Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.02.2008 - 15 ZB 07.2200
Fundstelle
openJur 2012, 90004
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist zur Begründung ihres Zulassungsantrages hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, das streitgegenständliche Vorhaben widerspreche der Eigenart des Gewerbegebietes gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Ziel des § 15 BauNVO sei nicht, zukünftige städtebauliche Entwicklungen zu steuern, die noch nicht planerisch festgesetzt seien. Die Entscheidung über die zukünftige städtebauliche Entwicklung obliege allein der Planungshoheit der Gemeinde. Werde durch ein Vorhaben der Gebietscharakter als Gewerbegebiet nicht beeinträchtigt, könne ein Vorhaben auch nicht der Eigenart des Baugebietes widersprechen. Nachdem Gewerbebetriebe gleicher Nutzungsart bereits im Plangebiet vorhanden seien, könne das klägerische Vorhaben eine Störung der städtebaulichen Entwicklung nicht begründen.

Das begründet keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Zwar kann die Stadt nach § 1 Abs. 9 BauNVO innerhalb gewisser Grenzen schon im Bebauungsplan festsetzen, dass generell nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein zulässigen Anlagen zugelassen werden können. Das ändert aber nichts daran, dass daneben ein Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Einzelfall unzulässig sein kann (vgl. BVerwG vom 4.5.1988 BVerwGE 79, 309/317 f.).

Das Vorhaben der Klägerin stellt einen Gewerbebetrieb dar, der grundsätzlich gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO im hier ausgewiesenen Gewerbegebiet allgemein zulässig ist (BayVGH vom 23.7.2003 26 CS 02.3089). Im konkreten Fall ist jedoch das Gewerbe eines Bordellbetriebes planungsrechtlich unzulässig, weil es im Bereich des Gewerbegebietes „Im Starkfeld“ entlang der Lilienstraße und der Zeppelinstraße unter Berücksichtigung der drei bereits vorhandenen Bordellbetriebe nach der Anzahl der Bordelle der Eigenart des Baugebietes widerspricht.

Die Eigenart eines Baugebietes wird geprägt durch dessen allgemeine Zweckbestimmung, hier im Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO durch nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe. Dieser für Gewerbe aller Art offenen städtebaulichen Struktur entspricht das hier maßgebliche Gewerbegebiet nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Das Verwaltungsgericht hat die Nutzung der Umgebungsbebauung im Augenscheinstermin am 21. Juni 2007 ausführlich dokumentiert und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets im Hinblick auf die Anzahl bestimmter allgemein zulässiger Gewerbebetriebe ist dann anzunehmen, wenn der Gewerbebetrieb im Hinblick auf weitere gleichartige Betriebe der Nutzung des Gebiets durch Gewerbebetriebe aller Art und damit der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Dabei können zwar allgemein zulässige Betriebe - wie hier der Bordellbetrieb - nicht generell in Frage gestellt werden. Ein Bordellbetrieb kann im Gewerbegebiet im Einzelfall „nach Anzahl“ jedoch dann unzulässig sein, wenn in diesem Gebiet bereits ein solcher Betrieb oder gar eine Mehrzahl vorhanden ist (BVerwG vom 25.11.1983 BVerwGE 68, 213/218). Ab welcher Anzahl ein neu hinzutretendes Vorhaben der Eigenart des Baugebiets widerspricht, ist allein nach städtebaulichen Gesichtspunkten zu beurteilen (Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, RdNr. 18 zu § 15). Das Verwaltungsgericht hat - ohne dass der Antrag auf Zulassung der Berufung dem etwas entgegensetzt - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 25.11.1983 a.a.O.) die negativen Wirkungen einer Häufung von Bordellbetrieben in einem Gewerbegebiet beschrieben. Diese, in der Rechtsprechung auch als sog. „Trading-Down-Effekt“ bezeichnete Auswirkung im Plangebiet grundsätzlich zulässiger Vorhabensnutzungen ist als besonderer städtebaulicher Grund für planungsrechtliche Differenzierungen anerkannt (vgl. BVerwG vom 21.12.1992 BRS 55 Nr. 42). Die Folgen solcher zusätzlicher, allgemein im Plangebiet zulässiger Nutzungen sind auch mit Blick auf die Einschätzung eines Vorhabens gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO städtebaulich von Bedeutung.

In diesem Sinne ist im Ergebnis auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu verstehen, wenn es einen Widerspruch zur nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung des streitgegenständlichen Gebietes feststellt. Hier ist im Zusammenhang der Entscheidungsgründe nicht über eine mögliche zukünftige städtebauliche Entwicklung des Gebietes, sondern über die konkrete Veränderung der städtebaulichen Situation im Falle der Genehmigung des streitgegenständlichen Vorhabens entschieden worden. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur tatsächlichen Eigenart des Plangebiets ergeben sich aus der umfassenden Auflistung der tatsächlich vorhandenen Nutzung, der Widerspruch zur Eigenart des Plangebietes folgt aus dem im Fall der Genehmigung des Bordells „für Neu-Ulmer Verhältnisse wohl einzigartigen Schwerpunkt der Prostitution“. Dass das Verwaltungsgericht zu dem genannten „Trading-Down-Effekt“ keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, liegt in der Natur der Sache. Es geht darum, diesen Effekt zu verhindern.

b) Die Klägerin trägt weiter vor, das Verwaltungsgericht hätte in seiner Entscheidung eine nicht zulässige, diskriminierende Differenzierung des Begriffs „Gewerbegebiet“ in „Gewerbegebiete üblichen Zuschnitts“ und „Gewerbebetriebe nicht üblichen Zuschnitts“ vorgenommen. Hier hätte das Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 beachtet werden müssen, das gerade die Diskriminierung des Gewerbes Prostitution beendet habe.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass Bordelle, in denen die dort Tätigen nicht wohnen, dem Begriff „Gewerbebetriebe aller Art“ gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO zuzurechnen sind. Die Einordnung eines Bordellbetriebs als „kein Gewerbebetrieb üblichen Zuschnitts“ bezog sich auf die Betrachtung der „sich aus dem Milieu ergebenden Begleiterscheinungen“ und stellt damit keine allgemeine Einordnung eines Bordellbetriebs außerhalb der rechtlichen Terminologie dar. Das von der Klägerin zitierte Prostitutionsgesetz vom 20. Dezember 2001 zielt darauf ab, die Situation von Prostituierten im Bereich des Zivil- und Strafrechts zu verbessern. Ein Zusammenhang dieses Gesetzes mit den hier streitgegenständlichen bodenrechtlichen Fragestellungen ist nicht erkennbar.

c) Soweit die Klägerin vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nicht Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde sei, durch Versagen einer Baugenehmigung Konkurrentenschutz über § 15 BauNVO zu betreiben, liegt der Vortrag neben der Sache. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schutz der bereits vorhandenen Bordellbetriebe bei der Entscheidung der Ausgangsbehörde oder des Verwaltungsgerichts eine Rolle gespielt hätte.

d) Die weiter behaupteten Eingriffe in die Unternehmerfreiheit der Klägerin gemäß Art. 12 GG und Art. 14 GG wurden nicht weiter substantiiert. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergeben sich daraus nicht.

2. Soweit die Klägerin auf besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) verweist, ist eine Zulassung der Berufung ebenfalls nicht veranlasst. Die Klägerin hat insoweit keinen relevanten Vortrag über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte vorgebracht. Dabei haben sich keinen besonderen Schwierigkeiten ergeben.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die hier von der Klägerin zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage, ob nach dem im Prostitutionsgesetz dokumentierten gesetzgeberischen Willen eine Diskriminierung und Wegdifferenzierung von Gewerbebetrieben, in denen sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden, von sonstigen gewerblichen Dienstleistungsbetrieben allein wegen der Art der angebotenen Dienstleistung über § 15 BauNVO noch möglich ist, oder ob nicht vielmehr solche Gewerbebetriebe jetzt allen anderen Gewerbebetrieben grundsätzlich gleichgestellt werden müssen, ohne jedwede Diskriminierung nach der Art der angebotenen Dienstleistung, ist nicht klärungsbedürftig. Wie unter Nr. 1 c) dargelegt, ist hier zwischen den Regelungsinhalten des Prostitutionsgesetzes und dem dahinterstehenden gesetzgeberischen Willen und den bodenrechtlichen Regelungen gemäß § 15 BauNVO kein Zusammenhang zu erkennen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 1, § 47 GKG.

Mit der Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).