LG Köln, Urteil vom 26.01.2012 - 30 O 63/11
Fundstelle
openJur 2012, 84260
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2010 zu zahlen und

an den Kläger rückständige Zinsen für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 08.10.2010 in Höhe von 90,41 Euro zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 668,54 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Anleihen nach erklärter Kündigung aus wichtigem Grund.

Er erwarb im Juni 2006 von der Beklagten, die damals noch unter dem Namen T Vermögensverwaltung GmbH firmierte, Hypothekenanleihen der zweiten Tranche (...#/...#) im Nennwert von 5.000,00 Euro. Die Teilschuldverschreibungen sollten nach den Anleihebedingungen mit 6 Prozent jährlich verzinst werden. Die Zinsen sollten jeweils am 01.07. eines Jahres fällig werden. Die Anleihe selbst sollte am 30.06.2016 zurückgezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten zu der Anleihe und den Anleihebedingungen wird auf den in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Wertpapierprospekt (Anlage K1, Anlagenheft) verwiesen.

In der Folgezeit geriet die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Sie befindet sich seit Juni 2010 aufgrund einer bilanziellen Überschuldung - sie weist voraussichtlich per 31.12.2010 eine nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von circa 4,2 Millionen Euro aus - in einer Sanierungs- bzw. Restrukturierungsphase. Am 30.06.2010 erklärte die Beklagte in einer Adhoc-Mitteilung unter anderem, dass die Geschäftsführung davon ausgehe, dass keine positive Fortführungsprognose bestehe und eine Überschuldung gegeben sei. Sie kündigte ein Restrukturierungskonzept an und teilte mit, dass sie vor diesem Hintergrund Zinszahlungen, die in Bezug auf Anleihen der ersten und zweiten Tranche zum 01.07.2010 fällig würden, aussetze. Mit Adhoc-Mitteilung vom 12.08.2010 legt die Beklagte ein Restrukturierungskonzept vor, das eine Reduzierung des Zinssatzes jeder Anleihe auf 1 % p. A. rückwirkend ab dem 01.07.2010 bis einschließlich 30.06.2013 und eine Reduzierung des Nennwerts der Anleihen um 60 % auf 40 % vor sah. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Insolvenzantrag unausweichlich sei. Wenn die Gläubigerversammlungen nicht sämtlich der vorgeschlagenen Reduzierung des Zinssatzes zustimmen würden. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass nach wie vor eine Insolvenzgefahr bestünde.

Am 24.08., 25.08. und am 26.08.2010 berief die Beklagte erstmals - für jede der drei Anleihen gesondert - Gläubigerversammlungen ein. Dabei wollte sie erreichen, dass der Zinssatz der Anleihen wie beschrieben reduziert wird und die Anleihegläubiger für die Zeit bis zum 24.08.2013 auf etwaige Rechte zur Kündigung verzichten. In den Gläubigerversammlungen stimmten zwar die Mehrheit der anwesenden Gläubiger für die Beschlüsse, die Versammlungen waren allerdings nicht beschlussfähig, weil jeweils weniger als 50 % der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen vertreten waren.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.09.2010, zugegangen am 01.10.2010, kündigte der Kläger seine Anleihen gegenüber der Beklagten aus wichtigem Grund und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 08.10.2010 den Anleihebetrag und die offenen Zinsen zurück zu zahlen. Eine Rückzahlung erfolgte nicht.

Im Rahmen einer weiteren Gläubigerversammlung, die am 27.10., 28.10. bzw. 02.11.2010 stattfand, stimmten die Anleihegläubiger den Beschlussvorschlägen über die Ermäßigung des Zinssatzes und dem Ausschluss des Kündigungsrechtes wirksam zu.

Mit Valuta vom 11.11.2010 zahlte die Beklagte die Zinsen für die erste und zweite Anleihe bis zum 30.06.2010. Für die dritte Anleihe zahlte die Beklagte Zinsen in Höhe von 6 % p.a. bis zum 30.06.2010 und 1 % p.a. ab dem 01.07.2010.

Im Hinblick auf die vorgeschlagene Reduzierung des Nennwerts der Anteile führte die Beklagte - wiederum für jede Anleihe gesondert - im Frühjahr 2011 Gläubigerversammlungen durch, die allerdings erneut nicht beschlussfähig waren.

Der Kläger ist der Ansicht, seine Kündigung sei schon wegen der Ankündigung berechtigt, dass eine Insolvenz nicht zu vermeiden sei, wenn nicht ein (teilweiser) Zins- oder Hauptforderungsverzicht erfolge. Hierzu behauptet er, dass die Beklagte bereits seit dem Jahr 2005 überschuldet gewesen sei. Ferner bestehe seiner Ansicht nach ein Anspruch aus Vertragsverletzung bzw. unerlaubter Handlung, da die Beklagte, anstatt weiter Anleihen anzubieten, vielmehr einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung hätte stellen müssen. Überdies habe sie vorsätzliche falsche Prospektangaben gemacht und die Anleger bewusst über die Sicherheitenlage der Gesellschaft getäuscht.

Er beantragt,

1.     die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2010 zu zahlen,

2.     die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Zinsen für die Zeit vom 01.07.2010 bis zum 08.10.210 in Höhe von 90,41 Euro zu zahlen,

3.     festzustellen, dass die Beklagte mit der Rücknahme der Inhaber-Teilschuldverschreibungen im Verzug ist und

4.     die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 919,27 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder eine Überschuldung der Beklagten liege nicht vor bzw. habe nicht vorgelegen. Nach dem Vortrag des Klägers habe ja bereits seit 2005 eine finanziell bedenkliche Situation bestanden, weshalb die Vermögensverhältnisse gleichbleibend schlecht gewesen seien. Sie ist der Ansicht, es bestünde auch deshalb kein Kündigungsrecht, weil der Kläger aus einer Kündigung keinerlei Vorteile ziehen könnte. Hierzu behauptet sie, bei einem Erfolg der Klage sei auch im Hinblick auf die Klageforderungen anderer Anleger eine positive Fortbestehensprognose ausgeschlossen und die Beklagte müsste die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, weil sie dann überschuldet wäre. In diesem Fall würde der Kläger einen Totalverlust erleiden. Sie ist daher der Ansicht, dass dem Kläger die Fortsetzung des Schuldverhältnisses aus der Anleihe zugemutet werden könne. Ferner erstrebe der Kläger mit seiner Kündigung einen unzulässigen Sondervorteil. Weiter stünden der Kündigung des Klägers die Beschlüsse der Anleihegläubiger, insbesondere der Kündigungsverzicht, entgegen. Auch im Vorfeld des Erwerbs habe sie keine fehlerhaften Angaben zu ihrer Vermögenssituation gemacht. Ebenso seien die Angaben im Wertpapierprospekt und auch in anderen von ihr ausgegebenen Dokumenten und Berichten richtig und vollständig. Auch sei die geltend gemachte Vergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers zu hoch bemessen. Sie bestreitet schließlich die Aktivlegitimation des Klägers mit Nichtwissen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 5.000,00 Euro gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit dem Wertpapierkaufvertrag zu.

An der Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Bedenken, nachdem dieser mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2011 eine Depotbescheinigung vom 27.06.2011 und eine aktuelle Depotbewertung vom 06.12.2011 vorgelegt hat, aus der sich ergibt, dass die streitgegenständlichen Anleihen nach wie vor in seinem Depot vorhanden sind.

Die mit Schreiben vom 10.09.2010 erklärte Kündigung des Klägers aus wichtigem Grund ist gemäß § 314 BGB wirksam.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Dabei kann nach Einschätzung der Kammer offen bleiben, ob die Beklagte bereits zum Erwerbszeitpunkt überschuldet und insolvenzreif war oder fehlerhafte Angaben im Emissionsprospekt oder zur Sicherheitenlage gemacht hat. Denn dem Kläger ist schon deshalb eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar, weil die Beklagte in den Pressmitteilungen vom 30.06.2010 und vom 12.08.2010 angekündigt hat, bei unveränderten Vertragsbedingungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Damit drohte der Beklagten nach eigener Aussage unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit. Auf die Frage, ob die Beklagte damals tatsächlich überschuldet gewesen ist oder nicht, kommt es nicht an. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann in der unmittelbar drohenden Gefahr der Zahlungsunfähigkeit selbst dann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegen, wenn die Überschuldung nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 10.03.2009 - XI ZR 492/07 und BGH NJW 2003, 2674 ff.; zitiert nach Juris). Diese von der Rechtsprechung für Darlehensverträge entwickelten Grundsätze sind auf den hier vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanleihen zu übertragen. Denn, ähnlich wie bei einem Darlehensvertrag, hat der Kläger der Beklagten für eine bestimmte Zeit Gelder zur Verfügung gestellt, die von dieser am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt werden müssen. Daneben besteht ein schuldrechtlicher Anspruch des Klägers auf die Zahlung eines zeitabhängigen Entgelts (Zinszahlung). Dabei ist zu beachten, dass nachrangige Hypothekenanleihen bzw. Immobilienanleihen Anleihen an Unternehmen sind, deren Mittelverwendung zwar im Interesse der Anleger erfolgt, die die erworbenen Immobilien aber zu einem bestimmten Teil auch fremd finanzieren. Folglich sind die die Ansprüche der Anleihegläubiger sichernden Grundpfandrechte nicht oder allenfalls nachrangig gegenüber den der Besicherung der Bankkredite dienenden Grundpfandrechten gesichert. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf ihre faktische Absicherung letztlich nicht von herkömmlichen Unternehmensanleihen, welche - wie bereits beschrieben -nichts anderes als ein Darlehen an das jeweilige Unternehmen darstellen.

Eine vorherige Abmahnung des Klägers nach § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB ist vorliegend nach § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen. Denn die Beklagte behauptet nach wie vor, dass ein Insolvenzverfahren drohe, wenn nicht die Anleihegläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Vor diesem Hintergrund wäre ein Abmahnung bloße Förmelei. Die Beklagte ist nämlich ohne Mitwirkung der Anleihegläubiger nach eigenem Vorbringen nicht in der Lage, ihre finanzielle Situation innerhalb einer überschaubaren Frist entscheidend zu verbessern. Im Übrigen liegen auch weitere besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen. Denn die Beklagte hatte mit der zweiten Adhoc-Mitteilung angekündigt, dass zeitnah Gläubigerversammlungen durchgeführt werden sollen, in denen das Kündigungsrecht der Anleihegläubiger mittels einer Mehrheitsentscheidung ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger nicht zuzumuten der Beklagten eine Frist zur Abhilfe zu setzen. Zudem wäre eine Fristsetzung zu der Überschuldung reduzierenden Maßnahmen auch erkennbar aussichtslos gewesen, da die Beklagte nur durch die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger hierzu in der Lage gewesen wäre und daher von dem Verhalten Dritter abhängig war. Der Kläger hat die Kündigung auch innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB erklärt.

Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist das Recht der Kläger zur Kündigung auch nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB ausgeschlossen.

Zwar ist zutreffend, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, eine Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des konkreten Falles und eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsteile erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kann aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen einer Abwicklung relevanter Gesichtspunkte nicht angenommen werden, dass es der Interessenlage der Parteien besser entspreche, den Vertrag bestehen zu lassen. Insbesondere liegt kein Fall vor, bei dem sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers/Emittenten mit einer Kündigung wesentlich bis zur Insolvenz verschlechtern würden. Die Beklagte ist nach eigenem Vorbringen schon unabhängig von der Kündigung des Klägers überschuldet und Insolvenzreif. Sie ist zurzeit nur darum bemüht, durch einen angestrebten Verzicht der Anleihegläubiger auf einen Teil der diesen zustehenden Forderungen eine positive Fortbestehensprognose zu begründen. Die Beklagte ist darüber hinaus nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage, ihren vertraglichen Verpflichtungen, also der Zahlung von jährlich 6 Prozent Zinsen und die vollständige Rückzahlung der Anleihe, zumindest Ratenweise nachzukommen. Für den Fall, dass es bei den ursprünglich vertraglich vereinbarten Pflichten bleiben sollte, hat die Beklagte vielmehr die Stellung eines Insolvenzantrages als äußerst wahrscheinlich angekündigt. Daher ist die Beklagte ja auch darum bemüht, einen erheblichen Verzicht der Anleihegläubiger herbei zu führen. Unter diesen Umständen ist dem Kläger jedoch eine Fortsetzung des Vertrages nicht zuzumuten.

Der Kläger muss auch nicht etwa den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung bei der Beklagten noch abwarten, sondern er hat bereits dann ein Kündigungsrecht, wenn sich die Vermögensverschlechterung und die daraus folgende Gefährdung der Rückzahlung seines Anlagebetrages sichtbar abzeichnen. Für den Darlehensvertrag ist anerkannt, dass anderenfalls der Sinn des außerordentlichen Kündigungsrechtes im Fall von Vermögensverschlechterungen für den Darlehensgeber in vielen Fällen verfehlt würde: Denn diese soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust bewahren. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn der Darlehensnehmer zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre (BT-Drs. 14/6040, Seite 254 zu § 490 Abs. 1 BGB).

Zwar kann es dem Darlehensgeber im Einzelfall durchaus zumutbar sein, das Darlehen bei dem Darlehensnehmer zu belassen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Vermögenssituation des Schuldners erst durch die Rückforderung des Darlehensvertrages in einer Summe so sehr verschlechtert, dass er insolvent wird, während ihm bei Belassung des Darlehens jedenfalls eine ratenweise Rückführung möglich wäre. Auch im Falle einer lediglich vorübergehenden Vermögensverschlechterung kann es im Einzelfall dem Darlehensgeber zumutbar sein, dem Darlehensgeber das Darlehen zu belassen (BT-Drs. a. a. O.). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanleihen zwar grundsätzlich anwendbar. Jedoch liegt keiner der genannten Fälle vor, in dem es dem Darlehensgeber zumutbar ist, dem Darlehensnehmer das Darlehen zu belassen. Die Beklagte selbst trägt nicht vor, dass bei ihr nur eine vorübergehende Vermögensverschlechterung vorliegt. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die Rückforderung des Nennbetrages in Höhe von hier insgesamt rund 5.000,00 Euro in einer Summe die Vermögenssituation der Beklagten so sehr verschlechtern würde, dass sie insolvent würde. Zum einen ist die Beklagte nach eigenen Angaben ohne Forderungsverzicht der Anleihegläubiger schon insolvenzreif. Zum anderen würde aber ein Betrag von 5.000,00 Euro an der Vermögenssituation der Beklagten nichts Wesentliches ändern.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen von § 490 BGB ein wichtiger Kündigungsgrund nach der Valutierung eines Darlehens nach ganz überwiegender Ansicht jedenfalls dann vorliegt, wenn durch weiteres Belassen der Mittel beim Darlehensnehmer die Rückgewehr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist; dies setzt eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung auch der Belange des Schuldners voraus (BT-Drs. a. a. O.; Mülbert in: Staudinger Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2011, § 490 Rn. 3, 38; Berger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, § 490 Rn. 17 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Klägers vor. Denn wenn er nicht gekündigt hätte, wäre ein Großteil seines Anlagebetrages höchstwahrscheinlich verloren und eine Kündigung aufgrund des anvisierten Gläubigerversammlungsbeschlusses ausgeschlossen gewesen. Auf Seiten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass aufgrund der Kündigung einer Vielzahl von Anlegern nunmehr die Insolvenz kaum mehr zu vermeiden sein wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Anlegern nicht um gewerblich handelnde Kreditgeber handelt und es sich deshalb für diese um erhebliche Summen handelt, so dass es diesen nicht zumutbar ist, ihr Geld bei der Beklagten zu belassen.

Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Kläger im Verhältnis zu anderen Anlegern, die ihre Anleihe bislang nicht gekündigt haben, durch die Kündigung einen unzulässigen Sondervorteil anstrebt. Die Kündigung soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz verursachten Gesamtausfall schützen. Insbesondere muss der Darlehensgeber, wie bereits dargelegt, den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung nicht abwarten. Da der Kläger kein Gesellschafter der Beklagten ist, sondern lediglich Gläubiger, ist eine über die normalen Treuepflichten im Verhältnis Gläubiger-Schuldner hinausgehende, den Treuepflichten eines Gesellschafters vergleichbare Treuepflicht nicht gegeben und der Kläger nicht verpflichtet, mit seinem Verhalten übrige Anleihegläubiger zu schützen bzw. nicht zu schädigen. Insbesondere hatte jeder Gläubiger genauso wie der Kläger die Möglichkeit bis zum Wirksamwerden der Beschlüsse der Gläubigerversammlung und dem Ausschluss des Kündigungsrechts von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Das Bestehen eines Sondervorteils durch bloße Ausübung eines allseits bestehenden Kündigungsrechts kann folglich nicht angenommen werden.

Nichts anderes ergibt sich aus dem auf der Gläubigerversammlung im Oktober 2010 beschlossenen Kündigungsverzicht. Denn dieser ist für die von dem Kläger schon vorher am 10.09.2010 wirksam erklärten Kündigung rechtlich ohne Bedeutung. Insbesondere entfaltete der Beschluss der Gläubigerversammlung im August 2010 keine Wirksamkeit, da zu diesem Zeitpunkt eine Beschlussfähigkeit nicht gegeben war. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe sich treuwidrig verhalten, weil er sich Ladungsfristen zunutze gemacht habe, um noch schnell zu kündigen, überzeugt dies nicht. Denn dem Kläger ist es nach keinem rechtlichen Gesichtspunkt verboten gewesen, die Anleihe innerhalb der Ladungsfrist zu kündigen. Auch der Hinweis der Beklagten auf das Ziel des Schuldverschreibungsgesetzes ist nicht überzeugend. Denn die auf den jeweiligen Versammlungen gefassten Beschlüsse sollen auch nach den Vorgaben des Schuldverschreibungsgesetzes keine (Rück-) Wirkung auf bereits gekündigte Altverträge haben.

Darauf, dass diejenigen Anleger, die bis zur Beschlussfassung von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, ihre Verträge nun nicht mehr kündigen können, kommt es nicht entscheidend an. Denn es hat jedem Anleger frei gestanden, von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht bis zur Gläubigerversammlung Gebrauch zu machen oder nicht. Das Kündigungsrecht des einzelnen Anlegers ist nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Anleger abhängig. Vor diesem Hintergrund kann dem Kläger auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, er erstrebe mit seiner Kündigung ein für ihn günstiges Ergebnis auf Kosten der übrigen Anleihegläubiger.

Die Kündigung war auch nicht vor dem Hintergrund der vermeintlich bestehenden Sicherheiten ausgeschlossen. Denn selbst wenn solche Sicherheiten bestünden, handelte es sich um nachrangige Sicherheiten, die im Falle der Insolvenz der Beklagten von den vorrangigen Sicherungsgebern, nämlich den Banken, aufgezehrt würden, somit nicht werthaltig wären.

Soweit der Kläger darüber hinaus Zahlung der vertraglich geschuldeten Zinsen verlangt besteht ein entsprechender Anspruch in Höhe von 6 % p.a auf den Nennwert seit dem 01.07.2010. Dieser Anspruch ist nicht durch die nachträgliche Reduzierung der vertraglich geschuldeten Anleihezinsen durch den Beschluss der Gläubigerversammlung im Oktober 2010 beeinträchtigt, da die Kündigung vor dieser Beschlussfassung erfolgte und diese somit keine Wirkung mehr für das zwischenzeitlich beendete Anleiheschuldverhältnis zwischen den Parteien entfalten konnte.

Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Anwaltskosten ist dem Grunde nach aus § 280 BGB gerechtfertigt. Denn es verpflichtet bereits die Ankündigung einer Erfüllungsverweigerung zum Schadensersatz nach § 280 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 280 Rn. 24). Jedoch ist im Hinblick auf die Höhe der geltend gemachten Anwaltskosten zu berücksichtigen, dass diese vorliegend nur bis zu einer Gebühr von 1,8 ersatzfähig sind.

Zwar bestimmt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr grundsätzlich der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung jedoch nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, wobei ihm nach allgemeiner Ansicht auch im Anwendungsbereich des RVG ein Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zusteht (vgl. BGH, Urteil v. 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05). Dabei kann eine Gebühr über 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen ist (vgl. RVG Anl. 1 VV Nr. 2003; BGH a.a.O.).

Zwar erkennt die Kammer vorliegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit und Umfangstätigkeit aufgrund der Sichtung der umfangreichen Unterlagen und einer gewissen rechtlichen Komplexität. Diese erachtet die Kammer jedoch mit einer Gebühr von 1,8 als abgegolten. Die geltend gemachte Gebühr von 2,5 war folglich auch nicht von der Toleranzgrenze in Höhe von 20 % umfasst, weshalb sie entsprechend zu reduzieren war.

Der jeweilige Zinsanspruch hinsichtlich des Rückzahlungsbetrages aus der Anleihe sowie der Anleiheverzinsung folgt aus den § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 288 BGB. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen gewesen, dass die von dem Kläger gesetzte Frist von unter 2 Wochen zur Rückzahlung des Anlagebetrages nach Einschätzung der Kammer zu kurz bemessen ist. An ihrer Stelle gilt eine angemessene Frist von 2 Wochen ab Zugang der Kündigung.

Der Feststellungsantrag ist mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Da die Beklagte ein Leistungsverweigerungsrecht nicht geltend gemacht hat, ist ihre Verurteilung dem Antrag des Klägers entsprechend nicht Zugum-Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibungen erfolgt. Der Feststellung des Annahmeverzugs bedarf es daher nicht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 5.090,41 Euro.