ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund geht der Einwand des Beklagten, das angegriffene Urteil sei fehlerhaft, weil mit der „einheitlichen“ Gebühr nach § 3 Abs. 3 AGS Grund- und Leistungsgebühr zusammengefasst worden sei, systematisch schon im Ansatz fehl. Der in der AGS unterbliebene Ansatz einer Grundgebühr für Restmüll aus anderen Herkunftsbereichen kann – wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht durch einen erhöhten Gebührensatz bei der Leistungsgebühr kompensiert werden. Dass es sich bei der Gebühr nach § 3 Abs. 3 AGS um eine tonnengrößenabhängige Leistungsgebühr handelt, hatte der Beklagte ursprünglich selbst so gesehen (Schriftsatz vom 2.9.2006, VG-Akt Bl. 19). Die im Zulassungsantrag unternommene Herleitung einer nicht normierten Grundgebühr für Restmüll aus Einrichtungen anderer Herkunftsbereiche dadurch, dass von der für diese festgelegten Jahresgebühr die Leistungsgebühr für private Haushalte mit gleichgroßer Behältergröße abgezogen wird, lässt sich weder anhand der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2007 eingereichten Kalkulationsunterlagen bestätigen, noch könnte sie den festgestellten Verstoß gegen den Gleichheitssatz ausräumen. Der Vortrag des Beklagten, die Jahresgebühr nach § 3 Abs. 3 AGS sei kalkulatorisch an die durchschnittliche Gesamtgebühr der jeweiligen Behältergröße aus dem privaten Bereich angepasst worden, verkennt, dass die kalkulatorische Durchschnittsbildung bei den privaten Haushalten auch aus deren Möglichkeit herrührt, die Zahl der Entleerungen – im von der AGS vorgesehen Maß – verringern zu können. Diese Gestaltungsmöglichkeit ist indes dem durch die Leistungsgebühr abzugeltenden Bereich zuzuordnen.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Weder der Abfallgebührensatzung noch den Kalkulationsunterlagen ist eine Grundgebühr für die Entsorgung von Restmüll aus anderen Herkunftsbereichen zu entnehmen. Bereits dieser Mangel führt zur Nichtigkeit des Gebührenmaßstabs, ohne dass es auf die Gesamtkalkulation, die der Beklagte nicht nachvollziehbar erläutert hat, ankommen würde.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).