Hessisches LAG, Urteil vom 31.01.2012 - 13 Sa 1208/11
Fundstelle
openJur 2012, 68952
  • Rkr:

§ 3 a AVR Kurhessen Waldeck verstößt gegen Art. 12 GG und kann deshalb als Anspruchsgrundlage für die Rückzahlung von Fort- und Weiterbildungskosten nicht herangezogen werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 14. Juli 2011 – 1 Ca 122/11 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Die Beklagte war in dem nunmehr von der Klägerin betriebenen Altenhilfezentrum im Zeitraum vom 1. März 1995 bis zum 31. Dezember 2009 als examinierte Altenpflegerin für ein Grundgehalt von zuletzt monatlich 1.918,19 Euro brutto beschäftigt. Grundlage dieses Beschäftigungsverhältnisses war der unter dem 21. Juni 1995 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin geschlossene Arbeitsvertrag. Nach §2 dieses Vertrages gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des B der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung für das Dienstverhältnis.

Die Arbeitsvertragsrichtlinien für den Bereich des B in C(nachfolgend AVR.KW) enthalten u. a. folgende Regelungen:

§ 2 Allgemeine Dienstpflichten

(1) Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat seine beruflichen Fähigkeiten und Erfahrungen uneingeschränkt in den Dienst der diakonischen Arbeit zu stellen. Sie bzw. er soll jederzeit bemüht sein, das fachliche Können zu erweitern. Bei Ausübung ihres bzw. seines Dienstes hat sie bzw. er die für ihren bzw. seinen Arbeitsbereich bestehenden Gesetze und Verhaltensbestimmungen sowie die durch Dienstanweisung oder Anordnung ihrer bzw. seiner Vorgesetzten gegebenen Weisungen zu beachten.

§ 3a Fort- und Weiterbildung

(1) Wird eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter auf Veranlassung und im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträgerinnen bzw. Kostenträger bestehen, von der Dienstgeberin bzw. vom Dienstgeber

a) der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter, sofern sie bzw. er freigestellt werden muss, für die notwendige Fort- und Weiterbildung das bisherige Entgelt ( § 14 Abs. 1) und gegebenenfalls die Besitzstandszulage (§ 14 Abs. Buchst. b)fortgezahlt und

b) die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.

(2) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist verpflichtet, der Dienstgeberin bzw. dem Dienstgeber die Aufwendungen für eine Fort-oder Weiterbildung im Sinne des Abs. 1 nach Maßgabe des Unterabs. 2zu ersetzen, wenn das Dienstverhältnis auf Wunsch der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters oder aus einem von ihr bzw. ihm zu vertretenden Grunde endet. Satz 1 gilt nicht, wenn die Mitarbeiterin wegen Schwangerschaft oder wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.

Zurückzuzahlen sind, wenn das Dienstverhältnis endet

a) im ersten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung,die vollen Aufwendungen,

b) im zweiten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung,zwei Drittel der Aufwendungen,

c) im dritten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung,ein Drittel der Aufwendungen.

§ 45 Ausschlussfristen

(1) Ansprüche auf Leistungen, die auf die Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit nach den §§ 12 und 13 gestützt sind, sowie die allmonatlich entstehenden Ansprüche auf Entgelt (§§ 14 bis 19a)müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

(2) Andere Ansprüche aus dem Dienstverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, soweit die AVR nichts anderes bestimmen.…“

In der Zeit vom 5. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 absolvierte die Beklagte auf Anordnung der Klägerin bei dem Diakonischen Aus-und Fortbildungszentrum für Altenarbeit in A die Fortbildung „Palliativ Care, Behandlung, Pflege und Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen“. Diese Fortbildung umfasste 160 Unterrichtsstunden verteilt auf 20 Unterrichtstage.Hinsichtlich der einzelnen Fortbildungsthemen wird auf Blatt 14 d.A. Bezug genommen.

Für die Teilnahme an der Fortbildung stellte die Klägerin die Beklagte an 20 Arbeitstagen unter Fortzahlung der Vergütung frei.Insgesamt belief sich die für die 20 Tage von der Klägerin gezahlte Vergütung auf 1778,47 € brutto. Wegen der Berechnung dieses Betrages wird auf Bl. 279, 280 d. A. Bezug genommen. Die von der Klägerin übernommenen Fortbildungsgebühren betrugen 929,65€.

Zwei Monate nach Ende der Fortbildung, nämlich mit Schreiben vom 30. Juni 2009, kündigte die Beklagte ihr Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. Dezember 2009.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Mai 2010 (Bl. 19 d. A.) erfolglos zur Rückzahlung der Fortbildungskosten in Höhe von damals noch 3.977,25 € auf.

Mit der am 28. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 30. März 2011 der Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin diesen Anspruch gerichtlich geltend gemacht.

Sie ist der Ansicht gewesen, aus dem unter dem 21. Juni 1995geschlossenen Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 3 a der AVR.KWeinen Anspruch auf Rückzahlung der Fortbildungskosten zu haben. Die Rückzahlungsklausel sei – so die Meinung der Klägerin –wirksam, da sie ordnungsgemäß auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommen sei. Sie sei lediglich dahin zu überprüfen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoße. Dies sei nicht der Fall. Die von der Beklagten absolvierte Fortbildung habe sich zwar nicht auf deren Vergütung ausgewirkt, gleichwohl habe sie ausreichende Vorteile für die Beklagte gehabt, so dass keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit gegeben sei. Die Klägerin hat weiter behauptet, dass diese Fortbildung zur Sicherung des Arbeitsplatzes der Beklagten erheblich beigetragen und ihre Qualifikationen verbessert habe. Die Fortbildung habe nicht nur der Qualitätssicherung im herkömmlichen Sinne gedient. Vielmehr habe es sich bei dieser Fortbildung um eine Zusatzqualifikation aufgrund besonderer Anforderungen gehandelt,die dann zusätzlich abgefordert worden seien. Überdies sei die Beklagte gemäß § 2 der AVR.KW generell zu Fortbildungen verpflichtet.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.738,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.Juni 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe schon die sich aus § 45 Abs. 2 AVR.KW ergebende Ausschlussfrist versäumt.Diese 6-monatige-Frist beginne bereits mit dem Zugang der Kündigung. Überdies schränke die Rückzahlungsverpflichtung nach § 3a AVR.KW ihre Berufswahlfreiheit übermäßig ein. Dies insbesondere,weil sich die Fortbildung – unstreitig – weder auf die bei der Klägerin erzielte Vergütung ausgewirkt habe, noch auf ihre Chancen am Arbeitsmarkt. Die Fortbildung habe lediglich, so hat die Beklagte weiter behauptet, ihr Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf Tätigkeiten vermittelt, die sie bereits zuvor seit dem Jahr 2006 habe ausüben müssen.

Mit Urteil vom 14. Juli 2011 hat das Arbeitsgericht die Klage unter Zulassung der Berufung abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die Klägerin habe zwar die Ausschlussfrist des § 45AVR.KW eingehalten, die Rückzahlungsklausel des § 3 a AVR.KW halte aber einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Sie verstoße gegen Artikel 12 Grundgesetz, weil sie in der vorliegenden Formulierung,die eine Rückzahlung von Fort- und Weiterbildungskosten jedweder Art vorsehe, die Berufswahlfreiheit der Beklagten übermäßig einschränke. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel oder eine ergänzende Vertragsauslegung komme ebenfalls nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl.215-234 d. A.).

Gegen dieses der Klägerin am 21. Juli 2011 zugestellte Urteil hat diese mit einem beim erkennenden Gericht am 19. August 2011eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 21. Oktober 2011 mit einem am 17. Oktober 2011 beim erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Fortbildung, so behauptet sie, habe die Qualifikation der Beklagten erhöht und damit ihre Einstellungschancen verbessert. Die zitierte Rückzahlungsklausel der AVR.KW enthalte eine abgewogene Regelung zum Vorteil des Arbeitgebers einerseits ohne übermäßige Bindung des Arbeitnehmers andererseits.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 14. Juli 2011– 1 Ca 122/11- abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.738,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. Juni 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Fortbildung habe ihren „Marktwert“ nicht erhöht. Sie habe keine Qualifikation erworben, die sie nicht ohnehin schon als Altenpflegerin gehabt hätte. Die Vergütung habe sich nach der Fortbildung weder bei der Klägerin noch bei der Folgearbeitgeberin wegen der fraglichen Fortbildung erhöht. Die Rückzahlungsklausel gemäß § 3 a AVR.KW sei – so meint die Beklagte weiter –wegen Verstoßes gegen Artikel 12 Grundgesetz unwirksam. Sie schränke die Berufswahlfreiheit übermäßig ein, weil die Klausel sich auch auf sämtliche Fort- und Weiterbildungen beziehe, die auf Veranlassung der Klägerin im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs anfallen, unanhängig davon, ob durch die Fortbildung ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer erlangt wird.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der Berufungsverhandlung vom 31. Januar 2012 Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG; 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet angesichts der ausdrücklichen Zulassung der Berufung durch das Arbeitsgericht (§ 64 Abs. 2 a; Abs. 3 Nr. 1ArbGG), auch hinsichtlich des Beschwerdegegenstandes keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG; 517; 519; 520ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung erfolglos.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Rückzahlung der Ausbildungskosten und die für die Ausbildungszeiten gezahlte Vergütung. Sie kann ihr Begehren insbesondere nicht auf § 3 a AVR.KW stützen.

Zwar hat die Klägerin, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die einschlägige Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2AVR.KW gewahrt. Danach sind andere als die in § 45 Abs. 1geregelten Ansprüche binnen einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit des Anspruchs schriftlich geltend zu machen.Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rückzahlung der Fortbildungskosten nicht bereits im Zeitpunkt des Zugangs der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden, sondern mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitverhältnisses (BAG vom 18. Oktober 2004 – 6 AZR 561/03-, NZA 2005, 516). Die Parteien haben hier durch die Bezugnahme auf die AVR das Entstehen und die daran knüpfende Fälligkeit des Erstattungsanspruchs der Klägerin an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebunden und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Verpflichtung zur Erstattung von Ausbildungskosten verknüpft. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist damit erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.Dezember 2009 entstanden und auch fällig geworden. Das Schreiben der Klägerin vom 27. Mai 2010 hat somit die 6-monatige Verfallsfrist nach Fälligkeit gewahrt.

Der Rückforderungsanspruch scheitert aber, weil § 3 a AVR.KWunwirksam ist.

Dabei mag sogar zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der AVR des B der evangelischen Kirche in Deutschland tatsächlich die hier in Anspruch genommenen AVR des B in C meinten und diese Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien werden sollten.

Es mag auch Zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die AVR.KW ordnungsgemäß auf dem sogenannten dritten Weg entstanden sind, also von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden und damit nicht der Dienstgeberseite zugeordnet werden können (BAG vom 22. Juli 2010 – 6 AZR 847/07 -, NZA 2011,634; BAG vom 22. Juli 2010 – 6 AZR 170/08 –, BB 2011,186; BAG vom 17. November 2005 – 6 AZR 160/05 -, NZA 2006,872). Dann unterliegen sie nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts,der die Kammer folgt, ähnlich wie Tarifverträge, gemäß § 310 Abs. 4Satz 2 BGB wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten bei der Inhaltskontrolle nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung, und zwar unabhängig davon, ob sie tarifvertragliche Regeln des Öffentlichen Dienstes ganz bzw. im Wesentlichen übernehmen (so noch BAG vom 19. November 2009 – 6 AZR 561/08-, AP Nr. 53 zu § 611 BGB Kirchendienst und BAG vom 06. November 1986 – 5 AZR 334/95 -, NZA 1987, 778; jetzt aber unbeschränkt BAG vom 22. Juli 2010, a. a. O.).

In diesem Fall rechtfertigen die Unterschiede gegenüber der Entstehung von Tarifverträgen keine weitergehende Überprüfung als von Tarifverträgen, nämlich nur, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges Recht oder die guten Sitten verstoßen (BAGvom 22. Juli 2010, a. a. O.; BAG vom 17. November 2005 a. a.O.).

Die vorliegende Rückzahlungsklausel verstößt gegen das in Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Grundrecht des Arbeitnehmers auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Hierdurch wird der Einzelne in seinem Entschluss geschützt, eine bestimmte Beschäftigungsmöglichkeit zu ergreifen, beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG vom 24. April 1991, NJW 1991, 1667). Dabei sind Rückzahlungsklauseln für Fort- und Weiterbildungskosten nicht grundsätzlich unzulässig. Die Rückzahlungspflicht muss aber vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese hat sich vor allem daran zu orientieren, ob und in welchem Maße der Arbeitnehmer mit der Aus-und Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt. Eine Kostenbeteiligung ist ihm umso eher zuzumuten, je größer der mit der Ausbildung verbundene Vorteil für ihn ist. Dieser Vorteil kann darin liegen, dass ihm die Ausbildung entweder bei dem bisherigen Arbeitgeber oder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berufliche Möglichkeiten eröffnet, die für ihn bisher nicht bestanden. Für die Dauer der zulässigen Bindung kommt es auf den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (BAG vom 05. Dezember 2002 -6 AZR 216/01-, NZA 2003,559; Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage 2011,Seite 1998).

Auch wenn die vorliegende Klausel „nur“ den Prüfungsmaßstäben für tarifliche Regelungen genügen muss, besteht eine Rückzahlungsverpflichtung schon dann nicht mehr, wenn die entsprechende Bestimmung der Rechtmäßigkeitsprüfung nach den o. a.Kriterien nicht standhält.

Es bestehen schon Bedenken, ob die Klausel wegen der Voraussetzung „im Rahmen… des Personalbedarfs“der Klägerin Bestand haben kann. Nach der Rechtsprechung des BAG(Urteil vom 6. November 1996 – 5 AZR 498/95 -, NZA 1997, 663)hätte die Klägerin vortragen müssen, dass innerhalb des Bindungszeitraums voraussichtlich Stellen zur Verfügung stehen, die mit einer Höhergruppierung verbunden sind und für die eine durch die Weiterbildung erlangte Qualifikation vorausgesetzt wird. Das behauptet die Klägerin hier aber selbst nicht.

Die Klausel ist aber jedenfalls unwirksam, weil sie auch die Rückerstattung von Fortbildungskosten statuiert, die für Weiterbildungen „im Rahmen der Qualitätssicherung“anfallen (zweifelnd schon LAG Köln vom 8. Mai 2006, -14(4) Sa 48/06-, NZA 2006, 570). Diese Qualifikation dient allein der Klägerin. Sie bringt dem Arbeitnehmer keinen geldwerten Vorteil,noch nicht einmal die Aussicht darauf, bindet ihn aber mindestens 1Jahr an den Arbeitgeber.

Das ist mit Artikel 12 Grundgesetz unvereinbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin sagt das Urteil des BAG vom 17. November 2005– 6 AZR 160/05 -, NZA 2006, 872, nicht anderes. Die dort geprüfte Rückzahlungsklausel aus § 10 a Abs. 2 AVR-Caritas enthält gerade nicht die Möglichkeit, Kostenerstattung für Weiterbildungen zu verlangen, die nur zur Qualitätssicherung der Arbeit des Arbeitgebers erfolgen.

Andere Anspruchsgrundlagen für das klägerische Begehren als der für rechtsunwirksam erkannte § 3 a AVR.KW sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Für Erwägungen zur geltungserhaltenden Reduktion, dem sogenannten blue-pencil-Test oder einer ergänzende Vertragsauslegung ist im Hinblick auf den oben dargestellten eingeschränkten Prüfungsumfang der AVR.KW kein Raum.

Die Klägerin hat als Unterlegene die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Revision ist zugelassen, weil die Frage der Inhaltskontrolle der AVR eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).