Hessisches LAG, Urteil vom 24.05.2012 - 12 Sa 144/11
Fundstelle
openJur 2012, 70265
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. Oktober 2010 – 17Ca 2657/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf finanzielle Abgeltung von Überstunden und Urlaub aus einem mittlerweile beendeten Arbeitsverhältnis.

Die Beklagte ist die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der A (in der Folge: Schuldnerin). Die Klägerin war vom 2.5. 2005 bis zum 15.9.2009 zu einem Bruttostundenlohn von € 12,80 bei der Schuldnerin als Mediengestalterin beschäftigt. Arbeitsvertraglich war ein Jahresurlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen vereinbart. Vom 15.7.2007 bis zum 15.7.2009 nahm die Klägerin unmittelbar nach der Geburt ihrer Tochter Elternzeit.

Im Jahre 2006 nahm die Klägerin acht Tage Urlaub. Im Jahre 2007 nahm sie im Februar zwei Tage Resturlaub aus 2006 sowie später vier Tage aus dem Jahr 2007.

Bei der Schuldnerin wurden Anwesenheitszeiten intern von der Arbeitgeberin in einem Formblatt erfasst. Die von der Klägerin vorgelegte Kopie eines solchen mit „Fehlzeiten- bzw. Lohnfortzahlungszeiten, Datum 23.04.2007“ überschriebenen Formblatts weist für sie in der Rubrik Resturlaub 16/06 und in der Rubrik Überstunden 162 Stunden und 15 Minuten aus (Bl. 20, 21 d.A.). Auf diese Eintragungen hat die Klägerin ihre am 13.4.2010 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage auf Abgeltung von insgesamt 29 Urlaubstagen aus 2006 und 2007 sowie auf Vergütung von 162 Überstunden in Höhe von insgesamt € 5.043,20 brutto gestützt.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens beider Parteien in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils ( Bl. 41 – 43 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. hat mit Urteil vom 3.11.2010 (17 Ca 2657/10) die Schuldnerin zur Zahlung von € 1.024,00 brutto zur Abgeltung von 10 Urlaubstagen aus dem Jahr 2007 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung der abgewiesenen Ansprüche hat es ausgeführt, dass der Resturlaub aus dem Jahr 2006 zwar ins Jahr 2007 übertragen worden, dann aber mit Ablauf des 31.3.2007 gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen sei. Die Klägerin habe das Bestehen einer betrieblichen Übung hinsichtlich einer Urlaubsübertragung auf das gesamte folgende Kalenderjahr nicht substantiiert dargelegt. Allein das Formular Anwesenheits- und Fehlzeiten vom 23.04.2007 lasse den Schluss auf das Vorhandensein einer entsprechenden betrieblichen Übung nicht zu. Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht unmittelbar aus diesem Formularausdruck abzuleiten. Ihm komme nicht die Qualität eines formlos wirksamen deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zu; denn es werde daraus nicht ersichtlich, dass es den Zweck verfolgen solle, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen. Ein solcher Erklärungswert könne dem Formblatt nicht beigemessen werden. Die Abweisung des Anspruchs auf Bezahlung von Überstunden hat das Gericht damit begründet, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, in welcher Höhe sie an welchem Tag bzw. für welche Woche Überstunden geleistet hat und welche Stunden zusätzlich zu ihrer regulären Arbeitszeit geleistet wurden. Das Formblatt vom 23.04.2007 könne sie auch hier ihrer Darlegungslast nicht entheben, weil daraus auch für die Überstundenleistung kein Anerkenntnis abgeleitet werden könne. Für die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 43 – 47 d.A.).

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.01.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 31.01.2011 Berufung eingelegt und diese am 18.02. 2011 begründet. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Homburg vom 1.07.2011 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte als Insolvenzverwalterin eingesetzt. Die Klägerin hat nach Fortsetzung des zwischenzeitlich unterbrochenen Berufungsverfahrens ihren Antrag von Zahlung auf Feststellung zur Insolvenztabelle umgestellt. Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin in Höhe des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrags zur Insolvenztabelle anerkannt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, bei der Schuldnerin sei es ständige Übung gewesen, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nicht eintrete, sondern Urlaub auch noch nach Ablauf des Übertragungszeitraums gewährt wurde. Die Klägerin hält an ihrer Ansicht fest, dass das Formblatt vom 23.04.2007 die rechtlichen Anforderungen an ein Schuldanerkenntnis gemäß § 782 BGB erfülle, da es sowohl hinsichtlich des Urlaubs als auch der Überstunden ein Rechenergebnis darstelle. Zumindest müsse es zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen. Des Weiteren sieht sie es als treuwidrig an, wenn sich die Beklagte darauf berufe, die Aufzeichnungen seien nur intern gewesen und hätten keinen Rechtscharakter; denn den Mitarbeitern sei bekannt gewesen, dass die Schuldnerin die Urlaubstage und angefallenen Überstunden intern aufzeichne. Daher habe für sie kein Anlass bestanden, die an sich für die Durchsetzung von Ansprüchen erforderlichen Aufzeichnungen selbst zu führen. Die Schuldnerin habe sie so bewusst an eigenen Aufzeichnungen gehindert.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 3.11. 2010 festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A eine Insolvenzforderung in Höhe von 5.043,20 brutto zusteht

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie ist zudem der Ansicht, dass aus einer internen Aufstellung kein Anerkenntnis von Ansprüchen abgeleitete werden könne. Die Aufstellung sei ohne Mitwirkung der Klägerin zustande gekommen, lasse keinen Aussteller und keinen Zweck, zu dem sie gefertigt wurde, erkennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 516, 519, 520 ZPO).

Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, weil sie unbegründet ist. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Feststellung und Aufnahme von Ansprüchen auf Zahlung von Urlaubsabgeltung und Überstunden gemäß §§ 174, 175 InsO zu. Hinsichtlich des Teilbetrags in Höhe von € 1.024,00 brutto folgt dies bereits daraus, dass die Beklagte ihn durch Aufnahme in die Insolvenztabelle erfüllt hat (§ 362 BGB). Darüber hinaus besteht keine weitere Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der eingeklagten Forderungen zur Insolvenztabelle; denn der Klägerin steht weder gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung von 14 Urlaubstagen aus dem Jahre 2006 noch gemäß § 611 BGB ein Anspruch auf Vergütung von 162 Überstunden zu. Das Berufungsgericht folgt zur Begründung in vollem Umfang den Gründen der angefochtenen Entscheidung und macht sich diese voll inhaltlich zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf diese verwiesen.

Die mit der Berufung vorgebrachten Angriffe, mit denen die Klägerin ihr erstin-stanzliches Vorbringen vertieft, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere führen sie weder zur Annahme einer betrieblichen Übung hinsichtlich der Übertragung von Urlaubsansprüchen auf das gesamte folgende Kalenderjahr noch zu einem Anerkenntnis der Urlaubsabgeltungs- oder der Überstundenvergütungsansprüche gemäß § 782 BGB.

1. Die Klägerin hat das Bestehen einer betrieblichen Übung, die die Übertragung von Urlaubsansprüchen auf das gesamte folgende Kalenderjahr erlaubt, nicht entsprechend den im Urteil des Arbeitsgerichts ausgeführten rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer betrieblichen Übung dargelegt. Die pauschale Behauptung unter Verweis auf drei weitere Mitarbeiter, es habe eine entsprechende Handhabung bestanden, reicht dafür, wie das Arbeitsgericht bereits richtig ausgeführt hat, nicht aus. Die Klägerin hat zu diesem Punkt in der Berufungsinstanz auch keinen ergänzenden Vortrag geleistet.

2. Die interne Aufstellung vom 23.04.2007 zu Überstunden und Urlaubsansprüchen (Bl. 20, 21 d.A.) stellt kein Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780 - 782 BGB dar.

Die Annahme eines Schuldanerkenntnisses gemäß § 780 BGB oder § 781 BGB scheitert bereits an der fehlenden Schriftform. Gemäß § 126 BGB setzt die Einhaltung der Schriftform eine eigenhändige Unterschrift des Ausstellers voraus. Daran fehlt es her offensichtlich.

Es fehlt jedoch auch an den Voraussetzungen des formfrei möglichen Schuldanerkenntnisses gemäß § 782 BGB; denn der Aufstellung vom 23.04.2007 kommt der Rechtscharakter einer Abrechnung iSd. § 782 BGB nicht zu. Abrechnung ist jede unter Mitwirkung von Gläubiger und Schuldner stattfindende Feststellung eines Rechnungsergebnisses (Palandt/Sprau BGB 65. Aufl. § 782 Rz. 2). Das setzt zumindest voraus, dass der Schuldner eine Erklärung über den Schuldgrund gegenüber dem Gläubiger abgibt, die dieser in irgendeiner Form annimmt. Hier fehlt es bereits an einer von der Schuldnerin gegenüber der Klägerin entäußerten Erklärung zu wechselseitig bestehenden Forderungen. Der unstreitig nur internen Aufstellung der Schuldnerin kann ein solcher Rechtscharakter nicht beigemessen werden. Das würde voraussetzen, dass die interne Auflistungen den Mitarbeitern bekannt gemacht worden, ausgehändigt oder allgemein zugänglich gewesen wäre. Das ist jedoch von der Klägerin nicht behauptet worden. Sie hat mit keinem Satz etwas dazu ausgeführt, wie sie mit einer Verzögerung von knapp 3 Jahren überhaupt in den Besitz der internen Aufstellung der Schuldnerin vom 23.04.2007 gelangt ist. Fehlt es aber an der Absicht der Schuldnerin, sich der Aufstellung von Ansprüchen, Stichtag 23.04.2007, zu entäußern, kann daraus das Zustandekommen eines Schuldanerkenntnisses gegenüber der Klägerin nicht abgeleitet werden.

3. Das Führen interner Aufstellungen kann der Schuldnerin nicht als treuwidrig (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Da die Mitarbeiter nicht wussten, ob und zu welchen Ansprüchen die interne Aufstellung der Schuldnerin führte, sie danach anscheinend auch nie fragten, gab es auch keinen Anlass für sie, sich auf die unbekannten Aufstellungen ihres Arbeitgebers blind zu verlassen und sich an eigenen Aufzeichnungen zur Leistung von Überstunden gehindert zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung (§ 72 Abs.2 ArbGG).