Bayerischer VGH, Urteil vom 25.04.2008 - 6 B 05.941
Fundstelle
openJur 2012, 91402
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Speditionsunternehmen, ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. 3847/2, 3847/3 und 3850 der Gemarkung M.. Die Grundstücke Fl.Nrn. 3847/2 und 3847/3 liegen unmittelbar an der O.straße zwischen A.- und R.straße, das Grundstück Fl.Nr. 3850 ist ein Hinterliegergrundstück zu diesen beiden und reicht nach Westen bis zur A.straße durch. Die Grundstücke Fl.Nr. 3847/3 und Fl.Nr. 3850 sind über die Grenze hinweg mit einem gewerblich genutzten Gebäude überbaut.

Ein Teil der heutigen O.straße diente ursprünglich von der A.straße in östlicher Richtung als private Zufahrt innerhalb eines Firmengeländes. Nach Werksstilllegung erwarb die Beklagte mit notarieller Urkunde vom 27. Oktober 1938 das Eigentum an der Zufahrt und räumte den Eigentümern angrenzender Grundstücke ein im Grundbuch eingetragenes Geh- und Fahrtrecht ein. Abgesehen von ehemaligen Werksgebäuden am östlichen Ende der Zufahrt bestand bis Anfang 1947 keine Bebauung. Ein Plan über die „vorläufige Verbreiterung des O.weges“ vom 25. Juli 1950 zeigt eine gehäufte Bebauung nördlich des Weges, der inzwischen durchgängig zwischen A.- und R.straße angelegt worden war und auf ca. 9 m verbreitert werden sollte. Nach einem Plan des Stadtbauamtes vom 6. Dezember 1954 war die Verbreiterung des O.wegs westlich der A.straße auf 13 m vorgesehen. Ein vermessungsamtlicher Plan vom 2. August 1958 sieht für den östlichen Teil des inzwischen in O.straße umbenannten Weges eine Fahrbahnbreite von 7 m und zwei Gehwege mit einer Breite von jeweils 2 m vor.

In der Erhebungsniederschrift der Beklagten vom 29. Oktober 1963 über die Ersterfassung der O.straße heißt es: „Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse: …Ortsstraße, 9 m breit, nicht ausgebaut. Gehsteige noch keine vorhanden…“.

Der Rechtsvorgänger der Klägerin erwarb die o.g. Grundstücke zwischen 1961 und 1967. Mit notariellem Tauschvertrag vom 30. Juni 1967 tauschten er und die Beklagte eine Teilfläche von 427 m² aus dem Grundstück Fl.Nr. 3847/3 gegen das damalige Grundstück Fl.Nr. 3850/3, das später mit weiteren Teilflächen zum Grundstück Fl.Nr. 3850 vereinigt wurde. In dem Tauschvertrag ist zu Gunsten des Rechtsvorgängers der Klägerin eine Tauschaufgabe in Höhe von 5.985 DM vereinbart, die im Rahmen der Erschließungsbeiträge gemäß Ortssatzung angerechnet werden sollte.

In den 60er Jahren nahm die Beklagte umfangreiche Straßenbaumaßnahmen an der O.straße vor. Straßenentwässerung und Gehwege wurden endgültig erst im Jahr 1998 hergestellt.

Mit Bescheiden vom 22. November 1999 zog die Beklagte die Klägerin für die Herstellung der O.straße zwischen A.- und R.straße zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von 3.324,37 DM für das Grundstück Fl.Nr. 3847/2, in Höhe von 27.423,92 DM, für das Grundstück Fl.Nr. 3847/3 sowie in Höhe von 42.647,30 DM für das Grundstück Fl.Nr. 3850 heran. Auf den Beitrag für das Grundstück Fl.Nr. 3847/3 wurde die 1967 vereinbarte Tauschaufgabe angerechnet.

Die Widersprüche, die die Klägerin gegen diese Bescheide einlegte, wies die Regierung mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2003 zurück.

Mit ihrer sodann erhobenen Klage machte die Klägerin unter näheren Ausführungen im Einzelnen insbesondere geltend, dass der östliche Teil der O.straße lange vor der abgerechneten Baumaßnahme erstmalig endgültig hergestellt worden sei. Außerdem sei die Tauschaufgabe von 1967 nicht nur mit dem Hauptbetrag zu verrechnen, sondern marktüblich zu verzinsen, weil es sich nicht um eine Vorausleistung, sondern um den Gegenwert für eine Tauschfläche handele. Die Verzinsungspflicht folge entweder bereits aus dem notariellen Tauschvertrag, aus einer entsprechenden Anwendung des § 133 Abs. 3 BauGB oder den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.

Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hob das Verwaltungsgericht die Bescheide der Beklagten vom 22. November 1999 und den Widerspruchsbescheid der Regierung vom 26. Februar 2003 insoweit auf, als die festgesetzten Beiträge den Betrag von 3.238,23 DM für das Grundstück Fl.Nr. 3847/2, den Betrag von 26.713,31 DM für das Grundstück Fl.Nr. 3847/3 und den Betrag von 41.568,52 DM für das Grundstück Fl.Nr. 3850 übersteigen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Eine Erschließungsbeitragspflicht sei erst im Jahr 1998 entstanden. Das 1938 von der Beklagten erworbene Teilstück der heutigen O.straße sei zunächst keine öffentliche Straße gewesen, wie die Einräumung privatrechtlicher Geh- und Fahrtrechte zu Gunsten der Eigentümer angrenzender Grundstücke zeige. Jedenfalls bis zum Jahr 1947 habe der Straße die Anbaufunktion gefehlt. Als die Straße durchgängig angelegt war und aufgrund gehäufter Bebauung der Erschließung diente, habe die Beklagte bereits eine vorläufige Verbreiterung auf 9 m geplant. Der am 2. August 1958 ausgefertigte Plan sehe für die östliche O.straße eine Fahrbahnbreite von 7 m und zwei Gehwege mit einer Breite von jeweils 2 m vor. Dementsprechend heiße es in der Erhebungsniederschrift vom 29. Oktober 1963, dass die Ortsstraße noch nicht ausgebaut sei, insbesondere keine Gehsteige bestünden. Alle Erschließungsbeitragssatzungen der Beklagten seit 1961 hätten bestimmt, dass Gehsteige erst dann endgültig hergestellt seien, wenn sie mit einer beiderseitigen Abgrenzung und einer neuzeitlichen Oberflächenbefestigung versehen seien. Die vorgelegten Lichtbilder vom 3. Februar 1997 zeigten, dass es zu dieser Zeit an einem entsprechenden Ausbau gefehlt habe. In weiten Bereichen habe auch noch keine Straßenentwässerung bestanden, auch nicht in Gestalt einer baulichen Vorrichtung zur geordneten Abführung des sich auf der Straße sammelnden Wassers. Der geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung der 1967 vereinbarten Tauschaufgabe bestehe nicht. Im Vertrag selbst sei eine Verzinsung nicht vorgesehen. Sie ergebe sich auch nicht aus der Verweisung auf die Beitragssatzung der Beklagten. Die vorgesehene Anrechnung könne nicht als Ablösung des Betrags verstanden werden, zumal eine solche nur im Ganzen zulässig sei. Eine entsprechende Anwendung von § 133 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauGB scheide aus, weil die Erschließungsanlage seit langem benutzbar gewesen sei. Damit scheide auch ein Rückgriff auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus. Zu korrigieren sei die geltend gemachte Beitragsforderung lediglich der Höhe nach hinsichtlich des Aufwands für die Straßenentwässerung.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. August 2007 zugelassenen Berufung trug die Klägerin vor: Die angegriffene Entscheidung sei fehlerhaft, soweit sie zu ihren Lasten einen Anspruch auf Verzinsung der in dem notariellen Vertrag vom 30. Juli 1967 vereinbarten Tauschaufgabe verneint habe. Richtigerweise folge ein Verzinsungsanspruch bereits aus der Vereinbarung der Vertragsparteien, jedenfalls im Wege ergänzender Vertragsauslegung. Im Vertrag finde sich keine Bestimmung darüber, dass der Betrag von 5.985 DM nicht zu verzinsen sei. Der Verweis auf die Ortssatzung bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Berücksichtigung der Tauschaufgabe zeitlich bei der Erhebung der Erschließungsbeiträge erfolgen solle. Eine Vereinbarung der Parteien dahingehend, dass sich die Frage einer materiell-rechtlichen Verzinsungspflicht nach der Ortssatzung richte, also dem Willen des Satzungsgebers übertragen sei, lasse sich ihm nicht entnehmen. Es sei deshalb nicht tragfähig, wenn ihr ein Verzinsungsanspruch abgesprochen werde, weil die Erschließungsbeitragssatzung hierzu keine Regelungen enthalte. Es komme vielmehr allein darauf an, wie der Vertrag nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen sei. Aufseiten der Beklagten habe kein Anlass für die Erwartung eines zinslosen Kredites bestehen können, bei dem sie die seit 1967 gezogenen marktüblichen Zinsen behalten könne. Es seien auch keine Umstände festzustellen, die auf eine spezifische vertragliche Risikoverteilung hindeuteten, nach der es die Beklagte in der Hand haben solle, darüber zu entscheiden, wann sie die O.straße fertig stelle und dazu berechtigt sein solle, die gezogenen Zinsen in jedem Fall zu behalten. Indizumstände dafür, dass die Parteien von einer Verzinsungspflicht hätten absehen wollen, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Dass keine ausdrückliche Regelung zur Verzinsung getroffen worden sei, erkläre sich nicht aus einem besonderen Gestaltungswillen, sondern daraus, dass sich aus ihrer Sicht eine grundsätzliche Verzinsungspflicht bereits aus gesetzlichen Grundlagen ergebe. Die Forderung nach Zinsen entstamme einem vollzogenen Grundstückstauschvertrag, bei dem die Verzinsung aus den §§ 286 ff, 288, 452 BGB a.F., § 353 HGB, jedenfalls aber aus der Verkehrssitte folge. Es sei im Geschäftsverkehr nicht üblich, zinslose Kredite zu gewähren. Um auf Zinseinnahmen aus einer Geldsumme zu verzichten, müsse ein kaufmännisch nachvollziehbarer Grund bestehen und zudem der Zinsausfall kalkulierbar sein. An beidem fehle es. Die Verzinsungspflicht sei damit selbstverständlich. Angesichts des Planungsstandes habe es seinerzeit keine Veranlassung gegeben, die Frage einer Verzinsung bezogen auf das Jahr 1998 zu regeln. Eine Vergleichbarkeit der Tauschaufgabe mit einer Vorausleistung sei nicht gegeben. Die Annahme einer stillschweigenden Verzichtsvereinbarung berücksichtige nicht, dass die Forderung an die Stelle des übereigneten Grundeigentums getreten sei und die Zinsersparnis der Beklagten nach der Wertordnung des Grundgesetzes der Klägerin und nicht der Beklagten zugewiesen sei. Jedenfalls müsse der Vertrag ergänzend ausgelegt werden. Eine solche Auslegung bestehe in der Schließung von Lücken, d.h. planwidrigen Unvollständigkeiten der rechtsgeschäftlichen Regelung. Dass sich die Herstellung der Straße derart verzögern würde, habe bei Vertragsschluss nicht bedacht werden können. Mit den gegenseitigen Schutzpflichten der Vertragspartner sei es nicht zu vereinbaren, wenn im Verhältnis zwischen den Beteiligten der Beklagten (und nicht der Klägerin) die bestimmungsgemäße Nutzung der Tauschaufgabe zuzurechnen sei und diese auch noch die in diesem Zeitraum angefallenen Zinsen behalten wolle. Des Weiteren enthalte § 133 Abs. 3 BauGB keine abschließende Regelung. In der Rechtsprechung sei stets anerkannt gewesen, dass Verzinsungspflichten im Verhältnis Beitragsschuldner/Beitragsgläubiger bestehen. Die entsprechende Anwendung der genannten Bestimmung sei nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten, weil die Sachlage identisch sei. Dass die O.straße benutzbar gewesen sei, könne nicht maßgebend sein. Es komme darauf an, dass sie nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erstmals 1998 endgültig hergestellt worden sei. Schließlich bestehe eine Verzinsungspflicht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Maßstäben seien rechtsgrundlos gezogene Zinsen ohne weiteres herauszugeben, selbst wenn ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung bestehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. Februar 2005 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 22. November 1999 sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 26. Februar 2003 über das erstinstanzielle Urteil hinaus in dem Umfang aufzuheben, der sich bei Annahme einer Verzinsung der Tauschaufgabe mit einem Zinssatz von 4% je Jahr für den Zeitraum vom 1. Januar 1970 bis 31. Dezember 1999 errechnet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Begehren der Klägerin mit ins Einzelne gehenden Ausführungen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Erschließungsbeiträge, die sie von der Klägerin fordert, zutreffend ermittelt.

Im Berufungsverfahren hat sich die Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten auf das Problem reduziert, ob bei der Beitragsabrechnung Zinsansprüche der Klägerin zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind. Der einleitende Satz der Berufungsbegründung, das angegriffene Urteil sei fehlerhaft, soweit es zulasten der Klägerin einen Anspruch auf Verzinsung der in dem notariellen Vertrag vom 30. Juli 1967 vereinbarten Tauschaufgabe verneint habe, gibt Anlass, den Streitgegenstand näher zu umreißen. Die Klägerin wendet sich im Wege der objektiven Klagehäufung gegen drei Erschließungsbeitragsbescheide mit dem Ziel, dass auf die festgesetzten Beiträge nicht nur der Grundbetrag der Tauschaufgabe, sondern auch ein durch die späte endgültige Herstellung der abgerechneten Anlage aufgelaufener Zins angerechnet wird, damit sich das in den Bescheiden ausgesprochene Leistungsgebot, also die Zahlungsaufforderung verringert. Aufgrund dieser prozessualen Konstellation geht es nicht um die Frage, ob die Beklagte der Klägerin aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Zinszahlung auf die -vereinbarungsgemäß nicht sofort zu begleichende, sondern auf den Erschließungsbeitrag anzurechnende - Tauschaufgabe schuldet. Im gegebenen Zusammenhang ist vielmehr allein entscheidend, ob bei der Abrechnung des Aufwands für die endgültige Herstellung der Straße durch die umstrittenen Bescheide die Tauschaufgabe rechtsfehlerfrei nur mit dem Grundbetrag angerechnet worden ist oder um einen eventuell angefallenen Zinsbetrag zu erhöhen gewesen wäre. Für eine um Zinsen „erweiterte“ Anrechnung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Ein vertraglicher Anspruch besteht nicht.

Dass der notarielle Vertrag vom 30. Juli 1967 sich zur Anrechnung von Zinsen nicht äußert, ergibt sich aus seinem Wortlaut und steht auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die in ihm enthaltene Verweisung auf die „Ortssatzung“ ist, wie die Klägerin zu Recht festgestellt hat, lediglich Ausdruck einer Willensbildung hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten (Zeitpunkt nach Entstehen sachlicher Beitragspflichten, Aufwandsverteilung entsprechend der jeweiligen Satzung). Für eine satzungsmäßige Zinsregelung hätte übrigens keine Ermächtigungsgrundlage bestanden.

Die Auffassung der Klägerin, die Tatsache, dass die Parteien im notariellen Vertrag zur Verzinsungspflicht keine ausdrückliche Bestimmung getroffen hätten, erkläre sich nicht aus einem besonderen Gestaltungswillen, sondern daraus, dass sich aus ihrer Sicht eine entsprechende Pflicht bereits aus den einschlägigen bürgerlich-rechtlichen und handelsrechtlichen gesetzlichen Grundlagen ergeben habe, diese Pflicht also selbstverständlich war, ist nicht stichhaltig. Dabei kann einerseits dahingestellt bleiben, ob das Zivilrecht eine Verzinsung gebietet, andererseits aber auch, ob eine Anrechnung der Tauschaufgabe auf den Erschließungsbeitrag unter Einschluss gesetzlicher Zinsen vertraglich wirksam hätte vereinbart werden können. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zum Tauschvertrag sind nämlich nicht einschlägig. Die Anrechnungsklausel im notariellen Vertrag vom 30. Juli 1967 ist ungeachtet dessen, dass sie in einen privat-rechtlichen Grundstückstauschvertrag eingebettet ist, ihrerseits öffentlich-rechtlichen Charakters. Sie bezieht sich auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt. Mit der in ihr liegenden Einflussnahme auf das Leistungsgebot, das in einem endgültigen Beitragsbescheid zulässiger Weise angeordnet werden darf, bestimmt sie das Rechtsverhältnis zwischen der erschließenden Gemeinde und den beitragspflichtigen Eigentümern der zu erschließenden Grundstücke (vgl. BGH vom 21.6.1974 DÖV 1974, 712; BVerwG vom 22.8.1975 KStZ 1975, 229). Damit scheidet eine direkte Anwendung bürgerlichen Rechts von vornherein aus.

Aber auch die von der Klägerin angesprochenen Wege einer entsprechenden Anwendung, etwa über den für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Art. 62 BayVwVfG, durch den die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches unter bestimmten Voraussetzungen ergänzend herangezogen werden können, und über eine ergänzende Vertragsauslegung führen nicht zu einer Verzinsungspflicht. Die vereinbarte Tauschaufgabe diente, wie von der Klägerin ausgeführt, für sich gesehen zweifellos nur dem wertmäßigen Ausgleich des Grundstückstauschgeschäfts. Durch ihre Verbindung mit der Anrechnungsklausel wurde sie jedoch zu einer zweckgerichtet auf den Erschließungsbeitrag erbrachten Leistung und damit zu einem einer Vorausleistung vergleichbaren Vorschuss auf den endgültigen Beitrag, der dem Regime des Abgabenrechts unterworfen ist. Das Abgabenrecht stellt jedoch ein eigenständiges System der Verzinsung bereit (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b) aa) KAG, §§ 233 Satz 1, 37 Abs. 1 und 2 AO), das aufgrund der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG getroffenen Regelung die Verweisung des Art. 62 BayVwVfG sperrt (BayVGH vom 19.5.1994 NVwZ-RR 1995, 220/221). Die von der Klägerin gewünschte ergänzende Vertragsauslegung verbietet sich aus der Interessenlage der Beteiligten. Die Klägerin stützt ihre Argumentation auf die Überlegung, bei der fehlenden rechtsgeschäftlichen Verzinsungsregelung handle es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrags, die der Lückenschließung bedürfe. Aufseiten der Beklagen habe kein Anlass für die Erwartung eines zinslosen Kredits bestehen können, bei dem sie die seit 1967 gezogenen marktüblichen Zinsen behalten dürfe. Diese Betrachtungsweise verkennt den Charakter der Anrechnungsklausel. Wie bereits dargestellt, bestimmt diese die Leistung der Klägerin zu einem Vorschuss auf ein für den Erhalt eines Sondervorteils zu erhebenden Erschließungsbeitrag, so dass es sich nicht um einen zinslosen Kredit handelt. Die Beklagte hat den Betrag ersichtlich zweckentsprechend verwendet. Wie die Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung erbracht hat, bestand bei Abschluss des notariellen Vertrags bereits eine funktionsfähige Straße, die zwar noch nicht über durchgehende Gehwege und eine komplette Entwässerung verfügte, über die aber der gewerbliche Verkehr des Betriebs der Klägerin abgewickelt werden konnte und die der Erreichbarkeit der Grundstücke für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge sowie Wagen der Rettungsdienste genügte. Da durch den Erschließungsbeitrag derjenige Sondervorteil aus der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anbaustraße abgegolten wird, der mit der Rechtsfolge verbunden ist, dass eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende Verkehrserschließung des Grundstücks abgelehnt werden darf (BayVGH vom 10.7.2002 VGH n.F. 55, 121/125 = BayVBl 2003, 176/177), und diese Situation schon bei Vertragsabschluss gegeben war, kann von einem Nutzen, den die Beklagte aus dem Bezug marktüblicher Zinsen gezogen hat, keine Rede sein. Die aufgeschobene Zahlung der Tauschaufgabe galt einen bereits entstandenen Sondervorteil ab, finanzierte eine Vorleistung der Beklagten und war geeignet, den endgültigen Herstellungsaufwand durch Vermeidung von Fremdfinanzierung in Grenzen zu halten. Eine „wirtschaftliche Förderung“ der Beklagten konnte entgegen der Auffassung der Klägerin ebenso wenig eintreten wie ohne Verzinsung eine vertragswidrige Risikoverteilung gegeben war.

Die Anrechenbarkeit der Tauschaufgabe zuzüglich Zinsen lässt sich ferner nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB herleiten. Dabei kann offen bleiben, ob diese Bestimmung bei vertraglichen Vereinbarungen überhaupt herangezogen werden kann (verneinend zu einer Vorausleistungsvereinbarung Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 21 RdNr. 53). Jedenfalls liegen ihre Voraussetzungen nicht vor. Zu verzinsen ist danach ein Rückzahlungsanspruch, der entsteht, wenn sechs Jahre nach Erlass des Vorausleistungsbescheids die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist und die Erschließungsanlage bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benutzbar ist. Wie oben schon dargelegt, vermittelte die abgerechnete Anlage schon seit 1967 den Grundstücken der Klägerin (zwar noch nicht die geplante), aber eine für deren bauliche Nutzung ausreichende wegemäßige Erschließung und war infolge dessen im Sinne des Gesetzes benutzbar.

Anrechenbare Zinsen ergeben sich schließlich auch nicht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Keiner weiteren Erörterung bedarf in diesem Zusammenhang, inwieweit bei solchen Ansprüchen gegenüber Behörden eine Verzinsung wegen tatsächlich gezogener Nutzungen grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. BVerwG vom 18.5.1973 NJW 1973,1854; vom 27.10.1998 BVerwGE 107,304/308). Angesichts dessen, dass die Beklagte durch Errichtung einer funktionsfähigen Straßenanbindung für die Grundstücke der Klägerin bereits in den 60er Jahren in Vorleistung getreten, die Tauschaufgabe also zweckentsprechend verwendet war, konnte sie aus dem Hauptbetrag der Tauschaufgabe nicht mehr rechtsgrundlos Zinsen ziehen.

Hinsichtlich der sonstigen im Laufe des Verfahrens gegen die umstrittene Abrechnung geltend gemachten Bedenken kann auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 130 b Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.672,10 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).

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