AG Gießen, Urteil vom 10.05.2012 - 48 C 352/11
Fundstelle
openJur 2012, 70706
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 618,83 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Der Streitwert wird auf 840,81 € festgesetzt.

Tatbestand

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 6.9. bzw.7.9.2009 mieteten die Kläger von der Beklagten ab dem 1.12.2009eine Wohnung in dem Anwesen. § 12 Nr. 4 des Mietvertrages lautet:

a) Der Mieter ist verpflichtet, auf seine Kosten die Schönheitsreparaturen (das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen) in den Mieträumen, wenn erforderlich, im Allgemeinen in nachstehenden Reihenfolge fachgerecht auszuführen.In gleicher Weise hat der Mieter auch die Renovierung der Fußleisten durchzuführen.

Naturlasiertes Holzwerk darf nicht mit Farbe behandelt werden.

Die Zeitfolge beträgt:

bei Küchen, Bädern, Duschenalle 3 Jahrein Wohn- und Schlaf räumen, Fluren, Dielen und Toilettenalle 5 Jahreund in anderen Nebenräumenalle 7 JahreDiese Fristen werden berechnet vom Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses bzw. soweit Schönheitsreparaturen nach diesem Zeitpunkt von dem Mieter fachgerecht durchgeführt worden sind, von diesem Zeitpunkt an.

Der Mieter hat ferner von der Vermieterin gestellte Textilböden bei Bedarf, in der Regel alle 3 Jahre, fachgerecht reinigen zu lassen.

b) Der Mieter ist auch bei Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet, Schönheitsreparaturen durchzuführen, wenn die Fristen nach § 12 Ziffer 4a seit der Übergabe der Mietsache bzw. seit den letzten durchgeführten Schönheitsreparaturen verstrichen sind und nach dem Abnutzungszustand der Wohnung hierfür ein Bedürfnis besteht.

c) Sind zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses die obigen Fristen zur Durchführung von Schönheitsreparaturen seit Beginn des Mietverhältnisses noch nicht vollendet, und befindet sich die Wohnung in einem einer normalen Abnutzung entsprechenden Zustand, so muss der Mieter anteilig den Betrag an die Vermieterin zahlen, der aufzuwenden wäre, wenn die Wohnung zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung renoviert würde; dasselbe gilt, wenn und soweit bei Vertragsbeendigung die obigen Fristen seit Beginn des Mietverhältnisses noch nicht vollendet sind. Als Preisgrundlage gilt das Angebot einer anerkannten Firma. Der Mieter kann die Zahlungsverpflichtung dadurch abwenden, dass er die Schönheitsreparaturen fachgerecht selbst durchführt…..

Wegen des Inhalts des Mietvertrages nebst Anlagen im Einzelnen wird auf Blatt 4-16 sowie Blatt 20-24 der Akte Bezug genommen.

Bei Beginn des Mietverhältnisses zahlten die Kläger eine Kaution in Höhe von 664 €.

Wegen des Inhalts der Nebenkostenabrechnungen für 2009 und 2010,die mit Nachzahlungen endeten wird auf Blatt 68-76 der Akte verwiesen.

Die Kläger kündigten das Mietverhältnis zum 31.3.2011.

Am 1.2.2011 unterzeichneten die Parteien ein „Vorbesichtigungsprotokoll“, in dem angekreuzt wurde,Decken und Wände seien „malerisch fach- und sachtechnisch weiß in einwandfreiem Zustand herzustellen“. Wegen des Inhalts dieses Protokolls im Einzelnen wird auf Blatt 43 der Akte Bezug genommen. Nach der Übergabe der Wohnungen erstellte die Beklagte am 6.4.2011 ein Übergabeprotokoll (Blatt 44-48 der Akte);die Kläger waren jedoch bei der Erstellung dieses Protokolls nicht anwesend.

Mit Schreiben vom 20.6.2011 (Blatt 49-50 der Akte) forderte die Beklagte die Kläger auf, die Wohnung bis zum 15.7.2011 in Ordnung zu bringen und Schimmelflecken zu entfernen. Anschließend ließ die Beklagte die Wohnung reinigen und renovieren. Für die Reinigung stellte die Firma „…“ Gebäudereinigung einen Betrag von 142,80 € in Rechnung (Blatt 51 der Akte). Für die Malerarbeiten berechnete die Firma „…“Baudekoration 1946,39 € sowie weitere 505,27 € für den Anstrich von Fenstern (Rechnungen Blatt 52-53 und 54-55 der Akte).

Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger die Rückzahlung der von ihnen geleisteten Kaution.

Die Beklagte behält einen Betrag von 50 € der Kaution ein wegen der noch ausstehenden Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2011ein.

Gegenüber der verbleibenden Restforderung stellt sie folgende Positionen zur Aufrechnung:

1.Die Hälfte der Rechnung der Firma „…“ über 141,80 €71,40 €2.Die Hälfte der Rechnung der Baudekoration „…“über 1946,39 €973,20 €3.Teilbetrag aus der zweiten Rechnung der Firma Baudekoration, 166€ zuzüglich Mehrwertsteuer = 197,54 €; hiervon ½ 98,77 €Summe:1143,37 €Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 670,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die Klage ist in Höhe von 618,83 € begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Das Gericht geht davon aus, dass die Kläger ein Kautionsguthaben in Höhe von 668,83 € hatten. Die Kläger haben zwar einen höheren Betrag angegeben, sie haben aber nicht mehr bestritten,dass auf dem Sparbuch ein Guthaben von 668,83 € war.Jedenfalls wären die Kläger für ein höheres Guthaben darlegungs-und beweispflichtig, so dass die Klage in Höhe von 1,81 €abzuweisen war.

In Höhe von weiteren 50 € war die Klage abzuweisen, weil die Beklagte von der Kaution einen Betrag in Höhe von 50 € für Nebenkosten einbehalten darf. Die Mietkaution sichert auch noch nicht fällige Ansprüche, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben, sie erstreckt sich auch auf Nachforderungen aus einer nach Beendigung des Mietverhältnisses noch vorzunehmenden Nebenkostenabrechnung. Deshalb darf der Vermieter einen angemessenen Teil der Mietkaution bis zum Ablauf der ihm zustehenden Abrechnungsfrist einbehalten, wenn eine Nachforderung zu erwarten ist (BGH, VIII ZR 71/05, WuM 06, 197). Hier ist mit einer Nachforderung zu rechnen. Es kann dahinstehen, ob die Abrechnungen der Vorjahre korrekt waren, weil die Monate Januar bis März eines Jahres die kältesten Monate des Jahres sind, so dass in diesen Monaten höherer Heizkosten als im Jahresdurchschnitt anfallen (450 von 1000 Gradtagen in der Gradtagstabelle). Die Einbehaltung eines Betrages von 50 € ist daher angemessen.

Die gegenüber dem Restbetrag von 618,83 € zur Aufrechnung gestellten Forderungen sind unbegründet. Die Beklagte hat gegen die Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Kosten gemäßden Rechnungen „…“. Bei den Rechnungen „…“ handelt es sich um Reinigungskosten. In dem Schriftsatz vom 3.1.2012 hat die Beklagte nur dargelegt, die Wohnung sei „stark verschmutzt“ gewesen, nähere Angaben dazu, wo was verschmutzt gewesen sein soll fehlen. Auch im Übergabeprotokoll ist nicht näher ausgeführt, was schmutzig gewesen sein soll. Da die Rechnung der Firma „…“ erst nach den Rechnungen der Firma „…“ erstellt wurde kann sie sich im Übrigen auch auf die Reinigungsarbeiten beziehen,die nach der Renovierung durch die Firma „…“erforderlich wurden.

Was die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche für die Malerarbeiten durch die Firma „…“ angeht ist zunächst unklar, ob sie auf die Quotenklausel, die Renovierungsklausel im Mietvertrag oder auf die Vereinbarung im Vorbesichtigungsprotokoll gestützt werden sollen. Die Fristen in §12 Nr. 4 a des Mietvertrages waren zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht abgelaufen; es fehlen auch Darlegungen dazu, wo und in welchem Umfang eine so starke Abnutzung der Dekoration vorhanden gewesen sein soll, dass schon vor Ablauf der Fristen eine neue Renovierung erforderlich gewesen sein soll. Die Quotenklausel in § 12 Nr. 4 c ist unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).Zunächst verstößt die Klausel gegen das Transparenzgebot; außerdem enthält sie im Ergebnis starre Fristen, so dass ein Mieter unabhängig vom Zustand der Wohnung immer die gleiche Quote zu zahlen hat (vgl. BGH WuM 06, 677). Nach dieser Klausel ist nur bei „normaler“ Abnutzung einen Anteil zu zahlen; was unter normaler Abnutzung zu verstehen ist, wird nicht erläutert. Da auch eine unterdurchschnittliche Abnutzung nicht unnormal ist kann der Vermieter immer argumentieren, der Zustand der Wohnung sei noch als normal zu bezeichnen. Dazu kommt noch, dass die vorgesehenen Renovierungsfristen viel zu kurz sind (vgl. Langenberg, WuM 06,122). Kaum jemand renoviert beispielsweise eine Küche nach drei Jahren oder ein Wohnzimmer nach 5 Jahren. Der Bundesgerichtshof hat in der von der Beklagten selbst vorgelegten Entscheidung die hier vereinbarten Fristen von 3, 5 und 7 Jahren nur für die Zeit bis September 2007 für angemessen gehalten (WM 07, 684 = ZMR 08, 30 =MDR 08, 75 = DWW 08, 14), für später abgeschlossenes Verträge hat er offen gelassen, ob dies Fristen nicht zu kurz sind. Im Übrigen hat die Beklagte auch nicht dargelegt, in welchen Räumen welche Arbeiten vorgenommen wurden und auf welchen Raum welche Teilbeträge der Rechnungen entfallen. Selbst für die Räume, die nur alle drei Jahre zu renovieren sind könnten nach dieser Klausel keine 50 %verlangt werden. Abgesehen davon fehlt ein Angebot einer anerkannten Firma; die den Klägern in Rechnung gestellten Beträge sind daher nicht nachvollziehbar.

Die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche können auch nicht auf die Vereinbarung im Vorbesichtigungsprotokoll gestützt werden. Die Beklagte ist gewerbliche Vermieterin; von ihr verwendete Klauseln sind also schon dann als AGB anzusehen, wenn sie nur ein einziges Mal verwendet werden (§ 310 Abs. 3 S. 2 BGB). Dass die Klausel,wonach Decken und Wände einwandfrei herzustellen sind vorformuliert war, ergibt sich schon daraus, dass diese Klausel vorgedruckt ist.Da die Kläger die Wohnung am 1.2.2011 gerade 14 Monate bewohnt hatten, war es unangemessen, sie zu verpflichten, die komplette Wohnung neu zu streichen. Zu beachten ist auch, dass die Beklagten nicht ausdrücklich erklärt haben, diese Arbeiten ausführen zu lassen; im letzten Satz des Vordruckes heißt es sinngemäß, die Erledigung der genannten Leistungen sei Voraussetzung für eine Wohnungsabnahme.

Der Klage war daher in Höhe von 618,83 € stattzugeben.

Die zuerkannten Zinsen sind als Verzugszinsen geschuldet.

Der Streitwert war auf 840,08 € festzusetzen. In Höhe von 51,81 € wurde die Klage abgewiesen. In Höhe von 618,83 €war die Klageforderung unstreitig; insoweit hat sich die Beklagte mit Primäraufrechnung verteidigt. Sie hat Forderungen in Höhe von 71,40 €, 973,20 € und 98,77 € zur Aufrechnung gestellt. Da das Gericht über die Forderung in Höhe von 973,20€ nur in Höhe von 618,83 € entschieden hat, beläuft sich der Streitwert insgesamt auf 840,81 € (51,81 € + 71,40€ + 618,83 € + 98,77 €).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. ZPO. Durch die Zuvielforderung der Kläger (6,2 % des Streitwertes) sind keine zusätzlichen Kosten entstanden, so dass es gerechtfertigt erschien,der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.