LG Wuppertal, Urteil vom 18.01.2012 - 3 O 270/11
Fundstelle
openJur 2012, 84280
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.465,28 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2011 zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von den Verpflichtungen aus dem „strukturierten EUR-Zinssatzswap mit Koppelung an den Deutsche Bank Long Short Momentum (EUR) Index“ vom 18.08.2008 mit der Referenznummer ... (Bezugsbetrag 500.000,00 Euro) freizustellen (per 30.09.2011: 75.763,49 Euro).

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren im Zusammenhang mit dem „strukturierten EUR-Zinssatzswap mit Koppelung an den Deutsche Bank Long Short Momentum (EUR) Index“ mit der Referenznummer ... noch entstehenden Schäden zu ersetzen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.843,51 Euro nicht anrechenbare außergerichtliche Anwaltsgebühren zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger - ein Rechtsanwalt - nimmt die beklagte Bank wegen einer fehlerhaften Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines - von der Beklagten konstruierten - "strukturierten EUR-Zinsswaps mit Koppelung an den Deutsche Bank Long Short Momentum (EUR) Index" vom 18.08.2008 in Anspruch.

Die Parteien stehen jedenfalls seit Juni 2008 in Geschäftsbeziehung.

Zu einem ersten Kontakt kam es am 02.06.2008 bei einem Mark Knopfler-Konzert in der Lanxess-Arena in Köln. In der Folge fand dann ein Gespräch mit dem Berater der Beklagten, Herrn N, im Haus des Klägers statt, wobei streitig ist, ob der streitgegenständliche Swap thematisiert wurde. Jedenfalls bei einem weiteren Gespräch am 12.08.2008 wurde über den Swap gesprochen. Der Inhalt dieses Gesprächs ist weitgehend streitig zwischen den Parteien. Unstreitig wies die Beklagte den Kläger nicht darauf hin, in welcher Höhe dem streitgegenständlichen Vertrag ein anfänglicher negativer Marktwert zugrunde liegt.

Im Anschluss an das Gespräch schloss der Kläger am 18.08.2008 den LSM-Swap mit einem Bezugsbetrag von 500.000,00 Euro und einer Laufzeit von fünf Jahren ab. Der LSM-Vertrag sieht vor, dass der Kläger an die Beklagte in den ersten zwei Jahren 2 % des Bezugsbetrages und dann am 20.08.2011, am 20.08.2012 und am 20.08.2013 eine Geldzahlung schuldet, die sich nach folgender Formel berechnen soll:

10,00 % p.a. - 0,5 x 100 % [(Index Ende / Index Anfang) - 1,00 - 8,00 %]

Index ist dabei der "Deutsche Bank Long Short Momentum Index (EUR)". Die Beklagte zahlt im Gegenzug an den Kläger jährlich Zinsen von 2,25 % des Bezugsbetrages.

Die Beklagte leistete während der bisherigen Laufzeit des Swaps nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen als sogenannter "Zahler der Festbeträge" an den Kläger am 20. August 2009 und am 20. August 2010 jeweils eine Zahlung in Höhe von 11.250,00 Euro. Im Gegenzug leistete der Kläger als sogenannter "Zahler der variablen Beträge" an die Beklagte am 20. August 2009 und am 20. August 2010 jeweils eine Zahlung von 10.000,00 Euro. Diese Zahlungen wurden vereinbarungsgemäß miteinander verrechnet. Die Summe der zwei Zahlungen der Beklagten an den Kläger aus den ersten beiden Laufzeitjahren beträgt damit 2.500,00 Euro.

Eine dritte Zahlung über 11.312,50 Euro wurde am 22. August 2011 ebenfalls mit der Zahlung des Klägers verrechnet. Die Zahlung, die der Kläger der Beklagten zu diesem Fälligkeitstag schuldete, belief sich infolge der negativen Entwicklung, den der dem Swap-Geschäft zugrunde liegende Index über die bisherige Vertragslaufzeit verzeichnete, auf 50.277,78 Euro. Der sich damit per 22. August 2011 ergebende Differenzbetrag zwischen den wechselseitig geschuldeten Zahlungen in Höhe von 38.965,28 Euro wurde dem Konto des Klägers bei der Beklagten belastet. Den Betrag in Höhe von 38.965,28 Euro hat der Kläger in der Zwischenzeit unter Vorbehalt geleistet. Diesen Betrag macht der Kläger abzüglich der erhaltenen Zinszahlungen in Höhe von 2.500,00 Euro mit dem Klageantrag zu 1. geltend.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe ihn weder anleger- noch anlagegerecht aufgeklärt. Der Berater N habe den Swap als "sichere Sache" angepriesen. Es sei keine Aufklärung über die Berechnung des LSM-Index erfolgt. Das Verlustrisiko sei als unwahrscheinlich dargestellt worden. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass es sich um die höchste Risikoklasse handele. Ebenso wenig sei er über die Interessenskonflikte der Beklagten aufgeklärt worden, da diese beim LSM-Swap Berater, Vertragspartner und Index-Sponsor in einer Person gewesen sei.

Die Beklagte habe sein Anlegerprofil falsch erstellt, insbesondere habe sie seine Risikobereitschaft falsch ermittelt. Der Swap habe nicht seinem Anlageziel entsprochen. Er sei für einen Privatanleger generell ungeeignet, da er nicht zu kontrollieren sei.

Da der Marktwert bei Vertragsschluss negativ gewesen sei, weil er Kosten und Gewinnmarge der Beklagten enthalten habe, sei von Anfang an klar gewesen, dass er aller Voraussicht nach einen Verlust erleiden werde. Deswegen gehe er davon aus, dass er über den negativen Anfangsmarktwert vorsätzlich getäuscht worden sei, weswegen er die Anfechtung erklärt habe und im Prozess wiederhole.

Er habe ein Feststellungsinteresse, weil die Entstehung weiterer Schäden, insbesondere Einkommensteuernachzahlungen wegen Spekulationsgeschäften, wahrscheinlich sei. Des Weiteren seien ihm die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, wobei wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache eine 2,5-Gebühr angemessen sei.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.465,28 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2011 zu zahlen;

2.

hilfsweise für den Fall des (teilweisen) Obsiegens mit Ziffer 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Verpflichtungen aus dem strukturierten EUR-Zinssatzswap mit Koppelung an den Deutsche Bank Long Short Momentum (EUR) Index vom 18.08.2008 mit der Referenznummer…… (Bezugsbetrag 500.000,00 Euro) freizustellen (per 30.09.2011: - 75.763,49 Euro);

3.

hilfsweise für den Fall des (teilweisen) Obsiegens mit Ziffer 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren im Zusammenhang mit dem "strukturierten EUR-Zinssatzswap mit Koppelung an den Deutsche Bank Long Short Momentum (EUR) Index" mit der Referenznummer ….. noch entstehende Schäden zu ersetzen;

4.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.843,51 Euro nicht anrechenbarer außergerichtliche Anwaltsgebühren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe selbst Interesse an Swap-Geschäften geäußert, weil dessen Bruder mit einem derartigen Geschäft Gewinne gemacht hatte, was unstreitig ist. Der Kläger habe bereits über Kenntnisse verfügt und sei auch im Übrigen ein erfahrener Anleger gewesen. Der streitgegenständliche Swap sei ihm neben anderen Anlagen bereits im ersten Gespräch im Juni 2008 vorgestellt worden. Der Zeuge N sei die Präsentation Punkt für Punkt mit dem Kläger durchgegangen und habe die Produktinformation ergänzend hinzugezogen. Die Unterlagen seien dem Kläger danach ausgehändigt worden. Außerdem habe dieser die Informationsschrift "Risiken bei Termingeschäften" erhalten.

In dem weiteren Beratungsgespräch im August 2008 sei der Swap nochmals ausführlich vorgestellt worden. Für den Nominalbetrag von 500.000,00 Euro und die Laufzeit von fünf Jahren habe sich der Kläger selbst entschieden. Der Kläger sei insbesondere auch über das maximale Verlustrisiko aufgeklärt worden. Sie - die Beklagte - habe zudem offengelegt, dass in die Preisstellung für die Swaps eine Gewinnmarge einfließt, die sie nach freiem Ermessen festlege und dass ein Teil dieses Ertrages ihr bankintern als "Vertriebsertrag" gutgeschrieben werde. Dieses Verdienstinteresse sei dem Kläger gegenüber mit 0,75 % angegeben worden. Zu weiteren Angaben sei sie nicht verpflichtet gewesen. Selbst wenn sie dem Kläger den anfänglichen negativen Marktwert mitgeteilt hätte, hätte dieser das Swap-Geschäft abgeschlossen.

Jedenfalls treffe sie aber kein Verschulden, weil ihr eine mögliche Offenbarungspflicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts nicht bekannt gewesen sei.

Zinsen seien frühestens ab dem 22.08.2011 zu zahlen, da das Konto des Klägers erst mit Wertstellung 22.08.2011 mit dem Betrag von 38.965,28 Euro belastet worden sei, was unstreitig ist.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung begründet.

Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber gemäß § 280 BGB schadensersatzpflichtig wegen Verletzung ihrer Pflicht zur objekt- und anlegergerechten Beratung im Rahmen des zwischen den Parteien zustande gekommenen Anlageberatungsvertrages.

Ein Beratungsvertrag kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet. Tritt ein Anlageinteressent an ein Kreditinstitut oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss des Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen (ständige Rechtsprechung des BGH, zum Beispiel BGH, Urteil vom 25.09.2007 - XI ZR 320/06, GKR 2008, 199 (200)).

Ein Anlageberatungsvertrag kommt dabei im Unterschied zu einem bloßen Anlagevermittlungs- und Auskunftsvertrag zustande, wenn der Kunde nicht nur die Mitteilung von Tatsachen erwartet, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung, die er zur Grundlage seiner Kapitalanlageentscheidung machen will. Häufig wünscht er dabei auch eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. An einen Anlagevermittler wendet sich der Kunde hingegen in dem Bewusstsein, dass dieser im Interesse des Kapitalsuchenden und im Hinblick auf die versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat und dass daher werbende und anpreisende Aussagen im Vordergrund des Vermittlers stehen.

Die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages sind vorliegend erfüllt. Zwar kannte der Kläger durch seinen Bruder bereits Swap-Geschäfte, er kam jedoch nicht mit einer bereits gefassten Anlageentscheidung zur Beklagten. Vielmehr fasste er seinen Anlageentschluss erst auf der Grundlage der Erläuterungen und Empfehlungen des Zeugen N.

Aufgrund des Beratungsvertrages war die Beklagte zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet, wobei die Ausgestaltung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (BGH NJW 1993, 2433). Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarktes sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjektes ergeben (BGH a.a.O., BGH NJW 2006, 2041). Die Aufklärung des Kunden über diese Umstände muss richtig und vollständig sein. Fehlen der Bank Kenntnisse, muss sie dies dem Kunden gegenüber offen legen. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde.

Ob die durchgeführte Beratung anlegergerecht war, kann dahinstehen. Jedenfalls war sie nicht objektgerecht, denn die Beklagte hat es versäumt, den Kläger darauf hinzuweisen, in welcher Höhe dem streitgegenständlichen Vertrag ein anfänglicher negativer Marktwert zugrunde liegt. Dies hat sie selber eingeräumt, meint allerdings, dass es darauf nicht ankäme, weil der Kläger das Geschäft sowieso abgeschlossen hätte.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 22.03.2011 (XI ZR 33/10) ausgeführt:

"Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihre Beratungspflicht dadurch verletzt, dass sie die Klägerin nicht darüber aufgeklärt hat, dass der von ihr empfohlene Vertrag zum Abschlusszeitpunkt einen für die Klägerin negativen Marktwert in Höhe von ca. 4% der Bezugssumme (ca. 80.000 €) aufwies. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine entsprechende Aufklärung habe nicht erfolgen müssen, weil der negative Marktwert lediglich den - für den Kunden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses rein theoretischen - Betrag angebe, der im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung als Ausgleichzahlung zu erbringen sei. Das erfasst die Bedeutung des für den Kunden negativen Anfangswertes nicht. Diesem kommt vielmehr maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung der in Rede stehenden Zinswette durch die Klägerin zu, da er Ausdruck eines schwerwiegenden Interessenkonfliktes der Beklagten ist.

(1) Mit dem Beratungsvertrag übernimmt die Bank die Pflicht, eine allein am Kundeninteresse ausgerichtete Empfehlung abzugeben. Sie muss daher Interessenkollisionen, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden, vermeiden bzw. diese offen legen (Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 23, Beschlüsse vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07, WM 2009, 405 Rn. 12 f. und vom 29. Juni 2010 - XI ZR 308/09, WM 2010, 1694 Rn. 5). Dieser zivilrechtliche Grundsatz ist aufsichtsrechtlich für den Bereich der dem Wertpapierhandelsgesetz unterfallenden Geschäfte in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG normiert (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2009, aaO Rn. 12).

(2) Danach musste die Beklagte die Klägerin über den von ihr bewusst strukturierten negativen Anfangswert des CMS Spread Ladder Swap-Vertrages aufklären (ebenso Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345, 357; im Ergebnis auch OLG Stuttgart, WM 2010, 756, 762 f. und WM 2010, 2169, 2173 ff.; aA OLG Bamberg, WM 2009, 1082, 1095; OLG Frankfurt am Main, WM 2009, 1563, 1564 f.; OLG Celle, WM 2009, 2171, 2174; OLG Frankfurt am Main, WM 2010, 1790, 1795 f.; OLG Hamm, BKR 2011, 68, 73; Clouth in Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 3. Aufl. Rn. 1066 Fn. 1258; Hoffmann-Theinert/Tiwisina, EWiR 2011, 9, 10; Jaskulla, WuB I G 1. - 3.10; Koller, WuB I G 1. - 4.08; Langen, DB 2009, 2710 f.; Lehmann, BKR 2008, 488, 496; Wolf, EWiR 2009, 763, 764; gegen eine entsprechende Aufklärungspflicht wohl auch Weber, ZIP 2008, 2199, 2201).

(a) Bei der Empfehlung des CMS Spread Ladder Swap-Vertrages, bei dem der Gewinn der einen Seite der spiegelbildliche Verlust der anderen Seite ist, befindet sich die Beklagte als beratende Bank in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt. Als Partnerin der Zinswette übernimmt sie eine Rolle, die den Interessen des Kunden entgegengesetzt ist. Für sie erweist sich der "Tausch" (engl. Swap) der Zinszahlungen nur dann als günstig, wenn ihre Prognose zur Entwicklung des Basiswertes - das Ausweiten der Zinsdifferenz - gerade nicht eintritt und die Klägerin damit einen Verlust erleidet. Als Beraterin der Klägerin hingegen ist sie verpflichtet, die Interessen der Klägerin zu wahren. Sie muss daher auf einen möglichst hohen Gewinn der Klägerin bedacht sein, was einen entsprechenden Verlust für sie selbst bedeutet."

Um dieser Aufklärungspflicht nachzukommen, reicht es nicht, lediglich das Verdienstinteresse mit einer Prozentzahl - hier: 0,75 % - anzugeben, ohne Nennung einer Vergleichsgröße. Damit allein ist für den Kunden nicht ersichtlich, welches konkrete Interesse die Bank tatsächlich am Abschluss des Swaps hat. Jedenfalls war dadurch für den Kläger nicht erkennbar, welche Größenordnung der anfängliche negative Marktwert hatte. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass sie zur Offenlegung ihrer Gewinnmarge nicht verpflichtet ist. Der Marktwert ist eine objektive Größe, die mehr ausdrückt als die Gewinnmarge.

Der BGH (a.a.O.) hat dazu ausgeführt:

"Zutreffend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass eine Bank, die - wie hier - eigene Anlageprodukte empfiehlt, grundsätzlich nicht verpflichtet ist, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. Dies ist in einem solchen Fall für den Kunden offensichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 12). Der insofern bestehende Interessenkonflikt ist derart offenkundig, dass auf ihn nicht gesondert hingewiesen werden muss, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu. Der hier aufklärungspflichtige Interessenkonflikt besteht weder in der generellen Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten noch in der konkreten Höhe der von ihr einkalkulierten Gewinnmargen. Zu einer Aufklärungspflicht führt allein die Besonderheit des von ihr konkret empfohlenen Produkts, dessen Risikostruktur sie bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet hat, um unmittelbar im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss das Risiko "verkaufen" zu können, das der Kunde aufgrund ihrer Beratungsleistung übernommen hat. Dies kann der Kunde - anders als die generelle Gewinnerzielungsabsicht der Bank - gerade nicht erkennen. Dass - worauf die Beklagte hinweist - die Chancenverschiebung in den Konditionen des Swap-Vertrages "offen lag", ändert hieran nichts. Wie sie selbst einräumt, setzt die Festlegung der einzelnen Strukturelemente des Swaps eine mehr oder weniger komplizierte finanzmathematische Berechnung voraus, zu der normalerweise nur die Bank und nicht auch der Kunde in der Lage ist."

Die Beklagte kann nach Auffassung der Kammer auch nicht damit gehört werden, dass der streitgegenständliche Swap nicht mit dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden CMS Spread Ladder Swap vergleichbar sei. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass der LSM Swap eine Begrenzung des Verlustrisikos des Anlegers vorsieht. Das ändert jedoch nichts an der Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwertes für die Risikostruktur des Swap und für den schwerwiegenden Interessenkonflikt auf Seiten der Bank.

Die Beklagte handelte auch schuldhaft. Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB muss der Aufklärungspflichtige darlegen und beweisen, dass er eine Aufklärungspflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Entsprechendes hat die Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere kann sie sich nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss (vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2011 - XI ZR 191/10). Der BGH bezieht sich im Urteil vom 22.03.2011 - XI ZR 33/10 - bezüglich der Aufklärungspflicht über die Interessenkollision auf das Urteil vom 19.12.2006 - XI ZR 56/05. Bereits im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen LSM Swap-Vertrages am 18.08.2008 diese Pflicht hätte erkennen können und müssen.

Da die Pflichtverletzung fest steht, kann der Kläger sich auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens berufen. Die Beklagte hat keine ausreichenden Umstände dargelegt, um diese Vermutung zu widerlegen. Sie beschränkt sich in ihrer Klageerwiderung auf reine Vermutungen.

Die Beklagte hat den Kläger somit so zu stellen, wie er ohne den Abschluss des streitgegenständlichen Swap-Vertrages stünde. Er kann Rückzahlung des saldierten Betrages von 36.465,28 Euro verlangen, Zinsen allerdings erst ab dem 22.08.2011, weil unwidersprochen sein Konto erst zu diesem Termin belastet worden ist.

Des Weiteren kann er Freistellung von der Verpflichtung aus dem Swap-Geschäft per 30.09.2011 verlangen. Dass es um den Stichtag 30.09.2011 geht, hat der Kläger in seinem nachgelassenen Schriftsatz klargestellt. Dieses konnte aber bei verständiger Würdigung des Sachverhalts auch durch Auslegung ermittelt werden. Es stellt jedenfalls kein Mehr gegenüber dem gestellten Antrag dar, der auf das Datum 30.06.2011 abgestellt hat.

Letztlich ist auch der Feststellungsantrag begründet. Ein Feststellungsinteresse besteht schon deswegen, weil der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass weitere Schäden, insbesondere Einkommensteuernachzahlungen aufgrund von Spekulationsgeschäften zu befürchten sind.

Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB. Materielle Bedenken gegen den Anspruch hat die Beklagte nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

Streitwert: 117.228,77 Euro

(Klageantrag zu 1.: 36.465,28 Euro, Klageantrag zu 2.: 75.763,49 Euro, Klageantrag zu 3.: 5.000,00 Euro).

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