LG Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2011 - 029 Ns 19/11
Fundstelle
openJur 2012, 78363
  • Rkr:
Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 08.10.2010 wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt.

Die Fahrerlaubnis wird entzogen. Der Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, vor Ablauf von nunmehr noch drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 316 Abs. 1, 2, 69, 69 a StGB.

Gründe

A.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf legt dem Angeklagten mit Anklage vom 14.05.2010 fahrlässige Trunkenheit im Verkehr zur Last. Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Angeklagten durch Urteil vom 08.10.2010 aus Rechtsgründen freigesprochen.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie das Ziel verfolgt, dass der Angeklagte entsprechend der Anklage vom 14.05.2010 verurteilt wird.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

B.

I.

Der 50jährige, kinderlose Angeklagte war bis zum September 2009 als Sachbearbeiter bei der Deutschen Rentenversicherung tätig. Inzwischen ist er pensioniert und erhält monatliche Bezüge in Höhe von 1.100 Euro. Seine monatlichen Aufwendungen für die Wohnungsmiete betragen 540 Euro.

Um seine Einkünfte aufzubessern, möchte der Angeklagte eine Tätigkeit aufnehmen und hat sich bei einer Bäckerei nach einer Fahrertätigkeit erkundigt.

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Im Verkehrszentralregister ist der Angeklagte wegen einer am 31.05.2009 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung eingetragen, die mit einer Geldbuße in Höhe von 70 Euro geahndet wurde.

II.

Am 21.03.2010 gegen 03:17 Uhr befuhr der Angeklagte mit seinem PKW der Marke Fiat mit dem amtlichen Kennzeichen ( … ) u.a. die Fährstraße in Düsseldorf und parkte dort vor der Filiale einer Schnellimbisskette ("McDonalds" / "McDrive"). Nachdem ein Zeuge die Polizei verständigt hatte, verweigerte der Angeklagte gegenüber der Polizei einen freiwilligen Alkoholvortest und die freiwillige Abgabe einer Blutprobe. Daraufhin wurde um 03:42 Uhr durch den Polizeikommissar ( … ) aufgrund von Gefahr im Verzug die Entnahme zweier Blutproben angeordnet. Zur Begründung der fehlenden Einholung einer richterlichen Anordnung hielt der anordnende Polizeikommissar in seinem Vermerk vom 24.03.2010 fest, dass aufgrund der späten Nachtzeit ein Richter nicht erreicht werden konnte und aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte mit der Zeit den Alkohol im Blut abbaue, eine zeitliche Dringlichkeit gegeben sei.

Daraufhin wurden dem Angeklagten um 04:55 Uhr und um 05:27 Uhr zwei Blutproben entnommen, deren Auswertung durch den Sachverständigen Prof. Dr. ( … ) Blutalkoholkonzentrationen von 2,16 ‰ (erste Blutprobe) und von 2,08 ‰ (zweite Blutprobe) ergab.

Der Führerschein des Angeklagten wurde beschlagnahmt.

Mit Beschluss vom 01.04.2010 entzog das Amtsgericht Düsseldorf dem Angeklagten vorläufig die Fahrerlaubnis (§ 111 a StPO).

Nachdem das Amtsgericht Düsseldorf den Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 08.10.2010 freigesprochen hatte, wurde dem Angeklagten der Führerschein nach der Urteilsverkündung unter Aufhebung des Beschlusses vom 01.04.2010 ausgehändigt.

Am 24.11.2010 entzog das Landgericht Düsseldorf (Az. 23 Ns 167/10) dem Angeklagten erneut gem. § 111 a StPO die Fahrerlaubnis. Der Führerschein konnte jedoch in der Folgezeit nicht sichergestellt werden.

III.

Die vorgenannten Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und auf den weiteren, ausweislich der Sitzungsniederschrift benutzten Beweismitteln, namentlich auf den Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ( … ) vom 22.03.2010 zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration.

1. Dass der Angeklagte mit seinem PKW Fiat am 21.03.2010 gegen 03:17 Uhr u.a. die Fährstraße in Düsseldorf befuhr, steht fest aufgrund seiner glaubhaften geständigen Teileinlassung in der Berufungshauptverhandlung. Die Einlassung ist glaubhaft, da sie sich mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens deckt und es zudem nicht ersichtlich ist, wie das Fahrzeug des Angeklagten in anderer Weise als durch den Angeklagten selbst im Tatzeitpunkt auf den Parkplatz des Restaurants gelangt sein sollte. Weitere Feststellungen, etwa zu der von dem Angeklagten zurückgelegten Fahrstrecke oder seiner Fahrweise ließen sich nicht treffen, da der Angeklagte sich insoweit nicht eingelassen hat und andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen.

2. Zur Frage des Alkoholkonsums vor der Tat hat sich der Angeklagte nicht eingelassen. Er wird insoweit überführt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ( … ) vom 22.03.2010 zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration aufgrund der dem Angeklagten entnommenen Blutproben (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 StPO). Der Sachverständige hat in seinen Alkohol-Befunden vom 22.03.2010 methodisch nachvollziehbar dargelegt, dass die entnommenen Blutproben die festgestellten Blutalkoholkonzentrationen aufgewiesen haben.

3. Die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens sind auch als Beweismittel verwertbar.

a) Ob und unter welchen Voraussetzungen die Ergebnisse einer Blutprobenuntersuchung einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, wenn die Entnahme der Blutprobe unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs. 2 StPO erfolgte, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten (vgl. BVerfG, NJW 2010, 2864; OLG Düsseldorf, NZV 2010, 306; OLG Köln, NStZ 2009, 406; LG Krefeld, NZV 2010, 307; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., 2010, § 81 a, Rn. 32; Dencker, DAR 2009, 257, 261; Heinrich, NZV 2010, 278, 281).

b) Diese Frage kann indes im vorliegenden Fall dahinstehen (vgl. auch LG Krefeld, NZV 2010, 307, Ziff. 19). Denn ein (unselbständiges) Beweisverwertungsverbot setzt zunächst voraus, dass die Beweiserhebung rechtswidrig war (Dallmeyer, in: Heghmanns/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren, 2008, Kap. II, Rn. 387). Daran fehlt es hier, denn der anordnende Polizeibeamte hat im vorliegenden Fall nicht gegen § 81 a Abs. 2 StPO verstoßen.

Nach dieser Vorschrift steht bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch diejenige Verzögerung, die eine Einschaltung des Richters mit sich bringen würde, die Anordnung den Ermittlungspersonen gem. § 152 GVG zu. Die Voraussetzungen dieser Eilkompetenz lagen hier vor.

Die Anordnung der Blutprobenentnahme erfolgte am 21.03.2010 um 03:42 Uhr. Ein richterlicher Eildienst besteht beim Amtsgericht Düsseldorf in der Zeit zwischen 6 Uhr und 21 Uhr. Es war also im Anordnungszeitpunkt, wie dem anordnenden Polizeibeamten bewusst war, ein Richter nicht zu erreichen. Vor diesem Hintergrund war der anordnende Polizeibeamte auch nicht verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, einen Richter zu erreichen, da ein solcher Versuch zur Nachtzeit zwischen drei und vier Uhr in Ermangelung eines Eildienstes von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Die rein theoretische Möglichkeit, dass ein nicht diensthabender Richter erreichbar sein könnte, verpflichtet die Ermittlungsperson nicht zum Versuch einer Kontaktaufnahme (OLG Bamberg, NZV 2010, 310; aA Heinrich, NZV 2010, 278).

Die Verzögerung, mit der die Einschaltung des Richters im vorliegenden Fall verbunden gewesen wäre, hätte auch im Sinne des § 81 a Abs. 2 StPO den Untersuchungserfolg gefährdet. Denn - wie oben gezeigt - wäre ein Richter erst ab 06:00 Uhr morgens erreichbar gewesen. Zwar führt die abstrakte Tatsache des körperlichen Alkoholabbaus als solche noch nicht dazu, dass stets Gefahr im Verzug vorliegt (Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 25 b; Dencker, DAR 2009, 257, 258). So kann es etwa an der Gefährdung des Untersuchungserfolges fehlen, wenn ein durch Atemalkoholmessung ermittelter Alkoholwert so hoch ist, dass durch Zeitablauf keine Unsicherheit im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen entstehen kann (Dencker, DAR 2009, 257, 258; Heinrich, NZV 2010, 278, 279).

Im vorliegenden konkreten Fall war jedoch aufgrund des Alkoholabbaus ein Beweismittelverlust zu befürchten. Der Angeklagte hatte die Durchführung eines Atemalkoholtests verweigert. In Ermangelung anderer sicherer Indizien dafür, dass der Angeklagte im Anordnungszeitpunkt die Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ deutlich überschritten hatte, musste der anordnende Polizeibeamte davon ausgehen, dass ein Zuwarten bis zur Erreichbarkeit des Richters aufgrund des Alkoholabbaus im Körpers zu einer Gefährdung des Untersuchungserfolges führen würde (ebenso für die Situation einer - wie auch im vorliegenden Fall - auf die Tagzeit beschränkten Erreichbarkeit des Ermittlungsrichters: OLG Bamberg, DAR 2010, 97; OLG Hamm, StV 2009, 462, 463; LG Flensburg, StV 2008, 459, 460; LG Krefeld, NZV 2010, 307, Ziff. 19; LG Zweibrücken, VRS 116, 448, 449).

Die Anordnung der Blutprobenentnahme um 03:42 Uhr durch den Polizeibeamten ( … ) war daher im vorliegenden Fall gem. § 81 a Abs. 2 StPO rechtmäßig.

c) Die Anordnung der Maßnahme ist auch nicht nachträglich dadurch rechtswidrig geworden, dass die tatsächliche Blutprobeentnahme erst ab 04:56 Uhr erfolgte und somit zwischen diesem Zeitpunkt und dem Beginn des richterlichen Eildienstes "lediglich" noch ein Zeitraum von einer Stunde lag. Zutreffend weist Dencker (DAR 2009, 257, 259) darauf hin, dass die Polizeibeamten im Fall einer Inanspruchnahme der Eilkompetenz gem. § 81 a Abs. 2 StPO nicht dazu verpflichtet sind, eine nachträgliche richterliche Anordnung nach der eigenen (polizeilichen) einzuholen, und zwar auch dann nicht, wenn bis zum Eintreffen des Arztes (wie auch im vorliegenden Fall) einige Zeit vergeht (aA OLG Hamm, Beschl. v. 12.03.2009, 3 Ss 31/09, BeckRS 2009, 10370, welches in derartigen Fällen ein "zweistufiges Vorgehen" für geboten hält). Denn der Sache nach wäre eine solche richterliche Handlung keine Anordnung gem. § 81 a Abs. 2 StPO, sondern die Bestätigung einer schon bestehenden (polizeilichen) Anordnung. Ob eine solche richterliche Entscheidung eingeholt werden soll, ist jedoch allein eine Frage des Rechtsbehelfsverfahrens gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog, dessen Einleitung von einem entsprechenden Antrag des Beschuldigten abhängt (Dencker, a.a.O.).

Erst recht besteht keine Verpflichtung, mit der Vollziehung der bereits rechtmäßig angeordneten Maßnahme zuzuwarten, wenn sich bei Eintreffen des Arztes die Zeitspanne bis zum Beginn des richterlichen Eildienstes lediglich verringert hat (so für Fälle der Nichterreichbarkeit des Richters, wie in der vorliegenden Situation, auch OLG Hamm, Beschl. v. 12.03.2009, 3 Ss 31/09, BeckRS 2009, 10370).

d) Die Maßnahme ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit im Bezirk des Amtsgerichts Düsseldorf zur Tatzeit nicht eingerichtet war.

Aus § 81 a Abs. 2 StPO ergibt sich keine Verpflichtung der Gerichte, auch zur Nachtzeit einen richterlichen Eil- und Notdienst für die Anordnung von Blutprobenentnahmen einzurichten. Denn die Strafprozessordnung weist die Anordnung der Blutprobenentnahme zwar für den Regelfall, aber gerade nicht ausnahmslos dem Ermittlungsrichter zu (LG Krefeld, NZV 2010, 307). Nach der Systematik des § 81 a Abs. 2 StPO ist eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen gerade ausdrücklich vorgesehen. Dem Gesetz liegt insoweit erkennbar die Vorstellung zu Grunde, dass es Zeiten gibt, zu denen ein Richter nicht erreichbar ist.

Soweit das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz die Verpflichtung hergeleitet hat, die Erreichbarkeit des Richters gegebenenfalls durch die Errichtung eines Eildienstes zu sichern, gilt dies zum einen gerade nicht schrankenlos, sondern in erster Linie für die Tageszeit während und außerhalb der üblichen Dienstzeiten (BVerfG, NJW 2004, 1442; NJW 2002, 3161; vgl. LG Krefeld, NZV 2010, 307). Insbesondere muss zur Nachtzeit i.S.d. § 104 Abs. 3 StPO nicht ohne weiteres ein richterlicher Eildienst eingerichtet werden (BVerfG, NJW 2004, 1442; OLG Hamm, NJW 2009, 3109, 3110), sondern lediglich dann, wenn ein praktischer Bedarf, der über den Ausnahmefall hinausgeht, sich konkret ankündigt (vom Landgericht Zweibrücken etwa angenommen für Fälle wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 und für Demonstrationen etc. (VRS 116, 448, 449), aA OLG Hamm, NJW 2009, 3109; Fickenscher / Dingelstadt, NStZ 2009, 124, 128; dies., NJW 2009, 3473, 3475 f.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nicht ersichtlich.

Zum anderen haben das Bundesverfassungsgericht und Teile der Fachgerichtsbarkeit die Erforderlichkeit der Einrichtung eines richterlichen Eildienstes in den Fällen der Freiheitsentziehung und der Wohnungsdurchsuchung aus den Art. 104 Abs. 2, 13 Abs. 2 GG hergeleitet (NJW 2004, 1442; NJW 2002, 3161; OLG Hamm, NJW 2009, 3109, 3110), mithin aus Verfassungsnormen, die den Richtervorbehalt in diesen Fällen vorsehen. Der Richtervorbehalt des § 81 Abs. 2 StPO ist jedoch gerade nicht mit Verfassungsrang ausgestattet (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG). Vielmehr steht das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG gemäß dessen Satz 2 unter dem Vorbehalt der Einschränkung durch das einfache Recht, dem sich jedoch (wie oben gezeigt) die Erforderlichkeit eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit gerade nicht entnehmen lässt. Versuche, eine Verpflichtung zur Einrichtung eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit für die Anordnung von Blutprobenentnahmen aus dem Verfassungsrecht und aus der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herleiten zu wollen, gehen daher fehl (vgl. aber Fickenscher / Dingelstadt, NStZ 2009, 3473; Heinrich, NZV 2010, 278, 279 (jeweils unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Hamm, die zu einer Wohnungsdurchsuchung ergangen ist). Denn der Richtervorbehalt ist - wie sich im Wege der systematischen Auslegung aus den Art. 13 Abs. 2, 104 Abs. 2 GG ergibt - in den von der Strafprozessordnung einfachgesetzlich vorgesehenen Fällen auch nicht generell Bestandteil des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), da die genannten Normen anderenfalls überflüssig wären.

Es mag daher zwar vom o.g. Standpunkt etwa des OLG Hamm aus denkbar sein, im Rahmen einer durch Art. 13 Abs. 2 GG gebotenen Prüfung, ob die Einrichtung eines richterlichen Eildienstes zur Nachtzeit erforderlich war, auch die anfallenden Blutentnahmeanordnungen bei der Frage zu berücksichtigen, ob für einen richterlichen Eildienst ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht (OLG Hamm, NJW 2009, 3109, 3110). Selbst bei Unterstellung eines daraus sich ergebenden organisatorischen Mangels könnte ein Beschuldigter daraus jedoch allenfalls im Falle einer rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung etwas herleiten (wegen Verstoßes gegen die aus Art. 13 Abs. 2 GG sich ergebenden organisatorischen Pflichten, vgl. OLG Hamm, a.a.O.), nicht aber im Falle einer Blutentnahme wie im vorliegenden Fall.

e) Nach alledem war die Anordnung der Blutprobeentnahme durch den ermittelnden Polizeibeamten im vorliegenden Fall durch § 81 a Abs. 2 StPO gedeckt und somit rechtmäßig, so dass bereits aus diesem Grund ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der sich anschließenden Blutalkoholkonzentrationsbestimmung nicht in Betracht kommt.

IV.

Der Angeklagte hat sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 1, 2 StGB strafbar gemacht.

Er hat mit seinem PKW Fiat am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen, obwohl er aufgrund der festgestellten Blutalkoholkonzentration im Tatzeitpunkt infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht dazu in der Lage war, sein Kraftfahrzeug sicher zu führen und dies auch hätte erkennen und vermeiden können. Bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 2 ‰ zur Tatzeit, wie sie bei dem Angeklagten festgestellt wurde, wird die Fahruntüchtigkeit unwiderlegbar vermutet.

V.

Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Der Strafrahmen des § 316 StGB reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

1. Da die Blutalkoholkonzentration mehr als 2 ‰ betrug, ist das Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit in Betracht zu ziehen (OLG Düsseldorf, VM 97, 62; Fischer, StGB, 56. Aufl., § 316, Rn. 52, 54). Die Kammer hat von der Strafmilderungsmöglichkeit des § 21 StGB keinen Gebrauch gemacht.

Die um 04:55 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,16 ‰ auf. Unter Zugrundelegung maximaler Abbauwerte von 0,2 ‰ pro Stunde und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ (Fischer, a.a.O., § 20, Rn. 13) ist deshalb von einer Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit (ca. 03:17 Uhr) von 2,7 ‰ auszugehen. Es gibt allerdings auch bei Vorliegen eines über 2 ‰ liegenden Wertes keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach dann die Schuldfähigkeit regelmäßig erheblich vermindert sei. Im vorliegenden Fall konnten Feststellungen zu den Umständen des Alkoholkonsums des Angeklagten nicht getroffen werden, da dieser sich insoweit nicht eingelassen hat. Insoweit konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte in Fahrbereitschaft getrunken hätte, was regelmäßig eine Strafmilderung gem. § 21 StGB ausschließt (Fischer, a.a.O., § 316, Rn. 54).

Dies kann letztlich dahinstehen, da es sich bei der verminderten Schuldfähigkeit gem. § 21 StGB um eine fakultative Strafmilderung handelt, die nach der (umstrittenen, vgl. Fischer, a.a.O, § 21, Rn. 25 a m.w.N., auch zu den Gegenmeinungen) Auffassung des 3. Strafsenates des BGH (NStZ 2003, 480, obiter dictum), der sich die Kammer anschließt, bei selbst zu verantwortender Trunkenheit regelmäßig zu versagen ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt bereits im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war (Dagegen spricht immerhin, dass er sein Fahrzeug, ohne dass Unfallereignisse oder ähnliches bekannt geworden wären, zielgerichtet auf den Parkplatz des "McDonalds"-Imbisses steuern konnte). Jedenfalls hat der Angeklagte diesen Zustand durch von ihm zu verantwortenden Alkoholkonsum selbst herbeigeführt. Die enthemmende Wirkung des Alkohols ist allgemein bekannt; ebenso, dass sich der Alkoholisierte häufig in unerwarteter - auch strafbarer - Weise verhält (BGH, NStZ 2003, 2394, 2396). Zu einer Privilegierung desjenigen, der sich freiverantwortlich durch Alkoholkonsum in einen solchen Zustand versetzt, besteht daher vor dem Hintergrund des Gebots einer schuldangemessenen Bestrafung keine Veranlassung (BGH, a.a.O.). Anhaltspunkte etwa für eine Alkoholerkrankung des Angeklagten, die einer zurechenbaren Selbstherbeiführung der Trunkenheit entgegen stehen kann (BGH, NStZ 2004, 495), sind nicht vorhanden.

Nach alledem bestand trotz der o.g. Blutalkoholkonzentration und der Indizwirkung einer erheblich über 2 ‰ liegenden Blutalkoholkonzentration (wenngleich diese zum Teil durch Rückrechnung ermittelt wurde) keine Veranlassung dazu, von der Strafmilderungsmöglichkeit des § 21 StGB Gebrauch zu machen.

2. Hinsichtlich der konkreten Strafzumessung im übrigen ist zu Gunsten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass er nicht vorbestraft ist. Ferner ist zwar eine Eintragung im Verkehrszentralregister vorhanden; diese ist jedoch nicht einschlägig (Geschwindigkeitsüberschreitung).

Zu seinen Gunsten ist weiter zu berücksichtigen, dass der Angeklagte ein Teilgeständnis abgelegt hat (nämlich hinsichtlich des Führens seines Kraftfahrzeuges).

Strafmildernd wirken sich weiter die außerstrafrechtlichen Folgen der Tat für den Angeklagten aus (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB). Der Angeklagte wird vor einer Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gem. § 13 S. 1 Nr. 2 c) FeV ein medizinischpsychologisches Gutachten beizubringen haben, dessen Erstellung mit erheblichem, auch finanziellen Aufwand verbunden ist.

Ebenfalls zu Gunsten des Angeklagten ist zu berücksichtigen - auch wenn die Kammer aus den o.g. Gründen nicht vom Vorliegen einer Strafmilderung gem. § 21 StGB ausgegangen ist - dass die Hemmschwelle des Angeklagten zur Begehung der Tat infolge des erheblichen Alkoholkonsums herabgesetzt war.

3. Zu Lasten des Angeklagten ist andererseits zu berücksichtigen, dass er infolge der ganz erheblichen Alkoholisierung, die deutlich über dem Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ lag, erhebliche abstrakte Gefahren für die Verkehrssicherheit und die Verkehrsteilnehmer geschaffen hat. Insoweit ist allerdings einschränkend zu berücksichtigen, dass diese Gefahren dadurch relativiert wurden, dass sich die Tat spät in der Nacht ereignete - also zu einem Zeitpunkt, in dem üblicherweise deutlich weniger Straßenverkehr stattfindet als zu anderen Zeiten - und nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte mit seinem PKW etwa eine besonders lange Fahrtstrecke zurückgelegt hätte (vgl. Fischer, a.a.O., § 316, Rn. 54).

Insgesamt ist bei Abwägung der o.g. Gesichtspunkte eine Geldstrafe von

30 Tagessätzen

tat- und schuldangemessen, aber auch ausreichend.

4. Hinsichtlich der Tagessatzhöhe ist angesichts der festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten eine Tagessatzhöhe von 15 Euro angemessen.

5. Dem Angeklagten war gem. § 69 StGB die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Trunkenheit im Verkehr stellt einen Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis dar (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Gesichtspunkte, aufgrund derer der Angeklagte gleichwohl ausnahmsweise nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sein könnte, liegen nicht vor. Die Maßregel ist auch nicht deshalb entbehrlich oder unverhältnismäßig - wie die Verteidigung meint -, weil dem Angeklagten die Entziehung der Fahrerlaubnis ohnehin gem. § 3 StVG droht. Dem Strafverfahren kommt - im Gegenteil - gem. § 3 Abs. 3, 4 StVG Vorrang zu, so dass die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist, nicht zum Gegenstand eines Entziehungsverfahrens gem. § 3 StVG machen kann.

6. Gemäß § 69 a StGB war ferner eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu bestimmen. Da dem Angeklagten die Fahrerlaubnis bereits zwischen dem 01.04.2010 und dem 08.10.2010 - also für die Dauer von mehr als sechs Monaten - vorläufig entzogen war, reichte es insoweit aus, die Sperrfrist auf die Mindestdauer von drei Monaten (§ 69 a Abs. 4 S. 2 StGB) festzusetzen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.