OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.11.2011 - 14 B 1109/11
Fundstelle
openJur 2012, 82943
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

den angegriffenen Beschluss zu ändern und der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller vorläufig zur erneuten Teilnahme an der Modulprüfung im Fach Statistik zuzulassen,

hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den prozessualen Antrag der Zurückverweisung liegen nicht vor. Nach dem insoweit allenfalls entsprechend anwendbaren § 130 Abs. 2 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darf das Oberverwaltungsgericht die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Sache entscheidungsreif ist, wie sich aus dem Folgenden ergibt.

Dem Sachantrag ist nicht wegen der im Beschwerdeverfahren dargelegten, vom Senat alleine zu prüfenden Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) stattzugeben. Ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender und hier zu sichernder oder zu regelnder Anordnungsanspruch auf erneute Wiederholung der genannten Prüfung ist nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 der Bachelor-Prüfungsordnung für den Studiengang Wirtschaft des Fachbereichs Wirtschaft/C. der Antragsgegnerin i. d. F. der Zweiten Änderungssatzung vom 3. September 2010 (PO), wonach Klausuren bei Nichtbestehen höchstens zweimal wiederholt werden dürfen. Der Antragsteller hat einschließlich der hier streitbefangenen zweiten Wiederholungsprüfung bereits alle drei Versuche ausgeschöpft.

Entgegen seiner Auffassung liegt kein Mangel der zweiten Wiederholungsprüfung vor, der überwiegend wahrscheinlich zu einem Anspruch auf Wiederholung dieser Prüfung zwänge. Der Hinweis, in den Akten sei keine Prüferbestellung dokumentiert, begründet keinen solchen Mangel. Richtig ist, dass nach § 7 Abs. 1 Satz 1 PO Prüfer vom Prüfungsausschuss bestellt werden. Dafür, dass dies hier nicht geschehen wäre, gibt es keinen Anhalt. Der vorliegende Verwaltungsvorgang wirft auch keine Zweifel in dieser Richtung auf, da nicht alle den hier in Rede stehenden Prüfungsvorgang betreffenden Akten beigezogen sind. Dem bloß denkbaren Mangel ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter nachzugehen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann aus dem mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2011 übersandten Vermerk von Frau Prof. Dr. D. vom 13. Oktober 2011 nicht auf die fehlende ordnungsgemäße Prüferbestellung geschlossen werden. Die Formulierung der Vermerkverfasserin als Nichtjuristin, die Bestellung der Prüfer erfolge durch Bekanntgabe in einer elektronischen Software, lässt keineswegs darauf schließen, dass eine Bestellung durch den Prüfungsausschuss nach § 7 Abs. 1 Satz 1 PO nicht erfolgt ist, sondern belegt allenfalls, dass die Vermerkverfasserin Bestellung und Bekanntgabe der Bestellung vermengt. Ähnliches gilt für die Bestellung von Zweitprüfern in bestimmten Fällen "qua Amt". Soweit dem ein entsprechender möglicherweise auch genereller Bestellungsbeschluss des Prüfungsausschusses zugrunde liegt, bestünden dagegen keine Bedenken. Unbedenklich ist entgegen der Auffassung des Antragstellers, dass die Zweitprüferin Professorin Dr. D. Mitglied des Prüfungsausschuss ist. Es gibt weder in der Prüfungsordnung noch sonst einen Rechtssatz, der dies verböte. Welche Konsequenzen sich ergeben, wenn der Prüfungsausschuss über einen Widerspruch gegen die Prüfung eines seiner Mitglieder zu entscheiden hat, bedarf hier keiner Erörterung, da ein Verfahrensfehler in diesem Punkt jedenfalls nicht zu einem Anspruch auf Prüfungswiederholung führen würde.

Auch der im Antwort-Wahl-Verfahren ausgestaltete 5. Aufgabenteil leidet an keinem zur Wiederholung der Prüfung zwingenden Mangel. Die von den Prüfern angewandte Regel für die Klausurbewertung hinsichtlich der Aufgabe 5, für richtige Antworten zwei Punkte und für fehlende Antworten null Punkte zu vergeben, bei falschen Antworten aber einen Punkt in Abzug zu bringen, ist wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat allerdings fehlerhaft.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2008 14 A 2154/08 , NVwZ-RR 2009, 422 (423).

Die Bewertung richtig beantworteter Prüfungsfragen darf nicht deshalb schlechter ausfallen, weil andere Fragen statt gar nicht falsch beantwortet wurden. Damit wird nicht der Wissenstand des Prüflings, sondern allenfalls seine Risikobereitschaft zum Raten beurteilt. Dieser Bewertungsmangel ist allerdings nicht ursächlich geworden, da auch bei Wegfall der Malus-Punkte die Prüfung nicht bestanden ist.

Zu Unrecht meint der Antragsteller jedoch, wegen des Umfangs dieses mangelbehafteten Prüfungsteils sei dieser so wesentlich, dass eine Wiederholungsprüfung geboten sei. Es muss zwischen den in Betracht kommenden Prüfungsmängeln differenziert werden. Soweit es um die fehlerbehaftete Malusbewertung geht, ist der Mangel durch eine Rechenoperation rechnerisch vollständig behoben und führt dazu, dass der Mangel nicht ergebnisrelevant war.

Mit dem Gesichtspunkt des wesentlichen Umfangs des Prüfungsteils wird durch den Antragsteller ein Mangel angesprochen, der darin bestehen soll, dass es in der Prüfungsordnung keine Ermächtigung für Prüfungsaufgaben im Antwort-Wahl-Verfahren gebe, so dass die Klausuraufgabe aus der Bewertung zu nehmen sei. Dieser vom Verwaltungsgericht als Mangel unterstellte Umstand soll nach dem angegriffenen Beschluss wegen des Umfangs dieses Teils von 20 % der Gesamtprüfungsaufgaben nicht ergebnisrelevant sein. Ob dieser Gesichtspunkt tragfähig ist, erscheint zweifelhaft. Wenn ein Prüfer zur Erreichung des Ziels einer Prüfung, nämlich hier festzustellen, ob der Student hinsichtlich des in Rede stehenden Moduls die für eine selbständige Tätigkeit im Beruf notwendigen Kenntnisse erworben hat und befähigt ist, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu arbeiten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 PO), fünf Aufgaben stellt, aber später diese Feststellung nur auf der Grundlage von vier Aufgaben treffen soll, ist kaum anzunehmen, dass dies nur eine unerhebliche Veränderung der Bewertungsgrundlage darstellt.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat aber deshalb keinen Erfolg, weil nicht erkennbar ist, warum hier das Stellen einer Aufgabe im Antwort-Wahl-Verfahren rechtswidrig sein sollte. Richtig ist, dass beim Antwort-Wahl-Verfahren ein wesentlicher Teil der prüfungsrechtlich relevanten Entscheidungen oder sogar, wenn die Bewertung der einzelnen richtigen oder falschen Antworten vorgegeben ist, die gesamte Prüfertätigkeit auf die Fragestellung vorverlagert wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 1 BvR 1529/84 , BVerfGE 84, 59 (73); OVG NRW, Beschluss vom 4. Oktober 2006 14 B 1035/06 , OVGE 50, 199 (202).

Sollte somit im Einzelfall die Prüfertätigkeit in dieser Weise vom nach der Prüfungsordnung berufenen Prüfer auf andere verschoben werden, bedarf dies einer normativen Ermächtigung. Weiter gilt für die normative generelle Festlegung von Bestehensgrenzen für Prüfungen im Antwort-Wahl-Verfahren, dass solche Grenzen wegen der unvermeidlichen Schwankungen im Schwierigkeitsgrad zwischen einzelnen Prüfungen nicht nur an die absolute Zahl richtiger Antworten anknüpfen dürfen, sondern auch relativ auf das Verhältnis zu einer Normalleistung der jeweiligen Prüfung bezogen werden müssen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 1 BvR 1033/82 , BVerfGE 80, 1 (26 ff.); OVG NRW, Beschluss vom 4. Oktober 2006 14 B 1035/06 , OVGE 50, 199 (202 ff.).

Soweit über diese Anforderungen hinaus normative Ermächtigungen für die Anwendung des Antwort-Wahl-Verfahrens oder die Festlegung von Bestehensgrenzen gefordert werden sollten,

möglicherweise Sächsisches OVG, Beschluss vom 10. Oktober 2002 4 BS 328/02 , NVwZ-RR 2003 853; Beschluss vom 25. Mai 2010 2 B 78/10 , www.justiz.sachsen.de/ovgentsch; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 42; vom Senat für Modulprüfungen bislang offengelassen, vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. August 2011 14 A 2189/09 , NRWE Rn. 33 f.,

wäre dafür keine Rechtsgrundlage erkennbar. Allenfalls kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob die konkrete Prüfung im Antwort-Wahl-Verfahren wegen seiner nur beschränkten Möglichkeit für die Prüflinge, ihren Leistungsstand darzustellen, noch geeignet ist, die Prüflinge, die das Ausbildungsziel erreicht haben, von denen zu unterscheiden, die es nicht erreicht haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 1996 6 C 3.95 , NVwZ-RR 1998, 176 (177).

Nach diesen Maßstäben ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die normativen Grundlagen für die hier in Rede stehende Prüfung nicht ausreichen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Prüfer Professor Dr. U. korrigierte Klausur Modulprüfung Statistik nicht auch von ihm selbst gestellt wurde. Dies entspricht der Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 1 PO, wonach die Prüfungsaufgabe einer Klausurarbeit in der Regel von einem Prüfer gestellt wird. Da somit durch die Aufgabe Nummer 5 im Antwort-Wahl-Verfahren keine Verschiebung der Prüfertätigkeit auf einen Dritten stattgefunden hat, bedurfte es auch keiner speziellen Ermächtigung des Prüfers, die Prüfungsaufgaben teilweise im Antwort-Wahl-Verfahren zu stellen. Das gilt auch, soweit die Zweitprüferin betroffen ist. Nach der genannten Vorschrift der Prüfungsordnung stellt regelmäßig nur ein Prüfer die Klausuraufgabe. Dem steht das Zweiprüferprinzip des § 65 Abs. 2 Satz 1 des Hochschulgesetzes nicht entgegen. Danach sind Prüfungsleistungen unter bestimmten Bedingungen von mindestens zwei Prüfern zu bewerten. Auch § 18 Abs. 4 Satz 2 PO schreibt vor, dass Klausurarbeiten, bei deren endgültigem Nichtbestehen keine Ausgleichsmöglichkeit vorgesehen ist, von zwei Prüfern zu bewerten sind. Nach beiden Vorschriften war somit die Zweitprüferin Professorin Dr. D. nicht an der Erstellung der Prüfungsaufgabe zu beteiligen.

Ebenso bedurfte es keiner normativen Festlegung von Bestehensgrenzen, da eine Klausur nach dem individuellen Bewertungsschema des jeweiligen Prüfers bewertet werden darf. Allerdings wurden auf dem Deckblatt der Klausur beim Bearbeitungshinweis und in einem Hinweis bei der Antwort-Wahl-Aufgabe 5 Punktvorgaben für die Bewertung gemacht. Sollte es sich dabei um Vorgaben allein des Aufgabenstellers Professor Dr. U. handeln, läge möglicherweise ein Bewertungsfehler der Zweitprüferin vor. Jeder Prüfer hat nämlich eine eigenständige Bewertung der Prüfungsleistung vorzunehmen und ist deshalb weder an Vorgaben eines anderen Prüfers zur Gewichtung der Prüfungsaufgaben untereinander noch an Vorgaben für die im Antwort-Wahl-Verfahren zu vergebenden Punkte gebunden. Sollte insofern ein Bewertungsfehler vorliegen, führte dies jedoch nicht zu einem hier allein in Rede stehenden Anspruch auf Wiederholung des Versuchs, sondern lediglich zu einem Anspruch auf fehlerfreie Neubewertung durch die Zweitprüferin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.