Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.01.2008 - 19 ZB 07.327
Fundstelle
openJur 2012, 89102
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Januar 2007 (Az. 19 ZB 06.3129) wird aufgehoben.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der auf die Anhörungsrüge entfallenen Kosten trägt die Klägerin.

IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die im Juli ... geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie beantragt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

Die Klägerin kam 1995 zusammen mit ihren Eltern nach Deutschland und betrieb erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Zwei weitere Folgeanträge wurden ebenso unanfechtbar abgelehnt wie zuletzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens.

Am 7. November 2005 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Für den weiteren Verbleib im Bundesgebiet sprächen dringende humanitäre und persönliche Gründe. Aufgrund eines zerebralen Anfallleidens drohe ihr im Fall der Abschiebung eine konkrete Gefahr für Leib und Leben. Die Ausreise sei ihr deshalb aus rechtlichen Gründen unmöglich. Zudem lägen auch tatsächliche Hinderungsgründe vor, da kein Reisepass beschafft werden könne.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2006 lehnte das Landratsamt Main-Spessart den Antrag ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AufenthG noch diejenigen des § 25 Abs. 5 AufenthG vorlägen.

Hiergegen ließ die Klägerin am 28. Februar 2006 Klage erheben und sinngemäß beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Main-Spessart vom 1. Februar 2006 zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde habe nicht in angemessener Weise ermittelt, ob dringende humanitäre Gründe vorlägen, die den vorübergehenden weiteren Aufenthalt der Klägerin erforderten. Dass ein Daueraufenthalt angestrebt werde, sei eine reine Unterstellung. Die Behörde habe ihr Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Eine Ausreise sei ihr aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unmöglich. Auf die rein objektive Reisefähigkeit komme es insoweit nicht an. Die mit einer Ausreise verbundenen Angstzustände würden zu einer Retraumatisierung führen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2006 wies das Verwaltungsgericht Würzburg die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch aus § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zu. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor, denn Ziel des Antrags der Klägerin sei nicht etwa nur ein vorübergehender Aufenthalt; vielmehr strebe sie einen Daueraufenthalt an. Dies ergebe sich nicht nur aus ihrem Antrag vom 7. November 2005, sondern auch aus der Tatsache, dass sie durch wiederholte Asyl- bzw. Folgeanträge ihren Aufenthalt im Bundesgebiet habe verfestigen wollen. Dessen ungeachtet lägen auch dringende humanitäre oder persönliche Gründe nicht vor.

Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG müsse ausscheiden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen im Falle der Klägerin nicht vor. Sie könne freiwillig in die Türkei zurückkehren. Tatsächliche und rechtliche (inlandsbezogene) Hinderungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Klägerin behauptet zwar immer wieder, dass sie nicht reisefähig sei, doch ergebe sich aus einer Bescheinigung der behandelnden Ärzte (Dr. med. Weigel, S. 241 der Behördenakte), die einer weiteren ärztlichen Bescheinigung dieses Arztes vom 2. September 2005 beigefügt sei, dass das Anfallsleiden der Klägerin gut eingestellt und sie im Moment uneingeschränkt reisefähig sei. Diese Feststellung habe die Klägerin außer mit der Behauptung, dass sie nicht reisefähig sei, nicht entkräftet.

Als tatsächliches Ausreisehindernis komme allenfalls der Umstand in Betracht, dass die Klägerin weder über einen Pass noch über Passersatzpapiere verfüge. Insoweit sei jedoch auf die Verschuldensregelungen in § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG hinzuweisen. Der Vater der Klägerin habe vor der Behörde angegeben, dass er sich bisher noch nicht um Pässe bemüht habe. Auch Anträge auf Erteilung von Heimreisescheinen habe er nicht ausfüllen wollen, da er aus gesundheitlichen Gründen seiner Tochter (Klägerin) nicht in die Türkei zurückkehren möchte. Mit Schreiben vom 2. Januar 2006 hätten die Eltern der Klägerin der Ausländerbehörde zudem mitgeteilt, sie bestünden darauf, keine „Abschiebungs-Ersatzpässe zu beantragen, sondern echte Pässe“. Damit sei offensichtlich, dass die Eltern der Klägerin sich weigerten, bei der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken und das Ausreisehindernis zu beseitigen. Dieses Verhalten der Eltern müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.

Gegen den Gerichtsbescheid ließ die Klägerin am 1. September 2006 Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Nach deren Durchführung am 29. September 2006 wies das Verwaltungsgericht die Klage unter Hinweis auf die im Gerichtsbescheid gegebene Begründung erneut ab. Ergänzend wurde angemerkt, dass nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin nur einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland anstrebe. Die Klägerin habe sich zwar am 12. September 2006 einer Untersuchung durch Frau Dr. ... unterzogen, wobei auch ein Behandlungsplan erstellt worden sei. Darin komme aber lediglich zum Ausdruck, dass die Depressionen der Klägerin in ambulanten psychotherapeutischen Sitzungen und durch die regelmäßige Einnahme eines Antidepressivums behandelbar seien und dass weiterhin das verschriebene Medikament zur Verhütung der Krampfanfälle eingenommen werden müsse. Eine Heilung oder deutliche Besserung sei erst nach einer monatelangen Behandlung zu erwarten. Sofern sich bis Dezember 2006 keine Besserung der Symptomatik einstelle, müsse die Klägerin in die Kinder- und Jugendpsychiatrische Universitätsklinik Würzburg eingewiesen werden. Der Therapieerfolg sei noch völlig ungewiss und in zeitlicher Hinsicht völlig unabsehbar, weshalb eine Prognose in Bezug auf die Beendigung des Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet nicht möglich sei.

Ferner unterliege auch keinem Zweifel, dass die Klägerin bislang nichts unternommen habe, um sich Heimreisepapiere zu besorgen. Auch wenn die Klägerin nach wie vor darauf beharre, dass ihr gegenüber den türkischen Behörden ein Anspruch darauf zustehe, einen Pass ausgestellt zu erhalten, schließe dies keineswegs aus, dass sie gegenüber der Ausländerbehörde alle zumutbaren Anforderungen erfüllen müsse, um Ersatzheimreisepapiere zu erhalten. Hierzu bestehe jedoch nach wie vor keine Bereitschaft.

Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung vom 20. November 2006. Zur Begründung ist ausgeführt, seitens der gesetzlichen Vertreter der Klägerin werde seit der Aufforderung durch das Landratsamt Ende 2005 versucht, die vollständige Registrierung der Familie als türkische Staatsbürger zu erreichen. Der Grund dafür, dass bislang kein Heimreiseschein, sondern die Erteilung von Reisepässen für die gesamte Familie beantragt worden sei, finde seine Ursache in dem Umstand, dass nur durch eine Registrierung als türkische Staatsangehörige eine Erteilung der „Grünen Karte“ sichergestellt werden und die notwendige medizinische Versorgung der Klägerin in der Türkei gewährleistet werden könne. Die Anerkennung als türkische Staatsangehörige sei erste Zugangsvoraussetzung für die Ausstellung der „Grünen Karte“, die im Fall der bei der Klägerin gegebenen Bedürftigkeit zur kostenlosen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen berechtige. Da das Bemühen um Erlangung der türkischen Staatsangehörigkeit jedoch bislang nicht zum Erfolg geführt habe, sei die Klägerin unverschuldet an der Ausreise gehindert mit der Folge, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgericht Würzburg bestünden (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG seien entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gegeben.

Gleichzeitig liege der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor. Die Frage, ob eine Familie aus der Türkei im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert sei, wenn Familienmitglieder – wie hier – akut und aktuell behandlungsbedürftig seien und daher zunächst die Registrierung aller Familienmitglieder als türkische Staatsangehörige betrieben werde, um hierdurch die Voraussetzungen für die Erlangung der „Grünen Karte“ und damit einer kostenlosen medizinischen Versorgung in der Türkei zu schaffen, statt lediglich Heimreisepapiere zu beantragen, sei von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Die Frage betreffe eine Vielzahl von Fällen, nämlich all diejenigen Flüchtlinge aus der Türkei, deren Kinder im Ausland geboren worden seien.

Des Weiteren sei das Verwaltungsgericht auch auf die Frage der Reisefähigkeit der Klägerin nicht eingegangen und habe damit wesentliches Vorbringen nicht berücksichtigt. Insoweit sei eine Verletzung rechtlichen Gehörs und damit der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gegeben. Gleichzeitig habe das Gericht seine Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) verletzt, indem es weder die Frage der Therapiedauer noch die einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin – beispielsweise durch Einholung medizinischer Gutachten – aufgeklärt habe. Auch dies begründe einen Verfahrensmangel und damit den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Da die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, könne ihr insoweit auch nicht entgegengehalten werden, keinen Beweisantrag gestellt zu haben.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den gesamten Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen.

Mit Beschluss vom 16. Januar 2007 verwarf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Zulassung der Berufung wegen Nichtbeachtung der Frist für die Darlegung der Zulassungsgründe (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) als unzulässig. Der hiergegen gerichteten Anhörungsrüge (§ 152 a VwGO) wurde mit Beschluss des Senats vom 4. Oktober 2007 abgeholfen. Das Verfahren war daher in den Stand vor Verwerfung des Antrags zurückzuversetzen und fortzuführen (§ 152 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit dargelegt – nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. September 2006 bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klage wurde zu Recht abgewiesen, da der Klägerin weder aus § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG noch aus § 25 Abs. 5 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, so lange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Die Vorschrift setzt voraus, dass es sich um einen zeitlich begrenzten – vorübergehenden – Aufenthalt handelt. Zwar sieht die Regelung für die Annahme eines solchen Aufenthalts keine festen Fristen vor. Dass lediglich ein temporärer Aufenthalt für einen vorübergehenden Zweck von § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfasst werden soll, zeigt jedoch ein Blick auf die in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420, S. 79 f.) beispielhaft erwähnten Fallkonstellationen der Durchführung einer Operation, die im Herkunftsland nicht gewährleistet ist, oder der vorübergehenden Betreuung eines schwerkranken Familienangehörigen oder des Abschlusses einer Schul- oder Berufsausbildung. Wird dagegen ein Daueraufenthalt bzw. ein zeitlich nicht absehbarer Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht beansprucht werden (vgl. näher OVG Lüneburg, B. v. 27.6.2005, NVwZ-RR 2006, 572 [573 f.] m.w.N.).

Vorliegend hat das Verwaltungsgericht Würzburg unter Bezugnahme auf das Attest der behandelnden Ärztin Dr. ... vom 12. September 2006 festgestellt, dass eine Heilung oder deutliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin erst nach einer monatelangen Behandlung eintreten werde und der Therapieerfolg völlig unabsehbar sei. Eine Prognose in Bezug auf eine mögliche Beendigung des Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet sei daher aus medizinischer Sicht nicht möglich. Für den Fall, dass sich bis Dezember 2006 keine Besserung der Symptomatik einstelle, hatte die Ärztin zum Zeitpunkt der Abfassung ihres Attests – am 12. September 2006 – eine Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Würzburg erwogen. Damit lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg am 29. September 2006 auf der Hand, dass die Klägerin einen zeitlich nicht absehbaren (Dauer-) Aufenthalt anstrebt und die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt sind.

b) Ebenso wenig hat die Klägerin Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten als auch aus inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen ergeben (vgl. BVerwG, U. v. 27.6.2006, NVwZ 2006, 1418 [1419]).

Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nach den für die Ausländerbehörde verbindlichen Feststellungen (vgl. § 42 Satz 1 AsylVfG) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht vor. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse sind nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts Würzburg ebenfalls nicht gegeben, da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 29. September 2006 uneingeschränkt reisefähig war. Zwar datiert das insoweit vom Verwaltungsgericht Würzburg herangezogene Attest des Dr. med. ... vom 2. September 2005. Die Beschwerdeführerin hatte es jedoch entgegen ihrer Mitwirkungspflicht aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG versäumt, die in diesem Attest enthaltene Feststellung uneingeschränkter Reisefähigkeit zu entkräften.

Indes kommt es hierauf nicht entscheidend an. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis nur dann erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG). Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere dann vor, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 4, 3. Alt. AufenthG).

Vorliegend hat das Verwaltungsgericht Würzburg in seiner Entscheidung vom 29. September 2006 mit Recht festgestellt, dass die Klägerin und ihre Eltern ihrer Mitwirkungs- und Initiativpflicht (siehe hierzu näher BayVGH, B. v. 19.12.2005 - 24 C 05.2856 -, BayVBl 2006, 436 [437]) in vorwerfbarer Weise nicht gerecht geworden sind, weil sie gegenüber den türkischen Behörden auf der Erteilung von Reisepässen bestehen und sich kategorisch weigern, Anträge auf Erteilung von Heimreisescheinen zu stellen. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin ist die Beantragung von Heimreisescheinen nicht etwa deshalb unzumutbar, weil (angeblich) nur die Erteilung „echter“ Reisepässe die Voraussetzungen für die Vergabe der so genannten „Grünen Karte“ zu schaffen und im Falle von Bedürftigkeit eine kostenlose medizinische Versorgung in der Türkei zu gewährleisten vermag. Die Klägerin hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Beantragung von Heimreisescheinen als Vorstufe einer späteren Anerkennung als türkische Staatsangehörige nach Rückkehr in die Heimat einen entsprechenden Antrag auf Erteilung der „Grünen Karte“ unmöglich machen oder auch nur behindern würde. Der Klägerin ist deshalb durchaus zuzumuten, zunächst einen Antrag auf Erteilung von Heimreisescheinen zu stellen und sich unverzüglich nach Rückkehr in die Türkei um die Erteilung der „Grünen Karte“ und die damit verbundenen Berechtigung zur Inanspruchnahme kostenloser medizinischer Versorgung zu bemühen. Eine medizinische Versorgung nach Rückkehr in die Heimat wäre – jedenfalls in den ersten Wochen bis zur Erteilung der „Grünen Karte“ – gegebenenfalls von der Ausländerbehörde sicherzustellen (vgl. OVG NRW, B. v. 24.7.2006, NWVBl. 2007, 55 <56>).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. September 2006 liegen daher von vorneherein fern.

2. Ebenso wenig wirft die Rechtssache Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Fragen der Mitwirkungspflicht nach § 25 Abs. 5 Satz 4, 3. Alt. AufenthG sind, soweit sie sich nicht bereits aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergeben, durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Dezember 2005 – 24 C 05.2856 –, BayVBl 2006, 436, geklärt. Danach können auferlegte Handlungspflichten etwa dann unzumutbar sein, wenn der Ausländer dadurch Familienangehörige in der Heimat in akute Lebensgefahr bringen würde, mit der Erfüllung der auferlegten Maßnahmen erhebliche Kosten verbunden wären oder er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die geforderten Handlungen vorzunehmen. All dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Die Verpflichtung, Heimreisescheine zu beantragen, birgt keine der vorgenannten Gefahren.

3. Von vornherein fern liegt auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. September 2006 lässt weder eine Verletzung rechtlichen Gehörs noch der Aufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO erkennen. Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Frage der Therapiedauer als auch der Reisefähigkeit der Klägerin im Rahmen des im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Möglichen aufgeklärt und sich hierzu der Atteste der behandelnden Ärzte bedient. Der Einholung weiterer medizinischer Gutachten bedurfte es nicht. Der Bevollmächtigte der Klägerin verkennt, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht davor schützt, dass ein Gericht bestimmten tatsächlichen Umständen nicht die von einem der Beteiligten für richtig erachtete Bedeutung beimisst (vgl. BVerfGE 76, 93 [98]) oder dessen Rechtsansicht nicht teilt (vgl. BVerfGE 64, 1 [12]).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher abzulehnen. Der Beschluss vom 16. Januar 2007 (Az. 19 ZB 06.3129) war aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsbehelfs zu tragen, soweit sie nicht die Kosten der Anhörungsrüge (§ 152 a VwGO) betreffen. Diese fallen der Staatskasse zur Last.

5. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren folgt aus §§ 47 und 52 Abs. 2 GKG (s. hierzu auch den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nr. 8.1).

Nach § 152 Abs. 1 VwGO ist dieser Beschluss unanfechtbar.