Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bergisch Gladbach zurückverwiesen.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen
wegen vorsätzlicher Óberschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit (§§ 41 Abs. 2 Nr. 7 - Zeichen 274 -, 49 Abs.
3 Nr. 4 StVO i.V.m. § 24 StVG) zu einer Geldbuße von 400,-- DM
verurteilt. Es hat folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene befuhr am 4. Juni 1993
gegen 19.12 Uhr die Landstraße L . in R. Ra. in Fahrtrichtung R..
Auf dieser Strecke ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch
Zeichen 274 zu § 41 StVO auf 60 km/h begrenzt. Diese
Geschwindigkeitsbeschränkung war dem Betroffenen, der die Strecke
täglich benutzt, bekannt. Auf der Gegenfahrbahn näherte sich dem
Fahrzeug des Betroffenen ein Kleintransporter mit offener
Ladefläche, auf der sich mehrere, nicht besonders gegen Herabfallen
gesicherte Schaltafeln befanden. Eine dieser Holztafeln fiel von
der Ladefläche des Transporters herab und verfehlte das Fahrzeug
des Betroffenen in Höhe der Windschutzscheibe. Der Betroffene
setzte seine Fahrt zunächst ein Stück fort, wendete alsdann bei der
nächsten Möglichkeit sein Fahrzeug und fuhr dem Kleintransporter
sodann mit erhöhter Geschwindigkeit nach, um den Fahrer auf den
verkehrswidrigen Zustand der Ladung aufmerksam zu machen. Hierbei
nahm er die Óberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
zumindest billigend in Kauf. Nicht feststellbar ist, ob weitere
Ladung von dem Transporter herabzufallen drohte und hierbei in
unmittelbarer Nähe befindliche Verkehrsteilnehmer gefährdet worden
sind. In Höhe der auf der L ... befindlichen stationären
Geschwindkeitsmeßanlage betrug die Geschwindigkeit seines
Fahrzeugs abzüglich eines Toleranzwerts 111 km/h."
Dem Argument des Betroffenen, der
Geschwindigkeitsverstoß, den er einräume, sei nach dem
festgestellten Sachverhalt gemäß § 16 OWiG wegen Notstands
gerechtfertigt gewesen, hat sich das Amtsgericht nicht
angeschlossen. Es hat vielmehr die Auffassung vertreten, eine
Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Eigentum habe zur Tatzeit
weder für den Betroffenen selbst noch für andere
Verkehrsteilnehmer bestanden, weil nicht feststellbar gewesen sei,
daß weitere Schaltafeln herabgefallen seien oder ein solches
Ereignis unmittelbar bevorgestanden habe. Durch die ungesicherte
Ladung einerseits und die Geschwindigkeitsüberschreitung
andererseits sei gleichermaßen lediglich eine Gefährdung der
allgemeinen Verkehrssicherheit hervorgerufen worden. Somit könne
nicht davon ausgegangen werden, daß - wie nach § 16 OWiG
erforderlich - das geschützte Interesse das beeinträchtigte
wesentlich überwiege. Auch eine Pflichtenkollision habe nicht
vorgelegen, weil dem Betroffenen keine Verpflichtung oblegen habe,
die Verfolgung des Kleintransporters aufzunehmen, um ein erneutes
Herabfallen von Ladung zu verhindern. Soweit der Betroffene
irrtümlich angenommen habe, zur Gefahrenabwehr die Geschwindigkeit
überschreiten zu dürfen, handele es sich um einen vermeidbaren
Verbotsirrtum, weil als allgemein bekannt gelten müsse, daß
Gefahrenabwehr Sache der hierfür zuständigen Behörden sei. Mit
Rücksicht auf die geringere Vorwerfbarkeit der Tat wegen des
vermeidbaren Verbotsirrtums sei es angemessen, statt der für eine
vorsätzliche Zuwiderhandlung dieser Art regelmäßig zu verhängenden
Geldbuße von 600,-- DM (Regelsatz für eine Fahrlässigkeitstat nach
5.3.5 des Buß-geldkatalogs: 300,-- DM) eine solche von 400,-- DM
festzusetzen und von der Anordnung des an sich verwirkten
Regelfahrverbots abzusehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung
formellen und materiellen Rechts rügt. Insbesondere macht er
geltend, das Amtsgericht habe mangels abweichender Feststellungen
im Zweifel zu seinen Gunsten von einer gerechtfertigten
Notstandshilfe, jedenfalls aber von einem Putativnotstand infolge
unverschuldeten Irrtums, ausgehen müssen, weshalb unter Aufhebung
der angegriffenen Entscheidung auf Freispruch zu erkennen sei.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der
Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Die
Verfahrensrüge bedarf danach keiner Erörterung.
Die Urteilsfeststellungen belegen, daß
der Betroffene, wie er selbst einräumt, am 4. Juni 1993 gegen
19.12 Uhr auf der L ... in R.-Ra. mit seinem Pkw die dort geltende
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zumindest bedingt
vorsätzlich um vorwerfbare 51 km/h überschritten und damit den
Tatbestand der §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 - Zeichen 274 -, 49 Abs. 3 Nr. 4
StVO i.V.m. § 24 StVG erfüllt hat. Diese Ausführungen sind frei von
Rechtsfehlern.
Soweit das Amtsgericht dagegen den
Rechtfertigungsgrund des § 16 OWiG verneint hat, halten die
Feststellungen und Erwägungen zu diesem Punkt der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Sie lassen vielmehr besorgen, daß der
Tatrichter die Voraussetzungen und den Anwendungsbereich des
rechtfertigenden Notstandes verkannt hat.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 OWiG handelt
nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders
abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder
ein anderes Rechtsgut eine Handlung begeht, um die Gefahr von sich
oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der
widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen
Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das
geschützte Interesse das beinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies
gilt jedoch nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist,
die Gefahr abzuwenden (§ 16 Satz 2 OWiG).
In Rechtsprechung und Literatur ist
einhellig anerkannt, daß der Rechtfertigungsgrund des § 16 OWiG
auch bei Verletzung von Verkehrsvorschriften Anwendung findet (vgl.
OLG Köln VRS 75, 116; 64, 298; 59, 53; OLG Düsseldorf VRS 82, 204,
205; 81, 468, 469; BayObLG DAR 1992, 368; VRS 80, ...;
KK-OWiG-Rengier § 16 Nr. 3; Göhler, OWiG, 10. Aufl., § 16 Rn. 2;
Jagusch/Hentschel, StVR 32. Aufl. Einl. 117, 118; jeweils
m.w.N.).
§ 16 Satz 1 OWiG erfordert zunächst
eine Notstandslage, d.h. eine gegenwärtige Gefahr für ein
Rechtsgut, die nicht anders als durch Verletzung eines anderen
Rechtsgutes abwendbar ist (vgl. OLG Düsseldorf VRS 81, 468,
470).
Eine gegenwärtige Gefahr ist gegeben,
wenn nach menschlicher Erfahrung bei natürlicher Weiterentwicklung
der gegebenen Sachlage der Eintritt einer Schädigung sicher,
zumindest aber höchstwahrscheinlich ist, wenn nicht alsbald
Abwehrmaßnahmen ergriffen werden (vgl. BGHSt 18, 271; Rengier
a.a.0. § 16 Rn. 12; Göhler a.a.0. § 16 Rn. 3). Hingegen genügt die
bloße Möglichkeit oder gar die fernere Möglichkeit einer Schädigung
nicht (vgl. BGHSt 19, 371).
Gegenwärtig ist eine Gefahr nicht nur,
falls die Schädigung bereits begonnen hat, sondern schon dann, wenn
sie unmittelbar oder in nächster Zeit bevorsteht (vgl. BGH NStZ
1988, 554; OLG Düsseldorf a.a.0.; Rengier a.a.0. § 16 Rn. 14).
Auch eine Dauergefahr kann hiernach gegenwärtig sein. Darunter ist
ein Zustand zu verstehen, bei dem die Gefahr jederzeit - also auch
alsbald - in einen Schaden umschlagen kann, mag auch die
Möglichkeit offen bleiben, daß der Eintritt des Schadens noch eine
Zeitlang auf sich warten läßt (vgl. BGH NJW 1979, 2053, 2054;
Rengier a.a.0. § 16 Rn. 14).
Das Amtsgericht hat eine (konkrete)
Gefahr für den Betroffenen selbst oder andere Verkehrsteilnehmer
als "nicht feststellbar" verneint und lediglich eine (abstrakte)
Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit angenommen. Diese
Erwägungen sind unvollständig und insgesamt nicht frei von
Rechtsfehlern.
Daß der Betroffene selbst nach Meinung
des Amtsgerichts nicht (mehr) konkret gefährdet war, nachdem die
herabfallende Schaltafel sein Fahrzeug knapp verfehlt hatte, steht
der Annahme einer Notstandslage im Sinne von § 16 OWiG nicht
entgegen. Das bedrohte Rechtsgut muß nicht dem Eingreifenden,
sondern kann nach § 16 Satz 1 OWiG auch "einem anderen" zustehen
("Notstandshilfe"; vgl. Rengier a.a.0. § 16 Rn. 8). Hier kommen als
schützenswerte Rechtsgüter u.a. die Gesundheit, die körperliche
Unversehrtheit und das Eigentum von Passanten oder sonstigen
Verkehrsteilnehmern in Betracht, die von weiteren herabfallenden
Teilen der ungesicherten Ladung getroffen, verletzt oder sonstwie
beeinträchtigt werden konnten. Soweit das Amtsgericht nicht
festzustellen vermochte, ob solche Schäden bei anderen tatsächlich
eingetreten sind, schließt das eine Notstandshilfe nicht aus. Wie
dargelegt genügt bereits die konkrete Gefahr einer
Schadensentstehung, wobei das Gefahrurteil allerdings nicht dem
subjektiven Standpunkt des - möglicherweise irrenden - Täters
folgt, sondern dem nachträglich getroffenen Urteil eines
sachverständigen Beobachters in der konkreten Handlungssituation,
der mit etwaigem Spezialwissen des Täters ausgestattet ist (vgl.
Rengier a.a.0., § 16 Rn. 12 m.w.N.). Danach reicht der bloße
Hinweis des Amtsgerichts, es sei "nicht feststellbar" gewesen, daß
eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch Herabfallen
weiterer Schaltafeln unmittelbar bevorstand, nicht aus, um eine
objektive Gefahrenlage im Sinne des § 16 Satz 1 OWiG
rechtsfehlerfrei zu verneinen. Der Tatrichter darf nicht "im
Zweifel" zuungunsten des Betroffenen entscheiden (vgl. Rengier
a.a.0. § 12 Rn. 128). Er muß vielmehr auf der Grundlage einer
Gesamtwürdigung der festgestellten Indizien eine Gefahrenprognose
treffen (vgl. Rengier a.a.0. § 16 Rn. 12). Daran fehlt es hier. Das
Amtsgericht hat nicht positiv festgestellt, daß nach der
Beschaffenheit von Lkw und Ladung objektiv kein Herabfallen
weiterer Schaltafeln (mehr) zu befürchten war. Ebensowenig finden
sich im Urteil nähere Ausführungen dazu, daß andere
Verkehrsteilnehmer weder im Gefahrenbereich gewesen seien noch bei
planmäßiger Fortentwicklung der Ereignisse ohne das Einschreiten
des Betroffenen dorthin gelangt wären. Im Gegenteil spricht die vom
Amtsgericht als erwiesen angesehene Tatsache, daß unmittelbar vor
dem Fahrzeug des Betroffenen eine Schaltafel von der Ladefläche des
entgegenkommenden Lkw herabfiel und den Pkw nur knapp verfehlt hat,
nach der Lebenserfahrung dafür, daß die unter anderem aus mehreren
Schaltafeln bestehende Ladung ungesichert war und daher
jederzeit, etwa nach einem Bremsmanöver oder durch
Fahrzeugbewegungen infolge von Bodenunebenheiten, ins Rutschen
geraten und von der offenen Ladefläche geschleudert werden konnte.
Mit dieser naheliegenden Möglichkeit hat sich das Amtsgericht im
Rahmen seiner Prognoseentscheidung ebensowenig auseinandergesetzt
wie mit dem Erfahrungssatz, daß an einem Werktag (Freitag, dem 4.
Juni 1993) gegen 19.12 Uhr der Verkehr auf den Landstraßen im
Einzugsbereich von Köln regelmäßig noch nicht so abgeflaut ist, daß
man - wie etwa zur Nachtzeit - ernsthaft annehmen könnte, eine
Begegnung des gefahrträchtigen Lkw mit anderen Verkehrsteilnehmern
werde nicht stattfinden. Hätte das Amtsgericht unter diesen
Umständen eine objektive Gefahrenlage gleichwohl verneinen wollen,
wäre es erforderlich gewesen, die näheren Einzelheiten des gesamten
Vorgangs (z.B. Bauart des Transporters, Beschaffenheit und
Anordnung der Ladung, Verkehrsverhältnisse zur Tatzeit) durch
Befragung des Betroffenen, der als einzige Auskunftsquelle zur
Verfü-gung steht, zu ermitteln, im Urteil darzustellen und
nachvollziehbar zu begründen, weshalb trotz der oben angeführten
gegenteiligen Beweisanzeichen eine objektive Gefahrenlage nicht
gegeben sein soll. Eine erschöpfende Beweiswürdigung, die alle
maßgeblichen Gesichtspunkte einbezieht und dadurch eine rechtliche
Nachprüfung ermöglicht (vgl. KK-OWiG Senge § 71 Rn. 81 m.w.N.),
liegt hier nicht vor. Schon deshalb kann das angefochtene Urteil
keinen Bestand haben.
Selbst wenn eine - allein dem
Tatrichter obliegende (vgl. KK OWiG-Steindorf § 79 Rn. 125 m.w.N.)
- vollständige Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ergeben hätte, daß
eine objektive Gefahrenlage nicht vorhanden war, hätte der
Tatrichter erörtern müssen, ob der Betroffene aufgrund der ihm
bekannten Indizien (Herabfallen einer Schaltafel unmittelbar vor
seinem Wagen) irrtümlich und schuldlos Tatsachen angenommen hat,
die sein Vorgehen als Putativnotstandshilfe gerechtfertigt
erscheinen lassen (vgl. Rengier a.a.0. § 16 Rn. 68 ff.). Auch dazu
fehlen indes hinreichende Feststellungen.
Lückenhaft ist das Urteil ferner,
soweit es um die Erforderlichkeit ("nicht anders abwendbar") der
Notstandshandlung geht. Diese muß geeignet und notwendig sein, die
Gefahrenlage zu beenden (vgl. Rengier a.a.0. § 16 Rn. 16). Wie bei
dem Gefahrurteil handelt es sich auch bei der
Erforderlichkeitsfrage um eine Prognoseentscheidung, die nach
sachverständigem expost-Urteil in der konkreten Handlungssituation
zu treffen ist (vgl. Rengier a.a.0). Hiernach ist das ausgewählte
Abwehrmittel ungeeignet, wenn es die Gefahr nicht beseitigen oder
allenfalls einen unwesentlichen Beitrag dazu leisten kann (vgl.
Regnier a.a.0. § 16 Rn. 17). So entfälllt die Eignung der
Rettungshandlung bei Geschwindigkeitsverstößen, wenn sie nur einen
unwesentlichen Zeitgewinn bringen (vgl. Rengier a.a.0.; Göhler
a.a.0. § 16 Rn. 8; jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang hätte
das Amtsgericht prü-fen müssen, ob nach den örtlichen Gegebenheiten
der Plan des Betroffenen, dem Transporter nachzusetzen und dessen
Fahrer wegen der ungesicherten Ladung zu warnen, nicht ebensogut
auch ohne eine Óberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
durchführbar gewesen wäre. Sollte nämlich die
Geschwindkeitsbeschränkung nur auf einer verhältnismäßig kurzen
Strecke, etwa für eine Ortsdurchfahrt, bestanden haben, wäre das
vom Betroffenen verfolgte Ziel, den Transporter einzuholen, um den
Fahrer warnen zu können, insgesamt nur unbedeutend verzögert
worden, wenn er in diesem Bereich die vorgeschriebene
Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte. Etwas anderes würde nur
gelten, wenn er hätte befürchten müssen, bei einer Reduzierung der
Geschwindigkeit auf das zulässige Maß das verfolgte Fahrzeug aus
den Augen zu verlieren. Ob nach den örtlichen Verhältnissen Anlaß
für eine solche Besorgnis bestand, hätte das Amtsgericht im
einzelnen untersuchen müssen. Das ist unterblieben, so daß die
angefochtene Entscheidung auch in diesem Punkt unvollständig
ist.
Schließlich muß der Täter unter
mehreren zur Abwendung der Gefahr geeigneten Mitteln das mildeste
auswählen. Die Rechtfertigung gemäß § 16 OWiG entfällt demnach,
wenn weniger einschneidende Maß-nahmen den Gefahrzustand ebenso
rasch und wirksam wie das angewandte Mittel hätten beseitigen
können (vgl. OLG Köln VRS 64, 298; 75, 116; OLG Karlsruhe Justiz
1983, 346, 347; Rengier a.a.0. § 16 Rn. 18). Dabei ist namentlich
an die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zu denken (vgl. Rengier
a.a.0. § 16 Rn. 19). Auch diesen Gesichtspunkt hätte das
Amtsgericht anhand der Umstände des Einzelfalles näher erörtern
müssen. Allein der Hinweis, daß "Gefahrenabwehr Sache der hierfür
zuständigen Behören ist", genügt dafür erkennbar nicht.
Aus den dargelegten Gründen ist das
Urteil wegen materiellrechtlicher Unvollständigkeit aufzuheben.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich in einer neuen
Verhandlung noch weitere, für eine Verurteilung insgesamt
ausreichende Feststellungen treffen lassen, ist die Sache gemäß §
79 Abs. 6 OWiG an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Ergänzend wird bemerkt:
Soweit es um die Frage geht, ob der
Tatrichter überhaupt die Óberzeugung gewinnen kann, daß die vom
Betroffenen geschilderte Gefahrensituation vorgelegen hat, darf
auch das bei der Geschwindigkeitsmessung hergestellte Lichtbild in
die Gesamtwürdigung einbezogen werden. Rechtlich ist es nicht zu
beanstanden, wenn aus einem solchen Foto, dessen wesentlicher
Aussagegehalt dann knapp im Urteil darzustellen ist (vgl. § 267
Abs. 1 Satz 3 StPO; Senat NZV 1991, 122), denkgesetzlich mögliche
Schlüsse auf die Befindlichkeit der abgebildeten Person gezogen
werden. Bei einem Fahrer, der in ersichtlich entspannter Haltung
hinter dem Steuer sitzt und dieses nur mit einer Hand bedient, kann
gegebenenfalls ohne Rechtsfehler angenommen werden, daß er zur
Zeit der Lichtbildaufnahme keiner Streß-, Belastungs- oder
Gefahrensituation ausgesetzt war. Derartige Schlußfolgerungen,
sollten sie hier möglich sein, können allerdings das Ergebnis
regelmäßig nicht allein tragen, sondern bedürfen der Absicherung im
Rahmen einer eingehenden Würdigung aller Beweisanzeichen. Sollte
der Tatrichter unter Beachtung des Grundsatzes, wonach im Zweifel
zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist (vgl. Rengier a.a.0. §
11 Rn. 128 m.w.N.), zu der Óberzeugung gelangen, daß die vom
Betroffenen geschilderte Gefahrenlage bestanden hat, wird die
weitere Prüfung nach den oben angeführten Gesichtspunkten
vorzunehmen sein, wobei Eignung und Notwendigkeit der
Notstandshandlung auch von den örtlichen Gegebenheiten abhängen,
die im Urteil darzulegen sind. Sofern die genannten Voraussetzungen
des § 16 OWiG als erfüllt angesehen werden, hat schließlich eine
Abwägung der widerstreitenden Interessen stattzufinden (vgl. Göhler
a.a.0. § 16 Rn. 6 ff.), bei der auch zu berücksichtigen sein wird,
ob und inwieweit durch die Fahrweise des Betroffenen andere
gefährdet worden sind (vgl. OLG Hamm NJW 1977, 1892). Falls sich
Anhaltspunkte für einen vorsatzausschließenden
Erlaubnistatbestandsirrtum (Putativnotstand) ergeben sollten, etwa
weil der Betroffene unter falschen tatsächlichen Voraussetzungen
irrig vom Bestehen einer in Wirklichkeit nicht vorhandenen
Gefahrenlage oder von der tatsächlich nicht gegebenen
Erforderlichkeit der Notstandshandlung ausgegangen ist, wäre
außerdem zu prüfen, ob eine Ahndung wegen fahrlässiger
Óberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Betracht
kommt oder ob der Irrtum des Betroffenen als unverschuldet
angesehen werden kann.