OLG Nürnberg, Urteil vom 15.02.2008 - 5 U 103/06
Fundstelle
openJur 2012, 90311
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 2) wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2005 abgeändert.

II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 02.12.2003 zu zahlen.

III. Weiter wird die Beklagte zu 1) verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 01.12.2005 eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 600,00 Euro, zahlbar jeweils vierteljährlich im Voraus, fällig am 01.12., 01.03., 01.06 und 01.09. eines jeden Jahres, zu zahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger den aufgrund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 19.02.1992 entstandenen materiellen und künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

V. Die Klage wird bezüglich des Beklagten zu 2) abgewiesen.

VI. Die Berufung der Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.

VII. Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen; im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Parteien können eine Vollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vorher Sicherheit in entsprechender Höhe geleistet hat.

IX. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

425.200,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des materiellen Schadens aus einem behaupteten ärztlichen Fehlverhalten bei seiner Geburt.

Er wurde am 19.02.1992 als zweites Kind seiner Mutter von dem Beklagten zu 2) im Krankenhaus M entbunden. Der Beklagte zu 2) nahm die Entbindung als Assistenzarzt von Dr. L vor, der zwischenzeitlich verstorben ist und von der Beklagten zu 1), seiner Ehefrau beerbt wurde.

Der Frauenarzt der Mutter des Klägers, der Zeuge Dr. D stellte am 08.01.1992 eine Beckenendlage des Klägers fest. Auf Anraten begab sich die Mutter des Klägers am 16.01.1992 zu dem Geburtshelfer Dr. L, der damals mehrere Belegbetten im Krankenhaus M unterhielt. Dieser untersuchte die Mutter des Klägers und dokumentierte u. a. Folgendes: "... vag. Entbindung soll angestrebt werden, je nach MM Befund; (1. Entb. SC, ohne Kompl.) erört. Risiko bei Steißlagen, Pat. will auch vag. Entb. wie vorgeschlagen ...".

Am 05.02.1992 stellte Dr. D fest, dass die Beckenendlage unverändert war.

Am 19.02.1992 – in der 39. Schwangerschaftswoche – begab sich die Mutter des Klägers bei Eintreten von Wehen gegen 15.50 Uhr ins Krankenhaus M, wo sie von der zwischenzeitlich verstorbenen Hebamme Frau M untersucht wurde, die eine Steiß-Fußlage dokumentierte. Gegen 16.30 Uhr erschien der Beklagte zu 2), untersuchte die Mutter des Klägers und stellte einen vollständig geöffneten Muttermund fest. Er führte einen Dammschnitt durch und begann die Entwicklung des Klägers aus der nach wie vor vorhandenen Steiß-Fußlage. Dokumentiert ist zunächst eine Entwicklung des Klägers nach Bracht, daran anschließend eine Armlösung nach van Deventer-Müller und anschließend eine Kopfentwicklung nach Veit Smelie. Der festgestellte Kopfumfang des Klägers betrug 36 cm, sein Gewicht 3.570 g. Die vom Beklagten zu 2) dokumentierten Apgar-Werte betrugen 8, 9, 10. Laut Dokumentation war die Geburt um 16.57 Uhr beendet.

Am Morgen des 20.02.1992 wurde festgestellt, dass der Kläger ohne Muskeltonus ist und dass er keinen sog. Schreitreflex aufweist.

Am 01.06.1992 wurde die abschließende Diagnose "ausgeprägte schwere Muskelhypotonie unklarer Genese u. a." gestellt, die in der Folgezeit als "Halsmarkläsion im Bereich C 7 – Th 1 bei Verdacht auf posttraumatische Schädigung mit neurogener Blase mit rezidivierender HWIs sowie Temperaturregulationsstörung" konkretisiert wurde.

Der Kläger behauptet, seine Mutter sei von Dr. L trotz ihres ausdrücklichen Sectio-Wunsches nicht über die Vorzüge und Risiken beider Behandlungsalternativen (Sectio und vaginale Beckenlagenentbindung) aufgeklärt worden. Insbesondere habe Dr. L die mit einer Entwicklung aus der Beckenendlage verbundenen Risiken bis hin zu einer Rückenmarkverletzung nicht mitgeteilt. Bei Kenntnis der Risiken hätte sich seine Mutter selbstverständlich für die Sectio entschieden. Dr. L bzw. der Beklagte zu 2) hätten es pflichtwidrig unterlassen, vor seiner Entwicklung eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen.

Der Beklagte zu 2) habe beim Geburtsvorgang die Halswirbelsäule des Klägers derart überdehnt, dass es zu einer fast gänzlichen Halsmarkläsion gekommen sei. Zudem habe der Beklagte zu 2) nicht über den gebotenen Facharztstatus verfügt. Dr. L habe verbindlich zugesagt gehabt, er werde die vaginale Geburt des Klägers selbst durchführen.

Als Folge der Behandlungsfehler sei er ab der Halswirbelsäule weitestgehend querschnittsgelähmt. Er könne nicht sitzen und nicht gehen. Sei lediglich in der Lage, die Arme zu bewegen, wobei die Feinmotorik der Hände nicht vorhanden sei. Er könne sich auf natürlichem Wege nicht entleeren, sei rund um die Uhr auf die Hilfe dritter Personen angewiesen und werde lebenslang an den Rollstuhl gefesselt sein. Er leide permanent unter Temperaturempfindungsstörungen erheblichen Ausmaßes. Neben bereits erfolgten operativen Eingreifen zur Versteifung der Halswirbelsäule seien weitere Operationen zu erwarten.

Der Kläger meint, seine Entwicklung aus der Beckenendlage anstelle einer Sectio sei mangels gebotener Aufklärung ohne wirksame Einwilligung seiner Mutter erfolgt. Der Beklagte habe grob fehlerhaft vor der vaginalen Entbindung eine Ultraschallkontrolle unterlassen und auch bei der Entbindung die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 01.12.2003 eine angemessene monatliche Schmerzensgeldrente, jeweils vierteljährlich im voraus, zu zahlen, jeweils am 01.03., 01.06., 01.09. und 01.12. eines Jahres.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aufgrund der anlässlich der Geburt am 19.02.1992 erlittenen gesundheitlichen Schädigung (Halsmarkläsion) bereits entstandenen materiellen und zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder Dritte übergegangen ist oder noch übergeht.

IV. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagten haben beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, aus der Behandlungsdokumentation ergebe sich eindeutig, dass die Mutter des Klägers über Behandlungsalternativen und deren Risiken aufgeklärt worden sei und sich aus freien Stücken für die vaginale Geburt entschieden habe. Eine Ultraschallkontrolle vor der Entwicklung aus Beckenendlage sei weder medizinisch geboten, noch zeitlich möglich gewesen. Der Beklagte zu 2) habe die gebotenen Handgriffe mit der erforderlichen Sorgfalt angewandt, also den Kläger lege artis entwickelt. Eine dabei evtl. stattgehabte Halsmarkschädigung sei schicksalhaft.

Der Beklagte zu 2) habe lediglich formal nicht über den Facharztstatus verfügt, jedoch eine facharztadäquate Qualifikation gehabt.

Die Halsmarkläsion könne bereits pränatal oder postpartal eingetreten sein.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat nach Anhörung der Mutter des Klägers, Anhörung des Beklagten zu 2), Zeugeneinvernahme von Dr. D und Erholung eines gynäkologischen und eines neuropädiatrischen Sachverständigengutachtens der Professoren Dr. med. R. S und Dr. D. W die Beklagten wie folgt verurteilt:

I. Die Beklagten werden gesamtverbindlich verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.12.2003 zu zahlen.

II. Weiter werden die Beklagten gesamtverbindlich verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 01.12.2005 eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 500,00 Euro, zahlbar jeweils vierteljährlich im voraus, fällig am 01.12., 01.03., 01.06. und 01.09. des Jahres, zu zahlen.

III. Weiter wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aufgrund der fehlerhaften ärztlichen Behandlung vom 19.09.1992 entstandenen materiellen und zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht kraft Gesetzes auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

IV. Die Beklagte tragen gesamtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Kammer führt aus, sie sei überzeugt, dass die Halsmarkschädigung durch den Beklagten zu 2) verursacht sei, weil er zu viel Zug auf das kindliche Köpfchen angewandt habe. Andere Möglichkeiten als die Schädigung unmittelbar beim Geburtsvorgang seien auszuschließen. Dies folge sowohl aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W, als auch aus den Angaben des Zeugen Dr. D, der bei einer Ultraschalluntersuchung am Morgen des 19.02.1992 noch keine Überstreckung des Kopfes festgestellt habe; äußere Einwirkungen auf den Fötus zwischen der Untersuchung bei Dr. D und der Geburt seien ebenfalls auszuschließen. Dies gelte auch für eine mögliche postpartale Schädigung, weil der fehlende Muskeltonus schon am 20.02.1992 festgestellt worden sei und auch dazwischen andere mögliche Schadensursachen nicht erkennbar seien. Der Schaden weise auf einen schuldhaft falschen Zug hin, so dass nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises von einem Verschulden des Beklagten zu 2) auszugehen sei. Der Anscheinsbeweis sei nicht erschüttert. Die Haftung der Beklagten zu 1) ergebe sich sowohl aus § 831 BGB, als auch unter dem Gesichtspunkt mangelnder Aufklärung. Die Beklagten hätten nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Geburtsalternativen und deren Risiken stattgefunden habe. Auf das Risiko einer Halsmarkläsion sei jedenfalls nicht dokumentiert hingewiesen worden. Die unterschiedlichen Risiken einer vaginalen Geburt und einer Sectio hätten eine Selbstbestimmungsaufklärung notwendig gemacht. Die Sectio sei auch ursächlich für die Halsmarkläsion geworden, weil durch Prof. Dr. S nicht belegt sei, dass es auch ohne Sectio hierzu gekommen wäre.

Die Kammer sei aufgrund der ärztlichen Berichte, der Angaben der Mutter und aufgrund allgemeiner Erfahrungswerte davon überzeugt, dass die behaupteten Einschränkungen beim Kläger vorlägen. Bei Bemessung des Schmerzensgeldes sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger eine irreversible Beeinträchtigung seiner Lebensführung erlitten habe und sich die Beklagten seit vielen Jahren nicht bereit gezeigt hätten, eine irgendwie geartete Entschädigung zu zahlen. Da sich der geistig normal entwickelte Kläger seiner dauerhaften Schädigung stets bewusst sei und diese immer wieder schmerzlich aufs Neue erfahre, sei neben der Kapitalentschädigung auch eine monatliche Schmerzensgeldrente zuzusprechen.

Gegen dieses den Parteien jeweils am 21.12.2005 zugestellte Endurteil haben die Beklagten mit am 12.01.2006 und der Kläger mit am 23.01.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Beide Berufungen wurden fristgemäß begründet.

Die Beklagten rügen insbesondere, dass die Kammer zu Unrecht die Grundsätze des Anscheinsbeweises angewandt habe. Es handele sich gerade nicht um einen typischen Geschehensablauf, sondern die Halsmarkläsion bei vaginaler Geburt sei eine äußerst seltene Komplikation. Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. S könne nicht herausgelesen werden, dass nur schuldhaft falsche Entwicklungsgriffe schadensursächlich geworden sein könnten. Im Übrigen sei das Gutachten von Prof. Dr. S durch ein Privatgutachten von Prof. Dr. B erschüttert. Im Bezug auf das Gutachten B sei die Kammer verpflichtet gewesen, die vorhandenen Widersprüche aufzuklären und erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Die Haftung des Beklagten zu 1) gem. § 831 BGB sei zu Unrecht bejaht worden, da ein Auswahlverschulden nicht vorliege und die zur Exculpation angeführten Beweise nicht gewürdigt worden seien.

Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei fehlerhaft angenommen worden. Die Aufklärung der Mutter des Klägers sei dokumentiert; es reiche, dass sich aus der Dokumentation eine Aufklärung im Großen und Ganzen ergebe. Ein Kaiserschnitt sei im Jahr 1992 noch keine gleichwertige Entbindungsmethode im Verhältnis zu einer vaginalen Entbindung gewesen. Im Übrigen sei das Risiko einer Halsmarkläsion ohnehin nicht aufklärungspflichtig gewesen.

Schließlich machen die Beklagten geltend, das zugesprochene Schmerzensgeld sei zu hoch.

Umgekehrt hält der Kläger das zugesprochene Schmerzensgeld für zu gering. Das Gericht habe maßgebliche Umstände für die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt und bewertet. Das Erstgericht habe insbesondere nicht beachtet, dass in einem Schwerstschadensfall wie dem vorliegenden andere Gerichte weit höhere Schmerzensgeldbeträge zugesprochen hätten. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung erscheine ein Schmerzensgeld von 350.000,00 Euro, sowie eine Schmerzensgeldrente von monatlich 750,00 Euro angemessen.

Die Beklagten beantragen:

I. Das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2005, Az.: 4 O 2690/03, wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2005, Az.: 4 O 2690/03, wird zurückgewiesen.

Der Kläger beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2005 wird abgeändert.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den zugesprochenen Schmerzensgeldbetrag von 250.000,00 Euro hinaus ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 02.12.2003.

III. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 01.12.2005 über die zugesprochene monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 500,00 Euro hinaus eine weitere angemessene monatliche Schmerzensgeldrente, ebenfalls mit Wirkung ab 01.12.2005, zahlbar jeweils vierteljährlich im voraus, fällig am 01.12., 01.03., 01.06. und 01.09. des Jahres, zu zahlen.

IV. Die Beklagten tragen auch gesamtschuldnerisch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Berufung der Beklagten beantragt der Kläger:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschriften und die schriftlichen Gutachten der Professoren Dr. S, Dr. W und Dr. B Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S, durch weiteres Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W und durch erneute Anhörung der Mutter des Klägers.

II.

Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist unbegründet, weil das Landgericht im Ergebnis zu Recht eine Haftung des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1) bejaht hat. Die Berufung des Beklagten zu 2) hat in der Sache Erfolg, da ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 2) nicht nachgewiesen ist. Die Berufung des Klägers bezüglich des Beklagten zu 2) ist unbegründet. Die Berufung des Klägers hat, soweit sie gegen die Beklagte zu 1) gerichtet ist, Erfolg, weil ein Schmerzensgeld von 300.000,00 Euro und eine Schmerzensgeldrente von 600,00 Euro monatlich angemessen erscheinen.

1. Die Beklagte zu 1) ist als Erbin von Dr. L gem. § 1922 BGB i. V. m. §§ 823, 847 BGB a. F. sowohl zum Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers, als auch zum Ersatz des materiellen Schadens verpflichtet. Für den materiellen Schaden haftet sie zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Behandlungsvertrages.

Die zwar von Dr. L nicht eigenhändig, aber vom Beklagten zu 2) in dessen Auftrag durchgeführte Entbindung des Klägers war rechtswidrig, weil die Mutter des Klägers vorher nicht ausreichend über die in Betracht kommenden Behandlungsmethoden bei Beckenendlage aufgeklärt war und ihre Einwilligung daher unwirksam war.

Jede ärztliche Behandlung setzt eine Einwilligung des Patienten voraus, auch wenn mit der Behandlung kein "Eingriff" im eigentlichen Sinn verbunden ist, wie dies bei einer vaginalen Entbindung der Fall ist. Wirksam ist die Einwilligung des Patienten nur dann, wenn er sich der Tragweite seiner Einwilligung bewusst ist. Dieses Bewusstsein hat ihm der Arzt zu vermitteln und zwar sowohl durch Aufklärung über die Risiken der konkret geplanten Behandlung (die sowohl in einem "Eingriff" als auch in bloßem Zuwarten bestehen kann), sog. Risikoaufklärung, als auch über mögliche Behandlungsalternativen und deren unterschiedliche Risiken, sog. Selbstbestimmungsaufklärung. Die Aufklärung und deren Umfang sind vom Arzt zu beweisen.

Der von der Beklagten zu 1) zu führende Nachweis, dass die Mutter des Klägers ausreichend über die unterschiedlichen Risiken für sie und den Kläger bei vaginaler Geburt bzw. bei einer Sectio aufgeklärt war, ist nicht zur Überzeugung des Senats erbracht.

Für den Senat besteht kein Zweifel, dass auch schon im Jahre 1992 die Entwicklung eines Kindes aus Beckenendlage durch Sectio auch bei einer Zweitgebärenden eine echte Behandlungsalternative zur vaginalen Entwicklung darstellte und daher im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung mit der Mutter zu erörtern war. Dies ergibt sich nicht nur aus den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. S sondern auch aus im Folgenden nur beispielhaft genannten obergerichtlichen Entscheidungen: BGHZ 106, 153; BGH VersR 92, 237 (beide Geburtsfälle aus dem Jahr 1982 betreffend); BGHZ 120, 1 (Geburtsfall 1979) und BGH NJW 2004, 3703 (Geburtsfall 1991 "die Patientin ist über eine primäre Schnittentbindung als Behandlungsalternative zur abwartenden Haltung aufzuklären").

Die Dokumentation von Dr. L ist nicht geeignet, die Überzeugung zu begründen, dass der Mutter des Klägers ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, selbstbestimmt über die Behandlungsmethode zu entscheiden. Der ärztlichen Dokumentation kommt zwar eine starke Indizwirkung zu, aber nicht derart, dass das dokumentierte ohne Hinzutreten weiterer Beweisanzeichen oder weiterer Beweismittel als bewiesen angenommen werden müsste. Derartige weitere beweiserhebliche Tatsachen liegen aber nicht vor. Insbesondere ist aufgrund des Todes von Dr. L die ansonsten naheliegende Anhörung bzw. Parteieinvernahme der Behandlerseite nicht möglich, was aber nicht dazu führen kann, nunmehr der Dokumentation einen Beweiswert beizumessen, den sie ansonsten nicht hätte. Diese Konsequenz ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagtenvertreterin zitierten Entscheidung des BGH (NJW 2005, 200).

Im Übrigen lässt sich aus dem Vermerk über die Aufklärung der Mutter des Klägers nicht herauslesen, dass dieser die Risiken beider Behandlungsalternativen derart verdeutlicht wurden, dass sie wirklich in die Lage versetzt war, abzuwägen, welche Risiken für sich bzw. ihr Kind (den Kläger) sie eingehen wollte. Der Vermerk, dass "Risiken angesprochen" wurden lässt schon nicht erkennen, ob alle Risiken angesprochen wurden und diese auch verdeutlicht wurden. Auch wenn Risiken verharmlost werden, sind sie "angesprochen". In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob zu den Risiken die zu erörtern waren, auch das Risiko einer Halsmarkläsion gehörte, weil diese Komplikation nach Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. S äußerst selten ("vernachlässigungswert") ist und daher trotz der schwerwiegenden Auswirkung nicht erwähnt werden musste. Entscheidend ist vielmehr, dass durch die Selbstbestimmungsaufklärung dem Patienten die Entscheidungsfreiheit über die Behandlungsmethode gelassen werden muss. Dies setzt eine objektive Darstellung der Risikolage voraus, der sich durchaus eine Empfehlung des Arztes anschließen darf. Dagegen darf der Arzt den Patienten nicht von vornherein in die von ihm gewünschte Richtung lenken. Ob vorliegend die Grenze zwischen Empfehlung und Drängen eingehalten wurde, vermag der Senat allein aufgrund der Dokumentation nicht im Sinne einer bloßen Empfehlung zu entscheiden.

Darüber hinaus spricht das Ergebnis der Anhörung der Mutter des Klägers sowie die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen Dr. D eindeutig gegen eine objektive Darstellung der Risiken. Die Mutter des Klägers hat glaubhaft geschildert, dass sie aufgrund der festgestellten Beckenendlage Angst vor einer vaginalen Geburt hatte. Diese zunächst bestehende, aber auch nach der Vorsprache bei Dr. L weiter vorhandene Furcht wird durch die Aussage des Zeugen Dr. D bestätigt. Letztlich findet diese auch ihren Niederschlag in der Dokumentation, wenn es dort heißt "Patientin will jetzt auch" was bestätigt, dass die Mutter des Klägers eigentlich mit einer anderen Intention gekommen war. Ebenso glaubhaft erscheint auch, dass die Mutter trotz ihres dokumentierten "Sinneswandels" nach wie vor nicht von der von Dr. L vorgeschlagenen Methode überzeugt war, sich aber "gefügt" hat. Damit ergeben sich nicht zu überwindende Zweifel daran, dass der Mutter eine echte Risikoabwägung ermöglicht wurde und eine solche auch tatsächlich stattgefunden hat. Vielmehr erscheint die Darstellung der Mutter, Dr. L habe sie im Hinblick auf die angestrebte vaginale Geburt besänftigt und diese als mehr oder weniger risikolos dargestellt, plausibel. Dabei ist auch berücksichtigt, dass sich die Mutter auch deshalb gefügt hat, weil sie Wert darauf legte, im Krankenhaus M zu entbinden und aus ihrer Sicht die Alternative Sectio auch bedeutet hätte, dass sie in einem anderen Krankenhaus entbinden muss. Ihre Entscheidung beruht erkennbar nicht darauf, dass sie die Risiken einer vaginalen Entbindung bewusst eher in Kauf nehmen wollte als die Risiken einer Sectio, über die sie sich allem Anschein nach überhaupt nicht klar war. Dies wiederum lässt nur den Schluss zu, dass sie nicht ausreichend aufgeklärt war, um eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Die auf Veranlassung und Verantwortung des Dr. L getroffenen Maßnahmen zur vaginalen Entbindung des Klägers waren daher rechtswidrig, was für Dr. L auch erkennbar war, während der Beklagte zu 2) sich darauf verlassen durfte, dass durch seinen Auftraggeber bereits eine ausreichende Aufklärung über Behandlungsalternativen stattgefunden hatte.

Für den Senat bestehen keinerlei Zweifel daran, dass die Mutter des Klägers sich angesichts ihrer vorbestehenden Skepsis bei ausreichender Aufklärung für eine Sectio entschieden hätte und sogar auf sich genommen hätte, in einem anderen Krankenhaus zu entbinden.

Die Halsmarkläsion des Klägers ist auch unmittelbar durch den Geburtsvorgang verursacht. An die Feststellung des Erstgerichts, dass sowohl eine pränatale, als auch eine postpartale Schädigung des Klägers ausgeschlossen sind, ist das Berufungsgericht gem. § 529 ZPO gebunden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit dieser Feststellung bestehen nicht.

Die Beklagte zu 1) ist auch gem. § 831 BGB zum Schadenersatz verpflichtet, denn der Beklagte zu 2) hat objektiv fehlerhaft gehandelt (vgl. unten 3) und eine ausreichende Überwachung des Beklagten zu 2) durch Dr. L ist nicht vorgetragen.

Auch wenn man unterstellt, dass der Beklagte zu 2) bei seiner Einstellung beste Referenzen aufwies, darf nicht übersehen werden, dass die Einstellung am 01.12.1991 erfolgt war, also nicht einmal drei Monate vor der hier streitgegenständlichen Geburt. Ob und wieweit Dr. L den Beklagten zu 2) in dieser Zeit überwacht hat und ob er aus dieser Überwachung den sicheren Schluss ziehen durfte, er könne den Beklagten zu 2) eigenverantwortlich die Entwicklung aus Beckenendlage überlassen, ist weder vorgetragen, noch ergibt sich dies aus den vorgelegten Zeugnissen. Das zeitlich früheste vom 01.12.1992 ist allgemein gehalten. Das Zeugnis vom 01.12.1993 bestätigt zwar, dass in zwei Jahren fünf Geburten aus Beckenendlage durchgeführt wurden. Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass auch nur eine dieser Geburten vor dem 19.02.1992 (unter Überwachung und ohne Beanstandung) durchgeführt wurde. Die weiteren Zeugnisse sind ebenfalls nicht geeignet, zu belegen, dass Dr. L dem Beklagten zu 2) schon am 19.02.1992 die streitgegenständliche Behandlung übertragen durfte. Jedenfalls war der Beklagte zu 2) nach einer derart kurzen Zeit noch kein "sorgfältig ausgesuchter Arzt, der sich auch bewährt hat" (vgl. die von dem Beklagten zitierten Entscheidungen BGH VersR 1978, 543 und OLG Bamberg VersR 1994, 815), den Dr. L nur in geringerem Umfang und mit geringerer Intensität hätte überwachen müssen.

2. Zum Ausgleich der immateriellen Schäden des Klägers erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000,00 Euro und zusätzlich eine monatliche Schmerzensgeldrente von 600,00 Euro (entspricht je nach Lebenserwartung und unter Berücksichtigung eines Jahreszinses von 4 % einem Barwert bei sofortiger Zahlung von ca. 160.000,00 Euro) angemessen.

Entscheidendes Kriterium für die Schmerzensgeldbemessung ist das Ausmaß des erlittenen Gesundheitsschadens. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds kommt bei Arzthaftpflichtschäden nicht zum Tragen. Jedoch ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nunmehr schon 16 Jahre ohne finanziellen Ausgleich leben muss und behandlerseits nicht nur ein Fehlverhalten bestritten wurde, sondern auch die Schwere der Schäden bezweifelt wurde.

Der Kläger ist schwerstgeschädigt, auch wenn es sich nicht um die schwerstmögliche Beeinträchtigung handelt. Der Senat ist aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. W, an denen keine Zweifel bestehen und nicht zuletzt aufgrund der eindrucksvollen Schilderungen der Mutter des Klägers überzeugt, dass dieser weitestgehend querschnittsgelähmt ist, nicht sitzen und gehen kann, lediglich in der Lage ist seine Arme zu bewegen, wobei die Feinmotorik der Hände aber nicht vorhanden ist. Er ist nicht in der Lage, sich auf natürliche Weise zu entleeren, leidet permanent unter Temperaturempfindungsstörungen und ist rund um die Uhr und dies auf Dauer auf die Hilfe dritter Personen angewiesen. Er leidet zunehmend auch psychisch unter seiner Schädigung. Diese psychischen Beeinträchtigungen erscheinen auch deshalb besonders plausibel, weil der Kläger geistig normal entwickelt ist. Er hat es trotz aller Widrigkeiten geschafft eine Realschule zu besuchen. Sein Verbleib dort ist aber mittlerweile fraglich geworden, weil er aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, adäquat am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Auch nach Überzeugung des Senats ist neben der Kapitalentschädigung eine monatliche Schmerzensgeldrente zum Ausgleich erforderlich, weil sich der Kläger seiner dauerhaften Schädigung stets bewusst sein wird und er seine Schädigung immer wieder schmerzlich aufs Neue erleben wird.

Das ausgeurteilte Gesamtschmerzensgeld erscheint auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen angemessen. Auch der Senat sieht eine Tendenz der Rechtsprechung in Schwerstschadensfällen Beträge zuzusprechen, die sich an 500.000,00 Euro annähern. Andererseits erscheinen zumindest derzeit höhere Schmerzensgeldbeträge (amerikanische Verhältnisse) nicht geeignet, der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes gerecht zu werden. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, seien sie auch noch so gravierend, lassen sich auch mit höheren Schmerzensgeldbeträgen nicht ausgleichen; solche Beträge erscheinen daher auch unter Berücksichtigung der Interessen des Schädigers nicht angemessen.

Über die Leistungsklage hinaus ist festzustellen, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger auch zum Ersatz solcher immaterieller Schäden verpflichtet ist, die über das hinausgehen, was zum derzeitigen Zeitpunkt an Schadensfolgen für den Kläger bereits absehbar ist.

Neben dem immateriellen Schaden schuldet die Beklagte zu 1) auch Ersatz der bereits entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden. Insoweit ist ihre Ersatzpflicht auf den zulässigen Feststellungsantrag hin festzustellen.

3. Ein schuldhafter Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Dies gilt sowohl bezüglich des Unterlassens einer Ultraschalluntersuchung unmittelbar vor Geburtseinleitung, als insbesondere auch für den eigentlichen Geburtsvorgang.

Prof. Dr. S sieht nachvollziehbar allein aufgrund der geringen Zeitspanne zwischen Eintreffen der Mutter im Krankenhaus und Beginn der Geburt keinen Fehler darin, dass eine derartige Ultraschalluntersuchung nicht durchgeführt wurde. Es kann daher dahinstehen, ob eine derartige Ultraschalluntersuchung überhaupt einen medizinischen Wert gehabt hätte, was der Sachverständige ohnehin verneint.

Der Senat geht wie das Landgericht und übereinstimmend auch die Sachverständigen Prof. Dr. S, Prof. Dr. W und Prof. Dr. B davon aus, dass die Schädigung des Klägers durch objektiv zu starken Zug am Rumpf des Klägers verursacht wurde. Die Tatsache, dass der Zug objektiv zu stark war kann aber nicht dazu führen, nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Arzt (in diesem Fall der Beklagte zu 2) auch vorwerfbar zu stark gezogen hat. Bei einer Halsmarkläsion im Zusammenhang mit einer Entwicklung aus Beckenendlage geht es gerade nicht um einen derart typischen Geschehensverlauf, der nur mit mangelnder Sorgfalt des Arztes zu erklären wäre. Es handelt sich bei der Halsmarkläsion um eine im Zusammenhang mit vaginaler Entbindung äußerst seltene Verletzung, die auch in der medizinischen Fachliteratur kaum erwähnt wird und für die vor allen Dingen aussagekräftige Untersuchungsergebnisse nicht vorliegen. Der Privatgutachter Dr. B führt sogar aus, dass es in der Literatur keinen Hinweis auf Halsmarkläsion durch eine operativ-vaginale Entbindung gebe. Der Sachverständige Prof. Dr. S, der sich zur Vorbereitung auf seine Anhörung im Berufungsverfahren nochmals intensiv auf das Thema vorbereitet hatte, berichtete, dass ab dem 19. Jahrhundert bis 1927 weltweit (!) 150 Halsmarkläsionen bekannt geworden seien und zwischen 1927 und 1972 weitere 60 bis 70 und aus weiteren Publikationen sich ergebe, dass zwar in einer Mehrzahl der berichteten Fälle unsachgemäße Entwicklungsgriffe oder ein zu starker Zug angenommen worden sei, während in einer Minderzahl der Fälle die Ursache offen geblieben sei. Es kann daher nicht wie etwa bei einem Auffahrunfall davon ausgegangen werden, dass eine Halsmarkläsion auf einem vorwerfbar zu starken Zug durch den Geburtshelfer beruht, während sie im Fall des Klägers aber nur mit einem objektiv zu starken Zug erklärbar ist.

Der Kläger konnte den ihm obliegenden Beweis, dass der Beklagte zu 2) seine Halsmarkläsion schuldhaft verursacht hat nicht führen. Zwar hatte der Sachverständige Prof. Dr. S zunächst in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, dass er es für sehr unwahrscheinlich halte, dass die konkrete Schädigung des Klägers ohne zu starken Zug oder fehlerhafte Entwicklungsgriffe hervorgerufen worden sei. Bei seiner weiteren intensiven Befragung relativierte er dies jedoch. Aussagekräftige und verwertbare Erkenntnisse über die Zugkraft, die eine Halsmarkläsion hervorrufen könne, lägen nicht vor. Angesichts des Umstands, dass das Kind zur Vermeidung von Hirnschädigungen schnell zu entwickeln sei, halte er es durchaus für möglich, dass ein Zug, der möglicherweise objektiv zu kräftig sei, subjektiv nicht vorwerfbar sei. Er traue sich daher nicht zu, zu sagen, dass die Halsmarkläsion des Klägers auf einem fehlerhaften Vorgehen des Geburtshelfers beruhen muss. Diese Ausführungen des Sachverständigen haben insbesondere im Zusammenhang mit dem persönlichen Eindruck vom Sachverständigen und seinen ansonsten klaren und widerspruchsfreien Angaben den Senat überzeugt, dass der Schuldvorwurf gegenüber dem Beklagten zu 2) medizinisch nicht weiter aufklärbar ist. Andererseits lässt sich aus dieser Erkenntnis gerade nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte zu 2) tatsächlich schuldhaft gehandelt hat.

Die Klage ist daher bezüglich des Beklagten zu 2) abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 1) in vollem Umfang Erfolg hatte, obwohl der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag und die Schmerzensgeldrente hinter den Vorstellungen des Klägers zurückbleiben. Sein Antrag war aber nicht ausdrücklich auf die Beträge gerichtet, die er selbst für angemessen hielt, sondern auf ein (objektiv) angemessenes Schmerzensgeld. Da dieses in der Größenordnung nicht wesentlich von den Vorstellungen des Klägers abweicht, musste sich dies nicht auf die Kostenverteilung auswirken.

IV.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil den entschiedenen Rechtsfragen keine über den Einzelfall hinauskommende Bedeutung zukommt. Insbesondere ist höchstrichterlich geklärt, unter welchen Umständen eine Selbstbestimmungsaufklärung erforderlich ist und, dass die Behandlerseite die Beweislast hierfür trägt (BGH NJW 2005, 1718).