LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.11.2011 - L 9 AL 26/09
Fundstelle
openJur 2012, 83431
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gemäß § 351 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der am 00.00.1969 geborene Kläger war seit dem 16.08.1997 bei seinem Vater H in dessen Kfz-Werkstatt beschäftigt. Für den Kläger wurden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Nach Eintritt des Klägers in den Betrieb waren in dem Betrieb nur der Kläger und sein Vater tätig, ab Anfang 2002 zusätzlich noch der Bruder des Klägers und ein Auszubildender.

Am 28.10.1999 führte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Rheinland) eine Betriebsprüfung in dem Betrieb des Herrn H durch. Der Prüfzeitraum umfasste den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1998. Der Senat hat zu dieser Betriebsprüfung schriftliche Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 03.01.2011, 14.02.2011 und 13.07.2011 eingeholt und sodann den damaligen Betriebsprüfer Herrn A als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.11.2011 Bezug genommen (Blatt 119 ff. der Gerichtsakte).

Am 12.06.2003 führte die LVA Rheinland im Betrieb des Herrn H eine erneute Betriebsprüfung durch (Prüfzeitraum 01.01.1999 bis 31.12.2002). Mit Schreiben vom 16.06.2003 bestätigte sie Herrn H: "Die durchgeführte Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben."

Mit Schreiben vom 16.03.2006 beantragte der Kläger bei der AOK Rheinland eine sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit ab dem 16.08.1997. Dabei machte er zu seiner Tätigkeit folgende Angaben:

"Nach meiner Ausbildung zum Kfz-Elektriker bei der Fa. T arbeite ich nun schon seit 1997 im elterlichen Familienbetrieb. Dort habe ich von Anfang an die Werkstattleitung übernommen. Ich war u.a. auch für die Rechnungs- und Angebotserstellung sowie für den Waren- und Werkzeugeinkauf zuständig. Somit bin ich auch im Besitz einer Bankvollmacht. Für das Einstellen von Personal bin ich auch verantwortlich. Seit meiner Ausbilderprüfung bin ich auch berechtigt, Lehrlinge auszubilden. 2003 habe ich auch meine Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker sowie eine Ausbildung zum Kfz-Servicetechniker absolviert. Durch meine Weiterbildungsmaßnahmen habe ich den Servicebereich erweitert. Zum Wohle des Unternehmens habe ich auch eine Computeranlage mit in die Firma eingebracht. Da von Anfang an geplant war, dass ich das Familienunternehmen übernehmen werde, habe ich ebenfalls zum Wohle des Unternehmens mein Gehalt von Anfang an sehr niedrig gehalten.

Meine Eltern und ich haben alle wesentlichen Unternehmensentscheidungen gemeinsam und übereinstimmend getroffen. Meine Arbeitszeiten und Urlaub richten sich stets nach den betrieblichen Erfordernissen.

Ich bitte um Bestätigung, dass ich seit dem o.g. Zeitpunkt nicht sozialversicherungspflich- tig bin und verweise im Übrigen auf meine Angaben in dem beigefügten Feststellungsbogen nebst Anlagen."

Die AOK Rheinland teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 06.06.2006 mit, dass ein abhängiges, zur Versicherungspflicht führendes Beschäftigungsverhältnis ab dem 16.08.1997 nicht vorliege. Die für die Versicherungspflicht eines Familienangehörigen unabdingbare Voraussetzung sei die Gleichstellung mit einer sonst erforderlichen fremden Kraft. Daran fehle es hier.

Am 27.06.2006 beantragte der Kläger die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beiträge, u.a. zur Arbeitslosenversicherung.

Mit Bescheid vom 07.12.2006 stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 16.08.1997 bis 31.07.2006 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 3.845 EUR zu Unrecht entrichtet worden seien. Allerdings sei der Erstattungsanspruch hinsichtlich der vor dem 01.01.2002 entrichteten Beiträge in Höhe von insgesamt 1.745,25 EUR verjährt. In diesem Umfang könne keine Erstattung vorgenommen werden. Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor. Der Erstattungsanspruch betrage daher 2.099,75 EUR (zuzüglich Zinsen von 14 EUR).

Hiergegen erhob der Kläger am 22.12.2006 Widerspruch. Er richtete sich gegen die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte. Eine Verjährung sei bei einer unbilligen Härte nicht zu berücksichtigen. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.08.2005 (L 1 AL 5/05) vertrat er die Auffassung, die Barmer Ersatzkasse (BEK) als die für die Betriebsprüfung zuständige Stelle sei angesichts der geringen Betriebsgröße gehalten gewesen, ihn beitragsrechtlich zu überprüfen. Im streitigen Zeitraum sei er der einzige Beschäftigte in der Werkstatt seines Vaters gewesen. Beigefügt waren die den Kläger betreffende Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung für die Jahre 1997 bis 2005.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007 als unbegründet zurück. Ein Absehen von der Erhebung der Verjährungseinrede komme u.a. nicht in Betracht, wenn eine Betriebsprüfung durchgeführt worden sei, ohne dass die fehlerhafte Beitragszahlung beanstandet worden sei. Hier sei jedoch von der Einzugsstelle während der Zeit, für die Beträge zurückgefordert wurden, keine Betriebsprüfung durchgeführt worden. Es habe auch keine gesetzliche Verpflichtung der Einzugsstelle zur Durchführung einer Betriebsprüfung in einem familiär geführten Kleinbetrieb bestanden, auch wenn diesem nur Vater und Sohn angehörten. Die Namensgleichheit von Betriebsinhaber und dem Beschäftigten allein stelle keinen hinreichenden Anlass zur Überprüfung der Sozialversicherungspflicht des Klägers dar. Seiner Ansicht, dass fehlerhaftes Verwaltungshandeln vorliege, könne daher nicht gefolgt werden. Die Einrede der Verjährung könne damit ermessensfehlerfrei für vor dem 01.01.2002 entrichteten Beiträge zur Arbeitsförderung erhoben werden.

Hiergegen hat der Kläger am 13.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben.

Zur Begründung hat er vorgetragen, die Erhebung der Verjährungseinrede führe zu einer unbilligen Härte, wenn ein Träger der Sozialversicherung fehlerhafte Beitragszahlungen verursacht habe. Dies sei nicht nur der Fall, wenn zur Beitragszahlung explizit aufgefordert worden sei, sondern auch dann, wenn die Beitragszahlung rechtsfehlerhaft nicht verhindert worden sei, obschon die Sozialversicherung die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der fehlerhaften Beitragszahlung gehabt habe. Dies sei hier der Fall. Zwar dürfe eine Betriebsprüfung stichprobenartig erfolgen. Er hätte bei einer Betriebsprüfung aber Bestandteil einer Stichprobe sein müssen, weil er der einzige Arbeitnehmer im Kleinbetrieb gewesen sei. Allerdings sei sein Vater niemals Gegenstand einer Betriebsprüfung gewesen, weil sein Vater seinerzeit bereits anerkannt als Inhaber des Unternehmens und Arbeitgeber der Sozialversicherungspflicht nicht unterlegen habe. In der Vergangenheit sei weder durch die Beklagte noch durch die zuständige Krankenkasse oder Einzugsstelle ein Bescheid erlassen worden, mit dem seine Versicherungspflicht festgestellt worden sei. Hilfsweise berufe er sich auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung verblieben, wonach keinerlei schuldhaftes Verwaltungshandeln erkennbar sei mit der Folge, dass das Berufen auf die Verjährungseinrede nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden könne.

Mit Urteil vom 16.03.2009 hat das SG Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge (Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung) gemäß § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Die Beklagte habe sich ermessensfehlerfrei auf die Einrede der Verjährung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV berufen. Danach verjähre der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Da der Antrag auf Erstattung Mitte 2006 gestellt worden sei, seien die Beitragszahlungen vor dem 01.01.2002 verjährt. Da die Beitragszahlung für Dezember 2001 erst im Januar 2002 erfolgte, habe die Beklagte diese Beiträge zutreffend aus der Verjährung herausgenommen.

Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei dann nicht ermessensfehlerfrei, wenn eine besondere Härte vorliege. Dies könne jedoch nicht festgestellt werden. Weder hätten die Beklagte, die Einzugsstelle oder der Träger der Rentenversicherung die Versicherungspflicht ausdrücklich festgestellt noch den Kläger durch ihr Verhalten in dem Glauben bestärkt, er sei versicherungspflichtig beschäftigt. Die genannten Einrichtungen seien entgegen der Auffassung der Klägers auch nicht (von sich aus) verpflichtet gewesen, eine entsprechende Prüfung der Versicherungspflicht durchzuführen.

Die vom Arbeitgeber gemäß § 28a des SGB IV vorzunehmende und vorgenommene Meldung zur Sozialversicherung begründe für sich alleine keine Prüfpflicht der Einzugsstelle oder des Trägers der Rentenversicherung, ob tatsächlich die Versicherungspflicht der angemeldeten Person bestehe. Vielmehr könnten diese Einrichtungen grundsätzlich davon ausgehen, dass der jeweilige Arbeitgeber die Versicherungspflicht richtig beurteilt habe und bei Zweifelsfällen eine Auskunft von dem zuständigen Versicherungsträger oder der Einzugsstelle einhole (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13.06.1985, 7 RAr 107/83, BSGE 58, 154; Urteil vom 29.10.1986, 7 RAr 43/85). Tue er dies nicht, sei dies nicht der Einzugsstelle oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzurechnen. Dem entspreche das seit 01.01.1999 ausdrücklich geregelte Anfrageverfahren gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach könnten die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen (bei der Deutschen Rentenversicherung Bund), ob eine Beschäftigung vorliege, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger habe im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger vor dem Jahr 2006 keinen Gebrauch gemacht.

Allerdings habe die Einzugsstelle gemäß § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV den Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergebe, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei. Aber unabhängig davon, ob die Einzugsstelle aufgrund der Meldung des Arbeitgebers tatsächlich ersehen habe oder zumidest habe ersehen können, dass der Kläger Angehöriger des Arbeitgebers war (hier aufgrund der Namensgleichheit), so folge hieraus kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Denn diese Vorschrift sei erst durch Gesetz vom 24.12.2003 (BGBl. I Seite 2954) mit Wirkung zum 01.01.2005 eingeführt worden. Die Meldung für das Jahr 2005 bzw. die Meldebescheinigung hierfür sei aber erst Anfang 2006 erfolgt, d.h. eine danach durchgeführte Prüfung, die ggf. zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie die auf den Antrag des Klägers vom 16.03.2006 bei der AOK Rheinland, hätte verjährungsrechtlich keine Änderung bedeutet.

Die Beklagte sei auch nicht gehindert gewesen, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, weil im Jahr 2003 eine Betriebsprüfung durch die LVA Rheinprovinz stattgefunden hatte. Der Kläger verkenne insoweit Inhalt und Bedeutung der nach § 28p SGB IV vorgenommenen Betriebsprüfung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe hierzu ausgeführt, dass Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten könnten. Betriebsprüfungen verfolgten unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollten einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nichtversicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entständen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung komme den Betriebsprüfungen nicht zu; sie bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa "Entlastung" zu erteilen. Diese Schlussfolgerung verbiete sich schon deshalb, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend sein könne und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfe (BSG, Urteil vom 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1). Entsprechendes gelte für die Prüfberichte der Betriebsprüfer. Hierzu habe das BSG ausgeführt (a.a.O.), dass auch den Prüfberichten keine andere Bedeutung zukomme. Ihr Adressat sei nicht der Arbeitgeber. Sie hielten das Ergebnis der Prüfung vielmehr nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger fest und hätten nicht etwa die Funktion eines Entlastungsnachweises mit Außenwirkung. Auf die Frage der Größe des zu überprüfenden Betriebes komme es demnach nicht an. Auch bei einer Firma mit nur einem "Angestellten" bleibe es bei der Aussage, dass die Betriebsprüfung nur im Interesse des Versicherungsträgers erfolge. Dementsprechend lasse sich eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen dem SGB IV nicht entnehmen (Hinweis auf BSG, a.a.O.).

Dem vorgelegten Prüfbericht vom 16.06.2003 könne auch nicht entnommen werden, dass darin eine über den genannten Prüfzweck hinausgehende Prüfung vorgenommen worden wäre. Darin sei dem Arbeitgeber lediglich bescheinigt worden, dass die Prüfung keine Beanstandungen ergeben habe, und zwar hinsichtlich der Berechnung der Beiträge ("Die Berechnung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgte zutreffend"). Für diese Feststellung sei die grundlegende Prüfung der Versicherungspflicht nicht erforderlich; es seien auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine solche vorgenommen worden wäre. Der Betriebsprüfer selbst sei zudem nicht zur Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht des einzelnen Bediensteten des geprüften Unternehmens befugt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28.04.1987, 12 RK 47/85).

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung auch der (an sich) verjährten Beiträge aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne ebenfalls nicht festgestellt werden.

Abgesehen davon, dass zweifelhaft erscheine, ob für dieses Rechtsinstitut neben der erforderlichen Prüfung der unbilligen Härte im Rahmen der Ermessensentscheidung überhaupt Bedarf bestehe oder noch Raum sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12.12.2007, B 12 AL 1/06 R), seien dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Insbesondere sei ein Beratungsfehler der Beklagten (bzw. ein der Beklagten zurechenbarer Beratungsfehler der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers) nicht festzustellen. Ein Tätigwerden der Behörde auf die bloße Meldung der Sozialversicherungspflicht des Klägers durch den Arbeitgeber sei in den hier noch streitigen Zeiträumen nicht erforderlich gewesen. Soweit der Kläger im Termin auf Belehrungspflichten der Beklagten hingewiesen hat, wie sie das BSG in seiner Entscheidung vom 12.12.2007 (a.a.O.) angenommen habe, verkenne er, dass diese Entscheidung einen ganz anderen Sachverhalt betroffen habe. In dem dort entschiedenen Fall habe die Klägerin zunächst einen Leistungsantrag (Arbeitslosengeld) bei der Beklagten gestellt und sei bei dessen Ablehnung (mangels Anwartschaftszeit) nicht hinreichend auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen hingewiesen worden. Hier habe der Kläger aber vor der Antragstellung im Jahr 2006 keinen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt; mangels konkreten Anlasses habe dementsprechend keine Beratungspflicht der Beklagten (oder Dritter) bestanden, die die Beklagte (oder ein Dritter) hätte verletzen können.

Gegen dieses ihm am 30.03.2009 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf hat der Kläger am 30.04.2009 Berufung eingelegt.

Ergänzend trägt er vor, dass in dem streitigen Zeitraum Betriebsprüfungen stattgefunden hätten. Zunächst noch in den neunziger Jahren müsse die AOK als Einzugsstelle für die Betriebsprüfung zuständig gewesen sein. In den Formularen habe sich stets der Satz befunden, dass die Überprüfung der Versicherungspflicht vorgenommen worden sei und die betroffenen Mitglieder auch versicherungspflichtig gewesen seien. Auch die erfolgte Betriebsprüfung der LVA Rheinprovinz vom 15.06.2003 sei eine Bestätigung der Versicherungspflicht des Klägers, weil er der einzige "Angestellte" in der Werkstatt gewesen sei. Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland habe am 18.06.2007 eine Betriebsprüfung durchgeführt für den Prüfzeitraum 01.01.2003 bis 31.05.2007, wiederum ohne Feststellungen und im Übrigen wiederum mit dem Hinweis, die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung richte sich nach dem Steuerrecht. Bei Kleinstbetrieben sei bei Betriebsprüfungen kein Raum für eine nur stichprobenhafte Prüfung, wie dies das LSG Rheinland-Pfalz (a.a.O.) zu Recht entschieden habe. Hiergegen habe die Beklagte keine Revision erhoben, so dass sie selbst davon ausgehe, es verstoße nicht gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung. Die Gruppe der mitarbeitenden Familienangehörigen sei zudem eine versicherungsrechtlich problematische Gruppe, so dass eine Pflicht zur Prüfung auch schon vor Einfügung des § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV zum 01.01.2005 bestanden habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.03.2009 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 07.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheid vom 19.01.2007 zu verurteilen, für die Zeit vom 16.08.1997 bis 30.11.2001 entrichtete Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 1.745,25 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG Düsseldorf für zutreffend.

In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 16.11.2011 ist der Betriebsprüfer A als Zeuge vernommen worden. Auf den Inhalt seiner Zeugenaussage (Bl. 120 bis 121 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das Urteil des SG Düsseldorf vom 16.03.2009 ist rechtmäßig. Die Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der für die Zeit vom 16.08.1997 bis 30.11.2001 (in Höhe von 1.745,25 EUR) entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Die Beklagte hat diesem Erstattungsbegehren die (dauerhafte) Einrede der Verjährung mit Erfolg entgegengehalten. Hierzu war sie berechtigt.

1. Die Beklagte hat nach § 351 Abs. 2 Nr. 1 SGB III in Verbindung mit § 26 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB IV zu Unrecht entrichtete Beiträge demjenigen zu erstatten, der die Beiträge getragen hat.

a) Der Erstattungsanspruch ist wirksam entstanden; denn die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs sind erfüllt. Die für den Kläger gezahlten Beiträge sind im Hinblick auf die von der AOK mit Bescheid vom 06.06.2006 getroffene Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht zu Unrecht entrichtet worden. Diese Feststellung der AOK als Einzugsstelle ist auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt worden. Die Beklagte hat die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines Beitragserstattungsanspruches nicht angezweifelt, sondern die (eine wirksame Anspruchsentstehung voraussetzende) dauerhafte Einrede der Verjährung erhoben.

b) Der Kläger kann jedoch die Erfüllung des bestehenden Erstattungsanspruchs nicht verlangen, weil er diesen nicht durchsetzen kann. Die Beklagte ist wegen der wirksam erhobenen Verjährungseinrede zur Leistungsverweigerung dauerhaft berechtigt. Sie hat die Verjährungseinrede ermessenfehlerfrei erhoben.

Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ob und für welchen Zeitraum die Beklagte die Verjährungseinrede erheben will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen gemäß § 39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I; zuletzt BSG, Urteil vom 12.12.2007, B 12 AL 1/06 R, BSGE 99, 271). Bei der Ermessensausübung ist unter anderem das zur Beitragszahlung führende Verhalten einer Behörde zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sehen auch die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 27 SGB IV vor, von der Verjährungseinrede dann wegen einer unbilligen Härte im Sinne einer unzulässigen Rechtsausübung (entsprechend § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) abzusehen, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung beruht.

Ein solches Fehlverhalten liegt nicht vor. Als möglicher Anknüpfungspunkt für ein Fehlverhalten kommen hier allein die Betriebsprüfungen der LVA Rheinprovinz vom 28.10.1999 (über den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1998) sowie vom 16.06.2003 (über den Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2002) in Betracht.

Aus diesen Betriebsprüfungen kann der Kläger aber von vornherein keine Rechte herleiten. Denn das BSG hat entschieden, dass Arbeitnehmer ebenso wie Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten können (Urteil vom 29.07.2003, B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1; ebenso BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 10/02 R, BSGE 93, 109). Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nichtversicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu (BSG, jeweils a.a.O.). Der Senat schließt sich dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nach eigener Prüfung an und nimmt im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung.

Das BSG hat die Frage zum "Drittschutz" von Betriebsprüfungen wie dargelegt bereits beantwortet. Das BSG hat ausdrücklich betont, dass diese Grundsätze auch gelten, soweit es um Betriebsprüfungen in "kleineren Betrieben" geht. Eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzzweck von Betriebsprüfungen lässt sich dem SGB IV nicht entnehmen (so BSG a.a.O.). Angesichts dieser Aussage des BSG bleibt kein Raum für eine Urteilsinterpretation in der Weise, das BSG habe sich aber (noch) nicht zu "kleinsten" Betrieben geäußert (a.A. im Ergebnis LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2005, L 1 AL 5/05; Brand in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 351 Rn. 6; offen gelassen von LSG NRW, Urteil vom 22.08.2006, L 1 AL 66/04; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.08.2007, L 7 AL 1337/07). Wäre eine derartige Differenzierung für "Kleinstbetriebe" (doch) zu treffen gewesen, hätte es sich für das BSG aufgedrängt, diese bereits in seinem zitierten Urteil vom 23.06.2003 vorzunehmen.

Dem Prüfbericht vom 16.06.2003 ist nicht zu entnehmen, dass darin eine über den genannten Prüfzweck hinausgehende Prüfung vorgenommen worden wäre. Denn es ist dem Vater des Klägers als Arbeitgeber lediglich bescheinigt worden, dass die Prüfung keine Beanstandungen ergeben habe, und zwar hinsichtlich der Berechnung der Beiträge ("Die Berechnung und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge erfolgte zutreffend"). Dass anlässlich der Prüfung vom 28.10.1999 eine über den Prüfzweck hinausgehende Prüfung vorgenommen worden wäre, war nicht zu ersehen und ergab sich insbesondere nicht aus der Vernehmung des damaligen Betriebsprüfer Herrn A als Zeugen.

Das BSG hat mit dem vorgenannten Urteil zudem geklärt, dass das "Wie" von Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV Sache des prüfenden Rentenversicherungsträgers ist. Die Rentenversicherungsträger können auch weiterhin - unabhängig von der Größe des Betriebs - über Personaleinsatz im zu prüfendem Betrieb, Dauer der Prüfung und Prüftiefe im Einzelfall entscheiden (Tiemann, jurisPR-SozR 1/2003 Anm. 2).

Inhalt und Umfang der Prüfung ergeben sich insbesondere aus den Vorschriften bezüglich der Meldepflichten des Arbeitgebers nach § 28a SGB IV, Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e SGB IV i.V.m. § 28d SGB IV, den Aufzeichnungspflichten und der Einreichung der Beitragsnachweise nach § 28f SGB IV. Darüber hinaus bestimmt § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV, dass von der Prüfung die Lohnunterlagen erfasst werden, für die Beiträge nicht bezahlt wurden. Inhalt der Betriebsprüfung ist insbesondere die von den Arbeitgebern vorgenommene Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse. Im Rahmen einer Betriebsprüfung ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die beim oder für den zu prüfenden Betrieb Beschäftigten der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Hierbei ist zu beurteilen, ob sie nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (hierzu Jochim in: jurisPK-SGB IV, 1. Auflage 2006, § 28p). Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben jedoch, wie bereits ausgeführt, zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet (BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 10/02 R, BSGE 93, 109).

Es ist hinsichtlich der Prüftiefe damit nicht zu beanstanden, wenn die Prüfbehörden in ihrer Prüfpraxis, wie sie der Zeuge A geschildert hat, eine Plausibilitätskontrolle auf der Grundlage insbesondere der seitens des Arbeitsgebers vorgenommenen Beurteilung sowie der von ihm vorgelegten Unterlagen (insb. Arbeitsvertrag, Überweisung des Arbeitsentgeltes auf das Konto des Arbeitnehmers) vornehmen und weitergehende Ermittlungen erst bei fehlender Plausibilität aufnehmen. Dass es im Falle des Klägers bei den beiden Betriebsprüfungen an einer solchen Plausibilität gefehlt habe, ist weder ersichtlich noch von dem Kläger selbst behauptet worden. Eine über eine Plausibilitätskontrolle hinausgehende Überprüfung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers ist im Rahmen der Betriebsprüfungen vom 28.10.1999 und 16.06.2003 nach heutigem Erkenntnisstand deshalb auch offensichtlich nicht vorgenommen worden.

Der Kläger wird auf diese Weise nicht rechtsschutzlos gestellt. Denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind eben nicht ausschließlich davon abhängig, wie umfangreich und sorgfältig eine Betriebsprüfung vorgenommen wird, sondern können in Zweifelsfällen selbst nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht eines Arbeitnehmers in Form eines Verwaltungsakts herbeiführen (BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 10/02 R, BSGE 93, 109), bzw. das zum 01.01.1999 eingeführte Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV in Gang setzen, wobei die Versicherungsträger nach § 77 SGG an die insoweit getroffene Entscheidung gebunden sind (vgl. § 336 SGB III zu Feststellungsbescheiden; ferner LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010, L 13 AL 2894/09). Hiervon hatte der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

c) Die gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Begründung der Ermessensentscheidung (Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Sozialversicherungsrechts, 2003, § 30 Rn. 113 m.N. in Fn. 6) hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid wirksam nachgeholt gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestand nicht. Die hier streitige Rechtsfrage des "Drittschutzes" von Betriebsprüfungen ist durch das bereits dargestellte Urteil des BSG vom 29.07.2003 (B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1) verneint und damit bereits beantwortet worden.