OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.07.2011 - 13 B 567/11
Fundstelle
openJur 2012, 80738
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 29. April 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO aus den im angegriffenen Beschluss genannten Gründen zu Recht abgelehnt. Auf diese Gründe nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gibt keine Veranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

Dies gilt zum einen für den unter dem 4. Januar 2011 gestellten Antrag auf Zulassung innerhalb der Härtequote.

Grundlage der rechtlichen Erörterung ist im hier gegebenen Zulassungsverfahren der Hochschulen § 23 Abs. 2 Nr. 7 VergabeVO NRW, der hinsichtlich der Auswahl nach Härtegesichtspunkten auf die Regelung in § 15 VergabeVO NRW verweist. Nach § 15 Satz 1 VergabeVO NRW werden die Studienplätze der Härtequote auf Antrag an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie für den genannten Studiengang keine Zulassung erhielten. Eine außergewöhnliche Härte liegt nach Satz 2 vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums oder einen sofortigen Studienortwechsel zwingend erfordern. Das Verwaltungsgericht hat entsprechend der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin, die in den

"Informationen zum Härtefallantrag" (http://www.unimuenster.de/imperia/md/content/wwu/studierendensekretariat/info_zum_haertefallantrag_oert_nc.pdf) zum Ausdruck kommt, geprüft, ob eine außergewöhnliche Härte gegeben ist. Diese Frage hat es verneint. Rechtlichen Bedenken begegnet diese Wertung nicht.

Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Internetrecherche des Verwaltungsgerichts zum "M. A. " in Münster einen Gehörsverstoß geltend macht, haftet dem angefochtenen Beschluss kein beachtlicher Rechtsfehler an. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, was sie bei einer ihr ermöglichten Stellungnahme zu der Internetrecherche noch vorgebracht hätte. Im Übrigen wäre ein etwaiger Gehörsverstoß geheilt, weil die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren die hinreichende Möglichkeit gehabt hat, sich mit diesem Punkt auseinanderzusetzen.

Im Übrigen hat die Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend dargetan, dass besondere soziale oder familiäre Gründe ihre sofortige Aufnahme des Studiums oder einen sofortigen Studienortwechsel zwingend erforderten. Die Antragstellerin bedarf nicht wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Großmutter der sofortigen Zulassung zum rechtswissenschaftlichen Studium in Münster. Auch aus der ärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin T. aus März 2011 ergibt sich nicht, dass es der Antragstellerin unzumutbar sei, auf eine reguläre Zulassung zum Studium an der Antragsgegnerin zu warten. Dabei bezweifelt der Senat nicht, dass bei der Großmutter der Antragstellerin über die eigentlichen Pflegeleistungen hinausgehende unterstützende Zuwendungen und Betreuungen sinnhaft und geboten sein können.

Soweit die Antragstellerin moniert, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihr Begehren auf vorläufige Zulassung im Studiengang Rechtswissenschaft außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl wegen fehlenden Anordnungsgrundes abgelehnt, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt regelmäßig ein hinreichender Grund für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel der vorläufigen Studienzulassung an der Hochschule der Wahl außerhalb der festgesetzten Kapazität, wenn dem Studienbewerber die Aufnahme des gewünschten Studiums zulassungsfrei an einer anderen Hochschule im Bundesgebiet möglich ist. Für diese Auffassung sind folgende Überlegungen leitend:

Wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden universitären Ausbildungskapazitäten ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Recht auf Teilhabe an vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten und der damit verbundenen Lebenschance. Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsgebot gewährleistet ein nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbares Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden ("hochschulreifen") Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl. Dieses Teilhaberecht steht allerdings unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann.

Vgl. BVerfG, Urteile vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u. a. -, BVerfGE 33, 303, 333 ff. = NJW 1972, 1561, und vom 8. Februar 1977 - 1 BvF 1/76 -, BVerfGE 43, 291, 313 f. = NJW 1977, 569.

Auf dieser Grundlage ist anerkannt und hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein Studienbewerber seinen Anspruch auf Zulassung zum Studium an einer bestimmten Hochschule regelmäßig nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann und dementsprechend auch kein Rechtsschutzinteresse für einen Antrag nach § 123 VwGO besteht, wenn er einen entsprechenden Studienplatz an einer anderen Hochschule erlangt hat oder einen solchen ohne Zulassungsbeschränkungen erlangen kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. März 1984 - 13 A 1422/83 -, Beschlüsse vom 3. Juni 1996 - 13 C 40/96 -, vom 13. Juni 1996 - 13 C 39/96-, vom 10. Juni 1999 - 13 C 16/99 -, vom 21. Januar 2010 13 C 408/09 -, juris, und vom 19. März 2010 13 C 120/10 , juris; vgl. auch VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 27. September 2006 - NC 9 S 77/06 -.

Vor diesem Hintergrund ist die Antragstellerin darauf zu verweisen, das gewünschte Studium der Rechtswissenschaften mit dem Abschluss einer "Ersten juristischen Prüfung" an einer anderen Universität aufzunehmen. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dieses Studium an zahlreichen Hochschulen im Bundesgebiet zulassungsfrei aufgenommen werden kann. Im Beschwerdeverfahren ist ferner nicht schlüssig dargelegt worden, dass der Antragstellerin ein Studium der Rechtswissenschaften an einer anderen Hochschule als der der Antragsgegnerin unzumutbar sei. Auch die geltend gemachte Unterstützung und Betreuung der Großmutter der Antragstellerin lässt nicht erkennen, dass der Antragstellerin ein Studium außerhalb von Münster nicht zugemutet werden kann.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die von der Antragstellerin mit der Beschwerde geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der Kapazitätsberechnung nicht an. Dies gilt auch für die Frage der Überbuchung für den Studiengang der Rechtswissenschaften im Sommersemester 2011 aufgrund einer möglicherweise unzutreffenden Prognose.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.