OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.11.2011 - 13 B 1198/11
Fundstelle
openJur 2012, 82911
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. September 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der von ihm dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist in dem vorgegebenen Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Antrag des Antragstellers,

ihm im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung der Hauptsache zu erlauben, in seiner Wohnung Hybride der Pflanze Hanf (Cannabis Sativa) anzubauen, zu ernten und zur Behandlung seiner Schmerzsymptome zu verwenden,

abzulehnen, begegnet keinen Bedenken.

Das Begehren des Antragstellers stellt sich als Vorwegnahme der Hauptsache dar. Ein die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Ausnahmefall im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist (nur) zu bejahen, wenn die anderenfalls zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für einen Erfolg in der Hauptsache spricht und wenn gegenläufige öffentliche Interessen der Verwaltung nicht überwiegen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2011

- 13 B 1722/10 -, juris.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss zu Recht verneint. Bei dem derzeitigen Erkenntnisstand in diesem auf summarische Prüfung angelegten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist weder ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers in dem von ihm eingeleiteten Hauptsacheverfahren zu bejahen (dazu nachfolgend unter I.) noch ist feststellbar, dass dem Antragsteller das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wäre (dazu nachfolgend unter II.).

I. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I, S. 358) für den Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung einer Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG zählt Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) grundsätzlich zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln. Die in der Anlage I unter den Buchstaben a) bis d) zu Cannabis aufgeführten Ausnahmetatbestände liegen hier nicht vor.

Auch die mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 11. Mai 2011 (BGBl. I, S. 821) eingeführte Ausnahme zu den in den Anlagen II und III bezeichneten Zwecken unter Buchstabe e) greift nicht ein. Cannabis in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind (vgl. Anlage III), steht hier nicht in Rede. Ebenso wenig sind die Hanfpflanzen, die der Antragsteller anbauen möchte, zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt (Anlage II). Ein anderweitiges Verständnis der Regelung in Anlage II widerspräche, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers. Dieser hat in der Begründung des Verordnungsentwurfs (BR-Drs. 130/11 vom 3. März 2011) ausdrücklich ausgeführt, dass die Änderungen betreffend Cannabis in den Anlagen I bis III (allein) dem Zweck dienen, cannabishaltige Fertigarzneimittel in Deutschland herstellen, zulassen und verschreiben zu können.

Vgl. Begründung A. Allgemeiner Teil, I. Ziel und Gegenstand des Verordnungsentwurfs.

Mit der Aufhebung des generellen Verkehrsverbots für Cannabis sollen lediglich solche cannabishaltigen Arzneimittel verkehrsfähig werden, die unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Ferner soll die Herstellung entsprechender Zubereitungen zu medizinischen Zwecken ermöglicht werden.

Vgl. Begründung B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1 (Änderung der Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes), Zu den Nummern 1 bis 3 Buchstabe a.

Die unter der Position Cannabis in Anlage II angeführte Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken steht danach in untrennbarem Zusammenhang mit der Herstellung eines cannabishaltigen Fertigarzneimittels und betrifft nicht den Eigenanbau von Cannabis zwecks Selbstmedikation.

Auch die Ausführungen in der Replik zur Antragserwiderung stützen die Rechtsauffassung des Antragstellers nicht, da sie von der Annahme ausgehen, dass Cannabisharz (Haschisch) infolge der Änderungen in den Anlagen I und II zu § 1 Abs. 1 BtMG nicht mehr als Betäubungsmittel gilt. Dies trifft jedoch nicht zu. Vielmehr zählt Cannabisharz gemäß Anlage I nach wie vor ohne Ausnahme zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln.

Die Regelungen im Betäubungsmittelgesetz, die den Umgang mit Cannabis vorbehaltlich der Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 BtMG verbieten, sind entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht offenkundig verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung im Jahr 1994 nach Auswertung der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse festgestellt, dass sich zwar die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren aus heutiger Sicht als geringer darstellten, als der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes angenommen habe, jedoch auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken verblieben, so dass die Gesamtkonzeption des Gesetzes in Bezug auf Cannabisprodukte auch weiterhin vor der Verfassung Bestand habe.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u.a. -, BVerfGE 90, 145 (181).

An dieser Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht in nachfolgenden Entscheidungen mangels neuer Tatsachen, welche die bisherige Einschätzung erschüttern könnten, festgehalten.

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, NJW 2004, 3620, vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1772/02 -, PharmR 2005, 374, und vom 15. August 2006 - 2 BvR 1441/06 -, juris.

Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2000 - 3 C 20.00 -, NJW 2001, 1365, die nach Ergehen der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchgeführten Forschungen nicht als geeignet angesehen, den Beweis einer generellen Unbedenklichkeit von Cannabis zu erbringen.

Vgl. ebenso BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 3 B 109.06 -, juris.

Der Antragsteller hat kein neues Erkenntnismaterial vorgelegt, das die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts als (offensichtlich) fehlerhaft erscheinen lässt. Die von seinen Verfahrensbevollmächtigten angeführten Studien von Kleiber/Kovar und Kleiber/Söllner aus den Jahren 1997 und 1998 lagen bereits den danach ergangenen verfassungsgerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen zugrunde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2004 - 2 BvL 8/02 -, a.a.O., zur Würdigung der Studie von Kleiber/Kovar.

Auch die weiterhin benannte Publikation von Dr. Krumdiek in der NStZ 2008, 437, in der die neueren wissenschaftlichen Aufsätze zum Thema Cannabis zusammengefasst werden, vermag die Ungefährlichkeit von Cannabis nicht zu belegen, zumal die Verfasserin selbst in der Zusammenfassung des Beitrags auf die mit dem Gebrauch von Cannabis nach wie vor einhergehenden potentiellen Risiken hinweist. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass für eine eingehende Prüfung neuer Forschungsergebnisse im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohnehin kein Raum ist und eine solche daher gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren vorzunehmen ist.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der nach alldem erforderlichen Erlaubnis für den Anbau von Cannabispflanzen zusteht. Gemäß § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch die Behandlung eines einzelnen schwer kranken Patienten mit Cannabis im öffentlichen Interesse liegen, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Erkrankung möglich ist und dem Betroffenen kein gleich wirksames zugelassenes und für ihn erschwingliches Arzneimittel zur Verfügung steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2005 - 3 C 17.04 -, DVBl. 2005, 1330 (Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu therapeutischen Zwecken).

Selbst wenn auf der Grundlage der vom Antragsteller beim BfArM und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen seiner behandelnden Ärztin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren angenommen wird, dass diese Voraussetzungen in seiner Person erfüllt sind, folgt hieraus noch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit, dass ihm die begehrte Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis zu erteilen ist.

Zum einen lässt sich die vom Verwaltungsgericht offen gelassene Frage, ob dem Anspruch des Antragstellers Versagungsgründe gemäß § 5 Abs. 1 BtMG entgegenstehen, derzeit noch nicht abschließend beantworten. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn geeignete Räume, Einrichtungen und Sicherungen für die Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr nicht vorhanden sind.

Zwar dürften die Richtlinien des BfArM über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern nach § 3 Betäubungsmittelgesetz (Stand: 1.1.2007) - 4114 (01.07) - im Falle einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen in einer Privatwohnung zur medizinischen Eigenbehandlung des Wohnungsinhabers nicht anwendbar sein. Die Richtlinien sind möglicherweise - ebenso wenig wie die Regelung in § 5 Abs. 1 BtMG selbst - nicht auf diese Fallkonstellation zugeschnitten, weil die darin geforderten Sicherungsmaßnahmen (z.B. zertifizierte Wertschutzschränke und -türen) und die hierfür anfallenden Kosten ersichtlich außer Verhältnis zu dem Gefahrenpotenzial stehen, das die wenigen für die Eigentherapie benötigten Cannabispflanzen bergen. Von Privatpersonen können daher nur zumutbare Sicherungsmaßnahmen verlangt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2007 - 13 E 1542/06 -.

Ob vor diesem Hintergrund die vom Antragsteller benannten Sicherungsmaßnahmen als ausreichend anzusehen sind, kann allerdings bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden. Der Antragsteller hat insoweit dargelegt, dass die Eingangstür seiner Wohnung aus Massivholz bestehe und mit einem Sicherheitsschließzylinder und -beschlag ausgestattet sei. Auch für den Raum, in dem der Cannabisanbau erfolgen solle, sei der Einbau einer Vollholztür mit Sicherheitsschließzylinder und -beschlag vorgesehen. Mangels näherer Ausführungen zu den Türsicherungen lässt sich nicht erkennen, inwieweit diese geeignet sind, dem Eindringen Unbefugter in die Wohnung und den Anbauraum effektiv vorzubeugen. Dies wird im Hauptsacheverfahren ebenso zu klären sein wie die Frage, ob beim Anbau von Cannabis in einer Privatwohnung unter Beachtung des Gebots der Zumutbarkeit nicht grundsätzlich noch weitere Sicherungsmaßnahmen zu fordern sind. Als solche kommen mechanische Schutzvorrichtungen wie Mehrfachverriegelungen und ein Aufhebelschutz an Türen oder eine technische Sicherung des Anbauraums - etwa durch eine IT-Kamera mit programmierbarem Bewegungsmelder, der bei Bewegungen im Raum eine email mit Bildern an ein Handy sendet - in Betracht.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 11. Januar 2011 - 7 K 3889/09 -, juris, zu den vom dortigen Kläger geplanten Sicherungsmaßnahmen.

Bei summarischer Prüfung ist ferner gegenwärtig nicht feststellbar, dass das vom BfArM im Rahmen von § 3 Abs. 2 BtMG und des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 2 BtMG auszuübende Ermessen dahingehend reduziert ist, dass nur die Erteilung der begehrten Anbauerlaubnis rechtmäßig ist.

Eine Ermessensreduzierung auf Null dürfte insbesondere dann nicht anzunehmen sein, wenn dem Antragsteller eine wirksame und zumutbare Behandlungsalternative zum Eigenanbau von Cannabis zur Verfügung steht. Das BfArM hat in den Ermessenserwägungen des Ablehnungsbescheides vom 14. Oktober 2010 daher im Ansatz zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller eine Erlaubnis für den Erwerb von niederländischem Medizinalhanf erteilt worden ist. Weder der Antragsteller noch seine behandelnde Ärztin haben die Wirksamkeit des Medizinalhanfs zur Schmerzlinderung in Frage gestellt. Allerdings ist der Bezug von Medizinalhanf über eine Apotheke dem Antragsteller nur dann zumutbar, wenn er sich dies finanziell leisten kann. Hierzu verhält sich der Ablehnungsbescheid nicht.

Dass der Erwerb der medizinisch erforderlichen Menge Medizinalhanf für den Antragsteller auf absehbare Zeit nicht erschwinglich sein wird, lässt sich indes im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen. Der Antragsteller hat seine aktuellen Einkommensverhältnisse nicht glaubhaft gemacht. In der seinem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er angegeben, dass er aus selbstständiger Erwerbstätigkeit über ein monatliches Bruttoeinkommen von ca. 350,-- Euro verfüge. Seine Ehefrau beziehe aus nicht selbstständiger Arbeit monatlich 2.100,-- Euro brutto. Der Antragsteller hat weder dargelegt, worin seine selbstständige Tätigkeit besteht, noch Belege zu seinen und den Einkünften seiner Ehefrau vorgelegt. Ebenso wenig hat der Antragsteller die in der Erklärung angeführten Abzüge (Versicherungen, Werbungskosten/Betriebsausgaben, Wohnungskosten) erläutert und belegt. Nicht nachvollziehbar ist ferner, dass er einerseits eine Belastung aus Fremdmitteln von monatlich 250,-- Euro angibt, andererseits aber die von seiner Ehefrau geleisteten monatlichen Ratenzahlungen auf die Restschuld für das Grundvermögen mit 265,-- Euro beziffert.

Angesichts der aufgezeigten Defizite vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob der Antragsteller den ihm nunmehr von seiner behandelnden Ärztin unter dem 10. Oktober 2011 attestierten täglichen Bedarf von einem Gramm Medizinal-Cannabisblüten beim Bezug über eine Apotheke dauerhaft finanzieren kann oder nicht. Dies erscheint bei einem Bezugspreis von 14,40 Euro je Gramm in der Apotheke des Antragstellers, auf dessen Grundlage sich monatliche Kosten von ca. (30 x 14,40 Euro =) 432,-- Euro errechnen, angesichts des (angegebenen) monatlichen Gesamteinkommens des Antragstellers und seiner ihm zu Unterhalt verpflichteten Ehefrau von 2.450,-- Euro jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen.

Überdies hat der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er überhaupt einen Bedarf an Medizinalhanf hat, der über die in der ärztlichen Erklärung vom 4. September 2009 angegebene Tagesdosis von 0,2 Gramm hinausgeht. Der Bericht seiner Ärztin vom 25. Oktober 2011 ist hinsichtlich der erheblichen Erhöhung des täglichen Bedarfs von 0,2 auf ein Gramm kaum aussagekräftig. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen ab September 2010 eine "schrittweise Anhebung des Tagesbedarfs auf 1 g" erfolgt ist. Insoweit beschränkt sich die Ärztin darauf, knapp auf eine "Toleranzentwicklung" zu verweisen, die "eine höhere Dosis zur Syptomenbesserung erforderlich" gemacht habe. Der Arztbericht enthält auch weder (ansatzweise) die Ergebnisse der im Rahmen der Dosiserhöhung vorgenommenen körperlichen Untersuchungen und Laborbestimmungen noch Auswertungen des laut Bericht vom Antragsteller geführten Schmerzkalenders.

Ferner hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, wie und insbesondere mit welchen finanziellen Mitteln er den angeblich stufenweise erhöhten Bedarf befriedigt hat. Der Antragsteller erwirbt in seiner Bezugsapotheke augenscheinlich nach wie vor nur die in dem vom BfArM mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 genehmigte Menge Medizinalcannabis, d.h. 0,2 Gramm pro Tag entsprechend der ursprünglichen ärztlichen Dosierungsvorgabe. Dies folgt aus dem Rügeschreiben der Apothekenleiterin an den Cannabislieferanten vom 8. Juni 2011 sowie aus der vom 20. Juli 2011 datierenden Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in der er die monatlichen Kosten für "Schmerzmittel (Cannabisblüten)" mit 72,-- Euro - dem Apothekenpreis für eine 5-g-Dose - angegeben hat. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, wie er bisher den ärztlich attestierten weiteren Bedarf von 0,8 Gramm pro Tag gedeckt hat. Sollte es sich hierbei um "illegale Ware" handeln, wie in dem Arztbericht vom 25. Oktober 2011 angedeutet wird, so stellt sich die Frage, woher der Antragsteller diese bezogen hat und wie er diese hat finanzieren können. Jedenfalls ist bei dieser unklaren Sachlage nicht der Schluss möglich, dass der Antragsteller es sich nicht leisten kann, Medizinalcannabis auf Dauer in der - unterstellt - benötigten Menge von einem Gramm pro Tag in seiner Bezugsapotheke zu erwerben.

Der genehmigte Erwerb von Medizinalcannabis über eine Apotheke stellt für den Antragsteller auch im Hinblick auf die von ihm angeführten Lieferschwierigkeiten keine unzumutbare Behandlungsalternative dar. Ob es derzeit noch zu nennenswerten Lieferausfällen kommt, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Der Antragsteller hat diese mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Mai 2011 lediglich bis März 2011 dokumentiert und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Angaben zur aktuellen Versorgungssituation gemacht. Selbst wenn es nach wie vor zu Engpässen bei der Lieferung käme, könnte der Antragsteller hieraus keine Ermessensreduzierung auf Null herleiten. Denn das BfArM könnte, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, dem Antragsteller im Rahmen einer erneuten Ermessensausübung den Bezug einer (zeitweise) höheren Menge Medizinalhanf genehmigen, so dass dieser einen kleinen Vorrat bilden und hiermit kurzfristige Lieferausfälle überbrücken könnte. Soweit der Antragsteller in der Vergangenheit zeitweise von dem niederländischen Monopollieferanten Lieferungen mit einem geringeren als dem deklarierten Inhalt bezogen hat, ist dies seitens der Leiterin seiner Bezugsapotheke mit Schreiben vom 8. Juni 2011 reklamiert worden. Dass es in der Folgezeit weiterhin zu Minderlieferungen gekommen ist, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.

II. Des Weiteren ist nach derzeitigem Sach- und Erkenntnisstand nicht feststellbar, dass es dem Antragsteller unzumutbar wäre, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Da der Antragsteller, wie oben ausgeführt, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht glaubhaft gemacht hat, ist zum einen nicht erkennbar, ob er den ihm nunmehr ärztlich attestierten Bedarf nicht zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens (teilweise) dadurch decken kann, dass er - mit entsprechender Erlaubnis des BfArM - eine größere Menge Medizinalcannabis über seine Bezugsapotheke erwirbt. Mangels hinreichender Glaubhaftmachung der Tagesdosis von einem Gramm Medizinalcannabis lässt sich zum anderen nicht beurteilen, ob die Schmerzen des Antragstellers bei Einnahme einer - zeitweise - geringeren Menge Cannabis weniger effektiv gelindert werden.

Vor dem Hintergrund dieser Unklarheiten erscheint es im Übrigen zumindest nicht als ausgeschlossen, dass dem Antragsteller zur Deckung eines aus laufendem Einkommen (teilweise) nicht finanzierbaren Bedarfs an Medizinalcannabis für den begrenzten Zeitraum des Hauptsacheverfahrens die Aufnahme eines Kredits zumutbar ist. Dieser könnte gegebenenfalls mit dem im Eigentum des Antragstellers - und möglicherweise auch dessen Ehefrau - stehenden Grundvermögen gesichert werden, das nach der Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen Verkehrswert von 80.000,-- Euro bei einer Restschuld von (lediglich) 32.000,-- Euro hat.

Bei diesen Zumutbarkeitserwägungen geht der Senat davon aus, dass das Verwaltungsgericht bestrebt sein wird, das Hauptsacheverfahren zeitnah zu fördern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.