KG, Beschluss vom 13.08.2012 - 17 UF 62/12
Fundstelle
openJur 2012, 72225
  • Rkr:

In Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige zwischen dem Ende der Ehezeit und der Durchführung des Versorgungsausgleichs bereits Versorgungsleistungen aus einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bezieht, ist die interne Teilung dieses Anrechts - jedenfalls in Fällen, in denen der andere, ausgleichsberechtigte Ehegatte hiervon nicht schon in anderer Weise, etwa durch den laufenden Bezug von Unterhaltszahlungen, profitiert hat - in der Weise durchzuführen, dass von dem zu teilenden Anrecht der halbe Ehezeitanteil (Deckungskapital einschließlich der nach Ehezeitende angefallenen Überschüsse) sowie wertmäßig die Hälfte der seit Ehezeitende (bzw. dem Beginn des Rentenbezugs) erlangten Rentenzahlungen abgezogen werden. Der Leistungsbezug nach Ehezeitende durch den Ausgleichspflichtigen ist als nachträgliche rechtliche oder tatsächliche Veränderung des Anrechts nach dem Ende der Ehezeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG anzusehen und kann dazu führen, dass das dem Ausgleichspflichtigen nach erfolgter Teilung verbleibende Anrecht über den Halbteilungsgrundsatz hinaus gemindert wird.

Tenor

Auf die Beschwerden des früheren Ehemannes und des Trägers der betrieblichen Altersversorgung wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 14. Februar 2012 - 162A F 20295/11 - im 3. Absatz des Tenors wie folgt geändert:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des früheren Ehemannes bei der … Versicherungsverein … a.G., Berlin, Vertragsnummer … zugunsten der früheren Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 89,01 € monatlich nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen im Tarif … bezogen auf den 30. April 1998 übertragen. Aus dem nach erfolgter Teilung verbleibenden Deckungskapital von 7.134,86 € (per 1. Juli 2012) ist zugunsten des früheren Ehemannes ein Versorgungsanrecht in Höhe von 40,74 € monatlich im bestehenden Tarif … auszurichten.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die den Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen diese jeweils selbst.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der frühere Ehemann sowie ein Träger der betrieblichen Altersversorgung - die … - wenden sich mit ihren Rechtsmitteln gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 14. Februar 2012 - 162A F 20295/11 - (FamRZ 2012, 1057 [LSe]), mit dem das Familiengericht den im Zuge eines Abänderungsverfahrens (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, 162 F 13914/04) ausgesetzten Versorgungsausgleich zwischen den früheren Ehegatten in der Weise endgültig geregelt hat, dass zu Lasten des bei Ehezeitende vorhandenen Deckungskapitals der betrieblichen Altersversorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten im Wege der internen Teilung zu Gunsten des anderen Ehegatten ein entsprechendes, hälftiges Anrecht übertragen wird. Dass auf Seiten des ausgleichspflichtigen Ehegatten - insoweit unstreitig - nach dem Ende der Ehezeit der “Rentenfall” eingetreten und dass bei Ehezeitende vorhandene Deckungskapital teilweise “aufgezehrt” sei, weil daraus seither zu Gunsten dieses Ehegatten eine den Bestimmungen des betreffenden Anrechts entsprechende, ungekürzte Versorgung ausgezahlt wurde und laufend ausgezahlt wird, habe außer Betracht zu bleiben; hierdurch verringere sich weder das Deckungskapital des zu teilenden Anrechts noch der Kapitalwert des auszugleichenden Anrechts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tenor und Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Die Beschwerdeführer machen - im Wesentlichen übereinstimmend - geltend, die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer grundsätzlich unzutreffenden Auffassung vom System des Versorgungsausgleichs, soweit die Teilung deckungskapitalbezogener Anrechte der betrieblichen Altersversorgung in Rede stünde: In Fällen wie dem vorliegenden, in denen nach Rechtskraft der Scheidung beim ausgleichspflichtigen Ehegatten der Rentenfall eintrete und dieser Ehegatte bereits seit mehreren Jahren eine laufende, ungekürzte Versorgung aus dem zu teilenden Anrecht beziehe, habe die Teilung nicht auf der Basis des bei Ehezeitende vorhandenen Deckungskapitals zu erfolgen, sondern es müsse berücksichtigt werden, dass ein Teil des Deckungskapitals bereits für die Ausrichtung der laufenden Versorgung verbraucht worden sei. Um sicherzustellen, dass die Teilung des Versorgungsanrechts für den Träger der betrieblichen Altersversorgung kostenneutral erfolge, sei daher - vereinfacht ausgedrückt - von dem bei Ehezeitende vorhandenen Deckungskapital der für die Ausrichtung der laufenden Versorgung bereits verbrauchte Teil des Deckungskapitals abzuziehen; lediglich der noch verbleibende (Rest-) Betrag könne geteilt werden. Alternativ sei der ausgleichsberechtigte Ehegatte auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift des Trägers der betrieblichen Altersversorgung vom 16. März 2012 und die Beschwerdebegründung des früheren Ehemannes vom 15. Mai 2012 sowie auf die Schriftsätze vom 29. Juni 2012, 6. Juli 2012 und 25. Juli 2012 Bezug genommen.

II.

1. Die jeweils zulässigen, insbesondere fristgerecht erhobenen Beschwerden (§§ 58ff., 228 FamFG) sind nach Maßgabe des Tenors und der Hinweise des Senats in den Schreiben vom 15. Juni und 17. Juli 2012, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, begründet:

a) Eine Teilung des Anrechts in der Weise, dass der seit dem Rentenfall eingetretene Kapitalverzehr unberücksichtigt bleibt, kommt nicht in Betracht. Bei der Anwartschaft des früheren Ehemannes bei der … handelt es sich um eine deckungskapitalbezogene betriebliche Altersversorgung (vgl. Götsche/Rehbein/Breuers-Rehbein, Versorgungsausgleichsrecht [1. Aufl. 2012], § 39 Rn. 14, § 45 Rn. 11). Eine derartige Versorgung beruht, anders als beispielsweise ein umlagefinanziertes System wie die gesetzliche Rentenversicherung, auf dem Prinzip der Ansammlung von verzinslich angelegtem Kapital auf einem Versicherungskonto des Berechtigten; die an diesen bei Fälligkeit ausgezahlte Rente ergibt sich im Kern aus den geleisteten Beiträgen und den zwischenzeitlich erzielten Zinserträgen bzw. Überschüssen. Nach Fälligkeit der Rente entspricht das gebildete Deckungskapital dem Barwert der gezahlten Leistung (vgl. MünchKommBGB/Glockner [5. Aufl. 2010], § 39 VersAusglG Rn. 12, 14; Schulz/Hauß-Hauß, Familienrecht [2. Aufl. 2012], § 39 Rn. 12). Vor diesem Hintergrund erscheint eindeutig, dass die Teilung einer Versorgung, aus der bereits Leistungen erbracht werden, nicht zu einer Überschreitung des Deckungskapitals führen darf, weil andernfalls eine doppelte Inanspruchnahme des Versorgungsträgers (bzw. der Gemeinschaft aller dort Versicherten) für denselben Sachverhalt vorläge. In der Literatur besteht hierüber, soweit ersichtlich, allgemeines Einvernehmen (vgl. Budinger/Krazeisen, BetrAV 2010, 612 [616, 167 - eine Stelle, die der BGH direkt in Bezug nimmt: vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 546/10 -, FamRZ 2011, 1785; bei juris Rz. 25] sowie mittelbar auch Gutdeutsch/Hoenes/Norpoth, FamRZ 2012, 73ff.; Meindl/Tausch, BetrAV 2012, 11ff.; Hauß, FPR 2011, 513ff.; Hauß, FamRB 2010, 251, 252f.; Borth, Versorgungsausgleich [6. Aufl. 2012], Rn. 580ff.; Erman/Norpoth, BGB [13. Aufl. 2011], § 5 VersAusglG Rn. 5, 8).

Nach dem Dafürhalten des Senats lassen die Bestimmungen der §§ 39 Abs. 2 Nr. 2, 5 Abs. 2 Satz 2, §§ 29, 30 VersAusglG keine andere Auslegung zu: Wenn das Gesetz eine unmittelbare Bewertung des Versorgungsanrechts nach Maßgabe des jeweiligen Deckungskapitals vorsieht (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG) und diese zudem durch Bestimmungen wie die §§ 29, 30 VersAusglG und § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG flankiert, durch die einerseits ein durch den Versorgungsausgleich unbeeinflusster Fortbestand des Deckungskapitals festgeschrieben wird (§§ 29, 30 VersAusglG), andererseits aber auch eine Möglichkeit aufgezeigt wird, um in bestimmten Fällen eine vom Halbteilungsgrundsatz abweichende Bewertung des verbleibenden, geteilten Anrechts zu rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG), erscheint es ausgeschlossen, zwischen aufsichtsrechtlichen bzw. handelsrechtlichen Vorgaben zum Deckungskapital und dem versicherungsvertraglichen Individualanspruch auf Gewährung einer bestimmten Versorgung zu differenzieren. Vielmehr sind beide Fälle am gleichen Maßstab - dem Deckungskapital - zu messen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich, die den zwischenzeitlichen - durch aufgelaufene Zinsen freilich geminderten - Kapitalverzehr und die damit einhergehende Abnahme des Deckungskapitals unberücksichtigt lässt, schlechterdings ausgeschlossen (vgl. Borth, Versorgungsausgleich [6. Aufl. 2012], Rn. 582, 3. Anstrich).

Dass der Versorgungsträger … die entsprechende monatliche Rente bei Fälligkeit der Versorgung an den ausgleichspflichtigen früheren Ehemann ungekürzt ausgezahlt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung und gereicht dem Versorgungsträger nicht zum Nachteil; aufgrund des Versicherungs-/Versorgungsvertrages war der Versorgungsträger hierzu vielmehr verpflichtet. Das Leistungsverbot nach § 29 VersAusglG erfasst den Fall eines Wertverzehrs des Anrechts infolge einer regulären, monatlichen Rentenzahlung gerade nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 546/10 -, FamRZ 2011, 1785 [bei juris Rz. 25] sowie Johannsen/Henrich-Hahne, Familienrecht [5. Aufl. 2010], § 29 VersAusglG Rn. 1; Schulz/Hauß-Hauß, Familienrecht [2. Aufl. 2012], § 29 Rn. 5; MünchKommBGB/Gräper [5. Aufl. 2010], § 29 VersAusglG Rn. 6; Bergner, FamFR 2012, 97, 98).

b) Eine Lösung dergestalt, dass die teilweise Aufzehrung der Versorgung vom anderen, ausgleichsberechtigten Ehegatten zu tragen ist, erscheint dem Senat - insoweit im Einklang mit der angegriffenen familiengerichtlichen Entscheidung - von vornherein ausgeschlossen, da dies nicht nur in einem eklatanten Widerspruch zu dem Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) stünde, sondern den ausgleichspflichtigen Ehegatten dazu animieren könnte, alles zu tun, um die Durchführung des Versorgungsausgleichs wenn nicht zu verhindern, so doch wenigstens möglichst lange hinauszuschieben und parallel dazu eine ungekürzte Versorgung zu beziehen (vgl. die drastische Schilderung bei Hauß, FPR 2011, 513, 515). Eine derartige Lösung könnte allenfalls in Fallgestaltungen in Betracht kommen, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte von den laufenden Zahlungen aus dem Anrecht in bestimmter Weise partizipiert hat, namentlich, weil er aus der vom Ausgleichspflichtigen bezogenen Rente auch nach Ehezeitende Unterhaltsleistungen erhalten hat (vgl. Borth, Versorgungsausgleich [6. Aufl. 2012], Rn. 582, 3. Anstrich). Für eine derartige Fallgestaltung ist hier freilich nichts ersichtlich, so dass es insoweit bei der Wertung des Familiengerichts sein Bewenden haben muss; der Wert des dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zustehenden Anrechts bestimmt sich nach den Verhältnissen am Ende der Ehezeit (§§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG sowie BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 599/10 -, NJW-RR 2012, 577 [bei juris Rz. 15f., 29f.]).

c) Die in der Literatur (vgl. etwa Hauß, FPR 2011, 73 [74]; Schulz/Hauß-Hauß, Familienrecht [2. Aufl. 2012], § 39 Rn. 15) verschiedentlich in Erwägung gezogene Lösung in der Weise, dass Anrechte des ausgleichsberechtigten Ehegatten - hier also: der früheren Ehefrau - partiell vom Ausgleich ausgenommen werden und zwar in einer Höhe, die dem hälftigen Wert der seit Ehezeitende vom früheren Ehemann bezogenen Versorgung in etwa entspricht, kann allenfalls ein theoretischer Ansatz sein, der möglicherweise im Zuge einer von den Beteiligten abzuschließenden Vereinbarung nach § 6 Abs. 1 VersAusglG fruchtbar gemacht werden könnte, für eine gerichtliche Entscheidung aber nicht in Betracht kommt: Denn es würden sich, wenn man beispielsweise die angleichungsdynamische Anwartschaft der früheren Ehefrau bei der Deutsche Rentenversicherung … teilweise vom Ausgleich ausnehmen wollte - ihr also Teile dieses Anrechts ungekürzt belassen würde - nicht unerhebliche, zusätzliche Bewertungsprobleme ergeben; beispielsweise, weil das Anrecht bei der Deutsche Rentenversicherung … in Entgeltpunkten (Ost) ausgewiesen ist und der Kapitalwert deshalb nicht ohne weiteres mit einem Deckungskapital verglichen werden kann. Zudem widerspräche eine derartige Vorgehensweise dem Prinzip des internen Ausgleichs (§§ 9 Abs. 2, 10 VersAusglG), wonach jedes Anrecht innerhalb seines Systems durch Teilung und nicht durch wertmäßige Verrechnung mit sonstigen Anrechten ausgeglichen werden soll.

d) Entgegen der wiederholt geäußerten Auffassung des Versorgungsträgers kommt auch ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich nicht in Betracht. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1, 4 VersAusglG. Das Anrecht des früheren Ehemannes bei der … ist ausgleichsreif, so dass kein Grund ersichtlich ist, die frühere Ehefrau insoweit auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen. Unabhängig hiervon wäre eine Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich aber auch ungeeignet, das anstehende Sachproblem zu lösen bzw. dürften sich dabei rein rechnerisch kaum andere Zahlen ergeben: Nachdem die frühere Ehefrau ihrerseits Altersrente bezieht, wäre der schuldrechtliche Versorgungsausgleich in jedem Fall bereits fällig (§ 20 Abs. 2 VersAusglG); der Betrag der Ausgleichsrente, die der frühere Ehemann zu leisten hätte (§ 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG) bzw. in deren Höhe von ihm seine Ansprüche gegen den Versorgungsträger … an die frühere Ehefrau abzutreten wären (§ 21 Abs. 1 VersAusglG), müsste gleich hoch sein wie im Falle eines Vorgehens über § 5 Abs. 2 VersAusglG.

e) Nach dem Vorgesagten ist die Kürzung des Anrechts, die sich aus dem teilweisen Verzehr des Deckungskapitals infolge geleisteter Rentenzahlungen ergibt, vom Ausgleichspflichtigen - also vom früheren Ehemann - zu tragen:

Nach Dafürhalten des Senats muss dies jedenfalls in Fallgestaltungen wie der vorliegenden gelten: Aufgrund der im Abänderungsverfahren nach § 10a VAHRG am 20. April 2006 (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, 162 F 13914/04) ergangenen Entscheidung wusste der frühere Ehemann, dass er - jedenfalls dem Grunde nach - in Zukunft ausgleichspflichtig sein würde. Aus diesem Beschluss ergibt sich, dass er Anwartschaften im Wert von insgesamt 1.042,80 DM, nämlich jeweils eine “West-“ bzw. “Ostrente“ bei der Deutschen Rentenversicherung ... sowie die betriebliche Altersversorgung bei der ... (Stammrente und Überschussbeteiligung) erworben, wohingegen die frühere Ehefrau lediglich eine “Ostrente“ bei der Deutschen Rentenversicherung ... und eine Beamtenversorgung bei der (damaligen) ... mit einem Wert von insgesamt 923,19 DM erlangt hat. Als der frühere Ehemann - der erteilten Auskunft der ... vom 22. November 2011 (dort S. 2, 3; Bl. 77f.) zufolge - am 1. August 2007 in Pension ging und aus dem Anrecht bei der ... reguläre Leistungen bezog, hätte ihm daher bewusst sein müssen, dass sein Leistungsbezug tendenziell zu hoch war und unter dem Vorbehalt einer endgültigen Regelung durch den Versorgungsausgleich stand. Jedenfalls in dieser Konstellation erscheint der frühere Ehemann nicht schutzwürdig; vielmehr ist der beim auszugleichenden Anrecht dadurch entstandene “Ausfall”, dass das Deckungskapital infolge des Leistungsbezugs teilweise aufgezehrt wurde, grundsätzlich von ihm zu tragen. Die Kürzung kann dabei ausschließlich in der Weise erfolgen, dass das dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Teilung verbleibende Anrecht über den Halbteilungsgrundsatz hinaus gemindert wird. Vom Anrecht des früheren Ehemanns bei der ... ist deshalb der halbe Ehezeitanteil (Deckungskapital einschließlich der nach Ehezeitende angefallenen Überschüsse) sowie wertmäßig die Hälfte der seit Ehezeitende (bzw. dem Beginn des Rentenbezugs) erlangten Rentenzahlungen abzuziehen; seine künftigen Zahlungen sind entsprechend zu kürzen.

Die gesetzliche Grundlage für eine derartige, über den Halbteilungsgrundsatz hinausgehende Kürzung des dem früheren Ehemann verbleibenden Anrechts ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG; die regulären, monatlichen Rentenzahlungen aus dem Anrecht nach Ehezeitende stellen eine tatsächliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit dar, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, weil sie diesen - über die Bezugsgröße Deckungskapital (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG) - teilweise vermindern bzw. zum Erlöschen bringen.

Diese Lösung steht im Einklang mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2012 (- XII ZB 599/10 -, NJW-RR 2012, 577): In dieser Entscheidung wurde klargestellt, dass es Fallgestaltungen geben kann, in denen dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nach durchgeführtem Versorgungsausgleich, bezogen auf den Ehezeitanteil, weniger verbleiben kann als dem anderen, ausgleichsberechtigten Ehegatten (bei juris Rz. 30). Die in jener Entscheidung vorliegende Konstellation, dass sich nämlich der Ausgleichspflichtige für einen vorzeitigen Bezug des ihm zustehenden Altersruhegeldes entschieden hat mit der Folge, dass sich der Wert des auszugleichenden Anrechts nach Maßgabe der Satzung des (berufsständischen) Versorgungsträgers und bestimmter, versicherungsmathematischer Rechenansätze vermindert, erscheint hinsichtlich der Kernaussage - Kürzung des dem Pflichtigen verbleibenden Anrechts über den Halbteilungsgrundsatz hinaus - mit dem hier gegebenen Fall vergleichbar und kann deshalb fruchtbar gemacht werden.

Die Literatur hat sich - bei Unterschieden im Einzelnen - im Ergebnis ebenfalls für diesen Lösungsansatz ausgesprochen (vgl. Gutdeutsch/Hoenes/Norpoth, FamRZ 2012, 73, 75; Budinger/Krazeisen, BetrAV 2010, 612, 616f.; Hauß, FPR 2011, 513, 513; Schulz/Hauß-Hauß, Familienrecht [2. Aufl. 2012], § 39 VersAusglG Rn. 16f. sowie wohl auch Götsche/Rehbein/Breuers-Götsche, Versorgungsausgleichsrecht [1. Aufl. 2012], § 5 VersAusglG Rn. 23, § 225 FamFG Rn. 14 [Stichwort vorzeitiger Ruhestand bei Betriebsrenten]; Erman/Norpoth, BGB [13. Aufl. 2011], § 5 VersAusglG Rn. 8 und, mit Einschränkungen, Bergner, FamFR 2012, 97, 99f.) und auch bereits erste Rechenmodelle entwickelt (vgl. Meindl/Tausch, BetrAV 2012, 11, 14 [Variante 7]). Der Senat schließt sich dem an.

f) Dies vorausgeschickt, ergibt sich folgende Berechnung:

31.855,09 €bei Ehezeitende (= 30. April 1998) vorhandenes Deckungskapital einschließlich angefallener Überschüsse348,55 €von beiden früheren Ehegatten zu tragende, bei der Berechnung des Ausgleichswerts von 15.753,27 € bereits berücksichtigte Teilungskosten (1,5% aus 23.236,68 €: für die Berechnung hat der Versorgungsträger nur das bei Ehezeitende vorhandene Deckungskapital herangezogen)15.753,27 €Ausgleichswert zugunsten der früheren Ehefrau: Auf den Stand per 1. Juli 2012 fortgeschriebener Ehezeitanteil des ursprünglich, bei Ehezeitende vorhandenen Deckungskapitals einschließlich der anteiligen, seither angefallenen Überschüsse und erwirtschafteten Zinsen.7.134,86 €per 1. Juli 2012 noch vorhandenes Deckungskapital einschließlich Überschüsse, aus dem die dem früheren Ehemann zustehende, nach Teilung ihm verbleibende Rente zu entrichten ist.7.822,29 €796,12 €an den früheren Ehemann im Zeitraum vom Rentenbeginn am 1. August 2007 bis Ende Juni 2012 geleisteten, ehezeitbezogenen Rentenzahlungen (= 7.822,29 €) zuzüglich angefallener Zinsen (= 796,12 €)Auf der Basis dieses Zahlenwerks erhält die frühere Ehefrau die Hälfte des bei Ehezeitendes vorhandenen, um seither angefallene Überschüsse und erwirtschaftete Zinsen vermehrten Deckungskapitals (15.753,27 €), aus der sich, der Berechnung des Versorgungsträgers zufolge nach dessen Tarif ... eine Rente in Höhe von 1.068,07 € jährlich bzw. 89,01 € monatlich errechnet. Für die dem früheren Ehemann künftig auszurichtende Rente verbliebe danach noch ein restliches Deckungskapital von 7.134,86 €; dieses reicht nach der Mitteilung des Versorgungsträgers aus, um ihm nach erfolgter Teilung weiterhin eine Rente in Höhe von 40,74 € monatlich auszurichten.

Im Ergebnis wird damit der Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) bestmöglichst gewahrt, weil die früheren Ehegatten beide jeweils den gleichen Anteil an der ursprünglichen Versorgung erhalten: Die Summe aus dem dem früheren Ehemann nach Teilung verbleibenden Anteil am Deckungskapital (= 7.134,86 €) zuzüglich der ihm seit Inanspruchnahme der Versorgung bereits zugeflossenen Beträge (= 7.822,29 €) nebst anteiliger Zinsen (= 796,12 €) ergibt mit 15.753,27 € den gleichen Betrag, der der früheren Ehefrau zugeteilt wird. Die Bedenken von Bergner (FamFR 2012, 97, 99, 101 sowie der Tagungsbericht bei Borth, FamRZ 2012, 1192, 1193f.), der Verzehr des Deckungskapitals dürfe nicht dazu führen, dass dem ausgleichspflichtigen Ehegatten weniger als die Hälfte der Versorgung verbleibe, treffen jedenfalls wertmäßig im vorliegenden Fall nicht zu und stehen der Entscheidung des Senats deshalb auch nicht entgegen.

2. a) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden (§ 68 Abs. 3 FamFG).

b) Die Wertfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in §§ 50 Abs. 1 Satz 2, 40 Abs. 2 FamGKG. Danach war, nachdem im Beschwerdeverfahren lediglich noch ein Anrecht zu regeln ist und sich auf der Grundlage des vom Familiengericht ermittelten, von den früheren Ehegatten in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens von 15.300 DM ein Verfahrenswert von (lediglich) (15.300 DM * 10% =) 782,28 € ergibt, der Mindestwert von 1.000 € festzusetzen.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Es entspricht der Billigkeit, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen und im Übrigen anzuordnen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

d) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), weil der Frage nach einer internen Teilung von kapitalgedeckten Anrechten der betrieblichen Altersversorgung, soweit aus dem betreffenden Anrecht nach dem Ende der Ehezeit bereits laufende Zahlungen geleistet werden, im Rahmen der Regelung des Versorgungsausgleichs grundsätzliche Bedeutung zukommt: Zwar handelt es sich dabei nicht um eine völlig neue Fragestellung; vielmehr war sie - jedenfalls vom Grundsatz her - bereits im “alten Recht” durchaus bekannt (vgl. nur Gutdeutsch/Hoenes/Norpoth, FamRZ 2012, 73, 74). Aber solange der Versorgungsausgleich lediglich in Form eines “Einmalausgleichs” in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgte, bei dem die einzelnen Anrechte nur “Rechnungspositionen” bildeten, die wertmäßig durch Verrechnung von Anrechten der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen wurden, trat die Problematik nicht weiter hervor und wurde deshalb auch nicht näher thematisiert. Eine echte Bedeutung erlangt die Frage vielmehr erst mit dem neuen Recht und dem heutigen System eines Ausgleichs durch Teilung der jeweiligen Anrechte. Bei einer “Rentnerscheidung” ergeben sich hieraus erhebliche Probleme, die vom neuen Recht allenfalls andeutungsweise berücksichtigt werden. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage bislang noch nicht geklärt: Die Entscheidung des BGH vom 7. September 2011 - XII ZB 546/10 - (FamRZ 2011, 1785) verhält sich nur zur externen Teilung und betrifft eine abweichende Konstellation. Diejenige vom 7. März 2012 - XII ZB 599/10 - (NJW-RR 2012, 577) ist ebenfalls nicht einschlägig, weil es dort um die Kürzung des Anrechts bei einem berufsständischen Versorgungsträger aufgrund eines vom Ausgleichspflichtigen nach Ende der Ehezeit in Anspruch genommenen, vorzeitigen Altersruhegeldes geht. Für die Literatur gilt entsprechendes; auch hier wird, trotz Einigkeit im praktischen Ergebnis, die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung allein schon aufgrund der verhältnismäßig großen Zahl von Fällen, in denen die Problematik relevant werden kann, für erforderlich erachtet (vgl. Bergner, FamFR 2012, 97, 101).