OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.07.2011 - 13a F 3/11
Fundstelle
openJur 2012, 80736
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der Verwaltungsvorgänge, die den Erlass der 19. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung zum Gegenstand haben, durch den Beigeladenen rechtswidrig ist.

Gründe

I.

In dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren beim Verwaltungsgericht Düsseldorf - 13 K 7562/09 - macht der Antragsteller Ausgleichs- und Ersatzansprüche für zusätzliche Versicherungsbeiträge für eine private Krankenversicherung seiner Ehefrau geltend, die als Folge einer Änderung der Beihilfenverordnung - BVO - getätigt wurden.

Die Ehefrau des Antragstellers, die bis Ende September 2004 als angestellte Lehrerin im Öffentlichen Dienst tätig war, hatte sich während ihrer Berufstätigkeit von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht befreien lassen und privat krankenversichert. Seit Oktober 2004 bezieht sie mehrere Renten, deren jährlicher Betrag die für eine Beihilfeberechtigung maßgebliche Einkommensgrenze von 18.000,- Euro überschreitet.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO -) von März 1975 (GVBl. NRW S. 332) in der bis Ende 2003 geltenden Fassung waren Aufwendungen für den nicht selbst beihilfeberechtigten Ehegatten eines Beihilfeberechtigten beihilfefähig, "wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes) des Ehegatten im Kalenderjahr vor der Antragstellung 18.000,- Euro nicht übersteigt". Die maßgebliche Einkommensgrenze war somit orientiert am steuerlichen Ertragsanteil der Rente. Durch die Anfang 2004 in Kraft getretene 19. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung (GVBl. NRW 2003, 756) wurde die genannte Bestimmung dahin geändert, dass nach der Klammer die Wörter "- bei Rentenbezug zuzüglich der Differenz zwischen dem steuerlichen Ertragsanteil und dem Bruttorentenbetrag -" eingefügt wurden. Für die beihilferechtliche Einkommensgrenze war somit der Bruttorentenbetrag maßgebend.

Im Jahr 2005 verlangte der Antragsteller vom Antragsgegner die Bestätigung, dass sich die Beihilfeberechtigung seiner Ehefrau weiterhin nach der bis Ende 2003 geltenden Fassung der Beihilfenverordnung richte. Mit seiner Klage auf Feststellung, dass Aufwendungen seiner Ehefrau betreffende Beihilfeanträge nach der bis Ende 2003 geltenden Fassung der Beihilfenverordnung zu bescheiden seien, hatte der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf - 26 K 644/06 - und vor dem Oberverwaltungsgericht NRW (- 1 A 4678/06 -, juris) keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Begehren des Antragstellers durch Urteil vom 3. Juni 2009 - 2 C 27.08 -, NVwZ-RR 2009, 895) statt und erklärte die 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung wegen fehlender Deckung durch die Ermächtigungsgrundlage des § 88 Satz 2 Halbsatz 2 des Landesbeamtengesetzes NRW in der seinerzeit geltenden Fassung für nichtig.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2009 hat der Antragsteller einen Ausgleich der finanziellen Nachteile in Höhe von mehr als 27.800,- Euro begehrt, die ihm dadurch entstanden seien, dass seine Ehefrau anstelle einer beihilfekonformen privaten Krankenversicherung eine private Vollversicherung habe abschließen müssen. Nach der Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche durch die Präsidentin des OLG Düsseldorf hat der Antragsteller im November 2009 Klage erhoben (VG Düsseldorf - 13 K 7562/09 -) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn den genannten Betrag nebst Zinsen zu zahlen und ihm Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge der Präsidentin des OLG Düsseldorf zu gewähren. Er hat außerdem angeregt, die den Erlass der 19. Änderungsverordnung der BVO betreffenden Aufstellungsvorgänge des Beigeladenen beizuziehen.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Oktober 2010 und anschließender Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der weiteren Aufklärung des Sachverhalts forderte das Hauptsachegericht durch Verfügung vom 2. November 2010 das beigeladene Ministerium zur Übersendung der Verwaltungsvorgänge auf, die den Erlass der 19. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung zum Gegenstand haben. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 verweigerte der Beigeladene die Vorlage der erbetenen Verwaltungsvorgänge "aus Geheimhaltungsgründen". Der Antragsteller stellte daraufhin einen Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Nach Vorlage der Akten an den zuständigen Fachsenat und Rückgabe derselben an das Hauptsachegericht beschloss dieses am 21. Februar 2011, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die beim Beigeladenen geführten Verwaltungsvorgänge, die den Erlass der 19. Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung betreffen, beizuziehen. Das beigeladene Ministerium verweigerte daraufhin mit Schreiben vom 9. März 2011, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Vorlage der Unterlagen. Die entsprechenden Akten enthielten Informationen, die sich auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von öffentlichen Stellen bezögen und daher dem Schutz von § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW unterlägen. Diese Bestimmung stelle einen Grund zur Verweigerung der Aktenvorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar.

Der Antragsteller macht geltend, die vom Beigeladenen angeführte Vorschrift des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW stelle keinen Grund für die Verweigerung der Vorlage der Akten zur 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung dar. Dem Hauptsacheverfahren liege ein Anspruch nach dem IFG NRW nicht zugrunde. Die angeforderten Aufstellungsvorgänge seien nach Auffassung des Hauptsachegerichts entscheidungserheblich zur Aufklärung der Frage, ob die Umstände, die letztlich zur Nichtigkeit der 19. Änderungsverordnung zur Beihilfenverordnung geführt hätten, den beteiligten Amtsträgern bei Erlass der Änderungsverordnung bekannt gewesen seien oder hätten bekannt sein müssen. Informationen, die innerbehördliche Entscheidungsprozesse beträfen, seien nicht ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Der Beigeladene verkenne die Bedeutung des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW.

Der Antragsgegner hat zu dem Antrag des Antragstellers nicht Stellung genommen.

Der Beigeladene hält daran fest, dass die Vorlage der Akten zur 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung verweigert werde, und hat seinen Standpunkt in zwei weiteren Schreiben vom 12. April 2011 und 20. Mai 2011 bekräftigt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt ihrer Schriftsätze.

II.

Der Antrag des Antragstellers nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat Erfolg. Die Erklärung des beigeladenen Ministeriums vom 9. März 2011 (auf die anstelle der unzureichenden ersten entsprechenden Erklärung vom 15. Dezember 2010 abzustellen ist), die den Erlass der 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung betreffenden Vorgänge im Hauptsacheverfahren nicht vorzulegen, ist rechtswidrig.

Der für einen Antrag eines Verfahrensbeteiligten nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO und für die Sachentscheidung des Fachsenats erforderlichen Bejahung der Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten durch das Gericht der Hauptsache ist mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2011 Genüge getan. Der Beschluss, mit dem die Beiziehung der den Erlass der 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung betreffenden Vorgänge des Beigeladenen angeordnet wurde, enthält Ausführungen zu den im Hauptsacheverfahren maßgebenden Rechtsvorschriften und formuliert den Zweck des Vorlageverlangens dahin, dass durch Einsichtnahme in die Vorgänge geklärt werden solle, ob sich darin Hinweise darauf finden, dass den zuständigen Amtsträgern eine mögliche fehlende Deckung der 19. Änderungsverordnung durch den § 88 LBG NRW bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Eine weitere Differenzierung, ob die fraglichen Verwaltungsvorgänge vollständig oder nur in Teilen vorgelegt werden sollen, war dem Gericht der Hauptsache wegen des umfassend formulierten Antrags des Antragstellers nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO und mangels Kenntnis der Unterlagen nicht möglich. Der Fachsenat ist - auch angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten - an die Auslegung des Klagebegehrens durch das Gericht der Hauptsache und an dessen Rechtsauffassung gebunden.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 2011 - 20 F 13.10 -, DVBl. 2011, 501, vom 25. Juni 2010 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495, und vom 31. August 2009 20 F 10.08 -, NVwZ 2010, 194.

Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat käme nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft, d. h. nicht vertretbar wäre. Das ist angesichts dessen, dass im Verfahren der Hauptsache ein Anspruch wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht geltend gemacht wird und dabei eine mögliche Kenntnis der Entscheidungsträger von einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage für eine beihilferechtlich bedeutsame Änderung einer Verordnung relevant sein kann, nicht der Fall.

Die in Frage stehende Erklärung des beigeladenen Finanzministeriums vom 9. März 2011 im Verfahren VG Düsseldorf - 13 K 7562/09 , die Vorlage der den Erlass der 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung betreffenden Vorgänge zu verweigern, ist fehlerhaft.

Bei der Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO handelt es sich um eine behördliche Ermessensentscheidung, bei der eine auf den laufenden Rechtsstreit in der Hauptsache bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess berücksichtigende Abwägung erfolgen muss, in die einerseits die für eine Geheimhaltung sprechenden öffentlichen Belange und andererseits das individuelle Interesse der Prozessbeteiligten an der Wahrheitsfindung mit einer damit regelmäßig einhergehenden lückenlosen Sachverhaltsaufklärung einzustellen ist. Demgemäß ist zu überprüfen, ob die Behörde die tatsächlichen Grundlagen sorgfältig ermittelt und richtig eingeschätzt, zutreffende Bewertungen und Prognosen vorgenommen und die widerstreitenden Interessen der Betroffenen angemessen abgewogen hat.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Juni 2006 - 20 F 5.05 -, DÖV 2006, 1052, und vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 -, DÖV 2008, 510.

Das ist hier nicht der Fall. Zwar hat das beigeladene Ministerium in der Entscheidung vom 9. März 2011 im Ansatz zutreffend erkannt, dass es gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Ermessensentscheidung im vorgenannten Sinne zu treffen hatte. Der Abwägung sind aber unzutreffende Einschätzungen und Wertungen rechtlicher Bestimmungen, insbesondere des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW, zu Grunde gelegt worden, so dass die Entscheidung des Beigeladenen nicht tragfähig ist.

Aus der Entscheidung des Beigeladenen vom 9. März 2011 selbst, die Vorgänge zur 19. Änderungsverordnung der Beihilfenverordnung nicht vorzulegen, ist nicht eindeutig erkennbar, ob mit der Benennung des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Verweigerungsgrund, dass die Vorgänge nach einem Gesetz geheimhaltungsbedürftig sind, geltend gemacht oder ob damit auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Vorgänge ihrem Wesen nach abgehoben wird, die der Beigeladene in seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2011 angeführt hat.

Für den Bereich der nach einem Gesetz geheim zu haltenden Vorgänge wird üblicherweise angenommen, dass sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit aus speziellen gesetzlichen Vorschriften ergeben muss, beispielsweise aus Vorschriften über das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Steuergeheimnis (§ 30 AO), das Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I) und das Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG).

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 99 Rdnr. 11; Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010; § 99 Rdnr. 17; Sodan/ Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 99 Rdnr. 26.

Es kann dahinstehen, ob zu diesem Bereich grundsätzlich auch fachgesetzliche Versagungsgründe des Informationsrechts und der Informationsfreiheitsgesetze gerechnet werden können/sollten,

vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 - 13a F 11/08 -, DVBl. 2008, 1324; Schemmer, Das In-Camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO, DVBl. 2011, 323,

oder ob der in der Sperrerklärung bezeichnete § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO dem Bereich unterfällt, der dem Wesen nach geheim zu halten ist.

§ 7 IFG NRW, dem für Behörden des Bundes § 4 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes entspricht, dient dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Nach § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn sich der Inhalt der Informationen auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes, dem bei der Frage, ob im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Verweigerung der Vorlage von Unterlagen oder der Erteilung von Auskünften rechtfertigende Ausnahmetatbestände anzunehmen sind, generell nur eine restriktive Handhabung gerecht wird,

vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, juris, und vom 17. Mai 2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292; Kopp/Schenke, a. a. O., § 99 Rdnr. 12; Sodan/ Ziekow, a. a. O., § 99 Rdnr. 20; Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, Rdn. 831,

ist dies auch bei diesem Tatbestand geboten. Vor diesem Hintergrund hat das beigeladene Ministerium zwar den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW zutreffend angenommen, die inhaltliche Reichweite der Bestimmung aber verkannt.

Das vom Vorlageverlangen des Gerichts der Hauptsache betroffene Finanzministerium NRW ist eine öffentliche Stelle i. S. d. § 7 Abs. 2 Buchst. a), § 2 Abs. 2 Satz 2 IFG NRW. Es hat in Zusammenhang mit der fraglichen 19. Änderungsverordnung zur Beihilfenverordnung auch Verwaltungstätigkeit i. S. d. letztgenannten Bestimmung wahrgenommen und ist, obwohl die Änderung einer Verordnung in Frage stand, nicht als Legislativorgan tätig geworden. Das zur sachgemäßen Durchsetzung des gesetzlich normierten Informationsanspruchs gebotene weite Verständnis der Begriffe der "Behörde" und der "Verwaltungstätigkeit" erfasst unter Berücksichtigung der Einordnung des Handelnden in den Staatsaufbau die gesamte Tätigkeit der Exekutive und schließt nur echte Tätigkeiten von Stellen in den Bereichen der Legislative und der Judikative aus dem Anwendungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze aus (vgl. § 2 Abs. 2 IFG NRW). "Verwaltungstätigkeit" ist ansonsten aber weit auszulegen und umfasst die Verwaltung sowohl im formellen als auch im materiellen Sinne, wobei Verwaltung im formellen Sinne auch die administrative Rechtsetzung, also die Schaffung von Satzungs- oder Verordnungsrecht einschließt und der materielle Verwaltungsbegriff daran anknüpft, ob materielle Verwaltungsaufgaben (in Abgrenzung zu Aufgaben der Legislative oder Judikative) wahrgenommen werden. Dementsprechend unterfällt das Ministerium, das mit der fraglichen Änderung der Beihilfenverordnung Verwaltungstätigkeit wahrgenommen hat, auch dem Behördenbegriff des IFG NRW, ohne dass eine Differenzierung der ministeriellen Tätigkeit in "Regierungshandeln" und "normale" Verwaltungstätigkeit geboten ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 -, a. a. O.; OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 5. Oktober 2010 - 12 B 6/10 -, juris; vgl. auch Schoch, IFG, § 4 Rdnr. 1, § 1 Rdnr. 86.

Zweck der Bestimmung des § 7 Abs. 2 Buchst. a), § 2 Satz 2 IFG NRW ist es, die nach außen vertretene Entscheidung einer Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden. Das Prinzip der Einheit der Verwaltung soll dazu führen, dass staatliche Maßnahmen nicht als Enscheidung einer bestimmten Person oder einer Organisationseinheit, sondern als solche des Verwaltungsträgers wahrgenommen werden. Aufgrund dessen ist zwischen den Grundlagen und Ergebnissen der Willensbildung auf der einen Seite und dem eigentlichen Prozess der Willensbildung zu unterscheiden. Der Ausschlussgrund greift deshalb nur für Anordnungen, Äußerungen und Hinweise ein, die die Willensbildung steuern sollen. Soweit hingegen der Inhalt der Entscheidung betroffen ist, wie etwa bei der Mitteilung von Tatsachen oder Hinweisen auf die Rechtslage, ist dies nicht als ein Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nicht vorliegen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, NWVBl. 2007, 187, Ablehnung der Zulassung der Revision durch BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2007 - 7 B 9.07 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 - 13a F 11/08 -, a. a. O.

Vor dem Hintergrund, dass ein weites Verständnis des Ausschlussgrundes des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW zur Folge hätte, dass zu sämtlichen internen Vorbereitungsmaßnahmen innerhalb einer gestuften Verwaltung, wie sie regelmäßig vorzufinden ist, kein Informationszugangsanspruch bestünde und damit dem Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW, der einen Zugangsanspruch nur für Arbeiten und Beschlüsse zur unmittelbaren Vorbereitung von Entscheidungen ausschließt, nahezu keine eigenständige Bedeutung mehr zukäme, bedarf der Ausschlussgrund aus § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW zudem einer an dessen Schutzzweck orientierten einschränkenden Auslegung. Da dieser Ausschlussgrund den Zweck verfolgt, die nach außen vertretene Entscheidung einer Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden, ist jedenfalls für solche Unterlagen ein Zugangsanspruch in der Regel nicht ausgeschlossen, die weder interne Meinungsverschiedenheiten noch unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erkennen lassen. Bei einem derartigen Verständnis bleibt einerseits genügend Raum für eine selbständige Bedeutung des Ausschlussgrundes aus § 7 Abs. 1 Fallvariante 2 IFG NRW und andererseits wird dem Schutzzweck des Ausschlussgrundes aus § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW hinreichend Rechnung getragen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 -, a. a. O.

Nach den vorstehenden Kriterien besteht für die Verweigerung der fraglichen Unterlagen durch das Finanzministerium NRW keine Berechtigung. Wie das Ministerium in der Sperrerklärung vom 9. März 2011 ausgeführt und der Fachsenat durch Einsichtnahme in die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Unterlagen festgestellt hat, bestehen diese aus der Übersendung eines Entwurfs der Änderungsverordnung an verschiedene Adressaten außerhalb des Finanzministeriums, deren Stellungnahmen zu den beabsichtigten Änderungen der Beihilfenverordnung - wobei sich ein großer Teil der Stellungnahmen gar nicht auf die hier relevante Änderung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) der Beihilfenverordnung bezieht -, aus einer Stellungnahme des Fachreferats im Ministerium an den Finanzminister und der Bitte um Unterzeichnung der Entwürfe und Reinschriften der Änderungsverordnungen sowie aus der Unterzeichnung der Änderungsverordnung durch den Minister und aus Vorgängen zu deren Veröffentlichung. Aus diesen Komplexen sind die Bereiche der Übersendung eines Entwurfs der Änderungsverordnung an zu beteiligende Stellen außerhalb des Ministeriums und die Vorgänge in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Änderungsverordnung ohnehin nicht geheimhaltungsbedürftig. Da vom Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW nur der eigentliche Prozess der behördlichen Willensbildung, der sich auf noch behördenintern zu beratende Bewertungen und Einschätzungen mit unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten erstreckt, erfasst wird, hingegen aber nicht die der Willensbildung zu Grunde liegenden Umstände und Erkenntnisse, kommt auch den während des Änderungsverfahrens eingegangenen Stellungnahmen der beteiligten Stellen keine Schutzbedürftigkeit zu.

Vgl. Schoch, IFG, § 4 Rdnr. 2, zu der ebenfalls dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses dienenden § 4 IFG; vgl. auch Franßen/Seidel, a. a. O., Rdnr. 819, 834 f.

Derartige Stellungnahmen gehören im Sinne der Zusammentragung unterschiedlicher Sichtweisen und Ansichten zu dem den eigentlichen behördlichen Willensbildungsprozess vorbereitenden Bereich, sind aber nicht unmittelbar Teil der Entscheidungsfindung der öffentlichen Stelle. Zudem ist eine Schutzbedürftigkeit von Stellungnahmen Dritter im Rahmen eines behördlichen Verfahrens regelmäßig schon deshalb nicht geboten, weil diese häufig von den Verfassern selbst - z. B. durch Einstellen in das Internet - öffentlich gemacht werden.

Unter Berücksichtigung der o. a. Erwägung, dass für Vorgänge, die keine interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erkennen lassen, die Annahme einer Schutzbedürftigkeit nicht geboten ist, kommt eine solche auch dem Vermerk des Fachreferats des Ministeriums mit dem Entscheidungsvorschlag an den Minister nicht zu. Die Stellungnahme enthält zwar, ohne konkret auf einzelne Stellungnahmen der beteiligten Stellen einzugehen, in der Darstellung der Notwendigkeit einer Änderung des § 2 Abs. 1 BVO und deren Auswirkungen ab Januar 2004 auf Neurentner mit monatlichen Rentenbezügen von mehr als 1.500 Euro die Bemerkung, dass die Regelung "zu Protesten führen" könne, dass aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die betroffenen Ehegatten wirtschaftlich unabhängig seien, ein Festhalten an der früheren begünstigenden Regelung nicht mehr vertretbar sei. Im weiteren Verlauf des Änderungsverfahrens war weder der Entscheidungsvorschlag insgesamt noch der vorgenannte konkrete Punkt Gegenstand von kontroversen Diskussionen innerhalb des Ministeriums oder mit anderen Behörden; die Änderungsverordnung wurde vielmehr nur zwei Tage nach dem Entscheidungsvorschlag ohne weitere Diskussion vom Minister unterzeichnet. Meinungsverschiedenheiten, denen Schutzbedürftigkeit zuerkannt werden müsste, waren also insoweit überhaupt nicht relevant, so dass auch diesbezüglich nichts gegen eine Vorlage der fraglichen Vorgänge spricht.

Insgesamt steht daher dem Vorlageverlangen des Gerichts der Hauptsache der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 Buchst. a) IFG NRW nicht entgegen. Andere Ausschlussgründe sind in der Sperrerklärung nicht geltend gemacht worden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht angezeigt, da für diesen im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren unselbständigen Zwischenstreit nach § 99 Abs. 2 VwGO weder Gerichtskosten (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1, Nr. 5112, § 35 GKG) noch besondere anwaltliche Vergütungsansprüche (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 RVG) anfallen. Eine Streitwertfestsetzung erübrigt sich daher ebenfalls.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 20 F 15/10 -, NVwZ-RR 2011, 261; Sächs. OVG, Beschluss vom 11. April 2011 - 10 F 8/10 -, juris; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 15 P 1/10 -, juris.

Soweit der Senat dies in der Vergangenheit, ebenso wie andere Gerichte, anders gehandhabt und in Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eine Kostenentscheidung getroffen und einen Streitwert festgesetzt hat, wird daran nicht mehr festgehalten.