VG Arnsberg, Urteil vom 21.01.2011 - 12 K 1324/10
Fundstelle
openJur 2012, 78164
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.

Der Kläger ist Mitglied des Rates der beklagten Gemeinde X. und Vorsitzender der dortigen SPD- Fraktion.

Am 2. Dezember 2009 wurde im nichtöffentlichen Teil einer Sitzung des Rates unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 6 über die Feststellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten des Bürgermeisters beraten.

Am 5. Dezember 2009 erschien im T. Anzeiger ein Artikel, in dem eine "Stellungnahme der SPD- Fraktion" mit folgendem Wortlaut abgedruckt wurde:

"...Wer das Gemeinschaftsgefühl zwischen Rat und Verwaltung stärken will, kann dies sicher besser durch seine Taten als durch ein Essen beweisen. Weder die erste Sitzung noch der nichtöffentliche Teil der zweiten Ratssitzung vermitteln den Eindruck, dass es dem neuen Bürgermeister hieran ernstlich liegt. Er hat mindestens der SPD- Fraktion und einer weiteren Fraktion erhebliche Informationen bewusst vorenthalten, die die Anerkennung seines Studiums und von Zeiten angeblicher Tätigkeiten in der Personalführung als ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten betrafen. Diese lagen ihm fast eine Woche vor der Ratssitzung vor. Seiner Fraktion stellte er diese wichtigen Schreiben aber vorab zur Verfügung, wie Fraktionsvorsitzender E auf ausdrückliche Nachfrage bestätigte. Erst auf Antrag der SPD wurde das Schreiben in einer Sitzungsunterbrechung, allerdings ohne Anlagen, verteilt..."

Am 12. Dezember 2009 erschien in derselben Zeitung ein weiterer Bericht, in dem zunächst eine "Presseerklärung der SPD- Fraktion" wiedergegeben wurde. Hierin wurde im Wesentlichen ausgeführt: Dem Antrag des Bürgermeisters auf Anerkennung seiner Vordienstzeiten, der auch die zutreffenden Rechtsgrundlagen nicht habe erkennen lassen, seien keinerlei Nachweise (Zeugnisse, Bescheinigungen oder ähnliche Unterlagen) über die Studienzeiten und die Zeiten der sog. Personalführung beigefügt gewesen. Auch auf der Grundlage der im Laufe der Sitzung nachgereichten Unterlagen sei eine fundierte Beratung nicht möglich gewesen. Die Ratsmehrheit habe jedoch eine Vertagung abgelehnt und die Zeiten anerkannt.

Im vierten Absatz des Artikels wurde ausgeführt, dass die SPD- Fraktion, die sich in ihrer jüngsten Fraktionssitzung mit dieser Problematik befasst habe, jedes einzelne Ratsmitglied in seinen Rechten beschnitten sehe. Der Kläger wurde mit den Worten zitiert: "Die Mitglieder der SPD- Fraktion fragen sich, ob dem Bürgermeister überhaupt bewusst gewesen ist, dass er in die Rechte der Ratsmitglieder in unzulässiger Weise eingreift". Im Folgenden wurde ausgeführt, dass mehrere Fraktionsmitglieder die Frage aufgeworfen hätten, ob es von politischer Sensibilität zeuge, wenn ein Bürgermeister nach drei Wochen Amtszeit einen derartigen Antrag stelle, der zudem noch auf eine falsche Rechtsgrundlage verweise. Der Kläger wurde anschließend dahin wiedergegeben, dass sich die SPD- Ratsfraktion eine umfassende juristische Prüfung und die kurzfristige Befassung der Kommunalaufsicht mit dieser Problematik vorbehalte.

Am 19. Dezember 2009 erschien im T. Anzeiger. ein dritter Bericht, in dem eine Mitteilung der SPD- Fraktion an die Kommunalaufsichtsbehörde wiedergegeben wurde. Hierin wurde geltend gemacht, dass die Vorgehensweise des Bürgermeisters und der nachfolgende Ratsbeschluss gegen geltendes Recht verstoßen hätten.

Im Januar 2010 beantragten die CDU- Fraktion und die Fraktion der Bürgergemeinschaft X. (BG- Fraktion), in der nächsten Sitzung des Rates einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht durch den Kläger festzustellen und gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR zu verhängen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Beratung des TOP 6 der nichtöffentlichen Sitzung vom 2. Dezember 2009 habe es sich um eine geheimhaltungsbedürftige Personalangelegenheit gehandelt, deren Geheimhaltung der Rat zudem dadurch beschlossen habe, dass über den TOP in nichtöffentlicher Sitzung diskutiert und Beschluss gefasst worden sei. Im Anschluss an diese Sitzung habe der T. Anzeiger vom 5., 12. und 19. Dezember 2009 über den Inhalt der Beratungen zu diesem TOP berichtet. In dem Zeitungsartikel sei der Kläger wörtlich zitiert. Es sei somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er über Angelegenheiten aus einer nichtöffentlichen Ratssitzung die Öffentlichkeit - vorliegend die Presse - unterrichtet habe. Zuvor habe es keinerlei Informationen der Öffentlichkeit über diesen TOP gegeben. Das Verhalten stelle eine Verletzung der in § 30 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen (GO NRW) normierten Verschwiegenheitspflicht dar, die mit einem Ordnungsgeld von bis zu 250 EUR sanktioniert werden könne. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 150 EUR sei angemessen, da es sich einerseits um einen einmaligen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht handeln dürfte. Andererseits habe der Kläger die Presse mit Informationen aus der nichtöffentlichen Ratssitzung versorgt und sich damit gezielt eines Mediums bedient, das dazu bestimmt und in ganz besonderer Weise geeignet sei, Informationen in der Öffentlichkeit weiter zu verbreiten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger durch sein Verhalten die Interessen des Bürgermeisters an der vertraulichen Behandlung seiner persönlichen Daten und damit die Interessen des neben dem Rat höchsten Gemeindeorgans beeinträchtigt habe.

Am 20. Januar 2010 stellte der Rat mehrheitlich einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht durch den Kläger fest, beauftragte die Verwaltung, ihn zu den Vorwürfen anzuhören, und behielt sich eine Entscheidung über eine zu verhängende Ordnungsmaßnahme bis zur nächsten Sitzung vor.

Nachdem der Kläger sich auf ein Anhörungsschreiben vom 1. Februar 2010 nicht geäußert hatte, setzte der Rat mit Mehrheitsbeschluss vom 3. März 2010 ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR fest. Zur Begründung wurden die Ausführungen im Antrag der CDU- und BG- Fraktion wiederholt und ergänzend bemerkt: Der Kläger habe sich ohne ersichtlichen Grund nicht zu dem Vorwurf geäußert. Durch Nichtäußerung ohne Gründe sei es nicht möglich, sich dem Verfahren zu entziehen. Es sei davon auszugehen, dass der vorgeworfene Sachverhalt zutreffe.

Mit Bescheid vom 19. März 2010, in dem auf den Rechtsbehelf eines Einspruchs bei der Gemeinde hingewiesen wurde, wurde dem Kläger die Festsetzung des Ordnungsgeldes mitgeteilt.

Zur Begründung seiner hiergegen am 29. April 2010 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sei nur zulässig, soweit die Tat nicht mit Strafe bedroht sei. Er sei als Ratsmitglied jedoch hauptsächlich verwaltend tätig und damit Amtsträger im strafrechtlichen Sinne, so dass die behauptete Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht strafbar wäre, was die Verhängung eines Ordnungsgeldes ausschließe.

Er habe seine Verschwiegenheitspflicht zudem nicht verletzt. Es fehle jeglicher Nachweis einer Kausalität für die Veröffentlichung der Informationen in der T. Zeitung. In den Zeitungsartikeln finde sich keinerlei wörtliche Äußerung, mit der er die ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht verletze. Er habe zu keinem Zeitpunkt Informationen an die Presse weiter gegeben, auf Grund derer diese Artikel entstanden seien. Im Artikel vom 5. Dezember 2009 werde aus einer Stellungnahme der SPD- Fraktion zitiert, die ihm nicht bekannt sei. Unbekannt sei auch, wer im Namen der SPD- Fraktion diese Stellungnahme abgegeben haben solle. Es müsste der unzweifelhafte Nachweis geführt werden, dass der Artikel von ihm stamme bzw. dass die entsprechenden Informationen von ihm der Zeitung zugeleitet worden seien. Auch im Artikel vom 12. Dezember 2009 werde lediglich eine Presseerklärung der SPD- Fraktion zitiert. Soweit er hierin wörtlich zitiert werde, habe er seine Aussage so tatsächlich gegenüber dem T. Anzeiger in einem Telefonat getätigt. Weitere Aussagen seien allerdings nicht gefallen. Insbesondere seien auch keine internen Informationen weitergegeben worden. Es sei lediglich ein Sachverhalt kommentiert worden, der bereits durch den Artikel vom 5. Dezember 2009 vollständig in der Presse ausgebreitet und damit öffentlich bekannt gemacht worden sei. Im Artikel vom 19. Dezember 2009 werde lediglich noch über ein Schreiben an die Kommunalaufsicht berichtet. Er sei nicht zitiert. Wie der T. Anzeiger an das Schreiben gekommen sei, sei ihm nicht bekannt.

Allein weil er einmal im Artikel vom 12. Dezember 2009 zitiert werde mit einem Inhalt, der nicht der Verschwiegenheitspflicht unterlegen habe, werde der bemerkenswerte Schluss gezogen, dass nur er es gewesen sein könne, der die entsprechenden Informationen dem T. Anzeiger zur Verfügung gestellt habe. Es werde nicht in Betracht gezogen, dass jedes Mitglied der SPD- Fraktion, Mitarbeiter aus dem Rathaus oder auch Dritte im Namen der SPD- Fraktion, etwa um dieser zu schaden, die Informationen an die Presse hätten weiterleiten können. Die Verantwortung könne ihm daher nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zugewiesen werden.

Er selbst habe zu keinem Zeitpunkt vertrauliche Informationen an die Medien weiter gegeben. Wer dies im Namen der SPD- Fraktion getan habe, sei ihm nicht bekannt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht ergänzend geltend: Ratsmitglieder seien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne, so dass die Möglichkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes offen gestanden habe.

Es sei trotz des Leugnens des Klägers weiterhin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er gegen seine Geheimhaltungspflichten verstoßen habe. Er distanziere sich von Äußerungen, die nachgewiesenermaßen von ihm selbst stammten. Außerdem wolle er nicht ernsthaft behaupten, dass er als Vorsitzender der Fraktion eine Pressemitteilung seiner Fraktion nicht kenne. Als Fraktionsvorsitzender sei er verantwortlich im Sinne des Presserechts, also presserechtlich Urheber der Mitteilungen. Er könne sich nicht hinter seiner Fraktion verstecken. Seine Einlassung, von den gesamten Vorgängen nichts gewusst zu haben, sei insbesondere in Ansehung des wörtlichen Zitats in einem Artikel unglaubhaft. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, bereits im Rahmen der Anhörung klarzustellen, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen jeder Grundlage entbehrten und "Dritte" das Signet der SPD- Fraktion rechtswidrig gegenüber der Zeitung verwendet hätten.

Die Kammer hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Sache gehört. Er hat hier insbesondere bekundet, dass er schon vor dem Artikel im T. Anzeiger vom 5. Dezember 2009 mit einem Redakteur, der über den Sachverhalt bereits vollständig unterrichtet gewesen sei, telefoniert und diesem mitgeteilt habe, dass der SPD-Fraktion erhebliche Informationen bewusst vorenthalten worden seien, wie dies auch in dem Artikel ausgeführt sei. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst Beiakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Sie ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs.1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes durch den Rat nach den §§ 43 Abs.2 i.V.m. 29 Abs.3, 30 Abs.1 und 6 GO NRW stellt einen Verwaltungsakt dar.

Vgl. eingehend Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, Urteil vom

14. August 2009 - 1 K 6465/08 -, mit weiteren Nachweisen; nachgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 23. Dezember 2009 - 15 A 2126/09 -; jeweils abrufbar in JURIS.

Dies sehen die Beteiligten ebenso, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

Nachdem § 5 des früheren Ausführungsgesetzes zur VwGO (AG VwGO) durch das Gesetz zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen mit Wirkung vom 1. Januar 2011 aufgehoben worden ist, ist richtige Beklagte die Gemeinde X. als Rechtsträgerin des Rates, der insoweit als Behörde gehandelt hat, vgl. § 78 Abs.1 S.1 VwGO.

Die Anfechtungsklage wurde auch fristgerecht erhoben. Im angefochtenen Bescheid vom 19. März 2010 wurde nicht auf den Rechtsbehelf der Klage, sondern unrichtigerweise auf denjenigen eines Einspruchs bei der Gemeinde hingewiesen, so dass gemäß § 58 Abs.2 VwGO die Klagefrist ein Jahr betrug.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der angefochtene Bescheid vom 19. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs.1 S.1 VwGO.

Der Bescheid leidet zunächst nicht an einem durchgreifenden formellen Fehler. Insofern kann dahin stehen, ob dem Kläger vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes durchgehend in der gebotenen Form rechtliches Gehör gewährt wurde. Dies ist nicht unzweifelhaft, weil der Rat bereits mit Beschluss vom 20. Januar 2010 einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht festgestellt hatte, ohne den Kläger zuvor förmlich anzuhören. Der Kläger hat jedoch wohl schon im weiteren Verwaltungsverfahren, jedenfalls aber im Klageverfahren hinreichend Gelegenheit erhalten, sich zur Sache zu äußern. Ein etwaiger Verfahrensfehler wäre daher unbeachtlich, § 45 Abs.1 Nr.3, Abs.2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen (VwVfG NRW).

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Er findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 43 Abs.2 i.V.m. 29 Abs.3, 30 Abs.1 und 6 GO NRW.

Hiernach kann der Rat gegen ein Ratsmitglied bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht im Sinne des § 30 Abs.1 S.1 GO NRW nach näherer Maßgabe der genannten Bestimmungen ein Ordnungsgeld bis zu 250 EUR festsetzen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Kläger sind erfüllt.

Der Kläger hat als Ratsmitglied, auch nach Beendigung seiner Tätigkeit, über die ihm dabei bekanntgewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich, besonders vorgeschrieben oder vom Rat beschlossen ist, Verschwiegenheit zu wahren, § 43 Abs.2 i.V.m. § 30 Abs.1 S.1 GO NRW.

Diese Pflicht hat der Kläger verletzt.

Er hat in der mündlichen Verhandlung in Abweichung von seiner bisherigen Sachdarstellung erstmals angegeben, er habe bereits vor Erscheinen des Artikels des T. Anzeigers vom 5. Dezember 2009 mit einem Redakteur der Zeitung telefoniert und diesem mitgeteilt, dass der SPD- Fraktion im Rahmen der Beratung des TOP 6 im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung vom 2. Dezember 2009 erhebliche Informationen betreffend die Anerkennung der Vordienstzeiten des Bürgermeisters bewusst vorenthalten worden seien, wie dies später in dem Artikel ausgeführt worden sei.

Er hat damit, wie vom Rat bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt, einem Außenstehenden, hier einem Angehörigen der Presse, aus der nichtöffentlichen Beratung vom 2. Dezember 2009 berichtet, was eine Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht darstellt.

Die am 2. Dezember 2009 erfolgte Beratung über die Feststellung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten des Bürgermeisters unterlag im Sinne des § 30 Abs.1 S.1 GO NRW der Geheimhaltung.

Es kann dahinstehen, ob dies bereits deshalb gilt, weil es sich um eine Personalangelegenheit handelte, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder besonders vorgeschrieben war, denn jedenfalls war die Geheimhaltung vom Rat beschlossen. Insoweit ist anerkannt, dass als Angelegenheiten, deren Geheimhaltung vom Rat beschlossen ist, auch solche anzusehen sind, die - wie wohl vorliegend - ohne ausdrücklichen Ratsbeschluss in nichtöffentlicher Sitzung beraten werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, JURIS; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. August 2009 - 1 K 6465/08 -, a.a.O., mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl. zur Differenzierung zwischen aus formellen und aus materiellen Gründen geheimzuhaltenden Angelegenheiten auch OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2009

- 15 A 2126/09 -, a.a.O.

Die sich hieraus ergebende Pflicht des Klägers, über die Beratung Stillschweigen zu bewahren, war entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung vertretenen Meinung auch nicht nachträglich entfallen, weil der besagte Redakteur zum Zeitpunkt des fraglichen Telefonats - zumindest nach Einschätzung des Klägers - bereits vollständig darüber informiert gewesen sein mag, dass der SPD- Fraktion im Rahmen der Beratung Unterlagen betreffend die Anerkennung des Studiums des Bürgermeisters und von Zeiten der Personalführung nicht zur Verfügung gestellt worden waren, die diese für erheblich hielt.

Insofern ist zunächst festzuhalten, dass eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht im Sinne der §§ 43 Abs.2, 30 Abs.1 und 6 GO NRW grundsätzlich bereits darin liegt, dass ein Ratsmitglied einem beliebigen Außenstehenden - der nicht notwendigerweise der Presse angehören muss - vom Inhalt einer nichtöffentlichen Beratung Kenntnis gibt. Ein Verstoß liegt daher insbesondere unabhängig davon vor, ob sich die pflichtwidrig weitergegebenen Informationen später in Presseberichten wiederfinden und ob sie für diese kausal waren oder nicht.

Es ist in diesem Zusammenhang lediglich anerkannt, dass eine Pflicht zur Verschwiegenheit ausnahmsweise dann nicht mehr besteht, wenn die Angelegenheit schon vor der Weitergabe der Information jedermann bekannt geworden oder doch zugänglich geworden ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Geheimhaltung einer Tatsache dann nicht mehr möglich ist, und ist anzunehmen, sobald in einer örtlichen Tageszeitung über den Gegenstand einer Ratssitzung berichtet worden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. September 1965 - III A 1360/63 -, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1965, S.504.

So lag es hier jedoch nicht, denn zum Zeitpunkt des Telefonats im Vorfeld des Berichts vom 5. Dezember 2009 war über den Verlauf der Beratung vom 2. Dezember 2009 noch nicht öffentlich berichtet worden.

Die Verschwiegenheitspflicht eines Ratsmitglieds entfällt demgegenüber nicht schon dann, wenn ein bei ihm anfragender Journalist bereits anderweitig Kenntnis vom Inhalt einer nichtöffentlichen Beratung erhalten hat, dieser aber noch nicht veröffentlicht worden ist. In einem solchen Fall kann keineswegs davon gesprochen werden, dass die Geheimhaltung des betreffenden Beratungsinhalts nicht mehr möglich ist.

Dies gilt schon deshalb, weil der Journalist bzw. das jeweilige Presseorgan in der Entscheidung, einen Sachverhalt zu veröffentlichen oder nicht, frei ist und zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass der auf eine (zusätzliche) Anfrage gegebene Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Angelegenheit bzw. die Verweigerung eines Kommentars zum Anlass genommen wird, mit Blick auf die Vertraulichkeit der Sache von einer Berichterstattung Abstand zu nehmen. Im Óbrigen wird die Frage, ob tatsächlich eine Veröffentlichung erfolgt, im Falle einer solchen Anfrage vielfach vom Vorliegen der weiteren Bestätigung durch das Ratsmitglied und der damit verbundenen höheren Richtigkeitsgewähr abhängen. Dass über den einem Redakteur bereits bekannten Sachverhalt unabhängig von der Bestätigung durch das zusätzlich angefragte Ratsmitglied tatsächlich berichtet werden wird, ist daher im Zeitpunkt der Anfrage - die ja ihrerseits auf einen noch bestehenden Informationsbedarf des Journalisten hindeutet - keineswegs sicher, sondern bestenfalls mehr oder weniger wahrscheinlich.

Insofern spricht auch die Zielsetzung der Regelungen über die Verschwiegenheitspflicht, die auf einen effektiven Geheimnisschutz angelegt sind, dafür, diese nur dann ausnahmsweise entfallen zu lassen, wenn der jeweilige Sachverhalt tatsächlich bereits durch eine Presseveröffentlichung allgemeinkundig geworden ist.

Ansonsten würde das Bestehen der Verschwiegenheitspflicht in Fallgestaltungen wie der vorliegenden von der jedenfalls mit Unwägbarkeiten behafteten Frage abhängen, inwieweit eine Veröffentlichung der geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheit ohnehin, auch ohne weitere Bestätigung durch das Ratsmitglied, zu erwarten ist. Dies kann nach dem Gesagten jedoch im Zeitpunkt der Anfrage gerade auch durch das Ratsmitglied selbst nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Schon um einer Preisgabe von Geheimnissen infolge diesbezüglicher Fehleinschätzungen des Ratsmitglieds effektiv vorzubeugen, ist es daher sachgerecht, die Verschwiegenheitspflicht nur in Fällen einer bereits erfolgten Presseveröffentlichung entfallen zu lassen. In der Praxis kann damit die Grenze der Verschwiegenheitspflicht leicht und eindeutig bestimmt werden. Auch dem einzelnen Ratsmitglied wird hiermit keineswegs etwas Unzumutbares abverlangt, sondern nur, die gegebene Beschlusslage des Rates bzw. die materielle Vertraulichkeit einer Angelegenheit vorerst weiter zu respektieren. Beides wird hinfällig und eine Kommentierung der Angelegenheit möglich, sobald es auch ohne eine Bestätigung durch das Ratsmitglied tatsächlich zu einer Presseberichterstattung kommen sollte.

Ein Normverständnis im Sinne des Klägers widerspräche hingegen der gesetzlichen Konzeption, nach der die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, wie bereits dargelegt, ein sog. Handlungsdelikt und kein Erfolgsdelikt ist, bei dem zusätzlich eine dem Ratsmitglied zuzurechnende Tatfolge, etwa in Form einer durch die Pflichtverletzung verursachten Presseberichterstattung, eingetreten sein müsste. Zudem läge die Gefahr auf der Hand, dass ein Journalist auf der Grundlage von bloßen Gerüchten, Andeutungen oder Vermutungen lediglich vorgibt, bereits gesicherte und vollständige Kenntnis von einer nichtöffentlich beratenen Angelegenheit zu haben, und dass das angefragte Ratsmitglied dem Redakteur gegenüber - im guten Glauben daran, nur bereits diesem Bekanntes zu wiederholen - geheimhaltungsbedürftige Tatsachen verifiziert.

Der Kläger hat nach allem, indem er bereits vor der Veröffentlichung des Artikels vom 5. Dezember 2009 Informationen über die nichtöffentliche Beratung vom 2. Dezember 2009 an einen Angehörigen der Presse weitergegeben hat, seine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Nur hierauf hat der Rat bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes auch abgestellt und sich insofern mit Recht nicht weiter mit der Frage befasst, inwieweit die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht für die nachfolgenden Presseberichte im Einzelnen jeweils (mit-)ursächlich gewesen ist.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist vorliegend auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den Kläger mit Strafe bedroht wäre, § 30 Abs.6 S.2 GO NRW.

Die Tat stellt namentlich weder eine Verletzung von Privatgeheimnissen im Sinne des § 203 Abs.2 S.1 Nr.1 des Strafgesetzbuches (StGB) noch die Verletzung eines Dienstgeheimnisses nach § 353 b Abs.1 S.1 Nr.1 StGB dar, denn der Kläger ist kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs.1 Nr.2 StGB, was beide Straftatbestände voraussetzen.

In der strafrechtlichen Rechtsprechung ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt, dass Ratsmitglieder, wenn sie - wie hier - nicht mit konkreten Verwaltungsfunktionen betraut werden, die über die Ausübung ihres freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen, keine Amtsträger im strafrechtlichen Sinne sind.

Vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 2006 - 5 StR 453/05 - und vom 12. Juli 2006 - 2 StR 557/05 -, JURIS.

Sie sind keine Beamten (§ 11 Abs.1 Nr.2 a StGB) und stehen auch weder in einem sonstigen öffentlich- rechtlichen Amtsverhältnis (§ 11 Abs.1 Nr.2 b StGB) noch sind sie sonst dazu bestellt, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (§ 11 Abs.1 Nr.2 c StGB).

Zur fehlenden Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs.1 Nr.2 b StGB hat der BGH in seinem Urteil vom 9. Mai 2006 insbesondere ausgeführt:

"...Amtsausübung ist etwas anderes als Mandatsausübung. Zwischen dem typischen Verwaltungshandeln in behördlichen oder behördenähnlichen Strukturen und dem politischen Handeln in Volksvertretungen aufgrund eines freien Mandats gibt es strukturelle Unterschiede, die eine differenzierte Behandlung beider Handlungsformen öffentlicher Gewalt rechtfertigen...Dies wird auch im Hinblick auf die handelnden Personen deutlich: Bei Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung ist der Entscheidungsträger grundsätzlich substituierbar; seine Entscheidungsbefugnis kann regelmäßig in der Verwaltungshierarchie delegiert oder von höherrangiger Stelle evoziert werden. Das Amt ist nicht personengebunden, der Amtsträger dafür aber zumeist weisungsgebunden. Im Gegensatz dazu trifft der Abgeordnete aufgrund seines freien Mandats im Plenum seiner Volksvertretung eine in diesem Sinne "unvertretbare" Entscheidung. Sein Amt ist personengebunden, er kann seine Stimmabgabe nicht auf einen Vertreter übertragen; kein anderer darf die Entscheidungsbefugnis des Abgeordneten an sich ziehen. Gerade bei der Unvertretbarkeit der Entscheidung bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung spielen dabei auch legitime Partikularinteressen, für deren Wahrnehmung der Mandatsträger in die Volksvertretung gewählt wurde, eine wesentliche Rolle..."

Zur fehlenden Anwendbarkeit des § 11 Abs.1 Nr.2 c StGB hat der BGH im selben Urteil insbesondere bemerkt:

"...Zwar spricht viel dafür, dass kommunale Mandatsträger Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen; es fehlt aber aufgrund ihres freien politischen Mandats an der notwendigen Ein- oder Unterordnung in ein Dienst- und Auftragsverhältnis zur öffentlichen Hand...Kommunale Mandatsträger sind...nicht dazu bestellt,...öffentliche Aufgaben bei einer Behörde oder sonstigen Stelle in deren Auftrag wahrzunehmen. Der Mandatsträger handelt nicht "im Auftrag" der Behörde. Er ist auch nicht..."bei einer Behörde bestellt". [Die] Erfüllung öffentlicher Aufgaben allein [kann] eine Amtsträgerschaft nicht begründen, sondern der Betreffende [muss] durch organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur eine vergleichbare Stellung haben...wie die in § 11 Abs.1 Nr.2 a und b StGB genannten...Personen. Kommunale Mandatsträger nehmen bei der Tätigkeit in den Volksvertretungen der Gemeinden ihre öffentlichen Aufgaben jedoch nicht im Rahmen eines Dienst- oder Auftragsverhältnisses, sondern in freier Ausübung ihres durch Wahl erworbenen Mandats wahr...Dies unterscheidet sie grundlegend von allen sonstigen unter § 11 Abs.1 Nr.2 StGB fallenden Personen..."

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an und verweist wegen der weiteren Einzelheiten zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf die Ausführungen in den genannten Entscheidungen.

Lagen mithin alle tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes vor, so sind auch Ermessensfehler nicht ersichtlich.

Das festgesetzte Ordnungsgeld hält sich innerhalb des vorgesehenen Rahmens von bis zu 250 EUR, so dass der Rat die gesetzlichen Grenzen des ihm zustehenden Ermessens eingehalten hat. Es ist auch weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Rat sein Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt hätte, § 40 VwVfG NRW. Insbesondere sind die von ihm angestellten Erwägungen zur Höhe des Ordnungsgeldes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.

Die Voraussetzungen des § 124 a Abs.1 S.1 VwGO liegen nicht vor.